Viennale 2018: Diamantino von Gabriel Abrantes und Daniel Schmidt

Diamantino von Gabriel Abrantes und Daniel Schmidt

Das erste, was man in Diamantino nach der bei europäischen Koproduktionen üblichen Parade an Logos zu sehen bekommt, ist eine Texttafel. Auf ihr wird hingewiesen, dass es sich beim folgenden Film um gänzlich fiktionale Figuren und Vorgänge handelt. Nichts hat auch nur annähernd mit der Realität zu tun. Üblicherweise sind solche Tafeln eher am Ende der Filmcredits platziert. Warum ist es bei Diamantino anders? Vermutlich, weil Cristiano Ronaldo über sehr guten Rechtsbeistand verfügt und sich womöglich auf den Schlips getreten fühlen könnte. Die Filmemacher können nämlich nur hoffen, dass Cristiano Ronaldos ikonische Posen, die jedem Fußballfan bekannt sind, nicht urheberrechtlich geschützt sind (das ähnliche Äußere ist glücklicherweise wohl nicht klagsfähig).

Diamantino handelt von einem portugiesischen Fußballprofi. Auf dem Feld ist er ein totales Genie, neben dem Platz immer perfekt gestylt, eine Werbeikone. Eine erste Kostprobe von seinem Können, gibt es gleich zu Beginn des Films zu sehen, als er sein Team im Weltmeisterschaftsspiel gegen Chile quasi im Alleingang eine Runde weiterschießt. Eigentlich rechnen alle damit, dass Diamantino Matamouros, wie er mit vollem Namen heißt, den Titel nach Portugal holt, doch einen Tag vor dem Finale gegen Schweden (eine etwas bizarre Wahl für einen Finalgegner, aber hier soll es ja nicht um Fußball gehen) wird das Leben des Fußballstars erschüttert. Beim Relaxen auf seiner Yacht, begegnet ihm auf einmal ein Boot voller Flüchtlinge. Der etwas beschränkte Diamantino wird plötzlich mit einer völlig anderen Welt konfrontiert – mit einer, in der Kinder im Meer ertrinken, in der Armut und Elend herrschen.

Das unbeschwerte Fußballspielen ist nun vorbei. Im Finalspiel steht er neben sich. Die Magie scheint verloren. Filmisch haben die beiden Regisseure Gabriel Abrantes und Daniel Schmidt diesen Verlust sehr kreativ umgesetzt. Während sich Diamantino bis dato im Spiel in einer Traumwelt wähnte, in der er mit überdimensionalen Hundewelpen auf dem Feld stand, ist das in verwaschenen Pastellfarben gehaltene Traumland nun verschwunden. In der tristen, realen Welt des Profifußballs, ist sein Zauber verflogen. Er verschießt den entscheidenden Elfmeter. Nicht Portugal, sondern Schweden wird Weltmeister. Der vormalige Held ist zum Buhmann avanciert. Als während des Finales auch noch Diamantinos Vater verstirbt, der zugleich als sein Mentor und Manager fungierte, hängt der Ausnahmekönner seine Fußballschuhe an den Nagel.

Sehr zum Leidwesen seiner ungleich klügeren, aber auch gerissen-skrupellosen Zwillingsschwestern. Die haben wenig Interesse an Diamantinos Seelenwohl, aber umso mehr an den lukrativen Werbeverträgen und Gehaltsschecks, die ihr kleines Brüderchen bis zu diesem Zeitpunkt regelmäßig an Land zog und ihnen damit ein unbeschwertes Leben in einer palastartigen Familienvilla ermöglichte. Um den Einkommensausfall auszugleichen, schließen die Schwestern einen Deal ab. Diamantino soll durch ein geheimes, staatlich gesteuertes Programm geklont werden. Elf geniale Diamantinos sollen dann für fußballerische Dominanz sorgen und frei nach dem Motto „Brot und Spiele“ die portugiesische Bevölkerung davon ablenken, dass der Kurs der ultra-nationalistischen, EU-feindlichen Regierungspartei nicht hinterfragt wird (Portugal steuert im Film nämlich auf eine Art Brexit zu). Vor den Propaganda-Karren der Partei lässt sich der naive Diamantino zudem ebenfalls spannen.

Diamantino von Gabriel Abrantes und Daniel Schmidt

Das war noch nicht einmal alles an Exposition, dass es für Diamantino zu erzählen gäbe und doch verliert man sich bereits in der Plotbeschreibung. Das ist bis zu einem gewissen Punkt unvermeidlich, denn die schiere Verrücktheit der Ereignisse ist ohne Zweifel das wichtigste Verkaufsargument für den Film – und zudem auch essentiell, um sich dem Film auf einer formal-ästhetischen Ebene überhaupt annähern zu können. Ein zentrales Element ist aber unbedingt noch zu erwähnen – und vermutlich der Hauptgrund für die rechtliche Absicherung zu Beginn: Wie der reale portugiesische Fußballstar, mit dem Diamantino so gar keine Ähnlichkeit hat, sind dem Protagonisten des Films die Steuerfahnder auf den Fersen, denn er soll Millionenbeträge am Fiskus vorbeigeschleust haben. Auf ihn angesetzt ist ein ungewöhnliches Ermittler-Duo: ein lesbisches Paar, eine von ihnen Drohnenpilotin, die andere Hackerin kapverdischer Abstammung.

Die beiden folgen dem Leben Diamantinos zunächst aus der Drohnenperspektive. Die Ermittlungen sind bereits sehr weit fortgeschritten. Es fehlt nur noch ein letzter, stichhaltiger Beweis, um den Zugriff zu ermöglichen. Da tut sich eine ungeahnte Chance auf: Diamantino, noch immer schockiert von seiner Begegnung mit den Flüchtlingen, beschließt ein Flüchtlingskind zu adoptieren. Die belauschenden Ermittlerinnen schmieden einen Plan: die dunkelhäutige Hackerin Aisha wird als Flüchtlingsjunge getarnt im Haushalt von Diamantino eingeschleust.

Man sieht: so richtig weit her, ist es nicht mit Plausibilität in diesem Film. Irgendwie macht das aber auch Sinn. Denn die Geschichte der Agentenfilme, an denen sich Diamantino bis zu einem gewissen Grad orientiert, ist auch voll von unplausiblen Ereignissen und Figuren. Auf einem in rosa Nebel getauchten Fußballfeld herumtollende, metergroße Hundewelpen erzeugen ebenfalls nicht den Eindruck, als ginge es in Diamantino um die ernsthafte Aufarbeitung von Fehlentwicklungen im internationalen Profifußball. Und so akzeptiert man, dass der ohnehin als vertrottelt dargestellt Protagonist, die Ermittlerin als Teenager-Junge in seinem Haus aufnimmt. Der politische Thriller (wenn man ihn als einen solchen bezeichnen kann) nimmt hier einen Abstecher in Richtung Vater-Sohn-Drama und spielt eine Reihe von klischeebeladenen Standardszenen durch: Es geht um Fußball, motorisierte Fahrzeuge und Videospiele. Gefilmt wird viel davon aber aus etwas unüblichen Kameraperspektiven. Man sieht die Protagonisten oftmals aus der Luft oder im Stil von CCTV gefilmt. Die nostalgischen Familienbilder werden hier im Jargon des Agentenfilms gebrochen: Die Bilder, die wir sehen, stimmen mit denen, der ermittelnden Steuerfahnder überein.

Diamantino von Gabriel Abrantes und Daniel Schmidt

Der wilde Genre-Parcours setzt sich anschließend fort: Nach Sportfilm, Agententhriller und Familiendrama, wird Diamantino zu einer Mischung Science-Fiction und Queer-Film. Das Labor der Genetikerin Dr. Lamborghini, wo Diamantinos Klonprozess vorbereitet wird, wirkt als würde es der Fantasie eines James-Bond-Bösewichts entspringen, der sich von der Brutstätte der Klonarmee aus Star Wars inspirieren hat lassen. Dass Diamantino durch die genetische Behandlung Brüste wachsen gibt dem Ganzen seinen queeren Touch. Die Verwirrung der Geschlechter ist nun endgültig: Homosexualität und Crossdressing werden durch transsexuell Kodierungen ergänzt. Die übermäßig zur Schau gestellte Männlichkeit, die Diamantino (und Fußballer generell) in seiner Außendarstellung bis dahin kennzeichnete, wird dadurch schonungslos enttarnt.

Die Genre-Brechungen nehmen kein Ende. Die politische Verschwörung wiegelt sich immer mehr auf, die Vater-Sohn-Story entwickelt sich zur Liebesgeschichte, der Agenten-Plot endet im großen Showdown samt Schießerei. Zu der erscheint Aisha standesgemäß auf motorisiertem Einspurer. Selbst das gelingt aber nicht ohne ironische Brechung: sie kommt auf einem Minibike. Am Ende, lassen die Grenzen von Fantasie, filmischer Realität und der realen Lebenswelt kaum mehr Ziehen. In diesem Sinne funktioniert Diamantino ähnlich wie ein Traum. Es passieren Dinge, die man kennt, wie und warum sie passieren, macht aber nicht immer Sinn.

Dass eine Markierung der Grenzen zwischen den verschiedenen Fiktionsebenen fehlt, ist sicherlich die größte Stärke des Films. Auf eine wohl jedem Drehbuchprofessor widerstrebende Art und Weise gelingt es dem Film ein überkomplexes Narrativ auszubreiten, dem man deshalb folgen kann, weil es alles „falsch“ macht. So bleibt einem nur übrig, sich darauf einzulassen und die Absurdität des Gesehenen zu akzeptieren. Hinter all diesen seltsamen Einfällen steckt dann aber doch mehr, als man auf den ersten Blick annehmen sollte. Denn Flüchtlingskrise, Steuerhinterziehung von Topverdienern und nationalistische Politik sind keine fiktiven Probleme des Films. Entgegen der Tafel am Anfang, hat der Film letztlich doch mehr mit den Problemen unserer Welt zu tun, als er (aus rechtlichen Gründen) zugeben möchte.

Schattenfresser: Jaime von António Reis

Jaime von António Reis

Zum ersten Mal auf 35mm gesehen im Rahmen des Underdox Filmfestivals in München; einer der wenigen Filme, die nicht besser werden können durch das Darüber-Schreiben, man kann eigentlich nur schweigen, verarbeiten und wieder sehen. Ein Film, der einen verfolgt und in Beunruhigung nicht schlafen lässt.

Jaime ist einer von sechs Filmen, die der Poet und Filmlehrer António Reis realisiert hat. In den meisten Fällen und in Jaime zum ersten Mal entstanden die Arbeiten in enger Zusammenarbeit mit seiner Lebensgefährtin Margarida Cordeiro. Sie arbeitete auch als Psychiaterin und in diesem Beruf kam sie mit dem Leben und Werk des Landarbeiters Jaime Fernandes und in der Folge auch mit António Reis in Verbindung. Fernandes war über 38 Jahre Insasse einer psychiatrischen Klinik in Lissabon. Dort fertigte er in den letzten drei Jahren seines Lebens zig außergewöhnliche, berührende, verstörende und wunderschöne Zeichnungen an. Der Film arbeitet wie ein Porträt des verstorbenen Künstlers, darf aber nicht mit einem solchen verwechselt werden. Statt einer Bloßstellung oder Romantisierung erleben wir die Kunst einer Annäherung, die verstehen will. Statt einer naheliegenden Erzählung von der Engführung einer psychischen Krankheit und schöpferischer Kraft, wählt Jaime die Poesie einer Einsamkeit in der Entstehung von Kunst. Statt dem Zeigen von kranken Menschen löst er die Dichotomie zwischen krank und gesund auf.

Jaime von António Reis

Wie macht man ein solches Leben spürbar? Fernandes litt an Paranoider Schizophrenie und begann nach seinem 60. Geburtstag Bilder zu malen mit einfachen Stiften oder Streichhölzern, die er in Quecksilber eintunkte. Diese wurden später in bedeutenden Orten in Portugal ausgestellt. Reis zeigt mit Ausnahme einer von der Zeit angefressenen Fotografie aus den Internatstagen des Protagonisten zu Beginn und am Ende des Films kein Bild von Fernandes, er versucht nichts zu repräsentieren oder nachzuerzählen. Es gibt keine Gespräche mit Menschen, die sich an Fernandes erinnern. Stattdessen hört er auf die Schatten zwischen den Bildern, die sich von selbst erinnern, lässt Ton und Bild in dissonanten Harmonien auseinander gleiten, traumwandelt durch Fragmente der Bilder und Aufzeichnungen von Fernandes. Er filmt das, was noch da ist, was überlebt und bleibt. Ein materialistischer Ansatz, der ganz offenbar auf etwas aus ist, was nicht materialistisch ist: Wahnsinn und Schönheit; etwas das immer da war, aber so „als würde die Zeit nicht existieren“, wie Manoel de Oliveira, an dessen Acto da Primavera Reis als Assistent arbeitete, es einmal formulierte.

Gleich zu Beginn erscheint die Psychiatrie wie ein Gefängnis. Ein stiller Horror eingesperrter Sehnsüchte, man könnte an Jean Genet denken, nur dass die Provokation von Jaime nicht sexuell sondern humanistisch ist. Schatten lungern an den vertrockneten Wänden im Hof, die Insassen befinden sich in einer Kreisform, die Michel Foucault in Ekstase versetzt hätte. João César Monteiro griff diese Bilder zu Beginn von Jaime in seinem Recordações da Casa Amarela wieder auf. Die Endlosigkeit manifestiert sich hier bereits in einer Ausweglosigkeit. Die Schnitte zwischen den Bildern erscheinen ungemein sanft und vorsichtig. Gleich zu Beginn blicken wir durch einen Cache wie durch ein Schlüsselloch in den Hof der Psychiatrie. Aus den Notizen von Fernandes wurde vorher mit gleicher Strategie ein Zitat entnommen. Ein Cache stellt ein Zitat heraus. Dieser Vorgang wiederholt sich durch den ganzen Film. Man liest hervorgehobene Sätze aus dem Notizbuch: „Jaime ist hier bereits achtmal gestorben.“. Dieser Cache steht zum einen für die Neugier der Filmemacher. Sie nähern sich an, blicken auf das, was von Fernandes bleibt (Bilder, Notizen, Orte, Gedanken; wie die verlorenen Steine, die ein Junge gesammelt hat bevor er verschwand) wie durch eine Lupe, treffen eine Auswahl. Zum andere aber steht er für all das, was sie nicht filmen oder sehen können. Er steht für die Moral einer solchen Annäherung; die Distanz, die man weiterhin wahren muss. Aus dem Off dringen manchmal Stimmen. Sie gehören der klagenden, nach ihrem Mann rufenden Witwe von Fernandes und einem befreundeten Insassen. Niemals würde sich Jaime erlauben etwas über seinen abwesenden Protagonisten zu sagen. In keiner Sekunde des Films vergisst man, dass es eine Distanz zwischen den Blickenden und dem Verstorbenen gibt. In ihrem Film Ana trieben Cordeiro und Reis diese Ethik der poetisch-anthropologischen Annäherung auf eine beeindruckende Spitze. Es geht hier nicht darum, eine Freakshow zu zelebrieren. Vielmehr vermag das Kino zu ehren wie man Menschen ansehen könnte. In einem wunderbaren Interview mit João César Monteiro spricht Reis über seine ersten Erfahrungen mit dem Kino. Er erzählt von der Suche nach einem strategischem Punkt für die Camcorder beim Filmen einer öffentlichen Veranstaltung im Rahmen einer Gruppenarbeit in einem jungen Filmclub in Porto. Dabei betont er die geographische Vermessung und die Wichtigkeit des Nicht-Störens der Öffentlichkeit.

Diese Ethik, die durchaus vergleichbar ist mit jener von Danièle Huillet und Jean-Marie Straub, hat etwas Strenges an sich, etwas Einschüchterndes. Ihr Problem ist nur, dass ihre härtesten Vertreter nichts anders neben sich akzeptieren. So und nicht anders, sagen sie. Die Idee eines einzigen Punktes, von dem aus man ein gerechtes Bild eines Menschen machen könnte, ist verführend. Ist sie aber auch richtig? Es lässt sich wohl mit Sicherheit sagen, dass ein solcher Punkt nicht willkürlich gewählt werden darf. Allerdings scheint mir dieser Punkt im gleichen Maße an den Filmenden zu hängen wie an den Gefilmten. Will heißen, dass es dabei um eine Relation geht, die keinen einen fairen Punkt zulässt, sondern eine unendliche Anzahl an möglichen Gerechtigkeiten. Allerdings nur eine für die Relation zwischen diesem individuellen Filmenden und seinen Protagonisten in ihrer jeweiligen Zeit und vor den jeweiligen Umständen. Das große, an dieser Stelle immer genannte Beispiel ist die Kamerafahrt in Kapò von Gillo Pontecorvo. Jacques Rivette, der das Kino von Cordeiro und Reis sehr schätzte, hatte sich in einem Text für die Cahiers du Cinéma Nr. 120, der seither von Anhängern und Skeptikern gleichermaßen missbraucht wurde, gegen eine Zufahrt auf das Gesicht von Emmanuelle Riva ausgesprochen. Ohne auf die Details eingehen zu wollen, ging es ihm vereinfacht um die Ungerechtigkeit dieser Einstellung. Etwas zwischen Filmenden und seinem Subjekt war für Rivette über eine moralische Grenze getreten. Entscheidend dabei scheint mir aber nicht nur, dass Pontecorvo mit einer Kamera auf eine Schauspielerin zufuhr, die einen Selbstmord in einem Elektrozaun vorspielte, sondern dass Pontecorvo derjenige war, der dies tat. Ihn loszulösen von seiner subjektiven Position und zu behaupten, dass es eine grundsätzlich ungerechte Position gibt, auch wenn ich Rivette Recht gebe (was etwas aus der Mode geraten ist), dass diese Einstellung hochproblematisch ist, ist absurd. Diese Absurdität jedoch ist ambivalent, weil in ihrem Drang nach objektiven Wahrheiten auch ein Funken Wahrheit steckt. Luc Moullet etwa schlug einige Jahre früher bereits vor, dass Moral eine Sache der Kamerafahrten wäre. Tatsächlich spiegeln sich in Kamerabewegungen Modi der Annäherung und Distanz. Entscheidet man sich etwas näher anzusehen oder nicht? Auch existiert ein großer Unterschied, ob man in eine Nahaufnahme schneidet oder in sie fährt.

Jaime von António Reis

Die Distanz aus der Reis die Insassen zu Beginn des Films beobachtet, mit leichten Schwenks, nie näher kommend, nur registrierend, erzählt tatsächlich von einer enormen Vorsicht. Die Schatten im Hof schützen die Menschen vor der Neugier der Kamera. Vergleicht man diese Bilder zum Beispiel mit jenen von Raymond Depardons San Clemente spürt man einen enormen Unterschied. Depardon wirft sich mitten hinein in die Welt eines Irrenhauses. Jedoch ist sein Ansatz ethisch auf keinen Fall verfehlt. Es kann ja nicht darum gehen, dass man keine Bilder machen darf von etwas. In den vielen Streitereien zwischen Jean-Luc Godard und Claude Lanzmann ging es oft genau darum. Was darf man filmen und was darf man nicht filmen bezüglich des Holocausts? Godard hielt daran fest, dass man niemanden verbieten sollte, etwas zu filmen. Ruth Beckermann sagt in ihrem Voice-Over in Die papierene Brücke, dass man manche Dinge besser nicht filme, weil sie dann Erinnerung blieben. Ein Film wie Saul fia von László Nemes kennt gar keine Skrupel und glaubt, dass er filmisch die Erfahrung eines Konzentrationslagers wiedergeben kann. Allerdings ist eine der wenigen wichtigen Rollen, die das Kino in dieser bilderüberfluteten Zeit noch einnehmen kann, jene, die den Umgang mit Bildern bewusst macht, lehrt und ihm Gewicht verleiht. Eine Ethik im Umgang mit Bildern ist angebracht und notwendig. Ein Kino, das den blinden Durst nach Bildern frönt, hat keine Bedeutung. Ganz anders ist es bei Cordeiro und Reis, die auch deshalb so relevant heute sind. Für Reis war es in der Poesie und auch im Kino immer wichtig, nur das zu sagen und zu zeigen, was wirklich notwendig ist. Die Dialoge, die er für Paulo Rochas Mudar de Vida schrieb, erzählen von dieser Sparsamkeit, die zur Essenz dringen möchte und sich offen hält, zuzuhören.

Jaime baut Kontrapunkte zwischen Bild und Musik (Stockhausen,Telemann und Louis Armstrongs St. James Infirmary Blues). Es kommt zu überraschenden Verschmelzungen der Lebensumstände des Verstorbenen mit dem Kino, der Zeichnungen mit einer surrealistischen Vision der Welt, des Lebens mit dem Versuch es in Bildern zu beschreiben, von Wahnsinn und Schönheit. In gleicher Weise arbeitet auch die Tonebene, die wie ein Ruf aus dem ländlichen Ursprung von Fernandes von Wind und Wasser erzählt. Man spürt wie sich eine Narbe öffnet, die man nicht mehr schließen kann. Was wir sehen, sind die Wunden, die geblieben sind. Wir sehen sie im Fließen des Wassers des Flusses Zêzere in der Heimat von Fernandes, sicherlich ein Bild des Lebens, aber so fern durch die ausgetrockneten Kakteen vor der Psychiatrie. Fernandes wuchs am Fluss auf, fischte viel. Diese Aspekte werden nicht erwähnt vom Film, aber man kann sie später in seinen Bildern sehen: Das Fließen, den Strudel. Wir sehen Menschen, die gleich Skulpturen auf ihre Erlösung warten (Reis arbeitete auch als Skulpteur). Immer wieder Gegensätze wie jenes von Gittern und einer Katze, die einfach durch sie hindurchgeht. Ebenso plötzliche surreale, metaphysische Bilder wie das eines Regenschirms unter dem Getreidekörner liegen oder von drei Äpfeln, die golden glänzend von der Decke baumeln. Die Montage folgt nicht einem kausalem und schon gar nicht einem temporalen Prinzip. Man könnte von einer Aufzählung der Dinge sprechen, dem beinahe tragischen Versuch etwas zu verstehen durch das Sehen. Es ist auch der Versuch die Bilder von ihrer Banalität gegenüber komplexen Vorgängen zu befreien. Bilder treten wie Worte in Gedichten in einen größeren mythologischen Zusammenhang. Die allgegenwärtige Angst vor der kinematographischen Metapher ist Reis unbekannt. Er dynamisiert seine filmischen Räume mit Bedeutungen. Erstaunlicherweise entsteht dadurch der Eindruck eines biographischen, in Ansätzen gar psychologischen Mosaiks. Reis selbst wehrte sich gegen solche Begriffe. Für ihn waren es Erinnerungen, nicht Dokumentationen. Auf diese Weise dokumentiert er Erinnerungen.

Jaime von António Reis

Woraus entstehen diese Bilder? Jene von Fernandes und jene des Films? Die Bilder beginnen die Welt zu bevölkern. Dämonen und Mischwesen sind darauf zu sehen, ihre starrenden Gesichter existieren mit einem Mal nicht in einem Vakuum, sondern im direkten Dialog mit der Welt, in der Fernandes lebte, in der Reis es später tat und in der wir es heute tun können. So filmt er zum Beispiel eine Ziege. Fernandes arbeitete als Ziegenhirte. Diese Ziege ist eingesperrt in einem dunklen Raum, wirkt etwas verloren. Sie beginnt ihren eigenen Schatten zu fressen. Monteiro bezeichnet sie in besagtem Interview, in gewohnt provokanter Manier, als die schönste Schauspielerin des portugiesischen Kinos. Reis selbst äußerte, dass die Menschen, die wir im Film sehen, jene, die geblieben sind, auch jene sind, die Fernandes malte. Das System von Reis knabbert an den Grenzen der Wahrnehmung. Die getrennten Bereiche zwischen scheinbar entgegensetzten Phänomenen wie eben Schönheit und Wahnsinn, aber auch Abstraktion und Natur werden durch die Gleichzeitigkeit von einer materialistischen Bildabfolge und einem beständigen Gegeneinander von Bild und Ton verknüpft. In dieser Hinsicht wird Jaime zu einem der größten Filme über Kunst und wie sie entsteht. Reis sammelt akribisch alles, was in ein Kunstwerk einfließen kann. Es ging ihm auch darum, die Kunstwerke selbst zu sammeln, da viele der Bilder von Fernandes zerstört wurden. Jeder Faden wird demütig aufgehoben und in feinsten Bewegungen präsentiert. So existieren die Bilder in der Natur, die Natur im Menschen und all das im Raum einer spürbaren Ungerechtigkeit und Einsamkeit.

Nach der Arbeit an diesem Film machten sich Cordeiro und Reis auf ihre für das portugiesische Kino von heute so entscheidende Hymne an die Vertriebenen, Trás-os-Montes zu realisieren. Ein Film, der wie ein schnell verloren gegangenes Gewissen der Nelkenrevolution den Blick abwendet von der intellektuellen Elite und stattdessen die Kehrseite ästhetischen Wohlstands beleuchtet in einer der ärmsten Regionen Europas. Jaime lässt sich in dieser Hinsicht als erster Klageruf verstehen. Aus den Tiefen einer als wahnsinnig erklärten Seele hört man Stimmen rufen und sie sind nicht einverstanden. Sie sind nicht einverstanden und machen einen anständigen Film.

The Unvanquished: Mudar de Vida von Paulo Rocha

Mudar de Vida von Paulo Rocha

Wie in seinem ersten Spielfilm Os Verdes Anos lässt Paulo Rocha auch sein zweites abendfüllendes Werk mit einer Ankunft beginnen. Doch statt des neuen Lebensabschnitts eines Jungen in der Stadt zeigt Mudar de Vida die Rückkehr eines gezeichneten Mannes. Jene eines Soldaten, der aus Angola in das abgelegene Fischerdorf Furadouro südlich von Porto zurückkehrt. Er wird dort den Verlust seiner alten Liebe beklagen, eine mögliche neue Nähe entdecken und gegen die eigene Erschöpfung im Angesicht des unerbittlichen Meeres ankämpfen.

Mudar de Vida von Paulo Rocha

Man ist geneigt vom Geschmack der Bilder zu schreiben, denn sofort sammelt sich auf den Lippen und in den Augen jene salzige Luft und süßliche Fäulnis, die man mit dem Meer in Verbindung bringt. Das liegt unter anderem daran, dass Rocha aus allen ihm verfügbaren filmischen Mitteln einen mehr klassischen als modernen Rhythmus erzeugt, der sich den Orten und Menschen aussetzt statt sie zu dominieren. So scheint die Sprache, die teilweise flüsternde oder im Fall des Onkels der Familie des Protagonisten kecke Art der Dialogführung (geschrieben von António Reis) im direkten Kontakt mit dem tragischen, an Murnau erinnernden Kontrast des Schwarz und Weiß der vom Meer kommenden Wolken zu stehen. Die wundervollen Gitarrenklänge von Carlos Paredes sprechen aus den von der Flut unterdrückten Augen der arbeitenden Menschen. Dabei hatte Paredes erst große Bedenken, ob die Gitarre zum Meer passen würde. Alles geht auseinander hervor, man hat das Gefühl, dass es keinen Schnitt zu viel gibt. Hätte man mir nach dem Film gesagt, dass es keinen einzigen Schnitt gab, hätte ich das sofort geglaubt. Nicht, weil alles in einem einzigen Mischmasch widerstandslos ineinander fließen würde, sondern ganz im Gegenteil, weil sich alles bedingt, ganz gleich dem Meer, welches das Leben der Menschen prägt. Zwischen den Bildern erzählt Rocha von einer Gnadenlosigkeit, die bis auf das Ende nie als Form einer Fremdbestimmung argumentiert, sondern immer auf Augenhöhe mit dem Leben dieser Menschen am Meer operiert. Mit einem recht kleinen Team (ca. 20 Personen) drehte Rocha den Film mit geringem Budget und im Stile einer Art Verbrüderung mit dem Ort und den darin lebenden Menschen. Rocha sagte einmal, dass ihn das Salz genau so interessiert habe wie die Menschen. Es ist eine Konfrontation mit dem Realen, auf die er aus ist, egal ob durch den Blick der Dokumentation oder der Fiktion, veraltete, sich an die Kinokultur klammernde Begrifflichkeiten.

Mudar de Vida von Paulo Rocha

Das Meer wird eine wichtige und dunkle Rolle spielen in den kommenden 90 Minuten. Nicht die Rolle mythischer und poetischer Geister wie etwa bei Jean Epstein, nicht die Sehnsucht nach Abenteuern, auch kaum in Verbindung mit dem Gefühl Saudade, das sich so stolz in portugiesischen Seelen hält, sondern eher als lebensbestimmende, zerstörerische Kraft. Oder einfach nur als ein Meer ist ein Meer ist ein Meer. Man spürt es in jeder Einstellung. Mal ganz direkt, wenn Rocha gleich Henri Storck den Wellengang beobachtet, mal in Bildern der Arbeit auf und mit dem Meer, die an Viscontis La Terra Trema oder die Mattanza in Roberto Rossellinis Stromboli erinnern und mal nur auf der Tonebene beziehungsweise durch beinahe unsichtbaren, durch das Bild wehenden Sand wie zu Beginn von Jean-Pierre Melvilles Un flic. Das Meer ist grausam, die Arbeit auf ihm ist unmenschlich. Einmal im Film gibt es den Vergleich der Arbeit mit jener von Ameisen. Manche Bilder evozieren diese Metapher zusätzlich. Schwarzes Silhouettengewusel am grell-weißen Strand, eine riesige Menschenkette, die die Fische aus den Netzen pflückt.

Die Desillusionierung des heimkehrenden Soldaten war nicht nur offensichtlicher politischer Anstoss rund um den Film im von Salazar regierten Portugal, sondern auch ein riesiger Sprung für den Filmemacher, der als einer der ganz Großen des Cinema Novo gilt und unter anderem für Manoel de Oliveira und Jean Renoir arbeitete. Denn die Jugendlichkeit und Fragilität von Os Verdes Anos wird in Mudar de Vida durch etwas Urzeitlicheres, Raueres ersetzt. Ein Jugendlicher, der in einer fremden Umgebung nicht essen kann, ist ungleich weniger komplex als ein Mann, der in seinem Zuhause keinen Appetit mehr verspürt. Es ist auch deutlich schwerer den bebenden Körper eines Mannes zu filmen, als den eines Jugendlichen. Manche Filmemacher, wie zum Beispiel Olivier Assayas, schaffen nie diesen Sprung. Rocha war 27 Jahre alt, als er Os Verdes Anos und 30 Jahre alt als er Mudar de Vida realisierte. In der Hauptrolle Adelino der schweigsame, in sich zitternde Brasilianer Geraldo Del Rey.

Mudar de Vida von Paulo Rocha

Man spürt dem Film eine gewisse Ehrfurcht an vor all diesen Booten, den Hütten im Schatten des Meeres oder den Kühen, die am Strand die Netze ziehen. Manchmal frage ich mich, ob wir diese Welten heute nicht mehr sehen, ob sie niemand mehr filmt oder ob es sie nicht mehr gibt. In unserer Welt kommt das eine leider oft auf dasselbe heraus. Es geht mir hierbei nicht darum, dass niemand mehr solche Arbeit filmt. Das passiert durchaus. Aber äußerst selten wagen Filmemacher einen Ansatz, bei dem jede Handlung aus diesem Leben mit der Arbeit kommt. Jedes Wort, jede dramaturgische Geste. Pierre-Marie Goulet hat in seinem Encontros sogar ganz direkt nach diesen Bildern im Heute gesucht. Er ist unter anderem nach Furadouro gereist und hat dort doch nur immer die bereits gedrehten Bilder im Kontrast zu einer Welt vor dem Verschwinden getroffen. Vielleicht Fortschritt, vielleicht Verlust.

Mudar de Vida gilt nicht nur wegen der Mitarbeit von António Reis als direkter Vorläufer von dessen gemeinsam mit Margarida Cordeiro realisierten Filmen, deren Linie sich heute bis zu Pedro Costa (der kürzlich einen beeindruckenden Trailer zu einer Rocha-Retrospektive erstellte) fortsetzt.

Paulo Rocha – Rétrospective from La Cinémathèque française on Vimeo.

Es ist dieser Blick auf kranke, von Schwäche gezeichneten Körpern, die dennoch Riesen sind, wie Helden gefilmt werden. Mächtige Gestalten, auf deren Schultern stehend man eine Welt sehen kann, die uns aufgrund sozialer Unterschiede oft seltsam verschlossen und fern scheint. Nur während man dort getragen wird, bemerkt man, dass diese Schultern zusammenbrechen. Machtlos in ihrer Welt, vom Leben hingerichtet. In einem gemeinsamen Gespräch deuteten Costa und Rocha einmal eine Nähe zu William Faulkner an und fanden ihre Gemeinsamkeit in der Vorliebe für die Geschichten der Besiegten. Costa: „Der Film klingt wie ein Echo des amerikanischen Neorealismus, eine Synthese zwischen dem hellen Glanz von Hemingway und dem schwarzen Licht von Faulkner. Sätze, die töten und Schmerz, der brennt, ohne gesehen zu werden.“

In der zweiten Hälfte des Films verändern sich die Dinge. Die Musik wird weniger, das Gefühl einer Heimat scheint vor unseren Augen zu schwinden. Adelino trifft auf Albertina (Isabel Ruth, unberechenbare Macht des Kinos von Rocha). Sie stiehlt Geld aus der Kirchenkasse, versteckt sich in einer Höhle, bedroht und schneidet ihn mit eine Messer. Später kommen sie sich näher. Wie in vielen Melodramen planen sie einen Ausbruch. Etwas daran fühlt sich fatal an. Das drohende Unheil liegt weniger im Schicksal der Figuren als im Leben an sich. Etwas wird sich verändern. Der Titel sagt es bereits. Niemand sagt, dass es eine gute Veränderung ist. Die Zukunft, argumentiert Adelino, läge in den eigenen Händen. Als hätte er alles vergessen, was bis dahin passierte. Die Kamera ist merkwürdig weit weg in diesem Augenblick. Die Menschen beinahe winzig im Schilf. Am Horizont Schiffe und die Frage, ob und was man noch weiter filmen könnte. Selten fühlt sich ein eigentlich offenes Ende eines Films so sehr wie das Ende an. Was mit einer Ankunft beginnt, endet auch ähnlich wie in Os Verdes Anos mit einer Ohnmacht. Nicht die amerikanischen Westernhelden, die in das romantische Nichts verschwinden, aus dem sie gekommen sind, zeigen sich hier, sondern jene Helden, die nicht mehr verschwinden können, weil keine Träume von einer größeren Welt ihre tragische Bestimmtheit motivieren. Stattdessen die eigenen Hände, ach so klein, das Meer im Blick.

Mudar de Vida von Paulo Rocha

Kino und Erde: Encontros Cinematográficos 2018

Encontros von Pierre-Marie Goulet

In Fundão, Castelo Branco vom 27. bis zum 30. April zu Füßen der im dunstigen Schnee lauernden Sierra da Estrela: Das Kino als Begegnungen auffassen. Eine Gruppe außergewöhnlicher Kinoliebhaber huldigt diesem Ideal seit Jahren. Sie sind gekleidet wie die Outlaws einer vergangenen Zeit: Trenchcoats, Lederjacken, Cowboyhüte und zerrissene Wolle eines aufrechten Widerstands. Ihre größte Waffe ist Offenheit und Demut gegenüber Mensch und Film. Es gibt hier eine Allianz zwischen dem Kino und den Leuten, deren Augen das Kino erst lebendig werden lassen. Es gibt hier ein Kino, das zu den Menschen will.

Die Landschaft um Fundão ähnelt jener großer amerikanischer Western. Vieles wirkt unberührt, unerschlossen und doch von den verheerenden Feuern der letzten Jahre erschüttert. Verbrannte, unberührte Erde. Die Verbindung der Menschen und auch des Kinos mit der Erde sollte uns in den Tagen in Portugal beschäftigen. Das Gesetz, so sagt man uns, sei weit entfernt von Fundão. Man nimmt einen Zug aus Lissabon. Wie lange es dauert, ist unerheblich. Nachdem man die Industrie und den überschwappenden Tourismus der portugiesischen Hauptstadt hinter sich gelassen hat, beginnen Adler vor dem Fenster zu kreisen. Der Tajo fließt golden zwischen verheißungsvoll glänzenden Hügeln. Man beginnt etwas zu träumen, aber die Nähe von Schönheit und Ödnis, Reichtum und Armut lässt einen nie ganz schwärmen.

Lucky Star von Frank Borzage

Lucky Star von Frank Borzage

In Fundão selbst herrscht ein kalter Wind bei unserer Ankunft. Er sollte sich nicht legen. Die Gipfel am Horizont schienen sogar neuen Schnee zu empfangen, was die Einheimischen nicht an ihren kauernden, kaffeetrinkenden und rauchenden Posen in den Straßen des Ortes hinderte. Ganz im Gegenteil gab es ihrer Präsenz noch etwas mehr Kraft, regte sie sich eben nicht nur gegen die Welt, sondern den spürbaren Wind. Gleich neben dem Bahnhof, das war auch gleich neben dem Kino, dem Kunstzentrum der kleinen Stadt, „A Moagem“ (Das Mahlen), wartete ein scheinbar streunender Hund an einem Kreisverkehr auf. Er blickte zu dieser Gruppe überzeugter Kinoenthusiasten in verlorener Erwartung. Das ganze Szenario hatte etwas Raues an sich, wäre es nicht zugleich so sanft.

Das Sanfte im Rauen erinnert an die hand- und herzensverlesenen Filme des Festivals. Filme wie Frank Borzages brutaler und romantischer Lucky Star oder Pierre-Marie Goulets balladenhafte Polifonias – Paci é saluta, Michel Giacometti und Encontros. Diese Filme über Alentejo, die Poetin Virgínia Dias, Korsika und den Ethnografen Michel Giacometti sind das beste Beispiel für die Verbindung von Kino und Erde, Menschen und Kino, die bei Encontros Cinematográficos betont wurde. In Modi von Gleichklang und Mehrklang untersucht Goulet dabei Verbindungen und Begegnungen zwischen Koriska und Alentejo sowie zwischen Musik und Leben, Poesie und dem Boden, aus dem sie wächst. Seine schwelgerischen und im betörenden Sinn repetitiven Kamerafahrten versetzen in einen Zustand der Vermischung, der dadurch verstärkt wurde, dass seine beiden zusammenhängenden Werke (am Abend wurde noch ein dritter, sein neuester Film, als Überraschungsfilm gezeigt) direkt hintereinander gezeigt wurden. Immer wieder der Blick hinaus in die Landschaft, der Worte und Musik ermöglicht. Die Reichhaltigkeit eines Lebens, das Leiden, der Kampf, die Schönheit und ihr letztendlicher Ausdruck für den Goulet filmische Denkmäler baut. Die Wahrnehmung so sehr nach außen gestülpt, dass man vergisst, woher die Imagination kommt. Nicht das einsame Zimmer von Robert Walser, nicht das am Anfang stehende Wort, sondern die Berührung und Begegnung mit allem, was sich vor diesem Zimmer befindet. Nicht nur aus diesem Grund immer wieder Bilder von Terrassen, die sich an der Schwelle zwischen Zuhause und Natur befinden. Eine Form innerlicher Überwältigung, die sich nach außen trägt. Keine Explosionen oder Dinosaurier, einzig der Blick hin zur Welt.

Encontros von Pierre-Marie Goulet

Encontros von Pierre-Marie Goulet

Encontros ist auch ein Film über das Kino, insbesondere über Paulo Rochas Mudar da Vida. Der Filmemacher und sein Film durchwandern Encontros, es stellt sich die Frage nach der Verbindung eines Filmemachers und seiner Drehorte sowie den Menschen, die er so wundervoll filmte. So also vermag Encontros ein Film darüber zu sein, wie die Liebe zu Kino und Kunst, Menschen näher zusammen bringt. Sowohl in der selben Zeit, als auch über die Zeiten hinweg. Michel Giacometti, Manuel António Pina, António Reis, Paulo Rocha, Virgínia Dias und Pierre-Marrie Goulet. Sie alle wandern auf gleichen Pfaden und treffen sich in diesem Film, der die Zeit zu Gunsten eines Ortes aufhebt.

Dieses Wunder erschien bereits am Morgen in den bewegendsten Augenblicken, die ich jemals in einer Kirche verbracht habe. Ein Bus brachte die Gruppe gleich einem Schulausflug durch für Busse eigentlich zu enge Gassen in einen Nachbarort. Dort stand, umgeben von traumeinladenden Gärten und beobachtet von einem weiteren, diesmal dreifüßigen, stolz hinkenden Hund, die Tür zu einer alten Kirche offen. Vorne war eine Leinwand aufgespannt. Unsere Gruppe schlich trotz herziger Begrüßung etwas schüchtern und bemüht anmutig durch die morgendliche Heiligkeit. Zeigt man es in der Kirche kommt einem das Kino schnell wie eine Sünde vor, schließlich weiß und zeigt es mehr als der Pfarrer. Im linken vorderen Teil, näher am obligatorischen Jesuskreuz versammelte sich eine Gruppe älterer Menschen, die wir bislang nicht gesehen hatten. Wahrscheinlich, so dachte ich naiv, Menschen aus der Kirchengemeinde. Weit gefehlt. Gezeigt wurden Episoden aus der von 1970 bis 1974 laufenden TV-Serie Povo Que Canta von Alfredo Tropa und Michel Giacometti. Die Frage danach, wer dieser Michel Giacometti war, erreichte uns immer wieder während des Festivals. Man erzählte uns, dass er auf einmal aufgetaucht war. Ein Retter der portugiesischen Musiktradition aus Korsika. Mit Tuberkulosediagnose zog er nach Portugal und gründete dort ein Archiv, um Volkslieder und Erzählungen aus dem Hinterland zu sammeln. Er reiste von Ort zu Ort und sammelte ein musikalisches Erbe. Seine Präsenz in den Bildern ist von außerordentlicher Ruhe und Neugier beseelt. Er spricht zu uns vor allem durch die Musik, die er liebt und die Menschen mit denen er diese Liebe teilt. Seine Arbeit ist die des Zuhörens. Er dokumentierte gegen das Vergessen.

Nuvem von Ana Luísa Guimarães

Nuvem von Ana Luísa Guimarães

Was ist es mit diesem Geschreibe von den „Menschen“? Ist es nur die Überwindung mitteleuropäischer Kühle und Distanz, die einem im Besuch dieser anderen Kultur in einen Rausch an Empathie verwandelt? Ist es vielleicht gar die Hilflosigkeit im Angesicht einer fremden Offenherzigkeit, die mich auf einen Allgemeinbegriff wie Menschlichkeit zurückfallen lässt? Ich weiß es nicht, aber die Szenen, die sich in der Kirche abspielten, haben, wenn nicht mit Menschen, doch zumindest mit ihren Erinnerungen und ihrer Sterblichkeit zu tun. Denn die uns unbekannte Gruppe im vorderen linken Teil der Kirche bestand aus einer Vielzahl an älteren Damen, die sich selbst und ihre Stimmen auf der Leinwand wiederfanden. Beinahe 50 Jahre später, im Angesicht der eigenen Jugend. Ihre Unruhe und ihr Lachen, ihr Erkennen und Verblassen erzeugten eine ungeahnte Spannung zwischen Leinwand und Zusehern. Die Kirche wurde eine Zeitkapsel, nicht mehr das Sehen und Hören stand an erster Stelle, sondern das Sein an diesem Ort zu dieser Zeit. Tränen sammelten sich in den Augen als eine Stimme in der Kirche gar in spontaner Emotion die Musik auf der Leinwand begleitete. Der Gesang hallte echohaft unter der Decke der Kirche und aus den Lautsprechern. Beim Verlassen des Gemäuers waren wir endgültig aus der Zeit gefallen.

Regen kündigte sich an. Im milchigen Dunst über dem steppengleichen, trockenen Boden fragt niemand nach den falschen Fragen des Kinos. Niemand will wissen, wer diese Filme programmiert hat, niemand will wissen, wer sie besitzt. Es kann keine Rolle spielen. Die Probleme bei mancher Projektion erinnern höchstens an Rechtschreibfehler in Liebesbriefen. Sie sind nicht relevant, der Gestus ist nicht Perfektion, sondern Zuneigung. An einem Abend jagen wir mit einer kleinen Gruppe einen Regenbogen, der in besonders kräftigen Farben aus dem Boden zu sprießen scheint. Straßen im Irgendwo. Alles durchdrungen von unserem im Kino geschärften Blick für Schönheit und Vergänglichkeit. Wir stoppen in einer verlassenen Gegend an einer im Sonnenlicht badenden Steinhütte. Es ist ein zugleich lebensfremder und lebensbejahender Ort. Ob man hier leben könne, fragt jemand. Wenn man sich erinnern würde, wie man lebe, entgegnet eine andere. Es ist erstaunlich, was mit der Wahrnehmung passiert. Schließlich sehen wir in dieser Gegend und auch im Kino auch viel von der sozialen Ungerechtigkeit, politischen und natürlichen Problemen. Wir erleben einen Widerstand auf der Leinwand. Wir hören auch viele schlimme Geschichten über die portugiesische Filmlandschaft. Von Bestechungen, ausbleibenden Fördergeldern und kaum zu fassenden Mechanismen.

Espelho Mágico von Manoel de Oliveira

Espelho Mágico von Manoel de Oliveira

Ein Beispiel dafür findet sich in Ana Luísa Guimarães, die zu Gast ist auf dem Festival und ihren Film Nuvem zeigt. Der Film, der bis heute ihr einziger Langfilm ist, ein zerbrechlicher Traum verlorener Jugend, die genrehafte Erprobung von Gesten und Verhaltensweisen als Akt des Ausbruchs mit unheimlicher Sicherheit in die Nacht hinein inszeniert, sodass man sich plötzlich im pulsierenden Mond von Nicholas Ray wiederfindet, obwohl man jederzeit fest in Portugal verankert bleibt. Nuvem ist ein Film, der vieles falsch machen könnte, weil er von einer klischeehaften Welt notgedrungen mit Klischees erzählt. Aber Guimarães findet aus den Fallstricken heraus, weil sie das Kino und die Illusion mit der Sensibilität ihrer Figuren verbindet. Erzählt wird eine klassische Liebesgeschichte im Kleingangstermilieu. Der Eindruck eines Freiheitsbegehrens entsteht, eines, das sich zwischen Tag und Nacht abspielt, aber nie wirklich ankommt. So wie bei Nicholas Ray immer die Gangster am zärtlichsten sind, so ist bei Guimarães die Nähe zwischen Kuss und Todesschuss, die verführt. Das Spiel und die Körper in diesem Film könnte jederzeit zerbrechen. Doch wie schon über dem Film ein Hauch von schicksalshafter Ungerechtigkeit hängt, so ist es auch der Filmemacherin widerfahren. Nicht zuletzt aufgrund ihrer Nähe zu Ray oder auch John Boultings Brighton Rock, die in Wahrheit nur eine Liebe zum Kino ausdrückt, und – um es zu sagen, wie es ist – weil sie eine Frau ist, konnte sie diesem ersten Funkeln in der Gangsternacht keinen weiteren Langfilm folgen lassen. Es bleibt das Rot und eine Fahrt aus der Dämmerung der Stadt zurück, die uns klar macht, dass meist irgendwo irgendwer steht und träumt. Ergeht es uns nicht so an dieser Steinhütte? Sollten wir nicht wütend Kampagnen für die Filmemacherin starten statt melancholisch zu bedauern, dass sie keinen weiteren Film machen konnte? Würde uns das zustehen?

Von der Steinhütte zum aristokratischen Anwesen in Manoel de Oliveiras Espelho Mágico. Musik: La danse macabre von Camille Saint-Saëns. De Oliveira, dem am letzten Tag eine musikalische Hommage durch Bruno Belthoise gewidmet wird (die einzige Vorführung, die pünktlich beginnen sollte), ist nicht gestorben. Er hält seine Hand über das portugiesische Kino. Bei unserer Abreise am Flughafen sehen wir die nach ihm benannte Maschine. In Lissabon passieren wir Orte, an denen er gedreht hat. Auch Ana Luísa Guimarães hat mit ihm gearbeitet, seinen Visita ou Memórias e Confissões geschnitten.

Espelho Mágico ist eine Lektion in Ambivalenz. Der Film zeigt Adel und Reichtum mit boshafter Ironie und berührender Zärtlichkeit zugleich. Erzählt wird eine katholisch pervertierte Geschichte rund um die Suche nach ewiger Jugend. Ein makaberer Tanz, ein in sich verlorenes Gelüst. Auch De Oliveira interessiert sich für die Terrasse. Doch im Gegensatz zu Goulet ist sie nicht der Kontakt mit der Natur, sondern die Abgrenzung. Beinahe erinnert der Umgang mit Terrassen an diesen Tagen an Jean-Luc Nancys Gedanken zur Haut. Der Tastsinn gehört nicht zu dem, was wir zuerst mit dem Kino in Verbindung bringen. Höchstens aufgrund der Dunkelheit und Nähe von Liebenden, deren Hände sich umschlingen und die sich im Licht der Leinwand nur erfühlen können. In Fundão jedoch hatte man – und sei es nur verzaubert vom Bann eines geliebten Kinos – das Gefühl, dass das Kino die Erde berühren kann.

 

Hier noch das Gespräch, das ich vor Ort mit Sílvia das Fadas und Marta Mateus führen durfte:

For Those Who See: Correspondence with Marta Mateus

Farpões Baldios von Marta Mateus

Farpões, Baldios by Marta Mateus appeared like a fresh wind that has always been there into a possible presence and future of cinema. The short film by the young Portuguese filmmaker is a rare renewal of a basic trust in cinema and a sparkle of hope for all of us who believe that cinema is related to the way we look at the world. As I have the honour to talk to Marta Mateus at Encontros Cinematográficos in Fundão on Friday, April 27 we exchanged some mails. They will be published in Portuguese within the framework of the festival. We are very grateful to Ivana Miloš who helped us immensely with our language.

1. Can you tell me a bit about the language spoken in Farpões, Baldios? I mean the words that have such a metaphorical, yet deeply grounded way of narrating life to my foreign ears, as well as the manner in which they are spoken in your film. Here I refer to your work with the people in your film and how you found their stories in their voices, the way they articulate themselves.



The dialogues in the film were written, I could say, in my mother tongue. A very particular Portuguese, the Portuguese spoken in the Alentejo, which was where I learned to speak. It may not be a dialect, but almost. It was only during editing that I understood that in the ears of others the dialogues sounded very differently than in the ears of an alentejano. I do not know how it sounds to a foreigner, but to a Portuguese from another region it will not sound very differently, even if it does not need translation.

In that region language is closely linked to gestures, to a way of life. It was from their sayings, their spoken word, which is intimately related to nature, to the movements of the landscape, to the expression of tales, to poetry, as their own testimony, for sharing their wisdom and knowledge, it was in these links that I wanted to construct the film. This is their way of putting their views into words, it is how they reveal their way of looking at others and the world. This is their manner of speaking, in this place the flight of a bird has different meanings. As you say, at the same time, it’s very down-to-earth. There may be no metaphors, but there is an openness to other fields of understanding. This is how we speak in Alentejo.

I wrote the dialogues very fast, as if they were dictated by my heart. This idiom, its rhythms and timbres play with the time and space of that place, and I had and have it in my ears: their stories, that which is part of the History of that region, with its enigmas, with what remains of their memory, the lives of these people. Already involved in a certain construction of memory, mine and theirs, perhaps I did nothing more than organize it and offer back to them the stories they had told me: to give them a voice, to make it sound and see it again in the space and time of the film. It was only after I heard other people’s comments that I realized that the film would perhaps have a poetic tone. This interpretation is possible, but it will be based on the experience of those who listen. The risk is run, but there is no literature in this film. It certainly didn’t emerge from written language, especially because many of the elders in the film, who still hold the deepest roots of this language, do not even know how to read or write. To hear their thoughts in the sharing of their views will probably be the greatest treasure of the film, so it will be a good risk. To this day, I still sometimes learn a new word there, or a new way of reading the wind, a mood, a joy, all through the way they construct a sentence. If there is poetry, they are the poets.

The rehearsals were very long, with many repetitions, especially with Maria Catarina. Maria Catarina cannot read, so we repeated the text a thousand times until she decorated it. In these repetitions, Maria Catarina was commenting the dialogues, many times to share with us terrible episodes, other contours of this history, to tell us that their life was really like this. We kept some of those sentences in the film, as they were better at telling what we wanted to be told, as well as some variations she suggested because it was easier for her to say the same in another way. She is a very wise and brave woman, she knows what work is very well, but it was admirable to follow the way she committed herself so strongly to the film. Not least for accepting this extraordinary challenge: a woman of her condition, at her age. I used to call her the director of production. She was always there to help in every detail, talking with people and arranging things, sharing her clothes and instruments of work, doing all she could. And always with a beautiful and energetic smile, bringing us orange cake with chocolate. She always says she’s younger than us, and she promised to leave me this energy in her will.
She became aware, very quickly, of how important her voice was in this story we were working on. She didn’t know anything about cinema, but her complete trust was shown in her incredible readiness; she was probably much more ready to work than a professional actor. She wanted to repeat and repeat until we all thought it was done. I understood that, more than anything, she wanted so much to tell her story, their history; that it was so important to her for it to be heard. And we were there to hear it. She appeared to us as a voice of her many brothers and sisters, of the Alentejo people. She had been there, so she could do it and did it, just as she gave herself to the labors of the fields, as she did all her life, until the last harvest. If there is one thing I can be at peace with concerning this film, it is knowing how happy and proud she was with this work. How lucky I was with all the actors. The children, so impressively concentrated. They all committed to the film as a great family that protects itself. They did not quite understand everything we were doing, but they intuited „where“ we were working. We had all their trust and each one offered what they could to be part of this work, to build it together, with all their strength. Over time I realized we just got all those people together, remembered parts of their own story, and gave them the word and the space to regain their own landscape, a voice in cinema.

2. One can clearly feel this sense of giving a voice as well as the connection between voice and landscape. Can you tell me a bit more about the people in your film? How did you find them? Were there also some you wanted to film that refused to be part of cinema? Was this step into cinema always as gratifying as with Maria Catarina?

This landscape is the place of those voices, of those words. The light and shadows of this territory, this brave nature, its melopeias and echoes are the ground of these words, this way of living. This was, for me and the actors, a first step together in cinema. I knew many of the actors for a long time, others I met while preparing the film, especially the children. How they become actors, I don’t know. What happens here, to actors, the experience with actors, has no name. It’s an encounter that takes place in the space and time of the film, with the landscape, between people, with the text, with the director, with the team. It’s a mystery. We spoke very little of what we were doing. They observed the work of the team, where the camera was: you are here, you go there, when you are more or less there you can say this sentence. We were discovering a way of working while we were working, by repetitions, understanding each other’s work and finding what we were looking for, what we thought was right. We all grew up on this land, we have this relationship. Perhaps we were just trying to find this somewhat forgotten language together, which all of us somehow know by heart. It’s like singing the first two notes of a song we all know. Maybe I just invited people who speak in this alphabet. With children, especially, it’s like a game, it’s playing. I just wanted to give them the time and space to play this game, to all of them, to find themselves there with their bodies and their voices.

Almost everyone immediately accepted to be part of the film, and all of them participated with a very special attention to this construction. They realized that this work was very difficult, it required a great commitment and concentration and we had to repeat many times. They were impressed with the enormous work of the team, which was very small. They thought cinema was very easy. It was hard work, very intense for everyone. Besides, it was a difficult summer, one of the toughest in the Alentejo, always over 40 degrees. But some fled… One because he couldn’t reconcile our work with his, another because his wife didn’t want him to be there. These people have their tasks, their concerns, their lives. We have always taken this into consideration, it could only be a rule. Respect their daily lives. Some came to film when they were finished harvesting or off from their other jobs. This was a very clear rule. They could not lose their routines, like the village party they attended every year. Everyone was committed to the film, but the film could not compromise their lives. We would finish this work and their lives would return to normal.

It was a very difficult film to do, as every film is difficult. This was often a battlefield… So some friends came to help me. We always had to solve the most incredible problems, something in the air was against us… We were almost convinced, we took this as an inconvenient truth, that perhaps we were touching on very sensitive issues, that „we spoke of the devil and he appeared,“ as the girl says in the film. Why did I write this? It was happening… It was kind of an anecdote, but even the most skeptical of us accepted it as a very clear fact. Nobody doubted it anymore. It is very curious to think that the film, fiction, was affecting reality and vice versa, as if we had, in reality, gone into fiction. In any case, these considerations also helped us ward off the evil spirits and laugh at these theatricals.
And miracles began to happen, and they all came from the actors at our side. It was from them that we always drew and regained our strength, in being among those friends who helped me immensely in making this film. The actors and that raw nature, their vitality, were saving the film from all these disappointments and difficulties. When one does not struggle against all the difficulties, all the obstacles with this energy, with life, cinema also suffers from this emptiness. We have to fight it, and we did it every day in this film. And it’s just a little film… I am very grateful for the generosity and confidence of the actors, it was certainly the most gratifying part. When children played in the fields, their joy, the way they moved through nature, when the elders told us about a tree or a coming cloud, the light of the day, how they experience the landscape: This empathy was our resistance. So we recovered the main principals of the film, with their more tender gestures. The last shot of the film is invaded by the flight of black swallows. They had made their nests in the silos. In Alentejo it is said that the swallows come to protect us. I was very grateful they came into the film. We had a feeling, almost mystical, of having found some peace.

3. It sounds like a protected place you found with your actors. How was it elsewhere for you as a first-time filmmaker? I am not sure if that is even a category one should think in but as you have hinted at difficulties and disappointments I want to know a bit more. Did cinema change for you with the making of this film?

Perhaps one of the most common characteristics of the filmmakers is that of complaining a lot… We are always between tragedy and comedy… It was very difficult to make this film… But there was also many joys! There is always a restlessness, an endless dissatisfaction that comes from the certainty that we have not yet looked well at a person, a tree, a house, the sky, from knowing we are far from understanding it all. Cinema is just over a hundred years old, we are not at the beginning, we are continuing. We have to accept that we do not know how to do it. One must doubt a great deal. It’s very difficult to make a film. Anyone can scratch a piece of paper and say they made a drawing or shoot five minutes of a horse climbing a hill and say they made a film. Maybe they did, but most likely they did not. One must resist the exhaustive paraphernalia of images that we are offered every day and counteract what is blocking our ways of seeing and imagining. It’s the process that matters here. When we say “repeat” in a film, we say nothing other than “try again,” because nothing repeats itself. With luck and much work, in these attempts, we discover something, something that surprises us. But for this we must always fight against the most absurd imperatives that have taken over our lives, and over cinema, like „time is money.“ It will not be like this for everyone, but for me, in this kind of work, it takes a lot of effort and great patience. Patience here is not synonymous with acceptance, but with a struggle against emptiness. Everything is very fast; the rush is increasing every day. We are always late. The architect Niemeyer said: „Life is crying and laughing, life is a blow.“ No other filmmaker showed us this as well as Chaplin did. Saying that Chaplin has given us the best lessons about cinema, at the same time the best lessons of life, still doesn’t do him justice. Chaplin tells our whole story. This dissatisfaction, the difficulties and disappointments were always at the root of his films and in the ways he found to make them… He was the greatest of the giants. And if it was like that for Chaplin…

I never studied cinema. I decided very early that I wanted to make films, I do not know how or why, but it was a certainty. However, it was inconceivable for me to study cinema in a school. This came from a certain horror I had for schools from the first day. I did not want anyone to tell me how to do this. I learned a lot from my film experience as an actress or from assisting in some productions. But we do not know the heartache of a director, we can only perceive it… We do not know from what he or she suffers, why they suffer, and perhaps their evil is even that of not knowing too well either… We can understand what animates and moves them to make a film, but it will all be in the order of the irrational. A director, alone or accompanied by a team, is always between the solitary silence and an endless horizon. From there we must draw the rails, choose paths, go and find. If we are really working and not just putting a technique into practice, everything happens between joys and sorrows. In a film crew, if the director says it’s done, many start picking up the all the stuff right away. If the director escapes, as João César Monteiro once did – an impulse I understand very well! – nobody shoots.

In painting, in drawing, in sculpture, the extension of the look and body appear in the work. In film it’s the same, but with a huge difference, a decisive peculiarity, and that is why it can only be done with friends: it involves other people, actors, the sun and the rain… There are many bodies and many looks, their encounters. It is the opposite of the pencil in the hand in the quiet of the atelier. In the case of cinema, it will always result in a struggle, more or less fierce, against the most violent impositions that can lead the film to suicide. I knew it already, but this time I was the director, and there is one thing I know: the director is the first to die. It is a process of constant rescuing of the necessary time and space to work, to repeat, so these encounters can happen and surprise us. With digital it is very easy to film anything, but the most difficult thing is to feel empathy with what we film. In this film, I unfortunately made some commitments that I cannot forgive myself. Here there can be no compromises, no halfway terms. But I also put my foot down every time it was needed: we do not go there with soft words. A woman often has to do away with diplomatic ideals altogether if she wants to be heard. We don’t want to hear any fairy tales; we must admit this at once, so that something finally begins to change. But I was lucky enough to be accompanied by people who gave everything they could and could not do to this film. Maria Catarina, on the last day of work offered us a lunch of „sopa de cação“ After lunch we were at her café in Veiros, and she asked me: „So, everything is done?“ I answered that I thought so, even if it is never done, I didn’t want to disturb her more, we needed to give her a rest, I thought… „Couldn’t we do a little bit more? Maybe we could go to the fields and do a little more… “ And we went. The children, tired of running up the hill in that panorama, the light fading, said: „We’ll do it again, it’ll be better, we’ll do it again. It has to be well done.“ These people know everything about cinema.

4. Would you say that the people in your film are taking part in a sort of theatre, in a form of representing themselves? I am asking because the dialogue between presence as a form of being in the world and re-presentation as a form of coming back in the form of a ghost, perhaps like cinema itself, is very apparent in your film.

Good question. I don’t know how to answer… This question is given especially by knowing in advance the context of the story that gave rise to this film. But, strictly speaking, this question could be asked in relation to any film, all the actors and actresses who appear in the films. In a filmed conversation, Jacques Derrida talks about cinema as „an art of allowing ghosts to come back, where maybe we have a chance to evoke ghosts.“ While he speaks, he projects his appearance in the film, taking his own present situation when asked if he believes in ghosts: „You are asking a ghost if he believes in ghosts. I was asked to play my own role and I have the feeling that I’m letting a ghost speak for me.“ In cinema there may be several voices of our ghosts, and if the ghosts of cinema haunt me, perhaps cinema somehow appears, as you say, in the film.

The stories we hear within the story of this film are narrated by some of the protagonists of this past history, which is part of the collective history of the Alentejo and our country. Perhaps this cannot be forgotten, but here it is not necessary to verify or explain the contours of these stories that they tell us, so that an experience that goes far beyond the facts can be transmitted. These narratives relate to much broader aspects of life. Here we are right before one of the examples that Walter Benjamin takes as storyteller: the sedentary peasant who knows from experience the stories and traditions. I venture a little here, because Benjamin would not admit that cinema could speak this language. But these actors are not the cinema actors as Benjamin saw them and perhaps they recover a theatrical experience as Brecht imagined it and which was very precious to him. I remembered now that once, a person who saw the film was very surprised when she realized that there was a work of preparation and rehearsal because, as she said, she didn’t think it was fiction, she thought it was a „documentary.“ But I was also asked how the rehearsals went with the sheep… Of course there was no rehearsal there, and that only happened once. It’s the miracles. There must be a bit of everything.

The stories these people tell are singular but at the same time collective. We can guess why these people tell and re-tell their stories: it is in the transmission of knowledge that the community is constructed and safeguarded. These people preserve through memory, the nature of tales, the proverb’s expression that contains ethical and moral teachings, a norm of life, as didactic tools, in the Brechtian sense of the term. These are also their appeals to contemplation, to the encounter of men, to the comprehension of themselves, their warnings so that the blackest of histories and the most heinous crimes do not repeat themselves. There are truly practical interests here as a warning of a danger, a luck, life and death, and at the same time a search for attention and a critical eye. For Benjamin the storyteller figure „is that in which the righteous man encounters himself.“

In the film, these stories, the memories of those people cross the stories of that place that also has its memory, its footprints of thousand other stories. The stories they used to tell me, and their ways of telling, their wisdom, that landscape, structurally shaped my experience, my look. Where is fiction and reality in memory? What is the true story? It doesn’t matter; we are neither journalists nor historians.

The problem of representation is very old, it is a great discussion already among the Greeks. For Kant there is no direct apprehension of reality. The apprehension of reality is not possible without a medium, and for all the mediums that exist, reality is nevertheless much more complex than all forms of representation put together, indecipherable, indescribable. It’s the problem of appearances and apparitions… The problem of not being able to know the thing itself… At the beginning of the Confessions, St. Augustine recalls how he learned to speak: he wanted to express with sounds and gestures his heart’s feelings, so he fixed in memory what the adults named. For Wittgenstein, memory is intrinsically linked to a way of life and to our capacity for linguistic expression. It is in describing, which is also a way of representing what we see, that we learn „all possible language games.“

I wanted to keep in this narrative, to give back, a new voice to these storytellers who were, for me, the best masters. These stories, in the expression of this language, in the voice of these people, take place on this great stage of that landscape that speaks for itself, in the „voice of nature,“ not as a backdrop, but the place these narratives emerge from. I was lucky enough to understand this very early, when I was a child and heard the sun calling or spoke to the wind, when I threw myself through the fields, hiding and chewing an ear of wheat, leaning on the dry dust watching the clouds passing.

Now, when I remember that, I think I lived in those stories, between those stories, and maybe for that reason I thought I could talk to ducks… A child can talk to ducks and that doesn’t mean she doesn’t know that ducks do not actually speak our language. Landscape says things, nature manifests itself, but we have moved away from it, it’s we who do not understand it. Memory helps cinema a lot. Here, instead of re-presentation in a kind of theater, there will perhaps be only presences, storytellers and, perhaps, in the tracks of these presences marked in the landscape, some ghosts of History may rise. They will be there for those who see them.