Viennale Notiz: Bäume im Wind

Wir sind nur hier um wunderbare Verse zu inspirieren in diesem Kino der einfachen Schönheit. Adrian Martin hat einmal gesagt, dass es darum ginge im Kino, mehr vielleicht als in vielen anderen Dingen: Um das filmen des Übergangs von Tag und Nacht, diese Dazwischenheit, durch Zeit ermöglicht, in einer Gleichzeitigkeit und Unsicherheit. Leben wir oder sind wir bereits tot? Jemand zeigt uns wie es Nacht wird, wie es Tag wird. Zum Beispiel Damien Manivel in seinem Le Parc. Ein Film von derart offensichtlicher Simplizität, dass man sich wirklich fragen muss, ob er wirklich einfach ist. Die narrative Struktur sind Tag und Nacht. Der Film folgt dem Lauf eines Sonnenumlaufs im Verhältnis zu jenen, die in ihm versuchen zu lieben. An ihnen hängt die Stimmung, die Einsamkeit, die Zweisamkeit. Was ist diese Einfachheit im Kino? Die Viennale schlägt einiges vor. Man sieht Ozu Yasujirō, also den, über den Kenji Mizoguchi sagte, dass er das Schwierigste von allen machen würde, weil bei ihm alles so einfach aussehe. Nicht die große Geste der Filmemacher, sondern ihre Zurückhaltung, diese Fähigkeit, nur das Notwendige zu zeigen, es vielleicht gar nicht zu zeigen, aber trotzdem spürbar zu machen. Bei Ozu: Der Schmerz unter dem Lächeln, die Geste, die versucht Emotionen zu verstecken, die Klarheit, in der die Emotion trotzdem kommt. Vielleicht auch: Die Unsichtbarkeit des Films nicht im Sinn von Hollywood, sondern vielmehr: Die Unsichtbarkeit in der Form, die wie organisch vor uns entsteht, als gäbe es keine andere Form, als wäre es nur diese eine Form.

Man sieht Jim Jarmusch und Paterson, offensichtlich inspiriert von Ozu,wobei diese Einfachheit sich nicht so anfühlt wie der Übergang vom Tag in die Nacht oder andersherum, sondern wie der Besuch in einem Cupcake-Café, eine ökonomisierte Simplizität, in der einem beständig erklärt wird: Seht, wie einfach es ist. Nein, einfach ist es sicher nicht und so gibt es auch ein Kino wie jenes von Cristi Puiu und seinem Sieranevada, ein Kino, das uns beständig sagt: So einfach ist es nicht. Ein Kino, in dem jedes Bild nur die konstruierte Fiktion einer nach Objektivität lechzender Subjektivität ist und sich letztlich alles daraus zusammenbaut in einer Gesellschaft der Fiktionen. Die Kamera bei Puiu darf ihre Position nicht verändern. In dieser scheinbar einfachen Limitierung öffnen sich hunderte Kanäle der Repräsentation. In den Dingen, die ein Film sich verbietet, die ein Film nicht tut, entsteht oft die Sinnlichkeit, die immer zugleich ein Träger der Einfachheit und Komplexität ist. Das macht sie so schwer beschreibbar.

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Einfach wäre: Man stellt die Kamera auf und filmt etwas, was da ist. Zum Beispiel, wie D.W. Griffith sagte: Den Wind in den Bäumen. Peter Hutton filmt diesen Wind andauernd. Aber seine Kompositionen wirken derart komplex und atemberaubend schön, dass das Wort „einfach“ wie eine Beleidigung scheint. Allein, dass wir nichts hören im Großteil seiner Filme ist gleichermaßen einfach und hochkomplex. Wenn Hutton den Wind in den Bäumen filmt, vermag er es all die Jahreszeiten zu filmen, die wir gar nicht sehen. Das gelingt ihm exakt durch den Fokus auf diesen Übergang, nicht nur zwischen Tag und Nacht, sondern zum Beispiel auch zwischen Regen und Trockenheit, Stille und Bewegung. Einfachheit ist vielleicht auch so etwas wie die Klarheit und Bescheidenheit einer kinematographischen Sprache, die unendlich komplex ist. Selbiges gilt für Sergei Loznitsa und seinen Austerlitz. Auch dort gibt es Bäume im Wind, aber sie sind Teil einer ausgeklügelten Struktur zwischen Gegenwart und Geschichte, fast wie ein Vermittler und stummer Zeuge. Sie sind Teil der Architektur, Teil der Gleichgültigkeit und Machtlosigkeit und der komischen Stimmung, die sich in dem etabliert, was schwer ausdrückbar ist, womit wir nicht umgehen können. Im einfachen Bild gibt es einen Platz für die Wahrnehmung, der die Freiheit erlaubt wird, die Komplexität der Struktur zu vergessen und wirklich zu sehen oder zu hören. Gleichzeitig aber wirkt die Struktur selbst dringlich. Egal ob in ihrer Undurchdringbarkeit oder Transparenz, sie existiert dann so, als hätte es nie eine andere Möglichkeit gegeben. Das ist wie bei Chaplin: Dieses Gefühl, dass die Kamera nirgends anders hätte stehen können. Ein Ergebnis unendlicher Arbeit. In Correspondências von Rita Azevedo Gomes dagegen sind die penetranten (nicht so penetrant wie die tatsächlich einfachen Zwischenschnitte auf den Hund bei Jarmusch) Bilder von Bäumen im Wind eine aufgeladene, ja aufgesetzte Geste von Gefühlen und Leidenschaften. Sie sind in keiner Sekunde einfach. Das vernichtet sie. Sie sollen etwas bedeuten, sie stehen für etwas. Metaphorik ist etwas Schreckliches im Kino, der Wind in den Bäumen sollte nur sein, nicht dieses oder jenes sein.

Diese Einfachheit hängt am Gestus des Zeigens. Jemandem etwas zu zeigen und dabei so wenig wie möglich einzugreifen, ist das Schwierigste im Kino und gleichermaßen kommt es am nächsten zu unserem einfachen Blick aus dem Fenster. Um etwas zu Zeigen muss klar sein, dass der Film bereits begonnen hat bevor die Kamera da war und weitergehen wird, wenn die Kamera verschwindet. Die Einfachheit, das ist die pure Präsenz der Dinge, die von der Kamera in dieser Präsenz erfasst werden. Es ist keine Frage, man kann die Repräsentation nicht auslöschen, aber man kann sie angreifen. Durch Berührung. Wenn dies an einem Übergang geschieht, zum Beispiel in jenem zwischen Tag und Nacht, dann liegt für einige Augenblicke etwas greifbar vor uns, was nur im Kino sichtbar werden kann: Der Übergang zwischen Tag und Nacht, der Wind in den Bäumen. 

Viennale 2016: Fires were started

  • The ghost of Jean Epstein sits somewhere in the cinema and watches the films of Peter Hutton. I feel it moving towards me. We see, taste, feel New York near sleep for Saskia, Florence and Boston Fire embraced and I can feel its tears of joy pouring on my face. There is so much smoke in Boston Fire because it has swallowed the explosions in Bruce Conner’s Crossroads and all the smoke in Humphrey Jennings‘ Fires were started. After such an awakening of the senses, the world eventually gets numb.
  • „Sehr gut!“, a woman cries out loudly. She’s referring to a intertitle in Die Rosenkreuzer which reads that the film was shot partly on the original sites and with museum props from the era of Joseph II.

USB-Stick von Innovative Film Austria

  • I feel that there is a great similarity between what Rivette does to Wuthering Heights in Hurlevent and what Pialat does to Van Gogh. Whatever it is I mean by it, it would be blasphemy to put it in a key note. But it has something to do with scratching polish with one’s fingers until the nails break and one’s hands bleed. Just like Lucas Belvaux breaks the window with his hands in Hurlevent and they bleed. I may be wrong.
  • I have a thing for scenes in which characters regain their eyesight, even if they are not particularly accomplished and make no special use of the possibilities this motif opens up.
  • Doesn’t Rester Vertical make one ask him/herself if cinema is tired with cinema? Or is the film about that?
  • Tip: There are memory sticks provided by Innovative Film Austria laying around. 4GB, containing the catalogue as PDF file.
  • There is one funny scene in Paterson, it is the one in which someone accuses the lamentingly philosophizing guy who got left by his girlfriend that he is just playing an act. And he replies “I am an actor”.

Squares. Surfaces – Charles Sheeler/Peter Hutton

In Detroit of the year 1944 the Packard Motorcar Company promoted three blacks to work next to whites in their assembly lines and in response, 25,000 whites walked off the job, effectively slowing down the critical war production in that time. It was clear that whites who worked with blacks in the same plant nevertheless still refused to work side-by-side with them. We had Double Indemnity by Billy Wilder («We were talking about automobile insurance, only you were thinking about murder. And I was thinking about that anklet.»), and Gaslight by George Cukor at the cinemas („gaslighting“ describes an abuser’s self-image as a sympathetic person, while simultaneously priming the disoriented victim to believe that he or she is to blame for potentially mistreatment). In German cinemas they screened Neigungsehe by Carl Froelich, a film earning the rating „demotic valuable“ (even if we have the chance to see a couple on the screen exchanging a deep kiss. A scandal at that time, of course). Bertolt Brecht wrote his The Caucasian Chalk Circle, Jean Genet published his Notre Dame des Fleurs and Astrid Lindgren gave her stories of Pippi Longstocking to the wide audience. You were able to listen permanently to Bing Crosby’s hit I‚ll be seing you on the radio, and the Nobel Prize in Physics was handed to Isidor Isaac Rabi (he discovered the nuclear magnetic resonance). It was that year Peter Hutton was born.

In Philadelphia of the year 1883 black newcomers were part of the Great Migration out of the rural South to northern and midwestern industrial cities like Philadelphia. Louis Waterman began his experiments to invent the fountain pen. And Italy signed military treaty with Austria-Hungary and Germany. It was that year Charles Sheeler was born.

Charles Sheeler

Charles Sheeler used his own photographs and film stills as the basis for paintings and drawings, thus crystallizing the differences and similarities between them. Works in one medium manage to function as independent objects while also being inextricably linked to works in other media. And the essential role that photography played in his creative process was often criticized. In 1931 Sheeler himself began somehow downplaying the complex dialogue he forged among various techniques early in the century as one of his most innovative and important contributions to the history of American modernism. At the dawn of the twentieth century, Henry Adams proclaimed that the Machine was as central to our modern American culture as the Virgin was to medieval culture. You can think of that what you like. But id not we worshiped in our factories as our ancestors worshiped in cathedrals? In this century we also raised up bridges, grain elevators, and skyscrapers, and many were dazzled by these symbols of the Machine Age — from American presidents such as Calvin Coolidge to European artists such as Marcel Duchamp.

«No drawing can give you the actuality to the extent that the photograph is, and I can pick out and make references for a form that I want to use with greater definition than I could by making a quick sketch from the subject, which would fill the considerable latitude from what I actually saw on location. Well, it isn’t a conscious thing; it just seems to be a logical thing for me.» Charles Sheeler

Peter Hutton did not study photography. Painting was his big deal. His uncle was an artist, Edward Plunkett, he knew a lot of NY artists including also Marcel Duchamp and collected pop art. He was a great influence on Hutton. His mother was also an amateur painter. When he was a kid, Hutton’s father had kept a photo album as a merchant seaman, filled with images of places he had gone when working on ships; India, China, Indonesia. They were just snapshots. Landscapes, seascapes, very amateur casual photographs, but a chance to place and to zone out and imagine these places. When Hutton started working on ships, it built up his appreciation for this sort of traveling.

«I took photographs when I went to India, then after that I eventually learned film. In the 70’s, the last time I ever worked on a ship was in ’74, so there was a 10-year period from ’64-74 where I intensely worked on ships. I paid my way through art school by working on ships. I went to sea for a semester, then to school for a semester, back and forth from sea to school.» Peter Hutton

Charles Sheeler was one of the most noted American painters and photographers to embrace the iconography of the machine. But was he high priest or heretic in the religion of mass production and technology that dominated his era? And in all that electricity, glass, machines, hot and pumping, vibrant and also painful and beautiful at the same time. Because it is beauty. Sheeler knew that, he saw that. And Hutton, too. But it was not only knowing and seing. It was acting at a certain point. At the right point. Painting. Writing. Drawing. Photographing. Making movies. Making Moves.

Peter Hutton

«There’s a visual passivity with a newer generation of filmmakers where things are fed to us through TV, media, entertainment, what have you. We don’t have to sit and look at stuff as much. Its all fed to you. That’s something I think that comes into play, especially as a painter. Looking at other painters and being fascinated by the way they looked at things and how they realized visual ideas. Those influences were invaluable. But it might come from some primal thing such as being on the ocean for a long period of time. A lot of my early art teachers (at the university of Hawaii) were Chinese and Japanese. There ideas of looking at things were much more meditative, contemplative. Where you sort of give yourself to that thing you’re looking at. Whether it’s a rock garden, a brush painting, you’re kind of wandering into it visually. I think a lot of Western art is more like shouting at you saying ‘Hey! I’m over here, look at me! I’m funny! I’m weird…’ Pop art, contemporary art, it’s trying to get your attention because there’s so much wacky shit going on.»

(Peter Hutton)

«When we look at any object around us and walking around among other things subsequently, we have to bring it up into a conscious plane because — at least I didn’t realize it or think of it in that light for some time — but when we look at the next thing in sequence to the first object that we have gazed at, there’s still an overtone carried over of what the retina has just previously recorded. If it’s beautiful to some of us afterwards, it’s beautiful because it functioned. The functional intention was very beautifully realized. I mean more just explicitly a form. There are many forms in nature that later-day realists don’t intend to picture, and, just because they’re nature, which is the source of all our supplies for everything, they don’t enhance the nature in itself. They’re more or less accidental forms that crop up here and there, and if they don’t add to the subject, they must detract; they can’t be just neutral.» Charles Sheeler

Unlike the exterior views taken in daylight, Sheeler took his photographs at night when he could exercise complete control over lighting. Through dramatic illumination and unconventional framing, Sheeler created a relationship of contrasts that suggests basic oppositions. The photographs encompass light and dark, high and low, heat and cold, open and shut. They define the extreme limits of sensorial experience that the viewer might encounter in moving through the shadowy regions of an old house. Doors, windows, staircases, stoves, fireplaces, and ambiguous light sources are the focal points for the transformation of one phenomenon into its opposite. Sometimes these polarized oppositions even suggest mutually exclusive possibilities.

«And I went in for architectural photography, starting right at the bottom with the architecture of Philadelphia, and that was after learning the rudiments of photography and processing. It was encouraging. I had quite a good many architects engaged me to photograph the house that had been completed. And then I began to add to that, I had commissions. I’d go around to see these people and show some of my photographs, and people would respond to them, and then they’d call me later and would I come and make some photographs of their house or whatever, and I got to — took on, in addition to the architects, collectors of notable things.» Charles Sheeler

 

Landscape (for Manon) von Peter Hutton

In Peter Huttons Landscape (for Manon) führt die Natur ein romantisches Eigenleben. Hutton erschafft eine seelenvolle Engführung von Film, Landschaftsmalerei und Träumen. Wie üblich beim Filmemacher konzentriert er sich dabei ganz auf die Bilder, denn die Tonkulisse bleibt stumm. Dieser Verzicht auf Ton kommt einer druckvollen Zärtlichkeit bei Hutton gleich, da sich in der Suggestivkraft der Bilder so erst die Bedeutung des Tons erzählt. Da wir nicht hören, beginnen wir zum einen hinzusehen und zum anderen hinzuhören. Wie würde es eigentlich klingen? D.W. Griffith hat einmal gesagt: “What the modern movie lacks is beauty, the beauty of the moving wind in the trees.” Dieser Ansage folgend beobachtet Hutton, wie der Wind das Licht in den Blättern von Bäumen berührt. Landscape (for Manon) ist eine Abfolge von bewegten Landschaftsbildern. Wir sehen Bäume im Wind, Sonnenstrahlen, die über den Boden wandern und aufreißende Wolkendecken. Dabei können wir tatsächlich spüren wie Bilder unser Opium sind. Man hat das Gefühl einer höheren Kraft, sei sie im Leben der Natur oder in einer religiösen Interpretation. Die Natur bewegt sich von selbst und mit ihr der Film. Woher kommen diese Bewegungen? Wie die Found Footage Wolkenstraße in Olivier Assayas‘ Clouds of Sils Maria geht eine große Faszination davon aus, wenn sich die Natur von selbst bewegt. Das ist natürlich eine Faszination, die man oft leider bereits als Kind ablegt, aber gebannt auf Film können wir uns ihrer Schönheiten wieder bewusst werden. Es ist sogar mehr, weil gebannt auf Film und kombiniert mit den richtigen Perspektiven, Schnitten und Tönen (oder deren Auslassen) entsteht eine neue Wahrnehmung von natürlich existierenden Phänomenen. Diese Wahrheiten erscheinen uns im Kino (im Gegensatz zur Physik, Chemie oder Geographie etc) wie Illusionen, weil wir mit Film ihr Entstehen nicht filmen können sondern nur ihre Bewegung, ihr Ergebnis. Warum sich diese Wolken bilden, warum der Wind die Blätter bewegt, warum das Licht den Schatten verdrängt bleibt für Film ein ewiges Geheimnis. Eine unsichtbare Kraft darf im Kino noch arbeiten und man sollte sich dort nicht die wissenschaftlichen Fragen nach den Gründen für diese Phänomene stellen sondern die poetischen Fragen an ihre Wirkung, ihre Ähnlichkeiten, ihre Schönheit. Wenn wir die Natur in Bewegung sehen, in gespeicherter Bewegung, dann erahnen wir auch ihre Sterblichkeit, weil jedes Bild von Hutton in diesem Film von einer Flüchtigkeit beseelt ist. Was wir sehen, kommt vielleicht so nie wieder oder nur äußerst selten vor. Es sind diese Sekunden in der Ewigkeit. Film macht sie unsterblich, aber was ist mit dem Mann der verrückt wurde, als er feststellte, dass die Vögel, für die er sich auf Fotografien so sehr begeisterte, schon lange tot sein mussten? Das Ende ist immer schon da und gewissermaßen erinnert die Montage dieser Bilder auch an das Ende von Michelangelo Antonionis L’eclisse. Das Licht könnte gehen, eine Bedrohung in dieser unschuldigen Idylle, eine Romantik im Nichts.

Dennoch ist alles ein Traum. Oder? Zwischen den atemberaubenden Naturbildern in Landscape (for Manon) gibt es schwarze Bilder, man könnte von ausgedehnten Blenden sprechen, ein Augenschließen, ein Schlafen ein langes Zwinkern und verdauen der Bilder. Am Ende dann eine lange Doppelbelichtung. Der Kopf eines schlafendes Kindes (die Tochter von Hutton) und dahinter ein Spiel aus Schatten und Licht. Als würde dieses Spiel im Kopf des jungen Mädchens stattfinden. Aber die schwarzen Bilder könnten auch für den Schlaf stehen und die Bilder der Landschaft selbst für das zwischenzeitliche Erwachen. Dann wäre der Traum das Gegenteil vom Bild, aber gleich dem Schnitt. Dieser Gedanke ist dem Kino gar nicht so fern, denn der Schnitt hebt erst die Bilder auf andere Ebenen, ist in der Lage ganz beiläufig und fließend die Kausalität zu entfernen. Zwei Bilder lassen uns träumen, eines lässt uns sehen. Aber ein Film ist immer zugleich sehen und träumen. Vielleicht ist der ideale Zuseher für Hutton ein träumendes Kind im Schatten und Licht der Welt, vielleicht muss man ins Kino gehen als würde man an einem warmen Sommertag am Waldrand einschlafen, um zwischendurch aufzuwachen und die Bäume im Wind zu sehen. Erschrocken von ihrer Schönheit. Auch Leos Carax arbeitet mit diesen Schwarzblenden als Blinzeln (zum Beispiel in Mauvais Sang). Auch er macht Filme über das Kino.

Landscape Peter Hutton

Inspiriert scheint der Film offensichtlich von der Landschaftsmalerei. Die 22 Einstellungen entstanden alle in Hudson Valley, jener Wirkungs- und Lebensstätte des großen Thomas Cole, der mit seinen Landschaftsbildern einen Stil prägte. Totalen stehen im Kino oft für eine gewisse Neutralität. Sie werden entweder als Establishing Shots verwendet, um eine räumliche Orientierung zu bieten oder eben als zurückhaltende Distanz (wie beispielsweise bei Sergei Loznitsa) oder als Verunsicherung gegenüber den tatsächlichen Ereignissen (zum Beispiel in Antonionis Blow-Up oder Alain Giraudies L’inconnu du lac). Bei Hutton jedoch ist die Totale selbst von einer surrealen Romantik gefüllt, denn nur durch diese Perspektive können wir die Schönheit und Geisterhaftigkeit einer Bewegung in ihrer vollen Blüte erkennen. In dieser Hinsicht steht Hutton wirklich in der Tradition der Hudson River School um Thomas Cole. Nur er arbeitet mit Filmen, Träumen und der Vergänglichkeit seines Mediums, seiner Welt und seiner Fantasie.