Viennale 2018: High Life von Claire Denis

High Life von Claire Denis

Mit blutigen Adern schlafende, in die Nacht des Alls fallende Körper; alles immer auf der Suche nach dem Licht. Wie in der manischen, machtmissbrauchenden, depressiven Suche nach Mutterschaft, dem letzten Strohalm einer am Rande des Bewusstseins zitternden Weiblichkeit in der sexualitätsbesessenen Esoterik von Claire Denis, dröhnt es selten in Kinosälen. Ein Film erfüllt von überwältigender väterlicher Zärtlichkeit, die man durch all die Grausamkeiten und Brutalitäten hindurch kaum erfühlen kann, obwohl sie doch so sehr nach Nähe schreit; nach Liebe.

Claire Denis’ neuer Film High Life schließt nahtlos und in aller erblassender Düsternis an ihren Les salauds an, als hätte es ihren merkwürdigen Versuch einer frustrierten Leichtigkeit in Un beau soleil intérieur nie gegeben. Ohne Unterlass ästhetisiert sie Gewalt in Isolation; Gewalt der Isolation. Es gibt einen Schrei aus den Tiefen ihrer Bilder und schon lange sind die Tänze, die in Denis’ Filmen wie die Erlösung selbst erschienen, sei es in 35 rhums, U.S. Go Home, Beau travail oder Nénette et Boni, in selbstsüchtiger Begierde wieder erschienen. Statt einer Umarmung werden reglose Körper im All entsorgt. Die Körper bewegen sich stumm in nie enden wollender Hoffnungslosigkeit.

High Life von Claire Denis

Trotzdem arbeitet Denis wieder mit Juliette Binoche, die sie in einen auf Plastikdildos tanzenden Spermarausch versetzt; zurecht wurde bemerkt, dass High Life vor allem ein Film über Körperflüssigkeiten ist. Praktisch keine mögliche aus Körpern rinnende Flüssigkeit wird nicht gefilmt von Yorick Le Saux, der normalerweise mit Olivier Assayas arbeitet und bei aller gestochen scharfer Körperlichkeit nie ganz an die Zerbrechlichkeit der Bilder einer Agnès Godard heranreicht. Muttermilch, Sperma, Blut und Schweiß vermischen sich zu den hypnotischen Tönen von Stuart A. Staples in eine Dichotomie aus Sünde und paradiesischer Utopie. Im Schnitt bedeutet das Gegensätze, die man so ähnlich aus Andrei Tarkowskis Solaris kennt: Natur und Raumschiff, sehnsuchtsvolle Augen und Blut oder der unerträglich laute Schrei eines Kindes, der die friedvolle oder erstarrte Stille selbst durchdringt. Man fühlt die Bewegung einer Selbstauflösung und die Suche nach den Extremen der Menschlichkeit. Um etwas noch zu spüren, etwas noch zu glauben: Wie schon 35 rhums und Les salauds ist High Life ein Film über die Liebe eines Vaters. Die Rolle der Mutter ist daran die schmerzvolle Narbe und das unheimliche Genre-Extrem zugleich. Binoche, die sich hexenartig im Wind windet und nach dem besten Sperma sucht, um die Passagierinnen an Bord zu befruchten, allesamt Ausgestoßene von der Erde, Mörderinnen und Herumtreiber auf Suizidmission, steht für die verschwundene Mutter.

Robert Pattinson, dem man Mut und Bemühen seit Jahren nicht absprechen kann, gibt den Vater, aber wirkt wie ein ausdrucksloses Stück Fleisch im Raumschiff, man will sich gar nicht die Grégoire Colins, Denis Lavants oder Vincent Gallos in dieser Rolle vorgestellt haben, aber dann, man könnte es sich zumindest zurechtdenken, ist es vielleicht gut, dass Pattinson und auch seine Mitreisenden so blass sind; man spürt, dass was fehlt stärker. Für einen Film über Zwischenmenschlichkeit jedenfalls geschieht sehr wenig, was wirklich menschlich im Sinn einer tiefergehenden Erkennbarkeit scheint. Vielmehr erspürt man alle Figuren als Ideen einer Verzweiflung, die das Licht im Film, ein Kind, umso heller erscheinen lassen. Man muss lernen wieder zu hoffen. Ein Ziel vor Augen zu haben, ein Licht zu suchen in dieser Dunkelheit. Wie man das von Denis kennt, setzt die Zeit immer wieder aus. Ellipsen und Brüche lassen die Bilder wie die gefilmten Flüssigkeiten aus dem Schwarz zwischen ihnen dringen, die Körper sind nur mehr Behälter für diese Flüssigkeiten. Die Bilder tragen nur die Zeit, die man zwischen ihnen verliert, spazieren.

Das Raumschiff selbst gleicht einem Behälter für Weltraumschrott. Als ein anderes Schiff andockt, finden sich dort nur dreckige, sich selbst zerfleischende Hunde; der Weltraum ist hier kein Ort für die großen Helden, die Abenteurer, er ist das schwarze Loch, in das die abwesende Erde ihren Müll entsorgt, um Experimente durchzuführen. In dieser von Ruhm und Hoffnung befreiten Situation, existiert der Raum für eine Nacktheit, die sich dem Verlust aller Träume in einer Endlosschleife bewusst werden muss, bis auch die letzte Flüssigkeit aus den Körpern rinnt und sie leblos verharren oder aber genau aus diesen Flüssigkeiten neues Leben entsteht.