The Fault in Our Stars von Josh Boone

Shailene Woodley und Ansel Elgort in "The Fault in Our Stars"

Es gibt Momente im Leben, da streitet man sich mit anderen Cinephilen über Boyhood. Da wird dieser Film (vielleicht nicht zu Unrecht) für konventionell befunden und für seinen Industriecharakter kritisiert. Nun gut, in solchen Momenten kommt ein Film wie The Fault in Our Stars ganz recht. Ein Film, der einem wieder hilft Relationen richtig wahrzunehmen. Ein Film, oder besser ein Monstrum an Lachhaftigkeit, der wieder einmal bewusst macht, wie faul, wie manipulativ, wie ideenlos Hollywood wirklich sein kann.

Grob könnte man die Herangehensweise des Films etwa so formulieren: The Fault in Our Stars möchte das Publikum zum Weinen bringen. So weit, so gut, die bewährte Nicholas-Sparks-Taktik eben. Doch es gibt einen Unterschied zwischen The Fault in Our Stars und den Message in a Bottles und The Notebooks dieser Welt. Letztere sind vorhersehbare Liebesgeschichten über Charaktere, die die unwahrscheinlichsten Schicksalsschläge zu überwinden haben, bevor sie am Ende zusammenkommen dürfen. Das sind harmlose Geschichten in denen vielleicht hin und wieder Familien zerrissen oder Bräutigame am Altar stehen gelassen werden. The Fault in Our Stars gibt sich damit nicht zufrieden. Um so richtig auf die Tränendrüsen zu drücken handelt es sich beim Hauptcharakter Hazel Grace Lancaster (Shailene Woodley) um eine jugendliche Krebspatientin. Dem nicht genug, verliebt sie sich in Augustus Waters (Ansel Elgort), der ebenfalls Krebs hat und ziemlich cool ist. Er trägt immer ein Päckchen Zigaretten mit sich, um sich bei passender Gelegenheit eine der Zigaretten in den Mund zu stecken aber nie anzuzünden. Das Ganze soll eine Metapher sein (wie er nie müde wird zu erwähnen), die dümmste Metapher der Filmgeschichte nämlich: „It’s a metaphor, see: You put the killing thing right between your teeth, but you don’t give it the power to do its killing.” Oh God, almighty! Gus hat bereits ein Bein an die Krankheit verloren, lebt nun aber (zunächst) krebsfrei, Hazel ist durch ihre Sauerstoffflasche, die sie ständig bei sich tragen muss, gehandicapt. Gus‘ bester Freund wird Mitte des Films durch seine Krebskrankheit vollständig erblinden. Junge Liebe und Krebs und Tod und Nichtraucherkampagne und auch ein bisschen Holocaust – Subtilität sieht anders aus.

Shailene Woodley und Ansel Elgort in Amsterdam

Hazel Grace und Augustus treffen sich in einer Selbsthilfegruppe, die sie beide natürlich nur sehr ungern besuchen und Hazel Grace und Augustus sprechen sich sehr oft mit ihren Vornamen an, wohl um deutlich zu machen, wie bescheuert sie sind. Das niemand in der Realität so spricht wie die Charaktere in diesem Film, sollte an diesem Punkt selbsterklärend sein. Nicht dass ich Ressentiments gegen non-naturalistischen Sprachgebrauch hätte, aber der Film will schließlich authentisch wirken. Totalversagen, und das obwohl die beiden Drehbuchautoren Scott Neustadter und Michael H. Weber ein Jahr zuvor für das großartige Coming-of-Age-Drama The Spectacular Now (ebenfalls mit Shailene Woodley) verantwortlich zeichneten. Anders als in The Spectacular Now gelang es ihnen aber diesmal nicht eine magische Bindung zwischen den beiden jugendlichen Hauptcharakteren zu generieren. Statt einem Knistern in der Luft, das sich aus dem Umgang der Charaktere im Film ergibt, nimmt man hier nur leere Worthülsen und halb-schrullige Liebesbekundungen wahr – immer hübsch beleuchtet und mit sanfter Popmusik unterlegt. Zugegebenermaßen eignet sich John Greens Bestsellerroman nur bedingt als Grundlage für einen Spielfilm, doch verfügt man über so weniger Gespür und Verständnis für Film, wie die Macher von The Fault in Our Stars, so beginnt man die Fehlersuche am besten nicht beim Quellenmaterial.

Um es kurz zu machen, alles ist aufgesetzt und falsch. Dem Film fehlt die intrinsische Energie, aus sich selbst heraus Emotion zu erzeugen und das Interesse des Betrachters am Leben zu erhalten. Stattdessen arbeitet er mit allen Mitteln daran, das Publikum zu zwingen, genau das zu fühlen, was sich die Macher wünschen. Die filmischen Mittel, die dazu verwendet werden, wirken dementsprechend aufgesetzt, leblos, lieblos. So greift Regisseur Boone z.B. immer dann zu plumper Voice-over-Erzählung zurück, wenn es gilt Zeitsprünge oder anderweitig unerklärliche Stimmungswechsel zu überbrücken. In der Gestaltung der Atmosphäre sticht das Licht negativ hervor, denn selten kommt einem so eine platte und manipulative Lichtdramaturgie unter. Es hat wohl seinen Grund, weshalb der Film nie einen Hinweis auf Datum oder Jahreszeit gibt, denn so konnte Regisseur Boone und schalten und walten, wie es ihm beliebte. In traurigen Momenten präsentiert sich die Welt grau und farblos, an besseren Tagen, wenn die Liebe zwischen Hazel und Gus aufflammt sind die Bilder lichtdurchflutet und von warmen Farben dominiert. Besonders anschaulich wird das in den Szenen in Amsterdam, wo von einem Tag auf den anderen, ein abrupter, von Regisseur und Oberbeleuchter initiierter Wettersturz die herbstlichen Niederlanden in ein sommerliches Paradies verwandelt. In solchen Momenten zeigt sich die fehlende Subtilität und überbordende Ignoranz gegenüber denkenden Zusehern. Buchcover: "The Fault in Our Stars" von John Green

Amsterdam ist in gewisser Weise der Dreh- und Angelpunkt des Films. Weshalb sich die beiden dorthin begeben und was sie dort erleben ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Holen wir etwas weiter aus: Hazels Lieblingsbuch ist „An Imperial Affliction“, eine Geschichte über das Sterben eines krebskranken Mädchen, verfasst vom mysteriösen Peter van Houten, der trotz seines holländischen Namens Amerikaner ist. Das mag vielleicht daran liegen, dass sich somit auf abstruse Weise eine Verbindung zu Amsterdam ziehen lässt, vielleicht aber auch um die Rolle mit dem Amerikaner Willem Dafoe besetzen zu können. Wie auch immer, das ist eines der weniger gravierenden Probleme des Films. Nachdem Hazel Gus dazu überredet das Buch ebenfalls zu lesen und es ihm gelingt Kontakt mit van Houtens Assistentin aufzunehmen (van Houten selbst hat nie auf die unzähligen Anfragen geantwortet, die Hazel ihm geschickt hat) planen die beiden mithilfe der „Genie Foundation“ (einer Gesellschaft, die todkranken Kinder und Jugendlichen einen letzten Lebenswunsch erfüllt) einen Trip nach Amsterdam. Da Hazel ihren Wunsch bereits vor Jahren für eine Reise nach Disneyland verbraucht hat, wird dazu der Wunsch von Gus verwendet. Die beiden machen sich also zusammen mit Hazels Mutter (Laura Dern) auf nach Amsterdam um ihren Helden Peter van Houten zu treffen. Einstweilen hat Hazel versucht Gus klarzumachen, dass sie nur mit ihm befreundet sein will, um ihn durch ihren möglichen Tod nicht zu verletzen (auch dafür gewinnen die Autoren keinen Originalitätspreis). Wenig subtil machen uns Kamera, Licht und Musik aber deutlich, dass die beiden der unumgänglichen Filmliebe nicht entrinnen können. In Amsterdam treffen sie schließlich van Houten, der seit dem Krebstod seiner Tochter (auf dem das Buch basiert) Misanthrop und Alkoholiker ist. Derart asozial gebart sich der Autor und die beiden verbringen den Nachmittag mit van Houtens Assistentin im Anne-Frank-Haus. Womöglich ist das Anne-Frank-Haus der Grund weshalb sich diese Szenen in Amsterdam abspielen – es gibt womöglich keinen unpassenderen Ort für einen ersten Kuss und das endgültige Entflammen einer jungen Liebe.

Es kommt, wie es kommen musste, an diesem geschichtsträchtigen Ort, der dem Andenken an ein junges Holocaustopfer gewidmet ist, küssen sich die beiden unter dem Applaus der umstehenden Museumsbesucher (die anscheinend nicht allzu viel für Pietät übrig haben) und ihre junge Liebe entflammt. Dieser dramaturgische Höhepunkt des Films, fügt dem denkenden Zuseher durch seine Lächerlichkeit, körperliche Schmerzen zu. Nach diesem einen Kuss muss es natürlich schnell gehen mit den beiden um die restliche Handlung in einer halben Stunde unterzubringen. Das heißt Gus kommt nach monatelangen Anstrengungen und der Opferung seines „Genie“-Wunsches endlich zum Zug – die beiden haben Sex im Hotelzimmer. Ein weiterer verstörend schneller Sinneswandel, der an diesem Punkt aber kaum mehr zu schockieren vermag. Die Lungenkranke und der Blinde

Um die moralischen Beweggründe von Augustus nicht hinterfragen zu müssen, stellt sich nach der Rückkehr heraus, dass seine Krebserkrankung wieder zurückgekommen ist, und nun doch er, und nicht Hazel, dem Tode nahe ist. Das wäre an und für sich ein smarter und überraschender Twist, aber an dieser Stelle ist der Film längst verloren. Die letzten Minuten verbringt man schließlich mit wiederholtem Blick auf die Uhr mit dem Warten auf den Tod, inklusive halblustiger Probegrabreden. Am Ende des Films lebt Hazel noch immer – zumindest das kommt überraschend – man wünscht sich allerdings, sie wäre schon eine Stunde früher gestorben, um den Kinosaal schneller verlassen zu können. Das mag zynisch klingen, ist aber leider die traurige Wahrheit. Ein Film, den nicht einmal Shailene Woodleys umwerfendes Lächeln retten kann.