Tiefe Pfützen: Odds Against Tomorrow von Robert Wise

Ein Film, mit Bildern so satt, dass die Geschichte in ihnen verschwimmt. Gleich zu Beginn eine matt glänzende Pfütze auf irgendeinem Trottoir, jedes Bild, jede Geste eigentlich nur Teil eines filmischen Essays über städtische Pfützen und den ganzen Dreck, der in ihnen treibt, die lila Ölfilme, Zigarettenstummel, vollgesaugten Essensreste, die ausgespuckten Erinnerungen an die Gräuel der Vergangenheit, die tiefliegenden Krankheiten der USA. Im Sudel spiegelt sich der nächtliche Himmel, der nichts mehr zurückwirft außer gleichgültiger Wolken. So beginnt der Film und so endet er. Keine Träume, kein Entkommen. Dazwischen in den melancholischen Farben Schwarz und Weiß der ganze Hass der Vereinigten Staaten. Ihr Rassismus, ihre Gier, ihre ausgemergelten Gesten einer sich zum Prinzip erhobenen Männlichkeit. Das ist Odds Against Tomorrow von Robert Wise, in seinen unvergesslichsten Bildern mit einer speziellen Infrarotkamera gedreht. Ein solches technisches Detail spielt oft keine Rolle. Hier aber erzählt es von einem Sehen, das an den unter den Dingen liegenden Temperaturen interessiert ist, ein Mehr-Sehen salopp gesagt, die Kinematographie als Thermometer eines Zustandes.

Die Kamera führte Joseph C. Brun, es ist vollends unverständlich, warum seine Arbeit an diesem Film nicht in einem Atemzug genannt wird mit jener Gregg Tolands an The Grapes of Wrath oder Leonardo Simões an Juventude em Marcha. Die Bilder kontrastieren das Schwarz und Weiß, die Linien der Häuserschluchten, die Tiefen der kargen Wohnungen und Seelen mit solcher Wucht, dass man sich mit einem Mal wieder erinnert, warum das Kino und sonst nichts!

Die Zwischenbilder (Totalen und Stimmungsbilder) werden zum dominanten Strang, dazwischen leiden einige Figuren und suchen nach dem Glück. Man hofft fast, dass eines dieser menschenentleerten Bilder für immer auf der Leinwand stehen bleibt. Vielleicht auch weil man die allzu dick aufgetragene Allegorie des Films nicht mehr ertragen kann oder die Wahrheit, die sie einem sagt. Harry Belafonte, der den Film produzierte und sich Blacklist-Autor Abraham Polonsky (seine Dialoge treiben wie meist nach außen, lassen nicht zu, dass man sie nicht mit dem intendierten Hintersinn hört) ins Boot holte, hat eine wichtige und in ihrem pointierten Vortrag auch treffende Botschaft an jene, die kein bisschen oder besonders naiv an eine Versöhnung zwischen den Schwarzen und Weißen in den USA glauben. Der Film aber ist viel zu gut für derlei Diskurs. Seine Wahrheit übersteigt die Notwendigkeit seines Anliegens.

Das sah Robert Wise wohl ähnlich, zumindest lässt seine Regie das vermuten. Mehr als für den Noir-Plot oder die Rassismus-Allegorie interessiert er sich für das Umfeld, das Habitat, in dem sich die Narration ausbreiten darf. Zig Szenen füllen ein Nichts, das, so ahnt man, innerlich ist. So wird einmal eine im Treibgut verendete Puppe gezeigt und einmal wird der müde Körper einer einsamen Frau entblößt und einmal wird auf einen Hasen geschossen und einmal huscht ein Lächeln über ein versteinertes Gesicht und je mehr man davon sieht desto besser versteht man, dass unsere Handlungen und Vorurteile stets Produkte eines Klimas sind, dass es vermag, alle und besonders die, die besonders nachhaltig nach persönlicher Freiheit lechzen, mit in den Abgrund zu reißen. Mal tragisch machtlos, mal unwissend federführend.

Der Ausbruch, die Auflehnung gegen dieses Klima, wenn man Wise oder auch den Neorealisten vor ihm folgt, liegt im Verstreichen der Zeit, im Warten, das unablässig studiert wird in Odds Against Tomorrow, ein Warten auf den Gesichtern, in den Körpern, den Räumen, aber auf was eigentlich? Das, was in diesem Film vergeht und damit eigentlich schon im Werden vergangen ist, wird mit einem Mal zur reinen Gegenwärtigkeit und damit zu einer zweiten Chance, einem Innehalten, indem das, was eigentlich abläuft (der Film, das Leben, das Verbrechen), durchkreuzt werden könnte. Eine Bewusstwerdung. Dass diese sichtbaren und spürbaren Möglichkeiten, alles anders zu machen, nicht wahrgenommen werden von den Protagonisten, ist tragisch und zeigt einmal mehr wie passiv die größten Figuren des us-amerikanischen Kinos wirklich sind.

Film Lektüre: Film-Konzepte 41: Pedro Costa herausgegeben von Malte Hagener/Tina Kaiser

Eine Sache, die zumindest in der notwendigen Ausführlichkeit, in der dem portugiesischen Filmemacher Pedro Costa gewidmeten 41. Ausgabe der seit 2006 erscheinenden und von Thomas Koebner gegründeten Publikation Film-Konzepte fehlt, ist dessen Film Ossos. Es ist nicht so, dass er gar nicht vorkommen würde, aber es wird häufig ein erstaunlich direkter Weg von Casa de Lava zu No Quarto da Vanda gesucht. So wird eine Art Heldenreise über das Notizbuch, den Briefen, weg von einem industrielleren Filmemachen in die Einsamkeit des Digitalen installiert, deren Zwischenschritt über Ossos nur in Nebensätzen vorkommt. Vielleicht ist es auch eine Meta-Anspielung auf das Nicht-Sehen in diesem entscheidenden Film für Costa, der auch für die auf die Arbeitsweise zielende Argumentation des Buchs absolut essentiell gewesen wäre. Dann aber müsste man noch viel lauter fragen: Wo sind O Sangue, Où gît votre sourire enfoui? oder Ne change rien? Allgemein rühmt sich diese Ausgabe nicht gerade mit einem Anspruch auf eine umfassende Besprechung des Gesamtwerks.

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Das wäre auch nicht notwendig. Eine etwas hilflose Einleitung von Malte Hagener und Tina Kaiser hätte aufzeigen können, was der Schwerpunkt oder die Schwerpunkte der ausgewählten Essays sind und somit das Fehlen dieser Schlüsselwerke in dieser ersten deutschsprachigen Publikation über einen der entscheidenden zeitgenössischen Filmemacher erklären können. Stattdessen aber gibt sie eher unfreiwillig den Ton der meisten Texte vor. Costa, so hat man das Gefühl, wird wie ein Alien behandelt (Ulrich Köhler schreibt in seinem Text vielsagend: „No Quarto da Vanda ist ein Ufo.“). Vielleicht ist er das auch im Kontext dessen, was man normal so unter Filmemachen versteht, aber blickt man auf die Reihenfolge und Kombination der einzelnen Essays hat man außer im aus dem Buch herausstechenden Text Casa de Lava. Twenty Years Later von Volker Pantenburg den Eindruck, dass es hier nicht um Vermittlung geht, sondern um ein Suchspiel mit dem Namen: Wer entdeckt einen Einfluss? Wer erklärt besser wie es hergestellt wurde? Wilde Querverbindungen werden kaum argumentiert ineinander geworfen. Wenn dann in solchen Versuchen Lisandro Alonso als asiatischer Filmemacher geführt wird oder Tsai Ming-liang in einen Topf mit Jia Zhang-ke (angeblich arbeitet ersterer auch mit dokumentarischen Formen) geworfen wird, dann fragt man sich schon nach wenigen Sätzen, warum man ein solches Buch überhaupt liest.

Diese Worte sind zugegeben etwas harsch, schließlich kann man den meisten Texten nicht wirklich große Dinge vorwerfen und allein die Tatsache, dass es dieses Buch gibt und Costa so einem anderen, vermutlich breiteren Publikum vorgestellt wird, ist absolut löblich. Nur nach Ideen oder gar kritischen Ideen, die man nicht anderswo (vor allem bei Jacques Rancière und Costa selbst) bereits gelesen hat, sucht man vergeblich. Das betrifft sowohl die Argumentation einzelner Texte, bei denen der etwas verkopfte Costas Nachleben von Daniel Eschkötter noch am ehesten eine eigene Argumentation aufbaut (selbst wenn er dafür Costas Kino in einem Einkaufswagen durch die Theorie Foucaults fahren muss, um einen Weg hin zu einer diskontinuierlichen Geschichtsschreibung in Cavalo Dinheiro zu finden…) sowie (und das wiegt schlimmer) die Publikation als solche. Ein Zugang zur Argumentationslinie fällt schwer. Geht es hier um eine Ansammlung von Texten zu Costa? Geht es um eine Vorstellung des Filmemachers, um bestimmte Ideen von ihm oder den Autoren? Warum dieses Buch jetzt? Der Hauptfokus liegt auf der Arbeitsweise des Filmemachers, das wird zumindest deutlich. Neben Ulrich Köhlers zu kurzem Text mit dem verlockenden Titel Was macht Pedro Costa in Vandas Zimmer?, Zur Idee gemeinschaftlichen Filmemachens bei Pedro Costa von Ilka Brombach, Tina Kaisers Ermöglichungen, in dem sie einige schöne Überlegungen zur Frage des Filmemachers als Künstlers anstellt, betrifft das vor allem Costas zum ersten Mal ins deutsche übersetzen Vortrag A Closed Door that leaves us guessing. Diese vier Texte behandeln mehr oder weniger exakt die gleiche Fragestellung mit unterschiedlichen Worten. Gebraucht hätte es dafür nur jenen Text von Costa selbst. In den letzten beiden Texten spielt dann auch der vermisste Ossos eine gewisse Rolle und zwar immer dann, wenn Costa darüber spricht. „Jedes Bild ist ein Eingriff.“, formuliert Köhler und insbesondere Kaiser vermag aus dem Respekt vor der Anmaßung des Filmens diese Ethik von Costa nahe bringen. Leider wiederholen sich diese Gedanken in den unterschiedlichen Texten immer wieder.

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Im Essay von Brombach wird ein weiteres Problem deutlich. Die Publikation kann sich nicht entscheiden zwischen ihrem wissenschaftlichen Anspruch und der nur selten vorhandenen Freiheit (der Autoren/der Cinephilie). So kombiniert die Autorin willkürlich Aussagen von Costa aus Q&As und filtert daraus ihre Argumentation. Außerdem bezeichnet sie beispielsweise das Gemälde, das in Cavalo Dinheiro auf die Fotografien von Jacob Riis folgt, als „schöner“ als diese und behauptet, dass es in Juventude em Marcha immer/in jeder Szene um einen Verlust der Gemeinschaft ginge. Ventura will sie in drei Filmen vor Cavalo Dinheiro entdeckt haben. (mit Kurzfilmen sind es mehr, ohne Kurzfilme sind es weniger). Es geht zu oft darum aus einer äußerst oberflächlichen und zum Teil fragwürdigen Betrachtung der Filme und genauso oberflächlichen Wahrnehmungen der Aussagen über und des Filmemachers auf einen pseudo-wissenschaftlichen Schluss hinzuführen. An diesem Text lässt sich auch der merkwürdige Umgang mit Einflüssen nachvollziehen. So erläuert Brombach, das Costa den Ansatz von Straub/Huillet weiterentwickelt habe. Diese Weiterentwicklung wäre notwenidig geworden, da die gesellschaftlichen Veränderungen ausblieben. Nur sucht man vergeblich danach wie diese Weiterentwicklung denn nun aussieht. Vermutlich ist die Kollektivität des Filmemachens gemeint, die ein paar Zeilen vorher im Verhältnis zu Reis/Cordeiro erläutert. An solchen Stellen würde man sich einfach wünschen, dass es statt drei Texten, die sehr allgemein die Arbeitsweise von Costa schildern, einen spezifischeren Vergleich geben würde, wenn man denn schon immer diese anderen Namen nennen muss.

Pantenburg ist der einzige Autor, der in seinem Text zu Casa de Lava tiefer in die Materie eindringt. Nicht nur analysiert er beeindruckend manche Bilderkombinationen des Notizbuchs, das vor, während und nach dem Film entstand, sondern setzt diese auch in ein spannendes Verhältnis zum Film/den Filmen. Hier vermag ein Autor aus der Frage nach der Arbeitsweise Rückschlüsse auf die Ästhetik gewinnen. Ebenso sind seine Beobachtung zum wiederkehrenden Brief von Robert Desnos, der die Werke Costas durchweht, von großem Interesse. Einen ähnliche close reading Ansatz verfolgt auch Annika Weinthal in ihrem Essay Gezückte Messer. Gesten der Widerständigkeit in Juventude em Marcha. Dabei geht sie von der Eröffnungsszene des Films und der Figur Clotilde aus, um über Raum und Zeit im Film und bei Costa nachzudenken. Es ist ein vielversprechender Ansatz, der in der Knappheit des Textes erstickt wird. Die Kürze der Auseinandersetzungen ist ein großes Problem, da das Buch ja keineswegs aufeinander aufbaut. Wie man eine solche Publikation über einen nicht ganz so leicht zugänglichen und von mir aus „Alien-Filmemacher“ aufbauen könnte, lässt sich zum Beispiel an Publikationen wie For Ever Godard (Michael Temple, James S Williams und Michael Witt) oder dem grandiosem Buch über Hou Hsiao-hsien von Richard Suchenski sehen. Dort ist die Verbindung aus Wertschätzung, Kritik, Beschreibungen, Meinungen und Kontextualisierung auch deutlich präziser und mutiger. Am Ende ist diese Ausgabe von Film-Konzepte zu brav. Vielleicht verstehe ich den Sinn und das Anliegen solcher Publikationen aber einfach nicht. Allerdings scheint es mir bedenklich, wenn ich mit ein paar Klicks die gleiche Anzahl an Texten online finde nur mit höherer Qualität.

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Zu Beginn des Buchs findet sich eine biographische Verortung Costas im portugiesischen Kino und der Kunstszene Lissabons, die eben doch einen gewissen Anspruch auf ein Abdecken des Filmemachers vermuten lässt. Doch außer Betrachtungen zur Arbeitsweise und der beständigen Feststellung, dass Costa parallel zu manchen Strömungen der Malerei das „Tragische und Epische im Infamen“ freilegen kann (eine „Idee“, die das Lincoln Center allein mit dem Titel ihrer Retrospektive „Let us now praise infamous men“ besser auszudrücken wusste), bleiben nur hilflose Bemühungen, die sich verkleiden in eine wissenschaftliche Sicherheit und Redundanz. Vielleicht ist es aber auch beruhigend zu sehen, dass man einem solchen Filmemacher mit diesen sich selbst erstickenden, Muster-Strategien nicht wirklich nahe kommen kann.

Youth Under The Influence (of Pedro Costa) – Part 4: Conversa Acabada

Michael Guarneri and Patrick Holzapfel end their discussion about the films they have seen after meeting with Mr. Costa in Munich, in June 2015. But is there really an end in cinema or does it have to be written on the screen artificially, as Serge Daney once stated, in order for us to believe in it and be able to leave the cinema to find out that outside the sun also shines bright?

Part 1

Part 2

Part 3

Patrick: (…) I want to ask you two questions: 1) Do you think Mr. Costa films more the things he loves or the things he fears?; 2) Do you prefer in cinema to be confronted with the things you love or the things you fear?

Pedro Costa (Foto: Thomas Hauzenberger)

Pedro Costa (Foto von Thomas Hauzenberger)

Michael: 1) I think it is a matter that goes beyond fear or love. I guess that Mr. Costa films the things, the places, the people, the dynamics that interest him. He films stuff that he wants to know more about. He was a student of history in his youth, wasn’t he? Can we say he is a searcher, a researcher, a historian, a chronicler? I don’t know, maybe it’s just me, but I have always seen a certain (ideal) parallel between some of Mr. Costa’s films and things like Die Kinder von Golzow…Of course, in spite of all the years of hard work and efforts, Mr. Costa will never really know, much less understand, what it was like for people like Vanda or Ventura to grow up/old in Fontainhas: Vanda, Ventura and Mr. Costa  might all be living in the same city at a given time, but they were born in different worlds completely. Nevertheless, what is crucial to me is that Mr. Costa wants to know: he struggles to know more – not everything, mind you, just a little bit more… the color of a shirt, the shape of the creature in Ventura’s nightmare, little details like that… He wants to know more about the things that interest him, and he tries to leave a record, a trace of what he finds out. This is what I admire.

2) I am not sure about what I like to be confronted with. I am open to all possibilities, I guess. Even though, I have my prejudices, as discussed before…

In addition to hearing your opinion on 1) and 2), I’d like to know: can you imagine In Vanda’s Room, Colossal Youth and Horse Money in literary form? Like an essay, or a Riis-esque news report, a novel…

Patrick: No, I cannot imagine those works as written texts. Mr. Costa is very much about the material sensuality as well as the time of things, in my opinion.  There might be another relation to the Straubs: I cannot imagine someone blinking in another medium.

People talk about Hou Hsiao-hsien as a chronicler also, and I have problems with it. Yes, there is history in their works, there is a sense of time, politics and how they relate to each other. But I think to call them historians is wrong. They make cinema. Of course, we can talk about history through cinema, but there is an immediate presence of things that comes way before it… the wind, the movement, the eyes… all these things… and please do not tell me that this is mysticism again! It is not. There is a director and he makes a decision. It is like Godard said: History is with a big, capital “H” in cinema, because it constantly projects itself. It cannot be history without first being cinema, and by first being cinema it becomes presence (when done by those masters). It is a philosophical question, no doubt. Cinema can give me the experience of time… this is not what historians do. Historians – as much as I admire some of them – can also make me aware of time, but they can never make me experience it.

This is an emotional topic for me. I don’t know why. Concerning the questions about fear and love, there is a strange relationship going on between them in life, and also with Mr. Costa, I think. We were talking about that before: this fear of desire… When I was a child, cinema could make me be afraid of something, and this is why I have loved it. But now it is the other way around. Now, it can make me love certain things, and this is why I am afraid of it.

Have you seen any John Ford after we met with Mr. Costa? You have written a great article comparing Colossal Youth, Horse Money and Sergeant Rutledge (LINK).

JMonteiro

Michael: “Histoire(s)” with a capital H and – Godard added – with two “S”, as in “S.S.”. Which naturally brings us to that good old fascist John Ford. Nah, just kidding. To answer your question: yes, I have seen some Ford after we met with Mr. Costa. Let’s go straight into eye of the cyclone: 7 Women. What do you think about it? I think it is quite a ridiculous film.

Patrick: I have seen 7 Women after having seen many Ford movies in a row and, for me, it was one of his weakest. It touches the ridiculous, especially in terms of casting. But then I couldn’t help seeing 7 Women in relation to its being the last of Ford’s films. His last film… It is full of bitterness and cynicism. There is a statement in the end. Moreover Ford got rid of many things there, it is a film that goes to the essence which in this case is survival for me. And he seemed much less a fascist in the end, didn’t he?

What makes you dislike it? Mr. Costa has talked about abstraction in the past and how he observed that filmmakers are heading towards abstraction in their later works. Would you say he is right, also in regard of Ford?

Michael: Firstly, I don’t agree with your placing such an emphasis on closure, or finality. Ford couldn’t and didn’t know that 7 Women was to be his last film. Maybe his next project (I am sure there was a next project, there always is…) was a romantic comedy, who knows? I think it is one of the fallacies that affect last films: their importance tends to be overestimated (in dramatic, bitter and cynical terms, more often than not) because they are THE END of an author. This annoys me, I have to be honest. It is as if at the end of his life a man couldn’t help be bitter and cynical, which Ford certainly was, but no more in the ending of 7 Women than, say, in the ending of Stagecoach that I have already described and praised at the beginning of our conversation. And just imagine Ford dying after Donovan’s Reef, a film made a couple of years before 7 Women, but completely devoid of gloomy atmosphere, rape, infanticide, madness, suicide. Donovan’s Reef is a charming, heart-warming romantic comedy that totally looks like an old man saying goodbye to life and closing his eyes in peace with the world, doesn’t it? In the utopic atoll everything turns out fine for the main characters, Wayne gets the city girl and they all live happily ever after. I mean, the worst thing that happens in Donovan’s Reef is that the city girl might be a bit uppity and racist at the beginning. Nothing that a good spanking can’t cure…

7 women

Anyway, back on the main subject, yeah, in 7 Women the casting is kinda meh. Plus, the characters are not only too many (specifically, there are too many women, some of whom are overlapping in their “distinctive characteristics”), but also one-dimensional, cartoonish and uninteresting. The lines are awful most of the time, and the acting… ouch! The Anne Bancroft character is tough and cool, but watching her playing a johnwayner version of John Wayne is just painful. Plus, Mike Mazurki wrestles Woody Strode and wins? No fucking way. However, I believe that at that point in his career Ford was experienced enough to make a film in which everything is intentional, so if he did things like that, he wanted the film to be like that, for some reason I cannot grasp. It was intentional, I am sure, to make the mother-to-be SO annoying… that is kinda interesting, as a matter of fact: the big hero(ine)’s self-sacrifice for this nagging, unsympathetic, ugly, old woman who was stupid enough to get pregnant in middle-of-nowhere China, fucking her nagging, unsympathetic, ugly, old husband. Wow! Which leads me to what I believe is the essence of Ford’s cinema: to me it is not survival, as you say, but duty. If the core was survival, there would be no need for the Bancroft character to kill herself: she could have killed the big bad wolf and try to survive the aftermath of her action… Running away or something. Worst case scenario, the henchmen catch her and kill her. But no. She kills the baddy and immediately commits suicide. Why? Because she must fulfill her duty: to be a hero (and a fallen woman). Just my two cents, sorry if it sounds dogmatic.

I don’t know if there’s a connection between directors getting old and their movies moving towards abstraction, as Mr. Costa says. Do you think so? On the matter of aging filmmakers, I agree with Quentin Tarantino, who said that as a filmmaker gets old, his films tend to be not so good as the first ones. There are many exceptions, of course, but in my opinion this is generally true.

Patrick: You are right, I was wrong (sounds like a Locarno winner) about survival not being the essence, but I don‘t think it is duty either (though there is an argument that the duty in this film is survival). I think duty in Ford is not a question of morals, getting an order or something like that; it is about a political statement and the fiction that is built around it. In this regard, the ending of 7 Women may not be as dull as you described it. For me, it is also a film that takes place in a lost paradise (there is some strange turn-around connection with Donovan’s Reef). It is not China as China. As far as my perception and memories of the film are concerned, you take things very literally. The question of being a hero(ine) is not so simple here, because the question in Ford is always more about the: “What does it take? Where is the lie/fiction? Do we accept it?”. Here, his solution is killing, which leads to suicide. Is this a dull statement, or do we find something in-between, maybe more on an abstract level? 7 Women speaks to many things Ford has done during his career. The dry way suicide is shown is far away from heroism in my view. Maybe Ford even had the same thoughts as you about the stupidity of duty? I tend to find always both sides in Ford, especially in his endings. The romanticism of the hero, which he most clearly shows in Young Mr. Lincoln, is not always pure. There is a doubt, an irony (The Irony Horse, very bad play on words…)… Let’s take The Lost Patrol, a film I mentioned earlier which is also set in a supposed paradise, the Mesopotamian desert.  This film is far more abstract than many others and it is not a late work of Ford… There is an invisible enemy and a feeling of sad impuissance in the face of war.  Feelings we can understand today. There are also suicides. In the end, there is a kind of savior. A Sergeant defends himself against all enemies until another patrol saves him. For me, in The Lost Patrol as well as in 7 Women (though the former is a much, much better film, I am only trying to state that the latter is not dull), Ford tells about the fictional nostalgia of heroes in the shadow of a reality that overpowers anyone in it. There is a constant inability to explain, to communicate in these enclosed worlds of men or women. The only things that are able to reach out are violence and friendship/love, and both of them do not really work. 7 Women asks about the thin line between being victim and perpetrator, and in the end – like in The Lost Patrol – Ford talks about the salvation of destruction and the destruction of salvation. Maybe those words are much too big, but I find your approach to Ford in terms of narration, and how casting justifies it, a little narrow. For me, he is not a director that can be watched without his formalistic choices. Who does he show, what doesn’t he show, where is the close-up and so on. It has been almost a year since I have seen it, so my arguments may feel a little basic. Sorry for that. But I feel like defending Ford here because, firstly, he has done worse than 7 Women, and secondly with Ford there is always another film that speaks with the one you were seeing and which enriches the experience. This may be the reason why Alexander Horwath has called Ford’s cinema “an ocean” (though he does that with almost any director…).

the-city-under-the-sea

Concerning the topic of the “last film”:  probably you are right and we place too much value on some film being the last one of a filmmaker. But then, there is a fiction in film-watching, too… We print the legend, so to speak, and if a last sentence in Ford is “So long, ya bastard!”, or the last word in Kubrick is “Fuck”, then I WANT to believe though it is nothing more than an anecdote. What would cinema be without these mythologies? Moreover it surely stimulates thoughts about the worldview of this or that filmmaker. There are not many last films I really love. Gertrud by Dreyer is one of the few, L’Atalante by Vigo, of course, but in the case of Mr. Costa’s favorites, I tend to think that neither Ozu, nor Ford, nor Chaplin, nor Tourneur achieved something tremendously worth-wile in their last works. I don’t know about Tarantino’s notion of films getting worse with the age of their maker… I observe that some older filmmakers seem to get a bit lazy, they find their language and I miss the doubt in their late works. There is no doubt, no struggling visible any more. The problem for me is when I sense that somebody knows too well what he is doing. I often miss the burning fire, the impossibility of not-doing the film… like you said, there are filmmakers who manage to keep that fire or doubt… Godard is one of them and I wouldn’t know how to talk about De Oliveira.

In terms of abstraction I certainly feel that it is the case with Mr. Costa. Which leads me to an obvious question: do you think that Mr. Costa can be included in Tarantino’s (self-)observation? Is Cavalo Dinheiro in your view worse than O Sangue? Is there the still same fire?

Michael: Thank you for defending your opinion with such passion. I totally disagree with you, and our views are kind of “not-reconciliable”, but I see your point. Also, I took note of your insights on The Lost Patrol, which I haven’t seen: not a big fan of McLaglen in superdramatic roles here, I must admit… I didn’t like The Informer at all, for instance. And I will purposefully ignore your mentioning Young Mr. Lincoln, because it would take us too far into a dangerous territory (Young Mr. Lincoln is a film I find difficult to digest, together with another film in which Henry Fonda plays a sneaky, mephistophelic manipulator who bullies the crowd into being good, 12 Angry Men).

I, too, think that “some older filmmakers seem to get a bit lazy, they find their language and I miss the doubt in their late works. There is no doubt, no struggling visible any more. The problem for me is when I sense that somebody knows too well what he is doing”: Lars von Trier, anyone? But then, to connect to your last one-in-three (triune?) question and spitting it back to you, isn’t Mr. Costa actually trying to find a filmmaking daily routine, to find some solid – possibly boring, white- or even blue-collar – basis in such an erratic profession, so that doubt, pressions, paranoia, deadlines, artsy bullshit, me, you, the festivals can be cast aside? Hasn’t he spent the last 15 years looking for a tranquility of sorts, a home-studio where he can get old making movies with his friends? O Sangue, too, was an attempt to make a movie with a bunch of friends…

gertrud dreyer

Patrick: That’s an interesting one. Is Mr. Costa making friends and develops a desire to work with them, or does he have a desire for working with someone and in the process befriends the person? I think it is the former, but somewhere he had to start. For a filmmaker there must always be the potential of a film, in every movement, in every face, don’t you agree? I am not entirely sure that he really tries to find this quiet place you talk about. He seems to enjoy travelling the whole world, he seems very much to enjoy talking to cinema-people around the globe, to live in this world of cinema… he is searching for the last places where this idea of cinema exist, but as much as I believe in his films, I think now, for the first time in our conversation, you are the romantic believer and I am the skeptic… of course, I couldn‘t know. Don’t get me wrong, I don’t think Mr. Costa is searching for fame or anything like that… no… but he likes his films to be shown. Let’s take the event where we met. The Munich Filmmuseum was screening a Fontainhas retrospective. That is a perfectly suitable place for Mr. Costa to show his films. Not because it is a museum, but because it was programmed there with passion, with an idea of cinema, it was a cinema-experience. But one day later Cavalo Dinheiro was screened at the Munich Filmfest (it was screened in the same cinema, but it was a different event)… though it is great of them to show the film (they even awarded him the main prize thanks to Sam Fuller’s daughter who apparently knows something about cinema) it is a horrible industry-event, full of money, German tastelessness, no respect for cinema. Mr. Costa accepted their invitation without hesitation. Is that because of duty or survival? I completely understand Mr. Costa, of course, his films should be shown everywhere because they enrich the life of everyone who sees them, and it is the only way for him to keep on. It is also a way to fight for cinema. But I don’t think he is trying to have a quiet life with friends… I think the opposite is true… he is one of the very few filmmakers that are fighting for an ideal, that feel the need to make, talk and defend cinema in and against an unaware public. He was complaining in Munich that he is weaker than Straub in this regard, but I think he is just different. I think a part of the doubt I can still sense in his work is due to the bitterness of this contact with reality. It is a contact with friends, places but also with the industry of cinema… and he has to be part of it to fight it. It is just speculation and I feel a bit bad about it but these are just my thoughts. He is not David Perlov, Vincent Gallo or even Terrence Malick, avoiding festival life and so on. And we can be grateful for it. What do you think?

Michael: Yeah, there’s no easy answer, thanks for pointing out all the complexities… Even though I think that, given the chance, Mr. Costa would stay in his native Lisbon and shoot his stuff, haunting the rooms he loves like Pessoa did with his (imaginary) friends.

But you were talking about cinema and friendship. Let’s go back to that, I think it is important, last but not least because our friendship (I mean, you and I becoming friends) was mediated by cinema…

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Patrick: You know that these are perfect words to finish our conversation, don’t you?

Michael: Better than those in the last title card of The Long Voyage Home? More perfect than “The rest is silence”? I don’t think so. But, please, let us not go astray: continue your discourse about cinema and friendship, or I’ll break our friendship, by devil!

Patrick: Many of the greatest worked, and are working, with their friends and relatives. I think it is very hard to create art in film without “friends”. Just a few random names to underscore my argument, and to stimulate our thoughts in a tender way in the midst of all this heat I still feel burning inside my fingertips concerning John Ford: Jean Renoir (another one of those who, for my taste, found their language too easily in his late works), Andrey Tarkovsky (may be fired after one or two drinks), Ingmar Bergman (too close), Tsai Ming-liang (Lee and melons at least), Fassbinder (a bit like Bergman, only without control) or Cassavettes (did not go to Fontainhas to find friends though)… But then there is something I also feel with Mr. Costa about this kind of friendship. It is another doubt, or let’s call it fear again… It is a question: Will it last? Are things mediated by cinema meant to last, or are they just ephemeral illusions, mechanical ghosts, memories? What do we have by talking about friendship via e-mail? What does Mr. Costa have making cinema with digital means? Oh, now I am very trendy philosophical. As I started this conversation you will have the final word, or shall we just close the door and leave everybody, including ourselves, guessing?

Michael: Refreshments!

THE END

Der eingeschränkte Blick in Fontainhas

Die Idee, dass man etwas nicht filmen kann, wenn man es nicht ganz versteht oder besser die Frage, wie man etwas filmen kann, was man nicht ganz sieht oder noch besser, die Antwort auf die Frage, wie man das Limit der eigenen Wahrnehmung zu einem ästhetischen Prinzip erheben kann, steht im Zentrum von Pedro Costas Fontainhas-Trilogie, die ich in den vergangenen drei Tagen im Münchner Filmmuseum begleiten durfte. Es war meine erste Gelegenheit, diese Filme auf Film projiziert zu sehen. Ein Unterfangen, das sich natürlich absolut lohnt, sei es alleine deshalb, weil dieses absolute Sehen, das von Costa gefördert wird, dieses Sehen, das nicht auf das nächste Bild wartet, sondern das gegenwärtige Bild in seiner Gegenwärtigkeit begreift und somit erst zur Entfaltung in der Zeit gelangen lässt, von den Texturen filmischen Materials extrem profitiert. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Ausgangsmaterial Film ist wie im Fall von Ossos oder digital, wie im Fall von No Quarto da Vanda und Juventude em Marcha.

Die eingangs geschilderte Idee ist ein ästhetisches und ethisches Problem und Costa scheint sich diesem in seinen Antworten sowohl filmisch als auch intellektuell jederzeit bewusst. So versteht er Ossos als eine Annäherung an Menschen und Orte, die er zu diesem Zeitpunkt noch nicht kannte, noch nicht verstand. Hier agiert der Filmemacher als Außenstehender und dementsprechend oft sind es Türen und Fenster, die vor unserer Nase zugehen, die uns die Sicht versperren, manchmal ganz (wie bei Mizoguchi oder Haneke), manchmal halb. Innen und Außen oder in den Worten von Costa: „Secrets and Revelations“.

Ossos7

In No Quarto da Vanda sind wir dann tatsächlich in Vanda’s Zimmer. Das bedeutet auch eine Einschränkung der Beweglichkeit, ein Ausgeliefertsein der Kamera an alles, was sich vor ihr bewegt. Keine Macht über die Figuren, sondern eine tatsächliche Nähe. Nun befinden wir uns oft in völliger Dunkelheit, weil die geschlossenen Türen und Fenster kein Licht mehr in die Barracken und vom Abriss bedrohten Wohnungen in Fontainhas lassen. In einer Art Montagesequenz wird Fenster um Fenster vor uns geschlossen. Wir bleiben innen. Es wird völlig dunkel im Kino. Still wird es dagegen nie, denn die Abrissgeräusche und das beständige Hämmern bedrohen die Türen und auch das Innen, das Intime, das Private, das Eigene. Und so beginnen schon in No Quarto da Vanda, die Türen ihre Funktion zu verlieren. In einer Szene wird eine Gartentür aus den Fugen gehoben und davongetragen. Es ist also nicht nur eine Frage der Positionierung von Filmemacher und Kamera, die hier an den Türen und ihren Schwellen hängt, sondern zur gleichen Zeit, wenn auch unter völlig anderen Vorzeichen eine Frage für die Protagonisten selbst. Auf den Gipfel wird diese Bedeutung der Funktion von Türen dann in Juventude em Marcha getrieben. Eine fast Modern Times-artige Automatik, scheint hier die Türen heimzusuchen. So hören wir nicht nur auf der Tonebene ständig das Knarzen von Türen, sondern diese bewegen sich auch im Bild wie von alleine. Vor allem in einer Szene, mit dem von Costa als brechtianischen Verräter bezeichneten Wohnungsvermieter, zeigt sich dieses zum Teil absurde Eigenleben der Türen. Man kann also sagen, dass aus dem Außen, ein Innen wurde und aus dem Innen eine Fehlfunktion. Das Verschwinden der Türen, das Verschwinden von Innen und Außen ist auch ein Kommentar auf die Situation der Bewohner des ehemaligen Fontainhas. Aber darin verstecken sich auch die Mechanismen des Kinos. Der limitierte Blick, der sich im zeitgenössischen Kunstkino oft seiner Eingeschränktheit bewusst ist.

Colossal Youth4

Es gibt Gegenbeispiele wie Gaspar Noé, die voller Innbrunst das Gegenteil erklären, die ihre Kamera entfesseln und bei aller Faszination daran muss man doch früher oder später feststellen, dass man nicht alles sehen kann. Was man allerdings sehen sollte, ist die Essenz. Nur wenige Filmemacher gelangen zu ihr und Costa gehört sicherlich dazu. Und wie Cristi Puiu in seinem Aurora oder Robert Bresson in seinem L’argent gelangt Costa zur Essenz, indem er uns auch ständig zeigt, was wir nicht sehen können. Dabei handelt es sich nicht zwangsläufig um den Off-Screen, denn wenn eine Tür im Bild ist, ist sie ja strenggenommen im Bild. Und wenn man sich die Türen in Juventude em Marcha ansieht, dann wird man feststellen, dass Costas eigene Feststellung, dass die Türen in Filmen von Charlie Chaplin die schönsten Türen sind, ein Ansporn für ihn ist, den großen Meister zu übertreffen. Die Rahmung selbst wird das Bild und man spürt dadurch auf der einen Seite den Filmemacher, aber eben nicht auf dieser intellektuellen Meta-Ebene, sondern eher wie bei Chaplin: Im Vertrauen darauf, dass man sich in einem Film befindet, kann man diesen völlig vergessen, die Fiktion von Costa ist dokumentiert, die Illusion liegt in der Desillusion, es ist als würde jemand seine Unsicherheiten und seine Fehlbarkeit zu seiner großen Stärke erklären. Gefilmter Zweifel.

Dabei nutzt Costa vor allem Licht, das durch löchrige Türen dringt. Wieder heben sich Innen und Außen auf und wer sich mit der Funktionsweise einer Kamera beschäftigt hat, sieht plötzlich eine ganz neue Relation zwischen dem Kino und den Türen, schließlich ist es eine Tür, die den Eingang zur Kamera/dem Zimmer versperrt und diese Tür muss sich öffnen, damit wir etwas sehen. Sie darf sich aber nicht zu weit öffnen. Jeder Millimeter verändert das Kino. Und daher ist es so fatal, wenn die Türen ein Eigenleben bekommen, ein Eigenleben, das von einer Industrie verlangt wird, die auf Gleichheit und Glättung aus ist. Wie soll man noch interessante Bilder machen, wenn man keine Macht mehr über die Türen hat, wenn es gar keine Türen mehr gibt?

In Vandas Room4

Es geht natürlich auch um die Türschwellen auf denen sich sowohl Costa als auch Ventura immer wieder bewegen. Was ist diese Schwelle? Ein Übergang zwischen dem Innen und Außen, ein Zweifel, in dem der Mensch oft am hoffnungslosten und hoffnungsvollsten zugleich ist. Hier drücken sich sein Verlangen und seine Angst aus. Bei Costa zählt selten, wohin jemand geht oder woher er gekommen ist. Vielmehr geht es um den Augenblick des Schwellenzustands selbst, der sich wie in Cavalo Dinheiro oder Juventude em Marcha zwischen verschiedenen Zeiten abspielen kann oder wie in Ossos zwischen dem Filmemacher und den Figuren. In der Schwelle stehen, heißt auch, Respekt zu haben. Hier wird niemand überfallen oder den Blicken preisgegeben. Es ist eine vorsichtige Annäherung, deren Zärtlichkeit sowohl in der Vergangenheit, der Gegenwart (der Schwelle), und der Zukunft (dem Raum) liegt, es entstehen also Bilder, die in sich derart stark leben, weil sie Schwellenbilder sind. Sie oszillieren zwischen ihrer absoluten Präsenz im Kinoraum und den Blicken, die auf etwas anderes zielen. Bei Vanda ist dieser Blick oft nach vorne gerichtet, auf etwas außerhalb des Bildes. Sie wirft sich dafür regelrecht in Pose, dreht ihren Kopf und starrt mit wachsamen Augen ins Off. Bemerkenswert allerdings, dass sie am Ende von Juventude am Marcha einmal umdreht, sich umblickt und an einer verschlossenen Tür lauscht, eine verschlossene Schwelle, in der sich die Sorge und Hoffnung, also die Liebe von Vanda verbirgt. Sie überprüft, ob Ventura sich um ihre Tochter kümmert. Dann verschwindet sie hinter einer benachbarten Tür und ist bis heute nicht mehr zurückgekehrt ins Universum von Costa. Ventura dagegen blickt in die Ewigkeit und nach Innen, also nach hinten. In seinen Augen scheint die Vergangenheit immer genauso präsent zu sein, wie die Gegenwart. Vielleicht fangen die Türen auch deshalb an, sich in Venturas Gegenwarten wie von selbst zu bewegen. Sie schließen und öffnen Räume der Erinnerung. Und in dieser Hinsicht ist auch Ventura eine Tür für Costa, oder besser: Ventura ist 10000 Türen in einem Lavahaus. Costa kann diese Türen nicht kontrollieren, er kann nur warten bis sich eine öffnet und sich dann vorsichtig auf die Schwelle stellen und sehen was passiert. Es ist seine große Kunst, dass er nicht mehr macht, denn darin entfaltet sich erst die Sinnlichkeit, Poesie, Direktheit und Dringlichkeit seines Kinos.

Touch the Invisible Truth: Où gît votre sourire enfoui?/Sicilia!

Where does you hidden smile lie

Ein programmtechnischer Glücksfall wollte es, dass ich sehr kurz nach einem Screening von Pedro Costas Où gît votre sourire enfoui? in den Genuss von Jean-Marie Straubs und Danièle Huillets Sicilia! kam. Der Film über die Heimkehr eines Auswanderers nach Sizilien wurde in Wien im neu-eröffneten Metrokino anlässlich der Peter Handke geht ins Kino-Schau gezeigt. Basierend auf Elio Vittorinis „Conversazione in Sicilia“ entfalten die Straubs einige dialoglastige Vignetten voller Witz, Philosophie und Würde. In seiner Dokumentation, die zunächst im Rahmen der Serie Cinéastes de notre temps entstanden ist, begleitet Costa das Filmemacherpaar im Schnitt von Sicilia! Den Film nach der Arbeit daran zu sehen, war ein besonderes Vergnügen. Die Sätze über die Straub-Huillet fühlbare Stunden grübelten, fliegen wie ein Echo an einem vorbei, wenn man das Endprodukt sieht. Aber vielleicht ist Echo allgemein ein guter Begriff, um zu beschreiben was diese beiden Filme miteinander machen.

Sicilia! von Jean-Marie Straub und Danièle Huillet

Womöglich muss man an einer anderen Stelle beginnen: William Lubtchansky, seines Zeichens häufig Kameramann bei Jacques Rivette und damit auch Bildermaler im unglaublichen La belle noiseuse. Er führte die Kamera bei Straub-Huillet: Blitzweiße Wände, in schwarzen Stufen davor die Menschen, wir studieren ihre Gesichter. Schon die erste Einstellung ist von einer solchen kontrastreichen Notwendigkeit, dass man seine Augen nicht abwenden könnte. Ein Mann sitzt mit seinem Rücken zu uns am Ufer. Diese Einstellung sieht man auch in Où gît votre sourire enfoui?. Gewissermaßen brennen sich die Bilder in das Gedächtnis. Jeder, der schon einen Film geschnitten hat, kennt die unterschiedlichen Erfahrungsebenen, die man mit den Bildern hat: Man lernt sie kennen, man vergisst sie, man lernt sie neu kennen, man lernt sie besser kennen, man kann sie nicht mehr sehen, man wird von ihnen überrascht, man versteht sie nicht, man lernt sie kennen, man vergisst sie, man glaubt ihnen nicht mehr, man lernt sie neu kennen bis man sie ignoriert oder stirbt. Der Film, also jener der Straubs folgt einem Rhythmus. Jenem seiner Montage und seiner Sprache. Mit Costas Film im Kopf kennt man die eigenwilligen und in sich bewegenden Regeln, denen Straub-Huillet im Schnitt folgten. Der Schnitt erfolgt wegen eines Echos im Dialog oder wegen dem Geräusch eines Vogels. Wer schneidet sonst deshalb? Manchmal wird der Ton aussetzen, eigentlich wird fast immer geschrien. In einem bemerkenswerten stilistischen Kniff werden die Figuren am Ende ihrer langen Dialogpassagen manchmal einfrieren. Es ist wie bei Brecht oder wie in den Fassbinder-Posen. Die Kamera liest dann auf ihren Gesichtern. Das Unterfangen ist von einer bewegenden Künstlichkeit beseelt. Diese Künstlichkeit ist bewegend, weil sie der Armut im Film eine noble Stimme gibt, weil sie die Poesie des Hungers malt. Der einzige Filmemacher, der sonst derart gekonnt das Notwendige, das Existentielle und das Schöne verbindet, ist Pedro Costa. Die dezentrierten und von jeglichem Schnickschnack befreiten Einstellungen von Menschen vor Wänden hat er vor allem in Juventude em Marcha erforscht. Man denke an den hilflosen Ventura in der neuen Wohnung. Man denke an diese seitlichen Nahaufnahmen, in denen die Figuren mehr auf der rechten Seite stehen und somit mehr mit dem Offscreen als dem sichtbaren Bild verbunden sind. Lubtchansky lässt die Schatten mitsprechen, Costa auch. Die Wahrheit wird in diesem Unsichtbaren gesucht. In Où gît votre sourire enfoui? gibt es diese Schatten. Es ist vor allem der Schatten der nüchternen Danièle, die stur ihre Arbeit erledigt und Straub beschimpft, wenn er seinen Mund nicht halten kann. Costa hat gesagt, dass dieser Film ein Liebesfilm und eine Komödie ist. Das bringt einen zu Chaplin, ein Mann, der ebenfalls das Arme mit dem Würdevollen, das Licht mit dem Schatten verband. Straub redet und bewegt sich tatsächlich ähnlich wie die Figuren in Siciia! Er steht auf und hält Monologe, spricht laut, verschwindet aus dem Bild und kehrt zurück.

Jean-Marie Straub bei Pedro Costa

Wie La belle noiseuse ist auch Où gît votre sourire enfoui? ein Film über Arbeit. Sicilia! Dagegen ist ein Film über die Spuren der Arbeit. Aber das sind die anderen beiden auch. Man könnte sagen, dass Huillet bei Costa für die Arbeit steht und Straub für die Spuren der Arbeit. Sie bedingen sich gegenseitig. Arbeit ist für Costa genauso wichtig wie Blinzeln. Ein Blinzeln mag ein Lächeln sein. Straub-Huillet suchen nach einem solchen unsichtbaren Lächeln, einer kleinen Regung, dem Unkontrollierbaren. Hier wird die Kunst des Filmemachens und insbesondere die Konstruktion einer Montage als Prozess aufgefasst, als Arbeit. So wie in La belle noiseuse immer wieder neu begonnen wird, immer wieder radiert wird, immer wieder aufgegeben und angefangen wird so wird für Sicilia! auch geschnitten. Ganz Ähnliches interessierte Costa auch in seinem Wunder Ne change rien, indem er die Sängerin/Schauspielerin Jeanne Balibar in ihrem Arbeitsprozessen begleitet, im Schatten, vor Wänden, hartes Licht der Einsamkeit und Würde. Costa und Straub-Huillet sind Rockstars, nur falls es daran Zweifel geben sollte. Ihre Wiederholungen und ihre Konsequenz, ihre Persönlichkeiten und ihre Kunst ergeben ein Gesamtbild das in den Prozess, in die Arbeit fließt. Damit erinnern sie allesamt an einen anderen Prozess-Film, nämlich Jean-Luc Godards One Plus One, indem Godard in einem Strang die Rolling Stones bei Probeaufnahmen beobachtet.

Costa sucht nicht nur nach dem Lächeln in einem gesonderten Moment. Er sucht nach der Bedeutung der Zeit für dieses Lächeln, er sucht nach diesem Lächeln in der Zeit. Der Schnitt bei Straub-Huillet wird dann kommen, wenn die Zeit reif ist. Das Lächeln kann auch existieren, wenn es versteckt ist, weil die Zeit es entblößt. Ein Funkeln in den Augen, das nicht in einem einzelnen Frame erkennbar ist. Einige Male wiederholt sich ein totaler Schwenk in Sicilia!. Er betrachtet eine felsige Landschaft, ein Dorf am Horizont und schließlich einen verlassenen Weg mit einem Busch. Hier verlangsamt sich der Film fast, denn ansonsten scheinen Schnitt, Bewegung und Sprache einem ganz eigenen, für das Filmemacherpaar durchaus schnellen Rhythmus zu folgen. Denkt man beispielsweise an die Eröffnungsszene in Juventude em Marcha so kann man die Parallelen im Zusammenspiel von Ton und Bild, Klang und Rhythmus hören, die Costa mit Straub-Huillet verbindet. Der Schwenk öffnet unseren Blick auf die konstruierten Welten. Er ist ein Dokument in der Zeit. Zudem wird damit die Bedeutung des Lands für die Figuren betont. Die Wiederholung spricht vielleicht von einer Unveränderlichkeit, wie der immer gleiche Weg zur Arbeit. Man denkt an Rossellini, man denkt an Rivette und man denkt an Kiarostami, dessen Film Where Is the Friend’s Home? Im Anschluss im Metrokino zu sehen war.

Sicilia! von Straub-Huillet

Sowohl Straub-Huillet als auch Costa behandeln die Bedeutung von Sprache im Film. Sie finden beide Wege (und das Ausrufungszeichen beziehungsweise Fragezeichen in den jeweiligen Titeln sprechen bereits davon), Sprache in ein filmisches Ereignis zu transformieren. Zum einen geht es um Sprache in der Zeit, zum anderen um die Adressierung der Sprache. Die Figuren, sei es der Sohn oder die Mutter in Sicilia! oder Straub in Où gît votre sourire enfoui? sprechen mit etwas Unsichtbaren. Sie adressieren nicht direkt die Kamera und sie sprechen auch nicht wirklich mit den Personen in der diegetischen Welt. Vielmehr sprechen sie um zu sprechen. Darin liegt neben einem Verfremdungseffekt und einer tragischen Komik auch die Geschichte einer Einsamkeit, von wahrhaftigen Seelen.Es ist auch bezeichnend, dass in beiden Filmen in Nicht-Muttersprachen der Filmemacher gesprochen wird. Für sie geht es nicht um die Information durch Sprache sondern das Wesen, das dahinter sichtbar wird, in der Zeit, versteckt, wie ein Lächeln in den Augen.

Zwei essentielle Filme für alle, die noch darüber nachdenken wollen, wo man eine Kamera positioniert, wann man schneidet und warum man einen Film zum Sprechen benutzt.

Casa de Lava-Caderno: Warum Drehbücher?

Casa de Lava Scrapbook

Jemand hat mir Bilder des Sterbens in die Hände gedrückt. Ich traue mich kaum das Buch zu öffnen. Es sieht aus wie eine zerfallene Schönheit. Es sieht aus wie ein Film.

Es ist das seit einem Jahr veröffentlichte Notizbuch von Pedro Costa zu, nach, für, bei seinem Film Casa de Lava. Pedro Costa hat Angst vor dem dritten Bild. Sein Buch folgt dieser Logik. Wenn zwei Bilder aufeinanderprallen, wie das im Kino ständig und fortlaufend geschieht, dann entsteht ein drittes Bild, jenes das vielleicht nur die Poeten akzeptieren, das aber von keinem Zuseher ignoriert werden kann. In diesem dritten Bild liegt die Tiefe eines Films. In diesem dritten Bild kann alles lauern, man kann es nicht unbedingt kontrollieren. Dieses dritte Bild ist das, was Filme bewegt. Es findet sich aber niemals in Drehbüchern.

Dieses Notizbuch ist für Costa ein besseres Drehbuch.

“It was more or less from that point that I realized that the rhetoric of cinema wasn’t for me. Neither were the social obligations, the technical and artistic diplomacy, the mythology, the fascination, the haste, the money.”

Casa de Lava Caderno

Das Drehbuch als Rhetorik des Kinos, als seine industriell aufgezwängte Vorform. Drehbücher entstehen aus einem Ordnungsdrang, das ist klar. In den besten Fällen ist dies eine Form künstlerischer Struktur, in den schlechtesten kann man an einem Drehbuch ablesen wie viel Gage ein Schauspieler bekommt. Sie scheinen unabdingbar für das Kino, dessen Förderung und dessen finanzielle Entstehung. Man sagt, dass es hilft, um auf ein gemeinsames Verständnis des Films zwischen allen Mitgliedern eines Filmteams zu kommen. Dabei gibt es selbstverständlich unterschiedliche Formen, wobei die klassische, von Hollywood erfundene Form, jene Pseudo-Lehrform dominiert. So, so sagt man, müsse ein Drehbuch aussehen. Man dürfe dieses oder jenes in einem Drehbuch machen, man müsse sich an diese oder jene Regel halten, um ein klares Verständnis, eine einfache Kalkulation und eine Sicherheit zu gewinnen. So funktionieren Drehbücher mit ziemlich großer Sicherheit effektiv für Produzenten und Geldgeber, natürlich auch für manche Schauspieler (sie glauben es zumindest), Kamera und alle Departments, die schön unterstreichen können, was sie betrifft: Ah, hier steht rote Schuhe, wir brauchen rote Schuhe! Wenn man sich nicht daran hält, dann wird man weder ernst genommen noch kann man auf Förderung hoffen. Aber kann man einem Filmemacher diktieren in welcher Form er sich Gedanken machen muss, wenn seine Gedanken und Gefühle in einer anderen Form vielleicht viel stärker, viel tiefer und selbst viel verständlicher zum Ausdruck kommen? Nun könnte man sagen, dass dann eben Film nicht die Ausdrucksform jenes Künstlers ist, aber Film ist nun mal mehr als ein Drehbuch. Ich glaube nicht, dass das was als klassisches Drehbuch bezeichnet wird keine Berechtigung hat, aber ich glaube, dass fast alle Filme, die man aus dieser Form machen kann, gemacht wurden. Nicht umsonst weiß jeder halbwegs ernsthafte Filmemacher, dass er sich von seinem Drehbuch entfernen muss, um einen Film zu machen.

Aber wann kann man sich trauen, so zu arbeiten wie Pedro Costa? Ich fühle mich selbst zu ängstlich. Derzeit schreibe ich an einem Drehbuch, ich arbeite sehr intensiv daran, aber ich merke immer wieder, dass mir die Form fehlt, dass Worte nicht das ausdrücken können, was ich mir mit dem Film vorstelle. Ich will ständig die komplette Form des Buchs überarbeiten, dann denke ich mir wieder, dass es eigentlich in Ordnung ist, so zu schreiben, schließlich müsse man es tun, um an Geld zu kommen, um sich verständlich zu machen. Ich habe aber das Gefühl, dass ich mich missverständlich mache. Es ist ein trauriger Prozess und ich kämpfe um den Mut es anders zu machen. Ich sehe wie meine Kollegen und Freunde an ihren Drehbüchern schreiben, wie sie diese Drehbücher als ihre Arbeit am Film betrachten, wie sie sich damit beschäftigen und beschäftigen und ich sehe auch, dass sie das nicht aus einem industriellen oder zwanghaften Impetus heraus machen sondern aus einer künstlerischen Intention, einem Drang die richtige Erzählform für ihre Geschichten zu finden. Sie schreiben spannende Dialoge, finden im Schreibprozess tolle Situationen und Szenen und schaffen es ihre Ideen in diese Form zu bringen.

Bei mir bezweifelt aber nur jeder Satz die Bilder in meinem Kopf, jedes Wort das Gefühl aus meinem Bauch, jede Struktur meine Idee für einen Film. Ich habe Film gefunden als ich nach etwas gesucht habe, dass mir erlaubt frei zu blicken, zu atmen und zu leben und was ich mehr und mehr finde ist ein Gefängnis aus festgefahrenen Meinungen, die mit objektiven Wahrheiten verwechselt werden, Profilierungsneurotikern und desinteressierten, desillusionierten Zynikern.

Casa de Lava Pedro Costa

Kann mir dieses Notizbuch von Costa vielleicht Mut geben? Ich schlage es auf. Da ich den Film gesehen habe, überwältigt mich sofort eine Erinnerung und eine Neugier. Ich sehe Bilder, die mir etwas sagen und Bilder, die ich nicht kenne. Das Buch besteht aus Fotografien aus Presse und von Künstlern, Zeitungsschnipseln, Abbildungen von Gemälden und Fußballtrikots, kleinen poetischen Passagen, Notizen, Zeichnungen, Screenshots aus Filmen, es ist in gewisser Weiße ein Moodboard. Costa erzählt in einem beiliegenden Interview, dass sein Tonmann den Film habe hören können durch das Buch. Nach dem Dreh habe dieser zu ihm gesagt: Well, it was all in the book.

Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob Costa nur einen Nebelschleier um seine Arbeit hüllt und nicht eigentlich im gleichen Gefängnis haust. Denn mir ist klar, dass dieses Gefängnis überall ist. Costa liebt das Mysteriöse im dritten Bild, er liebt das dritte Bild als seine Arbeit daran. Manchmal habe ich Angst, dass mich das alles überfährt. Ja, ich mag seine Filme und ich mag die Filme vieler Filmemacher und man muss aufpassen, dass man seine eigene Sprache sucht und nicht jene von anderen inmitten seiner Cinephilie. Man lernt das Sehen durch Filme, aber man muss es auch außerhalb von Filmen anwenden. Das ist ein harter Prozess, weil ich von der falschen Seite komme. Ich muss lernen mich zuerst für die Welt zu interessieren, dann für den Film. Aber ich kann die Welt auch mit Film sehen. Nun mache ich mir nicht nur Gedanken über die Sinnhaftigkeit von Drehbüchern, weil Costa es tut. Zum einen ist er nicht der einzige und zum anderen schreibe ich aus eigener Erfahrung.

Man schmeckt den Film, wenn man sein Buch in der Hand hält. Man muss dazu sagen, dass dieses Buch-wie alles von Costa-eine Fiktion ist. Es wurde nachträglich verändert und konstruiert. Dennoch besteht es aus Elementen, die der Filmemacher im Prozess der Drehvorbereitung gesammelt hat. Im Endeffekt hat er die Reihenfolge verändert. Aber die verändert das dritte Bild, also alles. Ich glaube, dass man eine Versuchung braucht, um einen Film zu machen. Damit meine ich eine Liebe, eine Wut, eine Angst. Ich sehe das alles auf der ersten Seite des Buches. Die Passage eines Todes über Wasser, die Einsamkeit eines Gefühls, Frauen und ihr Sterben in unserem Leben. Wie verändert der Tod unser Gesicht? Ingmar Bergman hat mal gesagt, dass das absolut Beste in der Kunst das menschliche Gesicht in Bewegung sei. Wir werden von traurigen Augen angesehen im Buch, Les Yeux Sans Visage…Costa castete Edith Scob, deren Gesicht für immer verschwand bei Georges Franju und im Kino. Man fühlt sofort welchen Film Costa machen wollte.

Casa de Lava Caderno

Die Augen sterben, es geht um Krankheit und Zerfall. Auf einer Seite ruht ein Vulkan unter einem von Krankheit zerfressenen Gesicht. Daneben der Liebesbrief „Nha Cretcheu“, den Costa in seinem Juventude Em Marcha immer wieder sagen lässt. Eu gostava de te oferecer 100,000 cigarros…eine Sehnsucht für den Film entwickelt sich, es ist eine Liebesgeschichte. Gesichter von Frauen, dabei immer wieder die Maske von Edith Scob, die Augen ohne Gesicht. „Les Egyptiens n’aimaient pas morurir“, ein Zeitungsartikel, der sich mit dem Öffnen von Mündern der Toten und der Wahrnehmung des Todes im alten Ägypten beschäftigt.

Bislang waren alle Münder geschlossen im Buch.

Ganz unten ein weiteres Stück Zeitung: Ou comment éviter la seconde mort. (Oder wie man einen zweiten Tod vermeidet)

Es trifft mich wie einen Schlag, wie ein Schnitt. Das ist ein Schnitt, ein Plot-Point, eine Erkenntnis. Wenn die Kamera, wie André Bazin sagte, wie kein anderes Instrument der Repräsentation Zuneigung ausdrücken kann, wieso sollte man diese filmische Macht dann nicht auch in einem Drehbuch verfolgen? Man mag argumentieren, dass bei dem Vorgehen, das Costa nach Casa de Lava tatsächlich mehr und mehr für seine Drehs und Drehvorbereitungen (das fließt ineinander) anwendete eigentlich niemand weiß, was passieren wird. Aber weiß man das bei einem Drehbuch oder sperrt man sich eigentlich nur ein? Und vor allem: Warum sollte man es wissen?

Wie muss man sterben, damit man erlöst wird? Diese Frage stellen die Collagen. Tote Augen, sie bewegen sich nicht mehr. Aus der Dunkelheit sehen wir die Pupillen. Immer wieder Krankheiten. I walked with a Zombie von Jacques Tourneur. Diese Augen. Auch die Collagen erzeugen ein drittes Bild. Costas Scrapbook sucht nach dem dritten Bild in seinem Film. Es vermag dem Betrachter klarzumachen, was er an Essenz im Film sehen wird. Dann abstrakte Malerei. Farben, Stimmungen, alles ist da. Man muss die Bilder nicht verstehen, man muss sich nicht kennen, sie müssen nicht funktionieren oder irgendwelchen rationalen Gedanken folgen. Die Rationalität eines Films ist eine andere als jene eines klassischen Drehbuchs. Das ist ein Widerspruch, den eigentlich jeder Filmemacher aufheben muss. Es gibt verschiedene Methoden. Man kann natürlich eher Stimmungen beschreiben, vielleicht in lyrischer oder in Prosaform. Auch kann man die visuellen Informationen und/oder Metaebenen in seinen Drehbüchern mitnehmen, sie eingliedern. Man kann stichpunktartig Bilder beschreiben. Man kann nur Dialoge schreiben. Aber man muss einer anderen Logik folgen als jener der Realität, als jener des Theaters und als jener des Kopfes.

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Vor kurzem habe ich mich mit einem Drehbuchautoren darüber unterhalten, dass sich Filmvermittler wie Henri Langlois und Peter Kubelka bekanntermaßen dafür einsetzen/eingesetzt haben, dass auch fremdsprachige Filme ohne Untertitel gezeigt werden. Der Autor regte sich sehr darüber auf. Er sagte, dass man die Worte nicht einfach aus einem Film eliminieren könnte. Das würde seine ganze Arbeit zerstören. Hier liegt ein Sprung, denn auf der einen Seite verstehe ich ihn vollkommen, weil die Bedeutung mancher Worte tatsächlich essentiell für die Wirkung eines Films sein kann, aber dann weiß ich auch, dass das dritte Bild eines Films immer ohne diese Worte funktioniert, ohne ein sprachliches Verständnis. Es gibt ein filmisches Verständnis. Wir hatten diese Diskussion auch im Rahmen von Jugend ohne Film vor einigen Wochen nach dem Screening von Flowers of Shanghai von Hou Hsaio-Hsien. Rainer meinte nach dem Film, dass er irgendwann aufgehört habe, den Untertiteln zu folgen, weil die Wahrheit des Films (so würde er es nicht formulieren) im Rhythmus, den Bildern, den Figuren, dem Licht gelegen habe. Andrey dagegen meinte, dass man nicht einfach ignorieren darf, dass da was gesagt wird und dass sich in jedem Fall die Frage nach dem: Was reden die da?, stellen würde. Seiner Zeit habe ich zunächst Andrey beigepflichtet, obwohl mir Rainers Aussage in ihrer Romantik sympathischer schien. Heute würde ich sagen, dass es zwei Wahrheiten gibt im Film. Zwei Herzen, ein zweiter Tod. Rainers Aussage folgt dem Film selbst und dessen Fähigkeit das dritte Bild zu bewegen, Andreys Aussage folgt dem Betrachtungsmodus und sagt, dass es da ein erstes und ein zweites Bild gibt und man nicht einfach ignorieren kann wie diese funktionieren. Die Frage ist also weniger eine nach wahr oder falsch sondern vielmehr nach der eigenen Wahrnehmung. Film ist sowieso größer als man selbst.

Wenn ich also mit mir kämpfe, dann ist das kein theoretischer Kampf auf der Suche nach einer überlegenen Form sondern einfach die Suche nach einer Form, die meiner Wahrheit entspricht. Es ist weitaus einfacher, darüber zu reflektieren als es letztlich umzusetzen. Denn, wenn die Wahrheit nicht in den vorgefertigten Mustern funktioniert, dann wird man damit leben müssen, dass man nicht verstanden wird, dass man nicht gefördert wird, dass man nicht gesehen wird.

Und wenn Film in der Lage ist ganz bei sich zu sein (es gibt auch tolle nicht-filmische Filme), dann brauchen sie sicher keine Untertitel. Man wird die Worte trotzdem hören.

A Midsummer Night’s Dream: Costa markiert Dinge, andere streicht er durch. Da ist wieder seine Verweigerung, die uns fasziniert. Weil es eben nicht darum geht, alles zu verstehen, sondern gerade darum, Dinge auszulassen, Dinge zu verweigern. I scent human blood, and smile, ein rotes Kunstwerk, schwarz-weiße Szenenbilder und ein Hund mit abgeschnittenem Schwanz auf etwas, das aussieht wie ein jüdisches Denkmal. Wir sehen Tania, ein 14jähriges Mädchen mit kurzen Haaren. Sie wurde von einem Mann attackiert, der ihre neuen Schuhe gestohlen hat. Nachdenkliche Gesichter. Costa interessiert sich für die Haut, die Regungen, den Tod, der durch alles sieht.

Casa de Lava Scrapbook

Plötzlich Bilder vom Krieg. Ein landendes Flugzeug, ein farbiges Bild von einem Hilfskonvoi. Dazu Drehbuchschnipsel, kleine Dialogfetzen. Natürlich entsteht eine Faszination auch daraus, dass ich oft nicht weiß, was dieses oder jenes Bild darstellt, woraus dieser oder jener Auszug aus literarischen Texten oder dieser oder jener Screenshot stammt. Das macht aber nichts, denn es geht nicht um die einzelnen Bilder, sondern nur wie sie zusammen klingen. Zu oft wird in Besprechungen des Drehbuchs und auch am Set mit Kameramännern das einzelne Bild ohne den Gedanken an das andere Bild, das vorhergehende oder das nachfolgende betrachtet. Als würde ein einzelnes Bild, ein einzelner Satz, eine einzelne Geste schon ein Film sein. Es ist, wie Adrian Martin einmal formuliert hat, der Übergang von Tag und Nacht, der Übergang von Lächeln und Ernsthaftigkeit, das Transzendieren und Dynamisieren von Räumen, die zwischen den Bildern entstehen, was einen Film ausmacht. Wenn jemand im ersten Bild blickt, dann wird das zweite Bild dadurch verändert.

Abstrakte Form. Ein Junge, vermutlich von den Kap Verden steht in einem expressionistisch anmutenden Bild im Schatten. Jemand hat seine Hand zärtlich auf seinen Kopf gelegt. Daneben ein Gemälde. Es scheint ähnlichen Formgesetzen zu folgen. Aber an der Stelle des Jungen erscheint ein Skelett. Wieder so ein Plot-Point. Verlorene Jugend, Sterben. Es gibt eine politische Konnotation. Menschen rennen, wieder ein Flugzeug. Die Geschichte der ehemaligen portugiesischen Kolonie wird greifbar. Nicht die Fakten dahinter sondern die damit verbundenen Gefühle. Kein Text könnte das derart präzise widergeben. Soldaten und Rock’n Roll…Post Punk Bliss: Twist and Shout.

Dann kommt plötzlich wieder jene unschuldige Liebe ohne die man kaum schreiben kann. Das spannende ist ja, dass erst durch unsere Wahrnehmung des dritten Bildes die anderen Bilder an Schönheit und Bedeutung gewinnen. Sie treffen dann auf uns wie ein Blitz. Jacques Tourneur, Charlie Chaplin oder Bruno Dumont sind Meister dieser Bilder, die vor einem geboren werden, weil sie wie eine Offenbarung aus dem vorherigen Bild erleuchtet werden. Wenn sie da sind, ist das eine Erkenntnis. Es sind Geister, die schon immer da waren. Man kann sie nur fühlen und wenn man sie dann sieht, ist es wie mit einem Spiegel. Man sieht alles und nichts. In der Mitte findet sich die Postkarte, die laut Costa ursprünglich ganz am Anfang seines Buches war. Showing GHOSTS! Everywhere and of any colour…

Ein Bild von Issach de Bankolé irgendwo zwischen einsamen Rollstuhlfahrern. Das Casting wird mit integriert in diese Filmwelt des Buches. Tortura! Die Bewegungslosigkeit, Machtlosigkeit, der Film bekommt eine Bewegung vor unseren Augen. Kranke Menschen liegen auf Betten. Bilder aus Zeitungen von spielenden Mädchen an der iranischen Grenze werden mit Beauty-Shots aus Modemagazinen kombiniert. Vergänglichkeit, Hoffnung, zwei Welten, zwei Leben, Distanz, alles steht da. Costa klebt eine Mauer über ein Gesicht.

Casa de Lava Pedro Costa

Natürlich folgt eine Collage wieder einer eigenen Logik, die eigentlich nicht jene des Films ist. Eine offensichtliche Verwandtschaft mit der Montage, die Tatsache, dass man Bilder, Texte und Leerstellen lassen kann, rechtfertigen aber zumindest die Vorgehensweise. Dennoch ist wie beim klassischen Drehbuch die Melodie, die Präzision, die Stimme des Autors entscheidend. Diese zu finden, ist ein Prozess der Einsamkeit. Sobald man glaubt, dass man fertig ist, hat man verloren. Deshalb habe ich auch Schwierigkeiten mit der klassischen Drehbuchform. Sie wirkt so abgeschlossen, sie untergliedert sich. Warum untergliedert sie sich? Aus praktikablen, industriellen Gründen, nicht im Ansatz aus Gründen, die mit dem Film zu tun haben. Eigentlich laufen Filme vor unseren Augen. Wie kann man das in einem Drehbuch vermitteln? Dadurch, dass man fesselnd schreibt. Aber was hat ein fesselnder Schreibstil mit dem Film zu tun? Niemand kann mir erzählen, dass die filmische Sprache auch nur im Ansatz etwas mit der schriftlichen Sprache zu tun hat. Das erfährt jeder Drehbuchautor spätestens, wenn seine in Papierform gut klingenden Dialoge plötzlich falsch erklingen. Das bedeutet nicht, dass es nicht filmische Pendants für Sprache gäbe. So haben die Coen-Brüder in ihrem No Country for Old Men zum Beispiel Bilder, Schnitte, Töne und Stimmungen gefunden, die jener der Worte von Cormac McCarthy entspricht. Selbiges ist John Hillcoat in seinem soliden The Road nicht gelungen. Die Collage ermöglicht also auch, die Bewegung eines Films zu empfinden. Wenn man dieses Buch von Costa einmal in den Händen gehalten hat, erscheint es absurd Filme ohne Bilder zu schreiben.

Es geht um die medizinische Versorgung in Afrika. Hier trifft Spiritualismus auf Industrialisierung. The Horse and the Money. Es ist ein Glaubensverlust. Der Blick geht zum Himmel, das klinische Weiß eines Krankenhausflurs, ein Friedhof im Lava-Staub vor malerischer Kulisse, eine einsame Frau mit einem weißen Kleid. Die Medizin schreitet voran. Wir sehen Labormenschen, Anzugmenschen, sie machen Versuche mit Afrikanern oder sind Afrikaner, die Versuche machen. Es geht um Epidemien, die fehlende Versorgung. Ängste. Immer wieder gibt es Bilder von Baustellen. Figuren, die sich in luftiger Höhe bewegen. Vertigo, ist da ein Unfall, ist da nur eine Angst, ein Traum, das Gefühl, das Gleichgewicht zu verlieren? Costa klebt kleine Bilder der Trikots englischer Fußballmannschaften neben die Baustellen und dazwischen steht ein kleiner Text über die ägyptische Kunst und ihre Verbindung mit dem Tod.

Über was spricht man, wenn man stirbt? Jemand berührt diese harte Arbeit, diese Unerbittlichkeit mit seinen Fingerspitzen. Alle haben Gänsehaut. Man spürt die Gänsehaut im Kino. Vielleicht ist es sowieso zu viel verlangt. Vielleicht nehme ich das Drehbuch zu ernst. Denn ziemlich sicher ist, dass diese Gefühle auch und sehr oft aus Filmen erwachsen, die in klassischer Form geschrieben wurden. Ich kenne viele Filmemacher, die sagen würden, dass dieser oder jener ein Film ist, bei dem alles schon im Drehbuch war, die sagen würden, dass man von den guten Drehbüchern alles lernen kann. Aber für mich haben all diese guten Drehbücher immer nur dann funktioniert, wenn ich vorher den Film gesehen hatte. Bei Drehbüchern, die ich vor dem Film gelesen habe, haben sie mich im besten Fall für den Film interessiert. Aber darum geht es wohl. Nur warum muss es dann in eine solche Form gegossen sein? Ich wiederhole mich, aber ich verstehe die Gründe dafür, sie sind nur belanglos für die Filme. Vielleicht kann ich auch einfach keine Drehbücher lesen und schreiben oder ich habe es noch nicht lange genug versucht.

Casa de Lava Caderno

Jetzt zieht es Costa in die Wüste. Nomaden und hoher schwarz/weiß Kontrast, der Staub wandernder Gestalten. Weltreisende der Filmgeschichte zwischen Hiroshima, den Kap Verden und dem Unbekannten; die Melancholie der Reise. Die Wanderung endet in der Massenvernichtung. Wo sind meine Verwandten? Auf einem anderen Kontinent, du kannst ihnen schreiben. Das Buch wird auch zu einem ethnographischen Dokument. Das Setting des Films ist hier. Man muss verstehen, dass dieses Buch nicht-wie das mit Drehbüchern oft ist-ein Zulieferer ist sondern ein autonomes Stück Ausdruck und Kunst. Bestenfalls sind das Drehbücher auch, aber wie viel Seele kann etwas haben bei dem man schreibt: Innen.Tag—Wohnzimmer? Das kommt mir falsch vor. So ist es nicht, wenn man an einem Tag in seinem Wohnzimmer sitzt und so ist es auch nicht für die Figuren. Die Schönheit der Insel, die Landschaft, Casa de Lava ist ein ethnographischer Landschaftsfilm, eine Geisterstudie, ein Film über Sterben und Einsamkeit, ein Gedicht über die Schönheit der Frauen. Menschen halten sich. Es geht um Fürsorge, um Zärtlichkeit, Liebe in Zeiten des Sterbens. Wir finden Iñes Medeiros, eine jener Costa Frauen, sie sind Mütter, sie sind immer Mütter und tragen das Geheimnis all ihrer Kinder in sich. Tintenkleckse zwischen den Fotos, die Zeichnung einer nackten Frau, immer anmutig, nie gierig.

Die Beschreibung eines Lebens auf der Straße mit Krankheit aus einem Buch: It’s never dark. The street light shines through the thin blue plastic. Es geht um die Außenseiter, um die Bettler und Ausgestoßenen. Kranke, arme Menschen. Aber Costa blickt nicht primär auf soziale Umstände sondern auf die Seele, die Erinnerung, die Trauer dahinter. Eine Frau sitzt mit einem Kleinkind im Arm in einem Lichtstrahl. Würde behalten, Weiblichkeit behalten.

Man hat das Gefühl, dass ein Wind durch dieses Buch weht. Er verbindet Landschaften, Menschen und die Herstellung eines Films. Ein Interview mit Edith Scob, Schauspielen sei ein komischer Beruf. Wieder ein Sterben, harte Arbeit, Sehnsucht. Davon können Filme sprechen. Am Ende gibt es einige leere Seiten. Es endet nicht. Es kommt mir jetzt vor wie ein Aufruf an mich. Man kann es anders machen. Man kann suchen und arbeiten. Man muss es tun. Ich bin normal nicht dafür einen solchen Prozess öffentlich zu teilen, aber in diesem Fall ist es für mich als würde ich mir selbst sagen, dass es geht. Und das ist es wert. Indem ich es aufgeschrieben habe und nochmal erfühlt habe, indem ich es Stück für Stück durchgeblättert habe, hat mit Pedro Costa mit diesem Buch wieder gezeigt, dass ich noch viel stärker sein muss, dass ich noch viel konsequenter sein muss und dass es für meine theoretischen Gedanken und Gefühle bezüglich Film, die ich hier seit längerer Zeit äußere, ein praktisches Äquivalent gibt. Und an diesem Lavahaus aus Film werde ich weiter bauen.