Rainer on the Road: Besuch in der Cinemateket Kopenhagen

Die Cinemateket von außen
Reisen bildet. Über Ostern verschlug es mich deshalb ins (überraschend) sonnige Kopenhagen. Als begeisterter Cineast zog es mich natürlich auch in die „Cinemateket“ des dänischen Filminstituts.
Die Cinemateket von außenEin modernes, fast schon zu slickes Gebäude erhebt sich gegenüber des ehemaligen Königsschlosses Rosenborg (das u.a. eine beeindruckende Schatzkammer beherbergt) an der Gothersgade. Schon von weitem ist der Schriftzug „Cinemateket“ zu erkennen, sonst hebt sich das Gebäude nicht sonderlich von seinen Nachbarn ab. Hier scheint das Filmherz Dänemarks zu schlagen: Habe ich die Schilder an den Eingängen richtig gedeutet, beherbergt dieses Gebäude nicht nur die Cinemathek samt Café und Bar, sondern auch die dänische Filmkommission und diverse andere Räumlichkeiten des Instituts. Betritt man die heiligen Hallen ähnelt der Aufbau dem vergleichbarer Institutionen, eine Kassa, ein kleiner Verkaufsbereich mit Buch- und DVD-Sektion, im hinteren Bereich befindet sich ein Café. Publikationen liegen vornehmlich in englischer Sprache vor, gefolgt von deutsch und dänisch (zu meinem Erstaunen fand sich aber auch Französisches und Italienisches). Im Herzen des Baus befinden sich die drei Kinosäle – „Biograf“ auf Dänisch, ohne ein Dänisch-Etymologisches Wörterbuch zu Rate zu ziehen tippe ich auf die Biograph Studios als Namensinspiration – getauft sind sie Asta, Carl und Benjamin.
Das Ticket in die Heiligen Hallen
Im Kino Benjamin wird nicht nur Christensen gezeigtMich verschlug es in den Bio Asta, der sich im Keller befindet, dort ist auch eine Bar eingerichtet, die allerdings am Ostersonntag geschlossen blieb. Auch insgesamt war Publikum eher spärlich anzutreffen und das obwohl das April/Mai-Programm meines Erachtens vergleichbar leicht Zugängliches bot: zwei Retrospektiven zu William Friedkin und Alejandro Jodorowsky, Filme von James Gray und eine Schau zu New York im Film. Vielleicht waren die dänischen Cineasten aber auch bloß vom CPH PIX Filmfestival geschlaucht, dass am Tag vor meiner Ankunft zu Ende gegangen war, oder sie genossen lieber das zugegebenermaßen blendende Wetter im Park gegenüber.
Begleitend von den letzten Sonnenstrahlen des Tages begab ich mich also in den Keller um dem Jodorowsky-Kult zu frönen – meine Entscheidung war auf Santa Sangre gefallen, dass zusammen mit Jodorowskys Erstlingskurzwerk La Cravate gezeigt wurde. Als „Mr. Midnight Movie“ wird Jodorowsky im Programmheft bezeichnet und der Kinosaal war in etwa so schwach gefüllt wie man es von obskuren Midnight Movie Programmen gewohnt ist, die Hälfte davon dem Gefühl nach Anhänger des Jodorowsky-Kults, die andere Hälfte Film-Aficionados.
Bio Asta von innenAls zwei Stunden zwanzig später die Lichter wieder angingen ließ mich Jodorowskys verrückter Surrealismus halb geschockt und halb amüsiert zurück. Oft an der Grenze zum guten schlechten Geschmack und ein paar Mal deutlich diese Linie überschreitend, ähnelt Santa Sangre einem Besuch in einem nicht-jugendfreien Zirkus in dem es vor allem um Gewalt und Sex geht – und ein bisschen um Verstümmelung. Jodorowsky versammelt eine ganze Reihe von Horrorfilmmotiven und teilweise wirkt der Film wie ein postmodernes Konstrukt aus allzu offensichtlichen Inspirationsquellen. Vom Lon Chaney Vehikel The Unknown bis Hitchcocks Psycho findet sich so einiges, und auch der Geist Buñuels scheint gegenwärtig zu sein, wo der Spanier aber politisches Agenda-Setting betreibt, findet sich bei Jodorowsky eine kindliche Freude an Provokation und ein Interesse, die Grenzen des guten Geschmacks auszutesten.
Das aktuelle Programmheft der CinemateketAber wieder zurück zu den Rahmenbedingungen: vorgeführt wurde die Originalversion mit schwedischen (!) Untertiteln auf glorious 35mm. Was ich nicht wusste bevor es losging – Santa Sangre ist ein englischsprachiger Film. Das lag zum einen an mangelnder Recherche meinerseits, zum anderen an Fehlinformationen des Kassiers. Nachdem ich mich also schon mental auf ein Spanisch-Schwedisches Duett vorbereitet hatte, verstand ich dann doch worum es ging (was bei Jodorowsky allerdings nicht allzu viel zur Sache tut). Das Ganze ist nun zwei Wochen her, die Eindrücke verblassen bereits. Ganz warm bin ich nicht geworden mit der Cinemateket. Weder das Programm, noch die Aufmachung konnten mich überzeugen – in Wien ist man eben verwöhnt.