The Unvanquished: Mudar de Vida von Paulo Rocha

Mudar de Vida von Paulo Rocha

Wie in seinem ersten Spielfilm Os Verdes Anos lässt Paulo Rocha auch sein zweites abendfüllendes Werk mit einer Ankunft beginnen. Doch statt des neuen Lebensabschnitts eines Jungen in der Stadt zeigt Mudar de Vida die Rückkehr eines gezeichneten Mannes. Jene eines Soldaten, der aus Angola in das abgelegene Fischerdorf Furadouro südlich von Porto zurückkehrt. Er wird dort den Verlust seiner alten Liebe beklagen, eine mögliche neue Nähe entdecken und gegen die eigene Erschöpfung im Angesicht des unerbittlichen Meeres ankämpfen.

Mudar de Vida von Paulo Rocha

Man ist geneigt vom Geschmack der Bilder zu schreiben, denn sofort sammelt sich auf den Lippen und in den Augen jene salzige Luft und süßliche Fäulnis, die man mit dem Meer in Verbindung bringt. Das liegt unter anderem daran, dass Rocha aus allen ihm verfügbaren filmischen Mitteln einen mehr klassischen als modernen Rhythmus erzeugt, der sich den Orten und Menschen aussetzt statt sie zu dominieren. So scheint die Sprache, die teilweise flüsternde oder im Fall des Onkels der Familie des Protagonisten kecke Art der Dialogführung (geschrieben von António Reis) im direkten Kontakt mit dem tragischen, an Murnau erinnernden Kontrast des Schwarz und Weiß der vom Meer kommenden Wolken zu stehen. Die wundervollen Gitarrenklänge von Carlos Paredes sprechen aus den von der Flut unterdrückten Augen der arbeitenden Menschen. Dabei hatte Paredes erst große Bedenken, ob die Gitarre zum Meer passen würde. Alles geht auseinander hervor, man hat das Gefühl, dass es keinen Schnitt zu viel gibt. Hätte man mir nach dem Film gesagt, dass es keinen einzigen Schnitt gab, hätte ich das sofort geglaubt. Nicht, weil alles in einem einzigen Mischmasch widerstandslos ineinander fließen würde, sondern ganz im Gegenteil, weil sich alles bedingt, ganz gleich dem Meer, welches das Leben der Menschen prägt. Zwischen den Bildern erzählt Rocha von einer Gnadenlosigkeit, die bis auf das Ende nie als Form einer Fremdbestimmung argumentiert, sondern immer auf Augenhöhe mit dem Leben dieser Menschen am Meer operiert. Mit einem recht kleinen Team (ca. 20 Personen) drehte Rocha den Film mit geringem Budget und im Stile einer Art Verbrüderung mit dem Ort und den darin lebenden Menschen. Rocha sagte einmal, dass ihn das Salz genau so interessiert habe wie die Menschen. Es ist eine Konfrontation mit dem Realen, auf die er aus ist, egal ob durch den Blick der Dokumentation oder der Fiktion, veraltete, sich an die Kinokultur klammernde Begrifflichkeiten.

Mudar de Vida von Paulo Rocha

Das Meer wird eine wichtige und dunkle Rolle spielen in den kommenden 90 Minuten. Nicht die Rolle mythischer und poetischer Geister wie etwa bei Jean Epstein, nicht die Sehnsucht nach Abenteuern, auch kaum in Verbindung mit dem Gefühl Saudade, das sich so stolz in portugiesischen Seelen hält, sondern eher als lebensbestimmende, zerstörerische Kraft. Oder einfach nur als ein Meer ist ein Meer ist ein Meer. Man spürt es in jeder Einstellung. Mal ganz direkt, wenn Rocha gleich Henri Storck den Wellengang beobachtet, mal in Bildern der Arbeit auf und mit dem Meer, die an Viscontis La Terra Trema oder die Mattanza in Roberto Rossellinis Stromboli erinnern und mal nur auf der Tonebene beziehungsweise durch beinahe unsichtbaren, durch das Bild wehenden Sand wie zu Beginn von Jean-Pierre Melvilles Un flic. Das Meer ist grausam, die Arbeit auf ihm ist unmenschlich. Einmal im Film gibt es den Vergleich der Arbeit mit jener von Ameisen. Manche Bilder evozieren diese Metapher zusätzlich. Schwarzes Silhouettengewusel am grell-weißen Strand, eine riesige Menschenkette, die die Fische aus den Netzen pflückt.

Die Desillusionierung des heimkehrenden Soldaten war nicht nur offensichtlicher politischer Anstoss rund um den Film im von Salazar regierten Portugal, sondern auch ein riesiger Sprung für den Filmemacher, der als einer der ganz Großen des Cinema Novo gilt und unter anderem für Manoel de Oliveira und Jean Renoir arbeitete. Denn die Jugendlichkeit und Fragilität von Os Verdes Anos wird in Mudar de Vida durch etwas Urzeitlicheres, Raueres ersetzt. Ein Jugendlicher, der in einer fremden Umgebung nicht essen kann, ist ungleich weniger komplex als ein Mann, der in seinem Zuhause keinen Appetit mehr verspürt. Es ist auch deutlich schwerer den bebenden Körper eines Mannes zu filmen, als den eines Jugendlichen. Manche Filmemacher, wie zum Beispiel Olivier Assayas, schaffen nie diesen Sprung. Rocha war 27 Jahre alt, als er Os Verdes Anos und 30 Jahre alt als er Mudar de Vida realisierte. In der Hauptrolle Adelino der schweigsame, in sich zitternde Brasilianer Geraldo Del Rey.

Mudar de Vida von Paulo Rocha

Man spürt dem Film eine gewisse Ehrfurcht an vor all diesen Booten, den Hütten im Schatten des Meeres oder den Kühen, die am Strand die Netze ziehen. Manchmal frage ich mich, ob wir diese Welten heute nicht mehr sehen, ob sie niemand mehr filmt oder ob es sie nicht mehr gibt. In unserer Welt kommt das eine leider oft auf dasselbe heraus. Es geht mir hierbei nicht darum, dass niemand mehr solche Arbeit filmt. Das passiert durchaus. Aber äußerst selten wagen Filmemacher einen Ansatz, bei dem jede Handlung aus diesem Leben mit der Arbeit kommt. Jedes Wort, jede dramaturgische Geste. Pierre-Marie Goulet hat in seinem Encontros sogar ganz direkt nach diesen Bildern im Heute gesucht. Er ist unter anderem nach Furadouro gereist und hat dort doch nur immer die bereits gedrehten Bilder im Kontrast zu einer Welt vor dem Verschwinden getroffen. Vielleicht Fortschritt, vielleicht Verlust.

Mudar de Vida gilt nicht nur wegen der Mitarbeit von António Reis als direkter Vorläufer von dessen gemeinsam mit Margarida Cordeiro realisierten Filmen, deren Linie sich heute bis zu Pedro Costa (der kürzlich einen beeindruckenden Trailer zu einer Rocha-Retrospektive erstellte) fortsetzt.

Paulo Rocha – Rétrospective from La Cinémathèque française on Vimeo.

Es ist dieser Blick auf kranke, von Schwäche gezeichneten Körpern, die dennoch Riesen sind, wie Helden gefilmt werden. Mächtige Gestalten, auf deren Schultern stehend man eine Welt sehen kann, die uns aufgrund sozialer Unterschiede oft seltsam verschlossen und fern scheint. Nur während man dort getragen wird, bemerkt man, dass diese Schultern zusammenbrechen. Machtlos in ihrer Welt, vom Leben hingerichtet. In einem gemeinsamen Gespräch deuteten Costa und Rocha einmal eine Nähe zu William Faulkner an und fanden ihre Gemeinsamkeit in der Vorliebe für die Geschichten der Besiegten. Costa: „Der Film klingt wie ein Echo des amerikanischen Neorealismus, eine Synthese zwischen dem hellen Glanz von Hemingway und dem schwarzen Licht von Faulkner. Sätze, die töten und Schmerz, der brennt, ohne gesehen zu werden.“

In der zweiten Hälfte des Films verändern sich die Dinge. Die Musik wird weniger, das Gefühl einer Heimat scheint vor unseren Augen zu schwinden. Adelino trifft auf Albertina (Isabel Ruth, unberechenbare Macht des Kinos von Rocha). Sie stiehlt Geld aus der Kirchenkasse, versteckt sich in einer Höhle, bedroht und schneidet ihn mit eine Messer. Später kommen sie sich näher. Wie in vielen Melodramen planen sie einen Ausbruch. Etwas daran fühlt sich fatal an. Das drohende Unheil liegt weniger im Schicksal der Figuren als im Leben an sich. Etwas wird sich verändern. Der Titel sagt es bereits. Niemand sagt, dass es eine gute Veränderung ist. Die Zukunft, argumentiert Adelino, läge in den eigenen Händen. Als hätte er alles vergessen, was bis dahin passierte. Die Kamera ist merkwürdig weit weg in diesem Augenblick. Die Menschen beinahe winzig im Schilf. Am Horizont Schiffe und die Frage, ob und was man noch weiter filmen könnte. Selten fühlt sich ein eigentlich offenes Ende eines Films so sehr wie das Ende an. Was mit einer Ankunft beginnt, endet auch ähnlich wie in Os Verdes Anos mit einer Ohnmacht. Nicht die amerikanischen Westernhelden, die in das romantische Nichts verschwinden, aus dem sie gekommen sind, zeigen sich hier, sondern jene Helden, die nicht mehr verschwinden können, weil keine Träume von einer größeren Welt ihre tragische Bestimmtheit motivieren. Stattdessen die eigenen Hände, ach so klein, das Meer im Blick.

Mudar de Vida von Paulo Rocha

Kino und Erde: Encontros Cinematográficos 2018

Encontros von Pierre-Marie Goulet

In Fundão, Castelo Branco vom 27. bis zum 30. April zu Füßen der im dunstigen Schnee lauernden Sierra da Estrela: Das Kino als Begegnungen auffassen. Eine Gruppe außergewöhnlicher Kinoliebhaber huldigt diesem Ideal seit Jahren. Sie sind gekleidet wie die Outlaws einer vergangenen Zeit: Trenchcoats, Lederjacken, Cowboyhüte und zerrissene Wolle eines aufrechten Widerstands. Ihre größte Waffe ist Offenheit und Demut gegenüber Mensch und Film. Es gibt hier eine Allianz zwischen dem Kino und den Leuten, deren Augen das Kino erst lebendig werden lassen. Es gibt hier ein Kino, das zu den Menschen will.

Die Landschaft um Fundão ähnelt jener großer amerikanischer Western. Vieles wirkt unberührt, unerschlossen und doch von den verheerenden Feuern der letzten Jahre erschüttert. Verbrannte, unberührte Erde. Die Verbindung der Menschen und auch des Kinos mit der Erde sollte uns in den Tagen in Portugal beschäftigen. Das Gesetz, so sagt man uns, sei weit entfernt von Fundão. Man nimmt einen Zug aus Lissabon. Wie lange es dauert, ist unerheblich. Nachdem man die Industrie und den überschwappenden Tourismus der portugiesischen Hauptstadt hinter sich gelassen hat, beginnen Adler vor dem Fenster zu kreisen. Der Tajo fließt golden zwischen verheißungsvoll glänzenden Hügeln. Man beginnt etwas zu träumen, aber die Nähe von Schönheit und Ödnis, Reichtum und Armut lässt einen nie ganz schwärmen.

Lucky Star von Frank Borzage

Lucky Star von Frank Borzage

In Fundão selbst herrscht ein kalter Wind bei unserer Ankunft. Er sollte sich nicht legen. Die Gipfel am Horizont schienen sogar neuen Schnee zu empfangen, was die Einheimischen nicht an ihren kauernden, kaffeetrinkenden und rauchenden Posen in den Straßen des Ortes hinderte. Ganz im Gegenteil gab es ihrer Präsenz noch etwas mehr Kraft, regte sie sich eben nicht nur gegen die Welt, sondern den spürbaren Wind. Gleich neben dem Bahnhof, das war auch gleich neben dem Kino, dem Kunstzentrum der kleinen Stadt, „A Moagem“ (Das Mahlen), wartete ein scheinbar streunender Hund an einem Kreisverkehr auf. Er blickte zu dieser Gruppe überzeugter Kinoenthusiasten in verlorener Erwartung. Das ganze Szenario hatte etwas Raues an sich, wäre es nicht zugleich so sanft.

Das Sanfte im Rauen erinnert an die hand- und herzensverlesenen Filme des Festivals. Filme wie Frank Borzages brutaler und romantischer Lucky Star oder Pierre-Marie Goulets balladenhafte Polifonias – Paci é saluta, Michel Giacometti und Encontros. Diese Filme über Alentejo, die Poetin Virgínia Dias, Korsika und den Ethnografen Michel Giacometti sind das beste Beispiel für die Verbindung von Kino und Erde, Menschen und Kino, die bei Encontros Cinematográficos betont wurde. In Modi von Gleichklang und Mehrklang untersucht Goulet dabei Verbindungen und Begegnungen zwischen Koriska und Alentejo sowie zwischen Musik und Leben, Poesie und dem Boden, aus dem sie wächst. Seine schwelgerischen und im betörenden Sinn repetitiven Kamerafahrten versetzen in einen Zustand der Vermischung, der dadurch verstärkt wurde, dass seine beiden zusammenhängenden Werke (am Abend wurde noch ein dritter, sein neuester Film, als Überraschungsfilm gezeigt) direkt hintereinander gezeigt wurden. Immer wieder der Blick hinaus in die Landschaft, der Worte und Musik ermöglicht. Die Reichhaltigkeit eines Lebens, das Leiden, der Kampf, die Schönheit und ihr letztendlicher Ausdruck für den Goulet filmische Denkmäler baut. Die Wahrnehmung so sehr nach außen gestülpt, dass man vergisst, woher die Imagination kommt. Nicht das einsame Zimmer von Robert Walser, nicht das am Anfang stehende Wort, sondern die Berührung und Begegnung mit allem, was sich vor diesem Zimmer befindet. Nicht nur aus diesem Grund immer wieder Bilder von Terrassen, die sich an der Schwelle zwischen Zuhause und Natur befinden. Eine Form innerlicher Überwältigung, die sich nach außen trägt. Keine Explosionen oder Dinosaurier, einzig der Blick hin zur Welt.

Encontros von Pierre-Marie Goulet

Encontros von Pierre-Marie Goulet

Encontros ist auch ein Film über das Kino, insbesondere über Paulo Rochas Mudar da Vida. Der Filmemacher und sein Film durchwandern Encontros, es stellt sich die Frage nach der Verbindung eines Filmemachers und seiner Drehorte sowie den Menschen, die er so wundervoll filmte. So also vermag Encontros ein Film darüber zu sein, wie die Liebe zu Kino und Kunst, Menschen näher zusammen bringt. Sowohl in der selben Zeit, als auch über die Zeiten hinweg. Michel Giacometti, Manuel António Pina, António Reis, Paulo Rocha, Virgínia Dias und Pierre-Marrie Goulet. Sie alle wandern auf gleichen Pfaden und treffen sich in diesem Film, der die Zeit zu Gunsten eines Ortes aufhebt.

Dieses Wunder erschien bereits am Morgen in den bewegendsten Augenblicken, die ich jemals in einer Kirche verbracht habe. Ein Bus brachte die Gruppe gleich einem Schulausflug durch für Busse eigentlich zu enge Gassen in einen Nachbarort. Dort stand, umgeben von traumeinladenden Gärten und beobachtet von einem weiteren, diesmal dreifüßigen, stolz hinkenden Hund, die Tür zu einer alten Kirche offen. Vorne war eine Leinwand aufgespannt. Unsere Gruppe schlich trotz herziger Begrüßung etwas schüchtern und bemüht anmutig durch die morgendliche Heiligkeit. Zeigt man es in der Kirche kommt einem das Kino schnell wie eine Sünde vor, schließlich weiß und zeigt es mehr als der Pfarrer. Im linken vorderen Teil, näher am obligatorischen Jesuskreuz versammelte sich eine Gruppe älterer Menschen, die wir bislang nicht gesehen hatten. Wahrscheinlich, so dachte ich naiv, Menschen aus der Kirchengemeinde. Weit gefehlt. Gezeigt wurden Episoden aus der von 1970 bis 1974 laufenden TV-Serie Povo Que Canta von Alfredo Tropa und Michel Giacometti. Die Frage danach, wer dieser Michel Giacometti war, erreichte uns immer wieder während des Festivals. Man erzählte uns, dass er auf einmal aufgetaucht war. Ein Retter der portugiesischen Musiktradition aus Korsika. Mit Tuberkulosediagnose zog er nach Portugal und gründete dort ein Archiv, um Volkslieder und Erzählungen aus dem Hinterland zu sammeln. Er reiste von Ort zu Ort und sammelte ein musikalisches Erbe. Seine Präsenz in den Bildern ist von außerordentlicher Ruhe und Neugier beseelt. Er spricht zu uns vor allem durch die Musik, die er liebt und die Menschen mit denen er diese Liebe teilt. Seine Arbeit ist die des Zuhörens. Er dokumentierte gegen das Vergessen.

Nuvem von Ana Luísa Guimarães

Nuvem von Ana Luísa Guimarães

Was ist es mit diesem Geschreibe von den „Menschen“? Ist es nur die Überwindung mitteleuropäischer Kühle und Distanz, die einem im Besuch dieser anderen Kultur in einen Rausch an Empathie verwandelt? Ist es vielleicht gar die Hilflosigkeit im Angesicht einer fremden Offenherzigkeit, die mich auf einen Allgemeinbegriff wie Menschlichkeit zurückfallen lässt? Ich weiß es nicht, aber die Szenen, die sich in der Kirche abspielten, haben, wenn nicht mit Menschen, doch zumindest mit ihren Erinnerungen und ihrer Sterblichkeit zu tun. Denn die uns unbekannte Gruppe im vorderen linken Teil der Kirche bestand aus einer Vielzahl an älteren Damen, die sich selbst und ihre Stimmen auf der Leinwand wiederfanden. Beinahe 50 Jahre später, im Angesicht der eigenen Jugend. Ihre Unruhe und ihr Lachen, ihr Erkennen und Verblassen erzeugten eine ungeahnte Spannung zwischen Leinwand und Zusehern. Die Kirche wurde eine Zeitkapsel, nicht mehr das Sehen und Hören stand an erster Stelle, sondern das Sein an diesem Ort zu dieser Zeit. Tränen sammelten sich in den Augen als eine Stimme in der Kirche gar in spontaner Emotion die Musik auf der Leinwand begleitete. Der Gesang hallte echohaft unter der Decke der Kirche und aus den Lautsprechern. Beim Verlassen des Gemäuers waren wir endgültig aus der Zeit gefallen.

Regen kündigte sich an. Im milchigen Dunst über dem steppengleichen, trockenen Boden fragt niemand nach den falschen Fragen des Kinos. Niemand will wissen, wer diese Filme programmiert hat, niemand will wissen, wer sie besitzt. Es kann keine Rolle spielen. Die Probleme bei mancher Projektion erinnern höchstens an Rechtschreibfehler in Liebesbriefen. Sie sind nicht relevant, der Gestus ist nicht Perfektion, sondern Zuneigung. An einem Abend jagen wir mit einer kleinen Gruppe einen Regenbogen, der in besonders kräftigen Farben aus dem Boden zu sprießen scheint. Straßen im Irgendwo. Alles durchdrungen von unserem im Kino geschärften Blick für Schönheit und Vergänglichkeit. Wir stoppen in einer verlassenen Gegend an einer im Sonnenlicht badenden Steinhütte. Es ist ein zugleich lebensfremder und lebensbejahender Ort. Ob man hier leben könne, fragt jemand. Wenn man sich erinnern würde, wie man lebe, entgegnet eine andere. Es ist erstaunlich, was mit der Wahrnehmung passiert. Schließlich sehen wir in dieser Gegend und auch im Kino auch viel von der sozialen Ungerechtigkeit, politischen und natürlichen Problemen. Wir erleben einen Widerstand auf der Leinwand. Wir hören auch viele schlimme Geschichten über die portugiesische Filmlandschaft. Von Bestechungen, ausbleibenden Fördergeldern und kaum zu fassenden Mechanismen.

Espelho Mágico von Manoel de Oliveira

Espelho Mágico von Manoel de Oliveira

Ein Beispiel dafür findet sich in Ana Luísa Guimarães, die zu Gast ist auf dem Festival und ihren Film Nuvem zeigt. Der Film, der bis heute ihr einziger Langfilm ist, ein zerbrechlicher Traum verlorener Jugend, die genrehafte Erprobung von Gesten und Verhaltensweisen als Akt des Ausbruchs mit unheimlicher Sicherheit in die Nacht hinein inszeniert, sodass man sich plötzlich im pulsierenden Mond von Nicholas Ray wiederfindet, obwohl man jederzeit fest in Portugal verankert bleibt. Nuvem ist ein Film, der vieles falsch machen könnte, weil er von einer klischeehaften Welt notgedrungen mit Klischees erzählt. Aber Guimarães findet aus den Fallstricken heraus, weil sie das Kino und die Illusion mit der Sensibilität ihrer Figuren verbindet. Erzählt wird eine klassische Liebesgeschichte im Kleingangstermilieu. Der Eindruck eines Freiheitsbegehrens entsteht, eines, das sich zwischen Tag und Nacht abspielt, aber nie wirklich ankommt. So wie bei Nicholas Ray immer die Gangster am zärtlichsten sind, so ist bei Guimarães die Nähe zwischen Kuss und Todesschuss, die verführt. Das Spiel und die Körper in diesem Film könnte jederzeit zerbrechen. Doch wie schon über dem Film ein Hauch von schicksalshafter Ungerechtigkeit hängt, so ist es auch der Filmemacherin widerfahren. Nicht zuletzt aufgrund ihrer Nähe zu Ray oder auch John Boultings Brighton Rock, die in Wahrheit nur eine Liebe zum Kino ausdrückt, und – um es zu sagen, wie es ist – weil sie eine Frau ist, konnte sie diesem ersten Funkeln in der Gangsternacht keinen weiteren Langfilm folgen lassen. Es bleibt das Rot und eine Fahrt aus der Dämmerung der Stadt zurück, die uns klar macht, dass meist irgendwo irgendwer steht und träumt. Ergeht es uns nicht so an dieser Steinhütte? Sollten wir nicht wütend Kampagnen für die Filmemacherin starten statt melancholisch zu bedauern, dass sie keinen weiteren Film machen konnte? Würde uns das zustehen?

Von der Steinhütte zum aristokratischen Anwesen in Manoel de Oliveiras Espelho Mágico. Musik: La danse macabre von Camille Saint-Saëns. De Oliveira, dem am letzten Tag eine musikalische Hommage durch Bruno Belthoise gewidmet wird (die einzige Vorführung, die pünktlich beginnen sollte), ist nicht gestorben. Er hält seine Hand über das portugiesische Kino. Bei unserer Abreise am Flughafen sehen wir die nach ihm benannte Maschine. In Lissabon passieren wir Orte, an denen er gedreht hat. Auch Ana Luísa Guimarães hat mit ihm gearbeitet, seinen Visita ou Memórias e Confissões geschnitten.

Espelho Mágico ist eine Lektion in Ambivalenz. Der Film zeigt Adel und Reichtum mit boshafter Ironie und berührender Zärtlichkeit zugleich. Erzählt wird eine katholisch pervertierte Geschichte rund um die Suche nach ewiger Jugend. Ein makaberer Tanz, ein in sich verlorenes Gelüst. Auch De Oliveira interessiert sich für die Terrasse. Doch im Gegensatz zu Goulet ist sie nicht der Kontakt mit der Natur, sondern die Abgrenzung. Beinahe erinnert der Umgang mit Terrassen an diesen Tagen an Jean-Luc Nancys Gedanken zur Haut. Der Tastsinn gehört nicht zu dem, was wir zuerst mit dem Kino in Verbindung bringen. Höchstens aufgrund der Dunkelheit und Nähe von Liebenden, deren Hände sich umschlingen und die sich im Licht der Leinwand nur erfühlen können. In Fundão jedoch hatte man – und sei es nur verzaubert vom Bann eines geliebten Kinos – das Gefühl, dass das Kino die Erde berühren kann.

 

Hier noch das Gespräch, das ich vor Ort mit Sílvia das Fadas und Marta Mateus führen durfte:

Yes, Home Movie: Manoel de Oliveira und die Porto-Schule

Das Folgende ist der etwas erweiterte Text einer Einführung zu einem Screening von Manoel de Oliveiras Visita ou Memórias e Confissões und Javier Oliveras La sombra im Filmmuseum München. Ich bedanke mich bei Klaus Volkmer und Paulo Soares für die Unterstützung bei der Recherche und der Formulierung des Textes (die Reihenfolge und Wahl der Bilder entspricht nicht jener des Vortrags).

Ich freue mich, dass ich heute Abend hier eine kleine Einführung zu diesem schönen Double Feature geben kann. Ein Programm, das Architektur und Film, Häuser und Erinnerungen auf eine mutige, sinnliche, philosophische und doch ganz greifbare Art und Weise zusammenführt meiner Meinung nach. Ich werde vor allem ein paar Worte zum ersten Film des Abends und seinem Macher Manoel de Oliveira, der eine besondere Beziehung zur Architektur und zur außergewöhnlichen Architekturgeschichte der Stadt Porto hat, verlieren. Ich nähere mich der Thematik aus Sicht eines Filmmenschen, also wie die Filme selbst und so will ich hoffen, dass daraus etwas Fruchtbares entsteht.

Der Film, den wir gleich sehen werden, Visita ou Memórias e Confissões hat eine besondere Geschichte. Sie hängt eng zusammen mit dem Haus, in dem er gedreht wurde und das auch ein großes Thema im Film ist. De Oliveira ist 1908 in Porto geboren. Er ist Sohn eines reichen Textilindustriellen und hat sehr langsam begonnen Filme zu machen. Er war zwar immer hinter seiner Leidenschaft, dem Kino her, aber zwischen seinen ersten Filmen verging viel Zeit und andere Tätigkeiten nahmen den Portugiesen ein. Dazu gehörte seine Karriere als Autorennfahrer, Agrikultur und eben Architektur.

RODAJE DE OLIVEIRA, O ARCHITECTO

Machen wir einen kleinen Zeitsprung: Ende der 1930er Jahre in Porto. Salazarismus, Diktatur in Portugal. De Oliveira kommt unter anderem deshalb nicht dazu, viele Filme zu machen. Bislang hat er nur dokumentarische Kurzfilme gemacht. Sein erster Langfilm, Aniki Bóbó sollte 1942 folgen. danach würden weitere 22 Jahre vergehen bis sein Acto da Primavera das Licht der Welt erblickt. Doch der Textilfabrik seines Vaters, über die De Oliveira seine erste filmische Arbeit Douro, Faina Fluvial macht, geht es blendend und auch privat kann sich der junge Mann nicht beschweren. Er lernt Maria Isabel Brandão de Meneses de Almeida Carvalhais kennen und heiratet sie am 4. Dezember 1940. Zusammen mit ihr will er in einem Schloß wohnen. De Oliveira gab einmal selbst zu, dass es bescheidenere Projekte geben würde. Er schließt sich zusammen mit dem Architekten José Porto, um ein Haus in Porto, in der Rua da Vilarinha zu bauen. José Porto kehrte 1933 nach Portugal zurück nachdem er seine Ausbildung in Genf und in Paris abgeschlossen hatte. Er stand wie viele Architekten jener Zeit in Europa unter dem Einfluss von Le Cobusier. Schnell spezialisierte er sich auf Einfamilienhäuser. Auf sein Konto geht unter anderem auch der Emporium  Häuserblock, ein Hotel für den Praça de D. João I und das Grande Hotel Beira in Mosambik. Einst als „Stolz von Mosambik“ betitelt, ist dieses Gebäude heute eine zerfallene Ruine, in der zahlreiche Obdachlose Unterschlupf finden. Das Haus für und mit De Oliveira braucht mehrere Anläufe. Das liegt zum einen an den zum Teil utopischen Vorstellungen von De Oliveira, zum anderen am Krieg und natürlich auch an Portos Engagement in der portugiesischen Kolonie Mosambik. Aber Anfang der 1940er Jahre steht das Haus und es sollte das Heim von De Oliveira für knapp vier Jahrzehnte werden.

Schon bei der Planung ist eine der wichtigsten Aspekte für De Oliveira und Porto die Intimität. Wie sieht ein Haus aus, in dem ein Filmemacher, in dem eine Großfamilie leben kann? Die Spuren der Umgebung, des Lebens, die Transformationen, die das Haus durchmachen würde und sollte, wurden schon in der Planung mitgedacht. Mit dieser Denkweise sind wir bereits mitten in der portugiesischen Moderne, von der De Oliveira als Filmemacher beeinflusst wurde und die ihn auch darüber hinaus immer wieder beschäftigte. Große Namen wie Álvaro Siza Vieira oder sein „Schüler“ Eduardo Souto de Moura sind die herausragenden Figuren dieser Bewegung, die auch als Porto-Schule bezeichnet wird. Souto de Moura hat einmal gesagt: „Architektur lebt um transformiert zu werden, darin liegt ihre wahre Bestimmung.“  Dem Film von de Oliveira geht es da ganz ähnlich.

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Was ist nun diese besondere Geschichte des Hauses und des Filmes? Wie gesagt lebt de Oliveira fast vier Jahrzehnte dort, dann gerät die Fabrik seines Vaters im Zuge eines Arbeiterstreiks während der Nelkenrevolution in Schulden und De Oliveira, der gerade die Fabrik mit-übernommen hatte, muss eine Hypothek aufnehmen. Er muss das Haus verkaufen und ausziehen. Eine äußerst schmerzvolle Erfahrung für ihn, dessen Familie dort über drei Generationen lebte. Er entscheidet sich einen Film im Haus zu drehen, nachdem er bereits ausgezogen ist. Es ist also viel weniger die Geschichte eines Besuchs als einer Rück- oder gar Wiederkehr. De Oliveira macht diesen Film 1981 mit 73 Jahren. Konfrontiert mit dem fertigen Werk, entscheidet er sich ihn verschließen zu lassen. Sein Sohn sagte, dass sich sein Vater aus Bescheidenheit zu diesem Schritt entschloss. De Oliveira ging davon aus, nicht mehr lange zu leben. Was er nicht wusste: Seine Karriere sollte dann erst richtig beginnen, er drehte die Vielzahl seiner Langfilme und starb erst 2015 im Alter von 106 Jahren. Die Wiederentdeckung dieses Films ist die nächste Wiederkehr oder Heimsuchung. Eine Heimsuchung im Haus von De Oliveira. Zweimal wurde der Film doch aufgeführt. Einmal in Form einer Art Teampremiere, einmal bei einer Retrospektive und nach einiger Überzeugungsarbeit von João Pedro Bénard da Costa. Dennoch ist dieser Film ein kinematographisches Wunder, ein Dokument aus einer anderen Zeit.

Das Haus selbst kann als Schmelztiegel der portugiesischen Moderne gesehen werden. Es befindet sich zwei Kilometer vom Meer entfernt im ehemaligen Viertel Foz du Douro (benannt nach der Mündung des Douro in den Atlantik). Das Haus ist kreisförmig mit einer Zentralachse, auf die alles zuläuft. De Oliveira berichtete sehr gerne, dass die Form das Tapezieren äußerst kompliziert machte. Außerdem findet man einige Zitate von de Oliveira über die Schwere der Arbeiten, die von den anspruchsvollen Wünschen des Filmemachers bestimmt wurden. Ein Beispiel:

„Das Haus war für seine Zeit ein sehr mutiges Unterfangen.  Aber der Architekt war sehr glücklich einen Kunden zu finden, der sich so radikal von anderen unterschied. Ich wollte einfach Freiheit bei diesem Projekt. Aber es war schwierig Eichenholz zu finden. Es gibt im Haus ein 7-Meter breites Fenster. Das Holz musste dafür 12 Zentimeter dick sein und das war sehr schwer zu finden. Mit etwas Glück konnten wir ein Sägewerk finden, das ein solches Holz hatte.“

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Inzwischen steht das Haus unter Denkmalschutz. In der Begründung der Stadtregierung hieß es, dass die Verbindung der enormen Größe des Hauses mit der Existenz sehr weniger Türen eine der Besonderheiten darstellt. Zudem gibt es eine beständige Variation des Abstandes vom Boden bis zur Decke. Ein Schmelztiegel ist das Haus auch deshalb, weil viele unterschiedliche Architekten am Haus gearbeitet haben. Nach Portos Abreise nach Mosambik kümmerte sich Viana de Lima um die Inneneinrichtung und Cassiano Branco um die Gartenanlagen, in denen der Film beginnt und die als essentieller Teil in die Fassade übergehen. Zunächst hatte De Oliveira seine Probleme mit den unterschiedlichen Stilen, schließlich war er aber zufrieden. Für ihn ging es sehr stark um einen Ort der Identität. Ein Territorium für sein Schreiben, Denken und Leben, wenn man so möchte.

Die Geschichte des Hauses geht natürlich auch ohne De Oliveira weiter. Zunächst wohnte ein bekannter Arzt dort, dann ein Immobilienmensch. Eduardo Souto de Moura hat einen Tennisplatz, einen Swimmingpool und einen Fitnessraum hinzugefügt, Gonçalo Ribeiro Telles hat die Gärten neu-designed, Alexandre Burmester e Maria de Fátima Burmester, die umgestaltet/renoviert. Die portugiesische Moderne beeinträchtigte das Schaffen und Denken von De Oliveira aber auch jenseits dieses Hauses. Architekten und Freunde des Filmemachers wie Siza, Souto de Moura oder Fernando Tavora arbeiteten mit De Oliveira an Projekten und sorgten dafür, dass dieser Anfang der 1990er Jahren den Ehrendoktor der Faculdade de Arquitectura do Porto erhielt. Diese Querverbindungen hängen wohl am ehesten am Architekturinteresse von de Oliveira, man kann aber auch die Stadt Porto als einen Grund für diese gegenseitigen Einflüsse nennen. Die Porto-Schule ist mehr als nur das Gebäude, das in den 1980ern in einem auf den zweiten Blick spektakulären Neu-Bau von Álvaro Siza konzipiert wurde. Hier versammelt sich die Philosophie einer Architektur im bau des Gebäudes, in dem die Architektur der Zukunft entstehen soll. Es ist diese Anpassung an die Umgebung, dieser kritische Regionalismus, den der Architekt selbst mit „Jazz“ umschrieb und der umstehende Gebäude, Vegetation, Geräusche und Licht in die Planungen aufnimmt beziehungsweise in den Mittelpunkt der Ausführungen stellt. Darüber hinaus könnte man Porto selbst als außergewöhnliches Stück Architektur bezeichnen. Sie macht kaum Sinn, da beständig eine Konfusion herrscht zwischen Landschaften und Gebäuden. Darüber hinaus vermischen sich sehr viele Stile, da die Architekturgeschichte der Stadt von vielen großen Figuren der portugiesischen Architektur geprägt wurde wie José Marques da Silva, Arménio Losa oder Cassiano Barbosa und schließlich den bereits genannten Modernisten.

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Architektonisch ist ein Adjektiv, das nicht nur von Paulo Rocha in seiner Betrachtung von De Oliveiras Schaffen auftaucht. Sein Portraitfilm heißt Oliveira, o Arquitecto. Das Bauen von Filmen ist ein wichtiger Aspekt im Kino von de Oliveira. Es geht viel um Konstruktionen und Funktionalität, Respekt vor Formen und Traditionen.  Der Filmemacher hat selbst sehr oft über die Verbindungen zwischen Film und Architektiur gesprochen, einmal hat er dabei bemerkt: Der Unterschied ist, dass Architektur sich nicht bewegt. Ein anderes Mal ging er allerdings inspiriert von Aussagen Jean-Luc Godards und Jean Rouchs, der in Porto einen Vortrag über Kino&Architektur hielt, auf Gemeinsamkeiten ein:

„Architektur bewegt sich zwischen der Kunst und dem Leben. Im Haus ist beides. Das Leben und die Kunst. Die Art und Weise, in der man ein Haus organisiert, die verschiedenen Räume, vom geheimnisvollsten, dem intimsten bis zum öffentlichsten und sozialsten erinnert an die Art und Weise wie ein Film gebaut sein sollte in der Découpage. Es gibt eine architektonische Komposition in der Organisation von Szenen und Sequenzen.“

Ein anderes Projekt, bei dem de Oliveira direkt mit Architektur in Verbindung gekommen ist, ist das Casa do Cinema, dass er zusammen mit Souto de Moura entwickelt hat. Für den Architekten ist dieses Projekt gewissermaßen ein Wendepunkt, da er sich mehr an den Stil seines Mentors Siza angeglichen hat als je zuvor. Die äußere Form erinnert an eine Kamera und die beiden „Linsen“ an die Augen eines Insekts, die zwischen den Gebäuden hindurch spähen, um den Atlantik zu sehen. Das Haus wurde 2003 gebaut, der Plan war, dass es ein de Oliveira-Museum dort geben würde und ein Kino, in dem historische Filme gezeigt werden. Die modernistische Struktur verbindet sämtliche Räume und Fassaden mit dickem Zement. Der Plan zur Nutzung des Kinohauses wurde aber nie umgesetzt aus unterschiedlichen, vor allem finanziellen Gründen. In den letzten Monaten ist allerdings neue Bewegung in die Sache gekommen. Das Haus wurde verkauft und ein de Oliveira-Museum soll an anderer Stelle, nämlich im Serralves Park entstehen. Architekt des neuen Projekt ist niemand anderes als Álvaro Siza. Die Idee eines Museums liegt gewissermaßen auch dem Film zu Grunde. Das Erhalten, Sichtbar-Machen, Durch-Die-Zeit-Transportieren eines Lebens, eines Ichs, eines Hauses und der Erinnerungen, die damit verbunden sind.

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Visita ou Memórias e Confissões stellt die Frage wie wir uns filmisch einem Haus nähern, und das Haus stellt die Frage wie wir uns architektonisch einem Filmemacher nähern. Das Haus als Wurzel und Ausgangspunkt, die Kamera findet in den Räumen die Spuren einer menschlichen Existenz. Álvaro Siza hat einmal gesagt, dass er Ekel empfinden würde, wenn ein Gebäude fertiggestellt sei, weil er wisse, dass es transformiert werden würde. Aber das, so sagte er, sei nur sein Egoismus.

Diese Wechselwirkungen zwischen Leben und Kunst sollen uns also jetzt beschäftigen. Zusammen mit dem zweiten Film des Abends, La sombra von Javier Olivera fragen wir wie sich Erinnerungen in Häuser einschreiben. Das Verhältnis von Kamera und Architektur steht zur Debatte in Häusern, die als eigene Figuren agieren. Häuser, die verschwinden, die bleiben, Menschen, die verschwinden, die bleiben. Es sind Heimsuchungen, die uns hier beschäftigen, Heimsuchungen in allen Bedeutungen, die das Wort haben kann.

Link zu meinem Programmtext und den Architekturfilmtagen in München.

Youth Under The Influence (Of Pedro Costa) – Part 3: The Natural Sexual One

Michael Guarneri and Patrick Holzapfel continue their discussion about the films they have seen after meeting with Mr. Costa in Munich, in June 2015. Quite naturally, in this part, they end up talking about Mr. Costa’s films and find something between sexual desires and ethical distance in cinema.

Part 1

Part 2

Michael: (…) Maybe it’s an Italian thing, an Italian take on poverty, but when I asked my grandparents about Chaplin’s films, they said something I find very interesting: “Yeah, I remember the tramp guy, very funny movies, I laughed so hard… but being poor it’s another world entirely”.

Please mind that I have consciously chosen Chaplin as he is one of Mr. Costa’s favorite filmmakers. Is Chaplin a traitor, in your view?

Patrick: Again, you make me think of Renoir, who said: “Filmmakers are the sons of the bourgeoisie. They bring to their career the weaknesses of their decadent class.” Did Chaplin know what poverty was/is? If he knew, was he really interested in it? We know that, as opposed to Renoir, Chaplin did not come from a rich household or a secure life. We know that Chaplin enjoyed his money, the money he earned, he was proud, living the capitalist dream by showing its downside. Compared to Ventura almost every other actor seems to be a traitor.

But maybe there is more to being poor and human than the reality of social conditions (which Chaplin in my view was merely addressing, addressing in a very brave manner because he was talking about things in his films that others wouldn’t have dared to – his films are always meant to be a film, an illusion and his acting is the best way to detect that: it is very clear that he is not really poor, he does not lie about it). Maybe there is some truth in his films that goes beyond their credibility. I think cinema would be much poorer if only those were allowed to show certain issues that lived through them.

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Nevertheless I can perfectly understand your points and there is certainly some truth to them. I never really was overwhelmed by Chaplin’s worlds, it is somehow very distant for me, I watch his films in an observing mode. I never understood how one can identify with the Tramp. But while observing I identify with the filmmaker. Which brings me to a rather curious and certainly stupid “what-if”… I just asked myself why Mr. Costa is not visible in his films. He talks so much about the trust, the friendship and his life in Fontainhas. He should obviously be a part of this world. I don’t mean in the Miguel Gomes kind of way, but just in order to be sincere, because we shouldn’t forget that there is someone in the room when Ventura shakes, maybe he doesn’t shake at all, maybe someone tells (I think Mr.Costa has already talked about that) him: “Shake a bit more, Ventura.” But then I know that Mr. Costa and his camera are visible if you look at his films… It is just a question of his body being there, the presence. Do you know what I mean?

Michael: I am not sure if I understand what you mean, especially because I am not well-acquainted with Miguel Gomes’s body of work. Anyway, there is this scene in (near the end of?) In Vanda’s Room: Zita is in the frame, with her little half-brother if I remember correctly, and in a corner you can see a camera tripod against a wall. Maybe it is shy Mr. Costa “revealing himself”? I think so. Otherwise, yeah, as a person, he’s pretty much in the dark, behind the camera, in the 180 degrees of space in which we have been trained to pretend that everything and nothing exists. But is he really “hiding” in the dark? I am not sure. Sometimes it seems to me that Mr. Costa is all over the place, and not just a presence looming at the margins of the frame, off-camera. There’s a lot of autobiography in O Sangue. In Casa de Lava, Mariana is lost in Capo Verde just like Mr. Costa lost himself during a Heart-of-Darkness-esque shooting adventure in the tropics…

About Ventura shaking more than he actually does in real life: yeah, I read that too. I think it has to do with the way the camera captures movement. Did it ever happen to you that something that was perfect in real-time/real-life speed was awful when filmed? Like, you shoot a certain scene, and when you watch it on the screen you realize that this or that real-life movement must be done more slowly to look good once filmed? I think it is the same with Ventura’s shaking. It had to be exaggerated to become “cinematic”, to become visible, comprehensible, dramatic, melodramatic. I guess this is why Chaplin rehearsed on film…

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Patrick: I just looked up the scene with Zita and her half-brother but couldn’t make out the tripod. Can you maybe send me a screenshot? I think it is due to my bad copy of the film or the darkness of the screen I have here because I cannot really see what is in the corners of the frame.

You are completely right about Mr. Costa being all over the place in his films though. I think it is most obvious in Ossos and his portraits of artists at work, Ne change rien and Where does your hidden smile lie?. I think it is a question of approach, the distance to the filmed ones always tells us something about the one who films with Mr. Costa. It is not only his position in spatial terms, but also in ethical and emotional terms. I am very careful with autobiographical aspects though you have your points. After all the way of a shooting, personal desires and memories are part of many, many films. It is very hard not to have more or less obvious traces in a film.

As for the way camera captures not only movement but anything, I think… the notion of something being empty or crowded, speed, relations like big and small and so on, yes, I know that and yes, this is surely a reason to shake more… but still… it only shows me that cheating is part of making films. So for me what counts is what is on the screen.

Gomes often has his film crew acting out in front of the camera including himself. It is a very hip thing, full of irony and self-reflexion. In Our beloved month of August it worked for me because from the absurd body of the motionless director who is Gomes here, searching for money, without motion – without a picture – derives something important which is the fact that cinema can be found, will be found. In Arabian Nights he went for something similar (much bigger, of course) and he is always flirting with his own disappearance or death, the disappearance of the author, the idea of illusion as an escape from reality, maybe he desperately wants to escape because he is a traitor like all of them, like all of us – look at us! But Gomes and the question of the body of the director leads me to another recommendation of Mr. Costa I followed after our meeting: João César Monteiro. Are you familiar with his work?

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Michael: I won’t send you a screenshot of the tripod-thing for the same reason Straub-Huillet didn’t put an image of the mountain when the mother looks out of the window in Sicilia!: I want to give you a space to imagine things. Nah, jokes aside, I cannot find the shot right now, skimming through the movie. But it’s there. Zita is there, I don’t know about the kid. She is in a sort of storage closet, the tripod is leaning against the wall in the background. Or maybe there is no tripod at all, I don’t know. Maybe it’s like the smile in Mr. Costa’s Straub-Huillet film, or the twitch in the neck of comatose Leão at the beginning of Casa de Lava: sometimes it is there, sometimes it isn’t.

About João César Monteiro, I have watched his film about the aftermath of the Carnation Revolution Que Farei com Esta Espada?, and A Flor do Mar. What did you see? Were you impressed?

Patrick: I have seen Silvestre, As Bodas de Deus, Vai e vem and O Ultimo Mergulho. Mr. Costa advised me to see Monteiro’s debut feature Veredas first, but I could not find subtitles.

Silvestre is really an amazing film. It is full of beauty and manages to have one serious and one ironic eye on folkloristic tales and the way they are told. Rarely have I seen such a depth in artificial imagery. O Ultimo Mergulho is also great. It is a sensual comedy of tragic circumstances, and also a documentary on a Lisbon night. For the other two, which happened later in his career, I can only say that I found them to be curious little charmers. No more, no less. But they are very interesting in regards to what we have been talking about: the body of the director in Portuguese cinema. With Monteiro we have this recurring character he plays, João de Deus. As I have seen only two of those films I cannot say too much about it. It seems to be something close to Buster Keaton, just a little madder and sexually deranged (if you google the name you will also find that this is the name of a medium and psychic surgeon from Brazil).

But Monteiro really gives his body to his films. Whereas Gomes tries to disappear, with Monteiro it is all about the presence of his body. He is much more serious as an actor, I think. There is another thing that strikes me about Portuguese cinema which is the use of language. How do you perceive that as someone whose mother tongue is much closer to Portuguese than mine? For me, no matter if Monteiro, Gomes (not as much), Lopes, Villaverde, Pinto, Rodrigues or Mr. Costa, almost all of them, the use of language is closer to poetry than anything else. It is very hard to do that in German though some directors managed to.

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Michael: I wish spoken Portuguese was closer to Italian! On the written page, the languages are very similar, but because of the way Portuguese is spoken – the pronunciation, I mean – it is just impossible for me to understand. I can understand little things and try to infer the general meaning of a given sentence, but most of the time it is impossible for me to follow. Bottom line is: I need subtitles, too, and I won’t risk any judgement to the poetic quality of Portuguese.

Anyway, about Vai e vem, do you know the scene in which Monteiro sits under the big tree in the park? That is the park – Principe Real – where he and Mr. Costa used to meet many many many many many years ago to read the papers together, drink coffee and talk… But it would be really hard to find strict similarities between their films, wouldn’t it?

Patrick: Do you really need to understand to hear poetry? For me, it has more to do with rhythm and sound. Of course, knowing the language is essential for poetry, but to get a feeling if something is poetic or not…well, I am not sure.

Thanks for the info about the park! I think there are some similarities concerning their use of montage especially related to Costa’s first three features. It is certainly hard to grasp. I would have to see more of Monteiro.

So now the youth under the influence of Mr.Costa talks about the influences on Mr. Costa. Do you see any connections to Portuguese cinema with him?

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Michael: For what I have seen, and heard, and read, I think the biggest similarity between Monteiro and Mr. Costa is their being “natural heterosexual filmmakers” (I am more or less quoting Mr. Costa, as filtered through my memory). How did they use to say back in the days? Cinema is a girl and a gun… This is also very Chaplinesque, of course. Rest assured that I am not alluding to anything deranged (though I read that there is some kinky sex and weird stuff in Monteiro’s João de Deus). It is just this idea of approaching interesting girls by means of a camera… I won’t ask you your opinion on this because you told me that you have a girlfriend: we will discuss that in private maybe.

For a more general take on the Portuguese scene, the names Mr. Costa always names are António Reis and Paulo Rocha. The former was his teacher at Lisbon Film School, and together with Margarida Cordeiro made a few films that Mr. Costa really likes, especially Ana and Tras-os-Montes. The latter made Os Verdes Anos and Mudar de Vida, which Mr. Costa recently helped restoring (they are available in a DVD boxset with English subtitles now).

If I had to be didactic, I’d say that the influence of the two early masterpieces by Rocha is more pronounced in O Sangue (whose title could have easily been “Os Verdes Anos”, i.e. “The Green Years”), both in the imagery and in the coming-of-age/maudit/enfant terrible/doomed love mood. I think that Reis, being not only a filmmaker but also a poet and an anthropologist, influenced a lot Mr. Costa’s approach to the cinematic expeditions in Cape Verde and Fontainhas… Reis used to say: “Look at the stone, the story comes afterwards…”. These words must have been a great inspiration for Mr. Costa as he was researching and searching his way into cinema after O Sangue. But of course things are more complex than this… Do you follow me? Have you seen Rocha’s dyptic and Reis and Cordeiro’s films?

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Patrick: I can follow you very well, though of the above I have only seen Tras-os-Montes. I think that this midway between a (natural sexual and political conscious) poet and an anthropologist by means of film and work with film is much of what Mr. Costa is all about right now. There is something António Reis once said when talking to Serge Daney that strongly reminds me of Mr.Costa’s work in Fontainhas: “I can tell you that we never shot with a peasant, a child or an old person, without having first become his pal or his friend. This seemed to us an essential point, in order to be able to work and so that there weren’t problems with the machines. When we began shooting with them, the camera was already a kind of little pet, like a toy or a cooking utensil, that didn’t scare them.”

This idea of friendship of complicity… tenderness… how to film someone, how to work with someone you film, so what is this natural sexual thing really? Though you politely offered to discuss it in private between two male cinema observers/workers/lovers, I have to insist to have part of this conversation in public… I think it is remarkable how much anger and fear is in the way Mr. Costa’s camera approaches women (and men), especially compared to Monteiro, who I can always feel being very much in love with what he films and sharing this feeling. There is a sense of doubt with Mr. Costa, a darkness, this constant feeling of being not able to really enter with his camera and lights. Well, I get this point about cinema as a way of approaching women. Filmmakers like Ingmar Bergman or Leos Carax talked about it and have practiced it very excessively. But you can see/feel/touch it in their films. With Mr. Costa it feels different for me. It is like I can only touch the desire and never touch the thing itself. “Very abstract, very abstract”, like Monsieur Verdoux would say, but I think this is exactly what touches me in Mr. Costa’s films. With him the desire for movement is as strong as the movement. I can only think of two other filmmakers that are able to do that in contemporary cinema: Sharunas Bartas and Tsai Ming-liang. But much of this approach I could sense with Tras-os-Montes, though I am mixing ethics and sexuality here which might be a mistake.

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Michael: No, in general I think it is good to mix them. Maybe they are the same thing, as sometimes the Marquis suggested (e.g., in the incomparable Français, encore un effort pour être républicains)…

I don’t know about the anger, but there surely is fear in Mr. Costa’s approach to filming people, and women especially (Ines, Vanda and Zita above all, in my view). Take In Vanda’s Room, for instance. A heterosexual filmmaker is in the girl’s bedroom with a camera… it’s strange, it’s cool, it’s unsettling, it’s exciting for a guy being there, isn’t it? What will happen? What is the secret beyond the door? What is the mystery of the chambre vert? But it is also scary: it is not a man’s world, and the girl might ridicule him, make him uncomfortable, and so on… He is in her kingdom, after all. He is in her power completely. So there you have it: fear going hand in hand with desire. Somebody even made a debut feature film called Fear and Desire, and then locked it in a cellar because he was too scared to show it to people. You wrote “this constant feeling of being not able to really enter”: it seems to me that the desire to enter and the fear of not being able to enter are what sex is all about. But the discussion is definitely getting weird. Mother, if you are reading this: this is film criticism, I am not a prevert.

Patrick: Your writing “prevert” instead of “pervert” reminds me that recently I have seen Le Quai des brumes by Marcel Carné, a film written by another one of those film-poets: Jacques Prévert. There is a painter in the film who probably ends up killing himself and he is talking a bit like Mr. Costa last year in Locarno when he described and somehow regretted how he always ends up talking about the terrible, fearful things in his films. The painter says: “When I see someone swimming, I always imagine him drowning.” Judging from his films, I think Mr.Costa is a bit like that. And I love that Carné is presenting any other worldview as an illusion.

I want to ask you two questions: 1. Do you think Mr.Costa films more the things he loves or the things he fears? 2. Do you prefer in cinema to be confronted with the things you love or the things you fear?

TO BE CONTINUED