Notizen zu Peter Goedel

Ein Personenportrait erreicht seine eigensinnige Qualität, indem es die Hülle der Menschen, wie sie tagein, tagaus einander begegnen, berührt; sie ansticht und entblättert. Es bildet sich eine Form, während eine andere, fremde zerfällt. Sie wird in der Neuen aufgefangen. Die Protagonisten in Peter Goedels Filmen verstehen es, sich zu zeigen, auch wenn sie selbst sonst übersehen werden. Das haben die Menschen und seine Filme gemein. Goedel lässt sich von ihnen erzählen und erzählt im selben Moment.

Immer wieder betont er am Rande seine Filme im Laufe der kleinen Werkschau des Österreichischen Filmmuseums, dass ihm nur eine Materialreduktion, die Tiefe seiner Portraits ermögliche. 35 Millimeter, Schwarz-Weiß. Von Tiefgang ist jedoch keine Rede, vielmehr Konzentration. Eine Konzentration, die die offensichtlichen sowie versteckten Furchen in den Gesichtern herausstellt. Spärlich beleuchtet, spröde inszeniert, bleibt trotzdem eine Oberfläche bestehen, die alles Dahinterliegende nur erahnen lässt, unvermittelt.

Bereitwillig, fast übersprudelnd, liefern sich die portraitierten Menschen Peter Goedel aus, geben sich hin. Weder im Lärm noch in der Stille lässt Goedel von ihnen ab. Wie brandende Wellen am Strand, unaufhörlich. Jede Minute erscheint mit aller Nüchternheit außergewöhnlich hingebungsvoll. Goedels Filme zeigen, dass bloße Sympathie für Menschen nicht ohne gebotenes Vertrauen und Direktheit zu haben ist. Das gilt für das Kino im Ganzen, egal mit welchem Material, womöglich.

Tage später, mit Freunden im Kino an einem Sonntagnachmittag – Jacques Demy, Peau d’âne. Menschen, verkleidet als Statuen, bemalt in Blau und Rot. Kleider in Farben des Wetters, des Mondes, der Sonne. Für einen kurzen Moment schien das Märchen in Technicolor und die Realität Grau in Grau – aller Unvereinbarkeit zum Trotz – vom Selben zu sprechen. Aber der Sinn, der Gedanke verblieb im Schatten, unverstanden und ging verloren. Oftmals wirkt in den dunklen Ecken eines Kinos alles offensichtlich und luzid. Erst danach legt sich darüber ein schwerer Dunst. Wohl der, eines heißen Sommertages.

Unruhiges Kino: Auf dem Weg von Peter Schreiner

Auf dem Weg von Peter Schreiner handelt, anders als der Titel vermuten ließe, weniger von der Verfilmung einer Reise, als eher vom Versuch, den zerbrechlichen Zustand vergehender Zeit in einer Kapsel zu verwahren. Was es heißt, auf dem Weg zu sein, lässt sich mit den Mitteln eines Films zwar beschreiben oder in Bildern wieder herstellen, aber lässt es sich auch empfinden, so als könnte man mit einer Hand im Vorübergehen eine Wand streifen? Es scheint, als versuche Peter Schreiner dieser Berührung mit den intimen Bildern der eigenen Familie oder Erlebnissen seiner Freunde nahezukommen. Über den Film hinweg, verstreuen sich offenbar zusammenhanglos Szenen, die wie Momentaufnahmen aus einem Fotoalbum heraustreten. Der Film erfährt tatsächlich eine gewisse taktile Dimension und erinnert so vielleicht an das Blättern zwischen den Seiten. Als wolle man sich vergewissern, ob der Eindruck der Erinnerung noch mit dem Bild übereinstimmt, entsteht zwischen den filmischen Fragmenten eine suchende Bewegung, die kein bestimmtes Ziel kennt, außer womöglich sich selbst.

Vereinzelt blickt Peter Schreiner selbst vom Bildrand in die Kamera. In dieser Hinsicht zeugt der Film nicht nur von der Perspektive einer Suche, sondern wohl auch von der einer Entdeckung. Man hat zunächst Mühe, diesem Blick zu folgen. Erst allmählich stellt sich ein gewisses Vertrauen zu den Bildern ein, was paradox ist, da sich letztlich Schreiner mit diesen Bildern dem Publikum anvertraut. Anstatt sich den Bildern hinzugeben, stürzen sie auf einen herein. Infolgedessen verhielt sich auch das Publikum ungewöhnlich unruhig, vor dem der Film anlässlich des dok.at-Jubiläums im Filmmuseum gezeigt wurde. Die Bilder, so subtil und verträglich sie auch wirken mögen, verlangen etwas ab. Etwas, das man vielleicht vor dem Kino zurückgelassen hat? Über zwei Stunden hinweg verließen nach und nach Personen ihre Plätze. Es fällt schwer, dem keine Aufmerksamkeit zu schenken, denn die Unruhe – im Widerspruch zur Elegie des Films – mischt sich mit der Frage, welche Verbindung sich der Film zu seinem Publikum erwartet. Wäre es den Bildern angemessen, sie einfach nur anzuerkennen oder muss das Auge ihnen eine besondere Bedeutung zukommen lassen?

Springt der Funke des Films zwischen Autor und Publikum nur über, wenn beide eine bestimmte Vorstellung von Film im Allgemeinen teilen? Oder ist das Gegenteil der Fall: Sie müssen sich aneinander reiben?

Ein Film sei ein Haus, sagte Peter Schreiner im anschließenden Gespräch mit Barbara Wurm. Ein Haus ist ein Ort, in dem man sich einrichten kann, den man nach eigenem Belieben gestaltet. Aber ein Haus ist auch ein Ort, bei dem man in der Regel die Tür schließt, nach dem man über die Schwelle getreten ist. Ein Haus hat eine Adresse, einen Anfahrtsweg und manchmal auch eine Hecke, über die man hinwegspähen kann. Aus dem Gestrüpp des Gartens ragt versteckt eine Fassade heraus. Durch die Fenster lässt sich Leben in den beleuchteten Zimmern erahnen. Immer wieder ertappe ich mich selbst bei einem nächtlichen Heimweg, mit Blicken einen Moment zu lang an den Fenstern festzuhängen, meinen Vorstellungen über die Fremden nachzuhängen. Angekommen, schaue ich aus dem Fenster zurück auf die Haltestelle vor unserem Haus – tagsüber gefüllt von Menschen, die sich auf die Füße treten und nachts wie leergefegt. Ohne Zweifel liegt der Unterschied zwischen Filme machen und Filme schauen darin, an welcher Stelle man sich befindet, die Frage ist vielleicht nur, ob man über die Schwelle tritt, auch wenn die Tür offensteht.

Natur, Vergänglichkeit und Restauration – Gedanken zu Tatjana Ivančić

Fängt man an einen Film zu drehen, wenn es einem die Sprache verschlägt? Die Bilder von Tatjana Ivančić scheinen nicht viel erzählen zu wollen. Gleichzeitig sind sie so schwärmerisch erfüllt von Eindrücken. Sie zeigen eine Welt fernab von Absoluten, die nur nach den richtigen Worten rufen. Weder Eindeutigkeit noch Starrheit lässt sich in ihnen finden. Der verspielte Blick begeistert sich für jede noch so kleine Bewegung. Seien es tänzelnden Spiegelungen auf einer Wasseroberfläche im Abendrot oder winzige Tierchen, die mühsam ihre Beute über den Waldboden schleppen. Doch ihre Bilder beabsichtigen kein obsessives Verlangen nach dem Detail, dem es den fehlenden Sinn zu verleihen gelte. Vielmehr gelingt ihnen deren lustvolle wie naive Entdeckung. Kein Bild scheint so über einem anderen zu stehen. Das, aus nüchterner Entfernung betrachtete, versteinerte Ganze entwickelt mit dem rastlosen Blick ihrer Filme eine eigensinnige Lebendigkeit. Wenn Katzen ein Schälchen Milch ausschlecken, müde Tiger im Schatten dösen oder Frösche quakend im seichten Gewässer laichen, dann vibriert die Leinwand – und nicht allein wegen des Filmtons. Jede noch so versteckte Ecke ist mit dem flirrenden Momentum erfüllt, welches ihre Filme beflügelt, als könnten sie fliegen. All dies erfordert eine Hingabe, die ganz dem Film als Mittel dieser Erfahrung verschrieben ist. Der natürliche Schein, wovon viele ihrer Filme inspiriert sind, löst sich im Formwille auf und verliert somit den kitschigen Geschmack des ursprünglich Ewigen.

Nie sind diese Eindrücke von großer Dauer – sowohl physischer wie geschichtlicher Natur. Es ist dabei der Arbeit des Österreichischen Filmmuseums zu verdanken, dass diese flüchtigen Formen vor dem Verschwinden gerettet werden konnten. Sich das ins Bewusstsein zu rufen, lässt die Filme aber auf einmal gegen sich selbst sprechen. Gemeinsam mit dem Kinoklub Zagreb konnten 14 wiedergefundene Filme mittels eines aufwendigen Digitalisierungsprozesses von den insgesamt wohl über 70 gerettet werden. Es galt dabei im Besonderen die Gebrauchsspuren auf dem Filmmaterial und die originalen Farben des Umkehrfilms zu erhalten. Das digitale Bild soll so den ursprünglichen, physischen Charakter des analogen Materials verwahren. Aber die amateurhafte Leichtfüßigkeit jener Bilder und Töne tritt damit hinter dem regelhaften Zweck ihrer Bewahrung zurück; die archivalische Technik fungiert als notwendige Bedingung zur Aufführung der Filme. Aber kann sich die Seh-Erfahrung davon trennen? Es scheint eher, als entwickele man einen technisch-denkenden Blick, der das entzauberte Abgebildete nur noch verallgemeinert und sich so der spezifischen Charakteristik entledigt. Gleichzeitig glaubt man dies ausblenden zu können, wenn man die Bilder doch nur auf sich wirken lasse, was so betrachtet allerdings eher von Rohheit statt Sensibilität zeugt. Der Schein des Rätselhaften solcher Bilder reduziert sich auf sich selbst und wird lediglich banal. Als könnte man dem Gesehenen damit einen Gefallen tun, ist man ihm trotzdem ebenso hilflos ausgeliefert wie Beschreibungen, die um das vermeintlich richtige Wort ringen. Setzt sich in Ivančićs Filmen eine Bewegung über das einzeln erfassbare Bild hinweg, wie beim Bau einer Brücke oder einem Kind, das binnen Minuten um zwei Jahre altert, dann lässt sich die verborgene Komplexität dieser Wahrnehmung überhaupt erst erahnen. Unmittelbar treffen Gegenwärtigkeit und Verfall für einen Moment aufeinander. Ist dabei an Sprache zu denken? Etwa der Blick in ein durchscheinend-reflektierendes Schaufenster, wo sich zwei einander fremde Bilder überlagern, vermag das für einen Wimpernschlag aufzuhalten. Tatjana Ivančićs Filme zeugen von so einer natürlichen Neugier, die allem Archaischen trotzt, womit sie ein reichhaltiges Bewusstsein über ihre Vergänglichkeit erlangen. Vermutlich kein Wort, sondern nur ein Film könnte das besser verstehen.

Worte wie „bildgewaltig“ oder „detailverliebt“ kleiden sich mit dem zweifelhaften Bekenntnis, die Erfahrung des Gesehenen, das über dem eigenen Kopf zu schweben scheint, in eine begreifbare Sache verwandeln zu können. Liebe und Gewalt wären dann offenbar so stark mit dem Boden der Tatsachen verwurzelt, als sei eine Verständigung allgemein möglich und es bedürfe keiner weiteren Vertiefung. Ohne zu wissen, wie verhärtet und abgedichtet solch eine Sprache ist, wird sie immer wieder aufs Neue bemüht. Jedoch die Verherrlichung, die sich in solchen Ausdrücken verbirgt, ist nichts anderes als die gefühlskalte Ahnungslosigkeit angesichts einer mannigfaltigen, verwirrenden Realität. So stellen Vokabel wie diese ein sprachliches Korsett dar, mit dem das Sehen festgezurrt werden kann; träumen gilt nicht. Sehen, wie es die Filme von Tatjana Ivančić zeigen, könnte sich davon aber befreien.

Notizen zu Želimir Žilnik: Vera i Eržika

Nach einem Frühlingsspaziergang durch den vor Wohlstand triefenden 1. Wiener Gemeindebezirk mit der zur Schau gestellten Cocktail-Falschheit einer Klasse, die gar nicht zu bemerken scheint, wie gleichförmig und frustriert sie aussieht mit ihren Lifestyle-Tattoos und am Boden schleifenden Designermänteln (Lockdown, wo bist du, wenn man dich braucht?), zunächst der Schock des echten Lebens, echter Menschen auf der Leinwand.

Vera i Eržika setzt nahtlos dort an, wo Bolest i ozdravljenje Bude Brakusa aufhört. Wieder nutzt Želimir Žilnik eine impulsartige Energie, um von jenen Menschen zu erzählen (und ihnen zuzuhören!), die sonst in den dominanten Narrativen untergehen. Dieses Mal geht es um Arbeiterinnen einer Textilfabrik im an der Donau gelegenen Pančevo. Wieder verwebt Žilnik unterschiedliche Formen des Kinos zu einem aufregenden, ja agitatorischen Bild dieser Frauen, die um ihre gerechte Pension gebracht werden und noch zwei Jahre arbeiten sollen, weil die inzwischen illegale Kinderarbeit, die sie verrichten mussten, bürokratisch nicht anerkannt wird. Ein klassisches Bild einer doppelten Ungerechtigkeit, die den Hebel der Ausbeutung immer dort ansetzt, wo er gerade gebraucht wird.

Wir sehen die Frauen, die einer ungarischen Minderheit in Jugoslawien angehören bei der Arbeit, in Gesprächen mit Vorgesetzten und auf einem Donau-Cruise-Trip, der ein wenig an Mircea Daneliucs Croaziera erinnert. Und wieder ist der Film auch eine Ode an die Freundschaft und die menschlichen Werte, die sich inmitten dieser Ungerechtigkeit durchsetzen. Es sind die kleinen Gesten, wenn sich die Frauen treffen und sich helfen, die Žilnik immer wieder ins Auge fasst. Den überlebenden, gerade so auf DCP-Files gesicherten Bändern dieser TV-Filme merkt man an all ihren am Farbabgrund balancierenden Zeitspuren an, dass hier nicht für die Ewigkeit, sondern für den Augenblick gedreht wurde. Die Dynamik des Films changiert zwischen Amateurtheater, Neorealismus, Direct Cinema, Komödie und brechtianischem Angriff auf die gesellschaftlichen Zustände.

Vera i Eržika kommt mit einem Synth-Soundtrack daher, der die 1980er Jahre in ihrer ganzen Tristesse greifbar macht, aber passend zu den pink-gehaltenen Titeln so etwas wie Agit-Pop wagt. Das löste sich im Saal etwas auf, als sich einige Kinobesucherinnen ihrer jugoslawischen Nostalgie hingaben und bei einem auf der Leinwand vorgetragenen Lied, das die Liebe zum Staat bekundet, wie betört mitsangen. Was ist stärker: das Bild einer Frau, die nicht mehr kann oder das Heimatlied, das sie singt? Wir müssen uns wohl damit begnügen, dass die Musik die Bilder verändern kann. Wenigsten denkt man dann an Jugoslawien, wenn man das Kino verlässt und nicht an die Geschmacklosigkeiten der Inneren Stadt.

Notizen zu Želimir Žilnik: Bolest i ozdravljenje Bude Brakusa

Von Mai bis August zeigt das Österreichische Filmmuseum sechs Filme Želimir Žilniks, aus der Phase von 1977 bis 1990, in der dieser äußerst produktiv für das jugoslawische Fernsehen drehte. Den Auftakt markierte der schöne Bolest i ozdravljenje Bude Brakusa. Darin konfrontiert uns Žilnik mit einigen kauzigen (ein merkwürdiges Adjektiv, für das es doch keinen besseren Ersatz zu geben scheint), alten ungarischen Bauern in der Vojvodina. (Das Kino der Heimatlosen, DNA des Kinos!)

Einer von ihnen, Buda Brakus, erlitt kürzlich eine Verletzung und erholt sich nun in Begleitung seiner Bekannten und Freunde, während sie sich gemeinsam an den Krieg und das bisherige Leben erinnern.

Žilnik erzählt derart Geschichte aus Sicht der Verdrängten und Unsichtbaren, der Armen und Analphabeten. Dabei mischt er Fiktion und Wirklichkeit und bietet den Darstellern an, ihr eigenes Leben nochmal zu spielen, nochmal zu erzählen, nochmal zu erleben. Wie so oft versteht Žilnik das Kino wie ein Radio, das jenen Stimme verleiht, die sie sonst nicht haben. Sein Umgang mit diesen Bauern, deren rückständige Lebensbedingungen erschrecken, ist erstaunlich direkt und humorvoll (einige Szenen mit dem verletzten Buda Brakus erinnern an Moartea domnului Lăzărescu von Cristi Puiu).

© Österreichisches Filmmuseum

Es ist eine Art Ethnographie, die nicht nach dem Anderen sucht, sondern nach dem Gleichen. Zugleich offenbaren sich das gelebte Leben (die Arbeit, die Krankheiten, die Diskussionen) und das erzählte Leben (die Erinnerungen, die Erzählungen, das Vergessen). Dazwischen funkeln aus dem hohen Gras, das Žilnik ganz wörtlich filmt, jene Enjambements der Geschichte wie verschüttete Gräber und all das, was entwischt, wenn man glaubt, dass man etwas verstanden hat. Dass man den Alten zuhören sollte, selbst wenn sie manchmal verwirrt sind und dass die Verwirrten die Wahrheit sprechen, auch wenn sie alt werden, sind nur zwei der vielen Wahrheiten, die sichtbar werden.

Hinter all dem offenbart sich der irre Lauf einer Geschichte, der kein einzelner Mensch folgen kann. Die Zeit nimmt das, was man vom Leben erwartet und was bleibt sind kleine Gesten wie ein warmes Brot, das wir uns ans Krankenbett bringen, alte Lieder, die wir gemeinsam singen und das ständige Erzählen dessen, was sonst noch viel unwirklicher wäre, als es sowieso schon ist.

Notiz zu Nash vek von Artavazd Peleshyan

Wenn man über Sinnbilder nachdenkt, vermag einen die durchaus ausgelaugte, letzte überlebende Kopie eines 35mm-Films über das immer wieder in Katastrophen führende Fortschrittsdenken menschlicher Prägung durchaus reizen. Doch Artavazd Peleshyan hat mehr auf dieser Filmkopie versteckt, als die vom Österreichischen Filmmuseum im Rahmen ihrer Reihe zum Found-Footage-Film nur allzu gern betonte Geschichte der filmischen Sterblichkeit; was man in den sterbenden Bildern erkennen kann, ist die schiere Wucht des Unglaublichen: Flugzeuge, die wie Fische auf Wolken schwimmen, wie panische Heuschrecken durch den Luftraum hopsende Gefährte, mit offenem Mund in die Geschwindigkeit starrende Opfer des Spektakels und nach jeder Explosion der Drang hinein in die nächste Steigerung, den nächsten Rekord bis wieder alles von vorne beginnt.

Als eine Art Verfilmung der Geschwindigkeitstheorie Paul Virilios hat Peleshyan (wie in all seinen Filmen) keine Geschichte über Menschen aus den Archivaufnahmen gebastelt, sondern eine poetische Betrachtung des Menschseins an sich. Zwischen Ode, zynischer Verballhornung und schicksalsträchtiger Fatalität folgt dieser Film den motivischen Rhythmen der vom Filmemacher entwickelten Montage. Hunderte Aufnahmen von Flugversuchen und deren Erfolg oder Scheitern rasen nur so über die Leinwand.

Es ist nun bereits lange her, dass Peleshyan auf der Kinokarte erschien, seine Filme würden der Filmtheorie zum Studium auf Youtube vorliegen, aber noch immer lehren sie den armen Filmstudenten Eisenstein, weil es niemand schafft, diese außergewöhnliche und überwältigende Art des Schnitts zu beschreiben. Wenn wir von den Krisen des Kinos sprechen, dann auch von jener, die hier scheitert; gleichzeitig aber erlaubt diese Obskurität das Staunen, das einen mal für mal erwischt.