Die Bilder sind nicht am Ende: Die Abwesenheit von Peter Handke

Die Bilder sind nicht am Ende heißt ein von Peter Handke 1995 geschriebener Artikel, in dem er über seine wiedergefundene Begeisterung für das Kino schreibt, die hellen Nachmittage, die in der Dunkelheit des Kinosaals verbracht werden. Es ist jenes begeisterte Zuschauen, das ich selber empfand, als ich vor kurzem die Möglichkeit hatte, Handkes letzten Film, Die Abwesenheit, nach Jahren wiederzusehen, einen Film, dessen Bilder so ruhig und märchenhaft sind, dass sie danach verlangen, nacherzählt zu werden.

Obwohl es sich um eine Adaption seines eigenen Romans aus dem Jahr 1987 handelt, ist der Film weit mehr als bloße filmische Übertragung des Geschriebenen. Mit Ausnahme der vier Figuren – des Schriftstellers (Eustaquio Barjau), des Spielers (Bruno Ganz), des Soldaten (Alex Descas) und der Frau (Sophie Semin) – und des Motivs ihrer gemeinsamen Reise ins Unbekannte begleitet von einigen Bildern, die im Buch wiederzufinden sind, erweist sich der Film als vom Roman unabhängiges Kunstwerk. Wer mit Handkes Schreiben vertraut ist, wird vielen Themen und Bildern, die immer wieder in seinem Schreiben auftauchen, im Film begegnen; jenes vierfache Spiel zwischen Sprache, Stille, Weite und Nähe, das seine besondere Art von Poesie prägt, und dass in Die Abwesenheit ein visuelles Pendant findet.

Gleich zu Beginn betrachten wir eine Reihe Bilder, die eine geheimnisvolle, entvölkerte Welt darstellen: eine Landschaft aus Baumwipfeln, in der Ferne der winzige, in den Himmel ragende Pfeil des Eiffelturms; eine schlossartige Treppe, die um eine Ecke verschwindet; eine leere S-Bahn, die durch die Pariser Vororte bei Tageslicht gleitet; eine im Garten stehende Eiche, an deren Stamm ein Holzstuhl lehnt, ihre Blätter ein einziges Flimmern; ein dreibeiniger Hund, der an einer Häuserreihe entlang hinkt; zwei Pferde, die auf einem Hügel grasen, im Hintergrund die schmelzenden Spuren des Winterschnees; ein Bahnhofsvorplatz, auf dem die Überreste eines Sonntagmarkts von Straßenkehrern entfernt wird. Bilder, die ohne erkennbaren Zusammenhang aneinandergereiht sind und die, wie ein Stapel durcheinander gemischter Ansichtskarten, verschiedenen Orte, Landschaften und Jahreszeiten zeigen. Doch im Laufe des Films und dessen Reise entblättert sich diese scheinbare beliebige Aneinanderreihung von Bildern als Bestandteil der Bildsprache, ja, als dessen Grundsatz, jene bildlichen Ablenkungen, die nichts mit der Geschichte zu tun haben, die den Film aber ausatmen lassen.

Auch die vier Figuren werden zunächst scheinbar zusammenhangslos vorgestellt. Der Soldat mit seinen Eltern in einem Café, der Spieler beim Kartenspielen in einer Spielhölle, die junge Frau allein in ihrem Haus an einer Schreibmaschine sitzend, der Schriftsteller in einem Notizbuch griechische Worte schreibend, während seine Frau (Jeanne Moreau) ihm zum Aufbrechen auffordert. Dann begegnen sie sich, wie zufällig, auf einer Pfadkreuzung im Wald, von wo sie gemeinsam aufbrechen, querfeldein, zu einer, so der Schriftsteller, „Pilgerreise in uns selbst“, deren Ziel „die leeren Orte“ sind, die zur „allgemeinen Reinigung“ führen. Was das konkret zu bedeuten hat, ist nicht sofort nachvollziehbar, und soll es auch nicht sein. Vielmehr geht es um das Sich-Fort-Bewegen, das Innehalten, das Lauschen, das In-Sich-Ruhen und das plötzliche Nach-Außen-Kehren der Sprache. Durch ihre monologisierenden Gespräche während des Gehens, entsteht im Zuschauer eine Art des Zuhörens, das direkt in die Umwelt übergeht und dabei das Hören erweitert. Zum Beispiel hören wir, als der Schriftsteller eine Ode an die Stille vorträgt, wie zum ersten Mal, das Rauschen der Bäume im Wind, das Sausen des Autobahnverkehrs, das Zwitschern der Vögel, das Zirpen der Grillen, das Schwirren der Fernzüge. Jene Töne wirken stofflich, wie zum Berühren, sodass man das Gefühl hat, man möchte eine zeitlang in ihnen wohnen. Dass jeder der Sprecher sich in seiner eigenen Sprache ausdrückt (Spanisch, Deutsch, Französisch), erzeugt eine weitere Ebene des Lauschens, und was für ein Wohlgefallen ist es zu hören, wie die einzigartigen Ausdrucksweisen, Rhythmen und Kadenzen jener Sprecher zum Vorschein kommen.

Dieses bedachtsame Hinhören wird aber immer wieder unterbrochen von den sogenannten „Kreaturen des Lärms“, jene „Barbaren“, die die Stille der Natur zerstören. Oft kommt es vor, dass die Reisenden, mitten auf einem beschatteten Waldweg, von Radfahrern, Joggern oder Mountainbikern überfallen werden, die mit ihrer grellen Kleidung in die Augen stechen. Dieses jähe Einbrechen des Lärms verkörpert die heutige Welt, und die Reisenden des Films entwerfen eine Gegenwelt zu den omnipräsenten Gegnern der Stille, der Langsamkeit und des Erforschens. Doch die Gegner gehören auch zu dieser Welt, denn jedes Märchen hat seinen Feind.

Zu dieser Gegenwelt gehört auch der besondere Modus des Sehens. Die Kamera befindet sich oft auf einem Mittelpunkt zwischen Ferne und Nähe. Sie sucht eine Distanz, die es einem ermöglicht, einen Raum für sich herzustellen, in dem man endlich aufhört zu denken und zu interpretieren und nur noch schauen möchte; ein befreiendes Sehen, das in die Welt und in das eigene Leben eingeht: atmende Frühlingslandschaften, in der die Fliederblüten durch die Luft wehen; vorbeihuschende Vogelschatten über einen Strom; die wie ausgestorben wirkenden Grenzbahnhöfe und das Nachmittagslicht auf ihren eingemauerten Fenstern; das Brausen des Windes im Eisenbahngarten, eine steinige Hügellandschaft, durch die plötzlich ein gelber Zug fährt; die schlafenden Antlitze der vier Reisenden bei Nacht; der im Weiher fallende Regen. Zitterende Bilder, die die Welt wieder durchlässig für die Blicke machen. Und danach, der Wunsch, selber seine eigene Gegend zu erforschen, um zu entdecken, was es alles noch zu sehen gibt. Das Sehen ist ein Abenteuer.

Das andere Abenteuerliche ihre Reise hängt an den verschiedenen Schauplätzen, durch die sie sich bewegen. Anhand des Schnitts lassen sich die Orte und Landschaften nicht zusammensetzen. Von einem Vorort gelangen sie im Nu in eine Hügellandschaft. Von da gehen sie an einer stark befahrenen Autobahn entlang, um sich inmitten der Stille eines Waldes zu finden, als ob die Welt sich mit jedem Schritt verwandeln würde.

Ja, die Welt verwandelt sich ständig und das gehört sich so. Nachdem die vier Reisenden im Freien bei einer Scheune übernachten, entpuppt sich das Innere der Scheune am nächsten Morgen als Autobus und nun fahren sie los ins Hochgebirge, mit dem Spieler am Lenkrad, der ab und zu anhält, um Anhalter mitzunehmen. Ein gelassenes Unterwegssein jenseits der aktuellen Zeit, jenseits der Geschichte.

Doch mit dem Verschwinden des Schriftstellers eines Morgens kehrt eine Wendung ein. Die stetige Bewegung vorwärts bricht ab, und nun gehen die drei Übriggebliebenen ihre eigenen Wege, um den Schriftsteller zu suchen. Ihr Gehen verwandelt sich in Streunen, ein fruchtloses Herumirren im Grenzgebiet zwischen Frankreich und Nordspanien. Ihr Suchen scheitert. Inzwischen hat sich die Frau des Schriftstellers, die mit stiller Strenge von Jeanne Moreau gespielt wird, zu den Dreien gesellt, und am Ende sitzen sie gemeinsam am Meer, wo sie ihr Fest der Abwesenheit feiern. Das Weitergehen ist nicht mehr möglich. Über ihnen das erschütternde Gebrüll einer Gruppe Kampfflieger, die ihre Übungsflüge für den nächsten Krieg machen. Es gibt kein Entkommen vor dem Lärm.

Und doch zeigt das letzte Bild, die mit Meereswasser gefüllten Fußabdrücke des abwesenden Schriftstellers im Sand. Es sind vom Wind erzeugte, pfeilartige Zeichen an der Oberfläche, als ob die Luft selber eine neue Richtung vorschlagen möchte.  Ja, die Bilder sind nicht am Ende.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Glimpses at DANCING

PATRICK HOLZAPFEL: Only the slow ones oder zumindest so wie Grégoire Colin in US Go Home, das heißt so, dass man sich allein und frei wähnt (sich selbst vergessen). 

Agnès Godard ist die beste Kamerafrau, wenn es ums Tanzen geht, ich weiß es. Ich glaube, dass sie verstanden hat, dass man Tanzende so filmen muss, als wäre man an zwei Orten zugleich. Die eine Hälfte ist in einem Schlafzimmer, alles ist in Zärtlichkeitsfarben getüncht, man sieht durch die Haut und wie sich Finger umschlingen. Die andere Hälfte ist in einem Raubtierkäfig, auf Zehenspitzen und darum wissend, dass jeder Schritt, ach jeder Mucks ins Verderben führen kann. Wenn Godard im Schlafzimmer ist, tanzt sie mit. Wenn sie im Käfig filmt, verharrt sie am Rand der Tanzfläche, so wie jene, die sich nicht ganz trauen, aber die trotzdem jeden Abend dastehen und warten, dass was passiert oder sie wer anspricht. 

Ich stelle mir gern vor, dass die, die ins Kino gehen, eigentlich nur kommen, weil sie hoffen, dass sie angesprochen werden. Sie schauen auf die Leinwand und für einige Minuten scheint diese Vorstellung zumindest halbwegs plausibel, ja, warum eigentlich nicht…aber wenn die Lichter angehen (und das ist etwas, was die Lichter immer tun), dann verpufft diese kurz aufkeimende Hoffnung genau so wie die erschöpften Körper nach einem Tanz plötzlich merken, dass sie atmen. Inzwischen gibt es eine ganze Apotheke an Medikamenten, die man sich auf verschiedenste Arten einverleiben kann und die dafür sorgen, dass die Musik weiter durch den Körper fließt, auch wenn sie längst verstummt ist. Hört man die gleichen Rhythmen wie sie, schwingt die ganze Erde wie eine Schaukel und man tanzt, wie es so abgedroschen heißt, durch die Nacht. Hört man den Rhythmus aber nicht, fragt man sich, wer da mit krummen Rücken und ulkigen Sprüngen über den Asphalt torkelt. 

Ich habe festgestellt, dass man eine Tanzszene in einem Film ohne Ton betrachten muss, um zu sehen, ob die Menschen wirklich tanzen oder ob sie nur Bewegungen für die Kamera vollführen. Sie tanzen wirklich, wenn sie verstummt auf mich wirken, wie die durch die Nacht Stolpernden auf den Straßen, also die, die spüren, dass sich die Erde dreht. 

Trotzdem only the slow ones, denn nur dann hilft das Tanzen dabei, die Gefühle zu verlangsamen und ich will wenig so sehr, wie langsamer zu fühlen.

JAMES WATERS: Until recently, I’d assumed a level of irony in Claire Denis’ use of Corona’s Rhythm of the Night in Beau travail; an irony stemming from my belief that there has to be something behind a filmmaker as established resorting to such music. The implication I carried to it was that “Rhythm of the Night” isn’t what I consider “real music” – at least, compared to Tindersticks. Poisoned by a sense of irony, the closest I’d gotten to Galoup’s (Denis Lavant) final, transcendent dance was in my conception of Corona as a “guilty pleasure”, a perspective inevitably eclipsed by Denis’ filmmaking; one deprived of irony and yielding to the perfect club song that mirrors Galoup’s eventual, mortal submission (aided by a lit cigarette, a glaring spotlight and rising tempo of the song’s build-up). 

Dealing with a more recent song that has yet to be “reclaimed” in the same way, Valeska Grisebach’s Sehnsucht also shows – through dance – the untainted bliss that can be elicited from an excerpt of Robbie Williams’ Feel, a piece of music I’d also dismissed up until watching Grisebach’s film. One can read as much as they like into the choice and the film’s general music editing, but its intent can be nailed down to the facts that: 

a) It was popular enough at the time to circulate the airwaves (or, at least, within the 5–10- year release window in which a song like “Feel” existed; remaining a ubiquitous chart- topper/record holder for years without seeming either old or new). 

b) As with most public spaces, an environment like a small, mess hall party for German firefighters would be absent from on-the-pulse music curation. So, the best choice of song should re-create what’d already exist if Grisebach and her crew weren’t there to film it.

The film’s lead, Markus (Andreas Müller), seems timid at first, swaying timidly in front of the camera as the song’s percussive beat kicks in. He shuffles along in what could equally be attributed to his character’s drunkenness or the first-time actor’s reticence at being vulnerable in front of the camera. He sways according to the song’s continual build-up, with two jump-cuts interrupting his flow (yet the song flows through these cuts’ continuity, uninterrupted). After the jump-cuts he seems genuinely into the song’s rhythms, carrying the viewer along with him. He evolves as a listener and dancer, swaying – with eyes closed – to the ecstatic build-up of Williams’ song. It’s an evolution that mimics my own cynicism as a listener: I may hesitate to listen to it because of previous misgivings, but the song will continue playing regardless. It’s only up to the listener to submit to its sway.

IVANA MILOŠ: There are few things I love more than my favorite dance scenes in cinema. Not only do I watch them time and time again, I hear them, I listen to them, I dance to them, together with them, for them, for the characters whose movements are akin to mine, whose ears are akin to mine, and whose musical hearts beat to the same rhythm, even if for just a few brief instances. In truth, what is better than music? This is, undoubtedly, a rhetorical question, and let’s not leave it at that.

1, 2, 3, 4, it’s time to share and more.

Gregoire Colin and The Animals getting down, cigarette-in-mouth, youth in body, what a dance, what a feast of feeling:

Denis Lavant and David Bowie, the epitome of modern love in all its shapes and forms. Let me run like that for once in my life, I might never stop. He hardly does.

Denis Lavant again, now and forever, in a rendition of Corona’s Rhythm of the Night unlike anything else known to humankind:

Melina Mercouri takes up Ta Paidia tou Peiraia, dancing and singing in her bedroom, not to mention those snapping fingers:

Ana Torrent plays a record of Porque te vas in Cría cuervos. It’s music and joy on a whole new level, and childhood at its most moving:

Everyone can dance beautifully in Ermanno Olmi’s I fidanzati. A motion goes through the room and the importance of dance becomes vividly manifest:

Don’t let it end at that. Dance, dance, dance to the music!

ANDREW CHRISTOPHER GREEN: Not long into Angela Schanelec’s Plätze in Städten the main character Mimi dances with her mother at a public swimming pool to Joni Michell’s California. They’re listening to it on a portable speaker at first, and we’re listening to the song with them as it echoes through the room, but then the track gets louder and is synchronized over the ambient audio. There is a curtain of glass windows behind them, and they twirl around in their swimsuits against a cold cityscape. The shot is three and a half minutes long, long enough for Schanelec’s strange composition to take our focus from the dancers moving peripherally through some pillars to the space they’re in and its relation to the barren trees and environs beyond. They stand over the hostile outside like one of Caspar David Friedrich’s Rückenfiguren, only they’re not contemplating their relationship to the distance beyond as Friedrich’s figures would. They dance indifferently to the foreground/background and inside/outside dialectics the framing composes, absorbed in themselves and their movements.

I don’t know how one ought to dance to Joni Mitchell’s folkish songs, but the way they do seems wrong, or at least excessive. The mother is more enthusiastic than Mimi is, but they’re both very present in this scene, experiencing something like joy and togetherness. It’s a presentness which foreshadows Mimi’s constant displacements between cities and sexual partners and her estrangement from her mother. Towards the end of the film she gets pregnant and runs away, probably to Paris (her locations aren’t always made explicit but just appear in the backgrounds), winds up homeless, and is sitting in the cold outside a bar when someone sees her and invites her in to dance. A bass-heavy, electronic song plays first, and she just stands there. The flickering lights show everyones bodies in different positions as they strobe, but Mimi doesn’t hardly move at all. She’s offered a drink, an outrageously nostalgic song by Ben Folds Five comes on (we heard her listening to this same song at home earlier), and she sways around like a zombie. Somebody probably slipped something. Next we hear a song by Portishead, which itself sounds like a bad drug trip. Another composition; there aren’t surroundings anymore, just a black wall behind Mimi. We see outlines of her body in an ominous red with sporadic flashes of blues and greens. She’s not twirling but spiraling, something like the inverse of her mother at the beginning of the film when they were together at the swimming pool. She falls asleep on a chair and we don’t know what happens after. I couldn’t help but think that the lights were perfect in their sobering irregularity, plotting out the spatial coordinates of Mimi’s regression into a womb of darkness. It’s a cruel and ironic twist of fate that the ones who feel the most intensely in our world are the ones most vulnerable to being disarticulated by it. In these final scenes I thought of Friedrich again, this time one of his moonlit compositions, Der Mönch am Meer. They share the motif of an individual surrounded by darkness. One stands looking out into the abyss, the other is being swallowed up by it.

ANNA BABOS: “It’s not the music that gets to you. It’s the marching feet.“

Máté and Mari, the peasant protagonists of Fábri Zoltán’s Körhinta, are in love. Their longing for each other is hindered by political circumstances and the expectations of Mari’s family. Mari has a fiancé, Sándor, and her parents rather support their marriage, because Sándor, like them, opposes the concept of forced collectivization of land. The family and Sándor hope to keep their land and unite them by marriage, in accordance with the tradition. 

Despite the difficulties, Máté does not give up his love for Mari. His fiery and combative desire culminates during the wedding of another girl from the village. To the astonishment of the community, Máté asks Mari to dance. The provocation manifests physically in his virtuoso and intimidating dancing: like the stars of the classical Hollywood musical, Máté uses movement to express dominance. But it is not strictly choreographed, nuanced movement, and Máté is not aware of his virtuosity. Folk dance is his only weapon in the fight for the freedom of their love, which has the undertone of fighting those who are against the new regime and refuse collectivization. When other men from the village ask Mari to dance, Máté seizes her, and, seizes the day. They dance until they light-headed; Mari hallucinates in exhaustion.  

The increasingly rapid spinning recalls an earlier encounter when Máté and Mari were on a rapidly spinning merry-go-round (the title of the film) at a village fair. The combination of dance and flight, set to the liberating rhythm of Hungarian folk music, evokes a romantic image of the burning flame or the free-flying youth. At the same time, the scene conveys something else.

La grand illusion comes to mind. “It’s not the music that gets to you. It’s the marching feet“, says Jean Gabin as lieutenant Maréchal. 

The sounds of Máté’s and Mari’s dance steps slowly take the place of the joyful violin playing, and the music almost gets disoriented by the hard thuds of feet in a dreamlike tangle. Dance becomes a militant gesture through Máté’s wilfulness. He experiences the fight for communism through his fight for love.

DAVID PERRIN: „Im Pariser Jeu de Paume hängt ein Bild von Cezanne, vor dem ich dann zu verstehen glaubte, worum es geht, nicht nur ihm, dem Maler, und nicht nur jetzt mir, einem Schriftsteller…

Schwer zu sagen, was ich da verstand. Damals hatte ich vor allem das Gefühl ‚Nähe‘. Im Bedürfnis, das Erlebte doch weiterzugeben, kommt mir jetzt, nach langem ‚Bedenken des Geschehen‘ (eher ein Denksturm), ein Filmbild in den Sinn: Henry Fonda, wie er in John Fords The Grapes of Wrath mit der eigenen Mutter tanzt.

In jener Szene tanzen alle Anwesenden miteinander, zur Abwehr einer lebensgefährlichen Bedrohung: so verteidigen sie, vor der Landnot Umgetriebene, das Stücken Erde, auf dem sie endlich Bleibe gefunden haben, gegen die sie umzingelnden Feinde. Obwohl das Tanzen demnach pure List ist (Mutter und Sohn, sich rundum drehend, werfen einander, wie auch den übrigen, schlaue wachsame Blicke zu) ist es doch ein Tanz wie nur je einer (und wie noch keiner) der überspringt als ein herzlicher Zusammenhalt.“ – Peter Handke, Die Lehre von Saint-Victoire, S. 60-61.

RONNY GÜNL: Alltäglichen Bewegungen gleicht selten etwas Tänzerischem angesichts ihre Unbeholfenheit. Routinemäßig lässt sich das Geschirr durch die eigenen Hände abspülen, ohne dabei nur einen Gedanken daran zu verschwenden. Fast scheint es so, als bestimme das Geschirr den Vorgang selbst. Im Film ist dem offenbar nicht so; es ist möglich jede noch so erdenkliche Schwerfälligkeit tänzelnd in Schwebe aufzuheben. Der Unterschied ist zwar ein geringer, aber umso entscheidender. Nicht der Ort der Bewegung beziehungsweise dessen Gravitation hat sich verändert, sondern die Zeit.

Die Filme von Maya Deren erkunden diese Verschiebung. In Rituals in Transfigured Time erlangen die tanzenden Bewegungen nicht jene absoluten Form, worin die Person ganz in der Choreografie transzendiere. Vielmehr beschreibt der Film – ohne Musik – nur mit seinen Bildern einen balancierenden Zustand, der um seinen Schwerpunkt kreist: Für kleine Momente deuten sich rhythmisierende Fragmente an, die sogleich verschwinden, als wären sie nie geschehen. Immer wieder wird der Fluss der Bewegung unterbrochen und zeitlich versetzt weitergeführt.

Es ist eine Tanzfläche in einem Lokal zu sehen. Menschen sind willkürlich im Raum aufgestellt. Sie gestikulieren und reden aneinander vorbei. Sie treffen aufeinander und trennen sich. Weder Orientierung noch Sinn fängt das Bild der Kamera dabei ein. Während die Protagonistin (Rita Christiani) Hals über Kopf im wellenartigen Treiben genau danach zu suchen scheint, sehen wir Anbahnungen, von etwas, das beginnen könnte, sich jedoch unmittelbar – zugleich zyklisch – in der Luft verflüchtigt.

SIMON WIENER: Often I think of experimental film as a dance. I think it is no coincidence that both can give me joy like little else can, maybe because both are expressions of a peculiar movement through space, one not usually explored in our day-to-day-life. They both estrange us from our usual movements, which can be seen as the most efficient means of connecting the dots that make up a space. One leaps through space in order to reap it, thereby distilling space into movement. A hierarchy is created: space serves us, feeds our desires, adorns us. If our usual movement affirms the self, Dance-Film-movement, instead, proposes an opening for the abandonment of the self, it proposes a spring-board for dissolving into the Other… dis-selving. The joy of this dissolution is best denoted by the German word aufgehoben; we are lifted, nullified by the object of our devotion, namely space. Maybe the hierarchy is inverted; space cracks us open, finds a means of expression through us, a revenge of sorts; or maybe the hierarchy is preserved but given a twist, wherein the desire fed by space is directed towards space itself. An urge to move, in order to reveal and preserve space – a negative expression where the self is defined by its surroundings.

SEBASTIAN BOBIK: Like many other things in life that bring us joy, dancing is something that always seems to have been a part of cinema. One of the earliest films to show us a dance is the beautiful Danse serpentine by the Lumiere Brothers. Since then dances have been everywhere in films, and every film has at least one or two dancing scenes, which are especially important and touching. Dancing also seems to be something that shows up in the oeuvres of even the most different filmmakers. They can be found in images as different as those of Agnès and Jean-Luc Godard, Donen and Donschen, Deren and Leisen, Chaplin and Tashlin and many, many more.

When I am asked to think about a scene of people dancing in a film my mind will often go back to one of the early instances of a dance being captured on celluloid. The Dickson Experimental Sound Film was an early attempt to create a film with synchronized sound to accompany the images. The attempt failed at its time. The film is only about 30 seconds long. We see several things in one image: On the left side we see a man playing the violin into a device, which is supposed to have recorded the sound. On the right hand two men are sharing a small dance with each other. Are they waltzing? As they dance one of the men can be seen visibly smiling. Another man walks into the image from the left, then the film ends.There are versions of this film that are silent, though I have also seen some versions with the sound of a violin. It is a small film, but it sparks of joy and delight. Somehow it always touches me, whenever I see it.

SIMON PETRI: Dance scenes in cinema are often described as liberating although the characters in motion in the image are already liberated; they have either overcome the constraints of self-consciousness or never suffered it to begin with, unlike those sitting around them, squirming on the margins of the frame. They go well together, those who enjoy the attention (or at least don’t mind it) and those who attract attention by existing in the shadow of the spectacle just to performatively deny it.

Trees, leaves and flowers dance involuntarily, without an audience for the most part: algae in the unexplored depth of oceans, miniature branches of lichen in the Scandinavian frost, odorous linden towering over entire counties give themselves up to forces without a predictable trajectory.

For the fortunate the wind blows a metronomic rhythm to the fertile pollution. More violent movements happen in and because of human presence: mimosa leaves close and open with the discipline of Busby Berkeley’s objectified legs, grass and pine fall and whirl as dictated by the scythe and the jigsaw. 

The most heavenly of dance genres is heliotropism. It’s free of contact and violence: there’s unparalleled distance between choreographer and dancer, yet each movement follows a perfect curve. 

 

Im Schnee: Bora Ćosić. Reise nach Alaska

Die Reise nach Alaska ist eine Reise ins ehemalige Jugoslawien. Eine europäische Reise, wenn man so will, eine politische, aber vor allem eine persönliche. Wie alle Reiseliteratur von (auf)richtigen Autoren ist sie keine Reiseliteratur, beinahe, so spürt man, ist es unerheblich, ob wirklich gereist worden ist oder nur geschrieben. Das Schreiben und das Reisen wird zu einer Bewegung. Gebrandmarkt von den eigenen Erinnerungen reist und schreibt der Autor Bora Ćosić , der das Land Anfang der neunziger Jahre aus Protest gegen die Politik der Machthaber verlassen hat, gemeinsam mit seiner Ehefrau hinein in das, was nie ganz das ist, was er fühlt und immer exakt zu dem wird, was er sieht. Und andersherum, weil es zum Reisen gehört, dass sich etwas dreht: Erwartungen, Geographien, Gefühle. Bevölkert werden die von ihm hauptsächlich aufgesuchten Orte Krapina, Zagreb, Travnik, Sarajevo, Belgrad und Rijeka von Geistern und Stimmen, die einst waren, verblassten, verschwanden, sich veränderten, noch immer nachklingen (Höre auf solche Stimmen, sie erzählen etwas über die Welt und dich zugleich.).

Es ist eine unbekannte Welt für ihn, deshalb, so schreibt er, könne es eben auch Alaska sein. Man denkt an Eiswüsten und daran, dass Alaska im Aleutischen so viel bedeutet wie: „Land, in dessen Richtung das Meer strömt“. Das Meer in diesem Alaska ist der Mediterran. Dessen Wellenkämme haben schon immer Grenzen aufgelöst und an den Ufern sowie am Meeresgrund einen menschenunwürdigen Tribut bezahlt. Für was eigentlich? Für den Widerstand so wie der ehemalige Radfahrer und gefallene Partisan Janez Peternel, von dem Ćosić kurz schreibt, als er sich an Bilder der Jugoslawien-Rundfahrt erinnert. Die Namen von Radrennen geben immerzu den Eindruck einer Erkundung, einer umfassenden Spur, die sich in oder um ein Land bewegt. Oder eine Reise von A nach B beschreibt, wobei das in diesem Alaska undenkbar wäre. „Heute ist dieses Land auseinandergebrochen, durch die vielen Sonderinteressen zerstückelt, unsere kleine Kolonne, Familienkolonne, hat nichts, was sie verbinden könnte, wir wälzen uns nur von Ort zu Ort, von Stadt zu Stadt, außerhalb irgendeines Wettrennens, niemand erwartet uns am Ziel. Denn man reist nicht, wie man vor langer Zeit sagte, um irgendwo anzukommen, sondern um zu reisen.“ Die Worte kreisen um ein Dazwischen, um ein Nichts. Verfall und Veränderung prägen das Erscheinungsbild dessen, was Ćosić beschreibt. Autoren, die von Brücken sprangen, andere, die nicht mehr sprechen, unauffindbar geworden sind, wieder andere, die in Erinnerungen schwelgen (Schreibe alle Namen auf, denn diese so reiche, gebrochene Welt liegt verborgener vor mir als Alaska, von dem ich bei Jack London las.).

Ćosić will zeigen, aber sucht. Er weiß, aber er fragt. „Ob der Mensch hier oder dort geboren wird, ist eine Sache des Zufalls“, formuliert er zum Auftakt und stellt diese Haltung gewissermaßen unter die gesamte Reise, die nationalistischen Sentiments in einer Region der Erde die Stirn bietet, die auf ganz traumatische Art und Weise mit den aufgeladenen Diskursen um Flaggenzugehörigkeiten in Verbindung steht. Selbstverleugnung, Skepsis und das, was wir von uns vergraben auf dem Friedhof der unliebsamen Erinnerungen kommen an die Oberfläche. Ćosić schreibt von Nachsicht gegenüber dem heimatlichen Boden, die es brauche, um diesen Flecken Erde vom Rest des Planeten abzutrennen (das kroatische Wort „zavičaj“ meint Heimat, aber ohne die unbedingten politischen Konnotationen, mit denen wir das deutsche Wort heute verbinden müssen.).

Sarajevo © Hiroatsu Suzuki

Derzeit wird gerade im Zusammenhang des ehemaligen Jugoslawiens wieder viel darüber diskutiert, was Literatur darf, was Literatur ist, von wo sie kommt und wer ihrer würdig ist. Ćosić nimmt dabei eine unmissverständliche Position ein, Texte von ihm erscheinen auch im Tagesdiskurs. Sein Buch war ganz bewusst als Gegenschilderung zu Peter Handkes Serbienreise geschrieben. Mehrmals nimmt Ćosić auf seiner Reise nach Alaska auf den österreichischen Schreiber Bezug, kritisiert ihn heftig (Lese, was geschrieben wird, versuche dir eine eigene Meinung zu bilden, aber scheitere auch daran.).

Im Gegensatz zu Handke versucht dieser Text mein nicht-vorhandenes Serbienbild nicht zu manipulieren, ich spüre nicht, dass jemand etwas anderes will, als das, was geschrieben steht. Vielleicht lese ich nicht genau genug. Womöglich fällt es mir leichter Ćosić beizupflichten. In beiden Texten gibt es Untertöne, bei Handke jenen, der Serbien bis zum Möglichen (und Unmöglichen) rehabilitieren will, bei Ćosić eine Abwendung vom Nationaldenken. So viele Stimmen und doch hören wir nur die, die am lautesten schreien. Wer lädt die tausenden Schweigenden ein in die Debatten, welcher von der Brücke gesprungene, welche Erschossene schreibt einen Text? Gerechtigkeit kann keine Frage einer Nachbetrachtung sein, sie geschieht im Moment. (Was mache ich mit all dem Unsinn, der in meinem Notizbuch steht? Ich möchte in behalten, aber nicht verraten.)

Wenn Ćosić eine Sache vor Augen führt, dann dass es schwierig ist, eine klare Position zu beziehen. Zumal es hier verschiedene Konflikte gibt: einen moralischen, einen literarischen, einen gesellschaftlichen, einen begrifflichen, einen geographischen, einen politischen (Ich wünsche mir, dass weniger darüber geschrieben würde, aber schreibe selbst etwas dazu auf, vielleicht meint Ćosić das, wenn er Handke im Buch als schizophren bezeichnet?). Ich kenne mich nicht aus.

Eigentlich begegnen Ćosić allerhand Schönheiten auf seiner Reise. Herzerwärmende Begegnungen, lebendige Erinnerungen. Seine Reise ist geprägt von einem Bemühen um Versöhnung. Wie die Gezeiten des so nahen Meeres, die Winde, die mal vom Land und mal vom Meer kommen, gelingt ihm ein sanfter Blick oder greift eine verzweifelte Wut, eine immense Leere über auf die Worte. Die Reise nach Alaska ist auch ein Buch, in dem nicht alles geschrieben steht, man spürt, dass es Zeilen gibt, die nicht den Weg ins Buch gefunden haben. Ćosić behauptet, ohne jegliche Vorurteile in „sein Land“ gekommen zu sein, was schwer zu glauben ist. Es gibt wohl eine Nähe zwischen Erinnerungen und Vorurteilen. Verfestigte Eindrücke, die sich in uns ansammeln wie Kalk in einem Wasserkocher. Nur eine solche Reise kann uns entkalken. Wenn der Autor also schreibt, dass er keine Vorurteile hatte vor der Reise, dann meint er nicht die reale Reise, er meint den Akt des Schreibens. Es ist aber glaubwürdig, dass er nicht geschrieben hat, um etwas zu beweisen, was einen großen Unterschied macht (Ob ich ohne Vorurteile gelesen habe, steht in meinem Notizbuch zwischen den Zeilen.).

Ein Buch für alle, die Orte dieser Erde nicht über ihre Entfernung zur Heimat und Segeltauglichkeit definieren, für alle, die in Alaska nicht im serbischen Schnee versinken wollen (Ein Buch ist immer für alle genau wie der Schnee).