Land of the Dead: Long Weekend von Colin Egglestone

Nach einer spannenden Einführung zum Film und zum australischen Kino der 1970er Jahre von Christoph Huber beginnt Long Weekend von Colin Egglestone mit einem langsam über einen von der Sonne erröteten Felsen kriechenden Krebs. Die Kamera wird mit einer Kranfahrt abheben und das blaue Meer offenbaren. Bereits hier vollziehen sich eine Schönheit und ein Frieden in der Natur, die essentiell für das Verständnis des Films sind. Denn wenn man den Frieden nicht stört, wird er auch selbst nicht stören. Long Weekend flirtet mit dem Genre des Tierhorrors und des Abenteuerfilms, ist aber in seinem Kern ein destruktives Beziehungsdrama. Peter und Marcia wollen ein verlängertes Wochenende in der abgelegenen Wildnis verbringen. Sie fahren an einen traumhaften Strand, der sich hinter einem labyrinthischen Wald versteckt. Marcia hat gerade eine Abtreibung hinter sich. Wie wir später erfahren sollen, wäre das Kind aus einem Seitensprung entstanden. Ihre Sexualität ist verstört und eigentlich sehen wir das Paar fast durchgehend beim Streiten. Es ist ein Film der sexuellen Frustrationen, die den äußeren Horror, der nach und nach von der angegriffenen Natur ausgeht zu einem inneren Bild werden lässt. Da werden Adlereier an Bäume geworfen, sodass sie zerschellen und ein Baum immer wieder ein bisschen mit einer Axt bearbeitet. Peter schießt planlos auf das Meer und die beiden Camper hinterlassen eine bedrohliche Müllhalde. Ein eingefrorenes Huhn beginnt zu vergammeln; die Richtung ist klar: Das psychologische Trauma der Abtreibung wird in einem Wechselspiel aus giftigen Dialogen und einer feindlich erscheinenden Natur bearbeitet. Je länger Peter und Marcia am unheimlichen Waldrand und Strand bleiben und je aggressiver sie sich gegen die Natur (die natürliche Geburt?) stellen, desto härter schlägt die Natur zurück.

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Dabei ist das Setting ein Star. Damit meine ich zum einen, dass der Film es vor allem in der zweiten Hälfte versteht, das Ungewöhnliche und Mystische in einer Art zu erhöhen, die eine Seele der Natur betont, ohne dass dies in platten Symbolen aufgelöst werden müsste. Die engstehenden Bäume und der Dunst über dem Meer bewirken eine deformierte Strangeness, die an Jonathan Glazer erinnert und darauf hindeuten, dass eine friedliche Koexistenz nicht möglich ist. Die Natur ist dabei stets unschuldig. Sie reagiert nur, sie greift nicht an. So greift eine Adlermama Peter nur an, weil das Paar im Besitz des Adlereis ist. Ansonsten ist die Feindlichkeit fast durchgehend eine Bedrohung, aber keine Handlung. Es ist ein latentes oder konkretes Gefühl, dass nicht von der Natur sondern von einer menschlichen Entfremdung ausgeht. Folgerichtig geht die wirkliche Gewalt letztendlich immer von den Menschen aus. Besonders beeindruckend ist dies als Peter in einer Nacht betrunken mit einem Licht am Autofenster in der Tiefenschärfe hinter der sich schlafend stellenden Marcia auftaucht und versucht sie zu wecken. Das ist auch zugleich der zweite Aspekt, den Huber bereits in seiner Einleitung andeutete, denn die Natur ist hier nicht ein böser Antagonist, sondern schlicht der Held des Films. Das wirft natürlich auch die Frage der Bedeutung von Identifikation für das Horrorgenre auf. Es ist klar, dass wir von einer anderen Art des Horrors sprechen, wenn es nicht darum geht, um das Leben einzelner Figuren zu zittern, wenn uns die bedrohten Existenzen nicht sympathisch erscheinen. In Long Weekend geht der Horror von den Menschen aus und sie bekommen dafür Horror zurück. Der Film folgt dem Ursache und Wirkung Prinzip von Horror und er umrahmt das mit seiner innerpsychologischen Bedeutungsebene. Damit könnte Long Weekend fast zu einer gekonnten Mischung aus Bruno Dumonts Twentynine Palms und Lisandro Alonsos La libertad werden…aber dazu fehlt dann doch einiges.

Der hohe metaphorische Gehalt drückt nämlich im Gegensatz etwa zu Nicolas Roegs Outback-Poesie Walkabout auch auf den Film. Denn insbesondere zu Beginn wirken die beiden Figuren wie größere Ideen, nicht wie Menschen. Man beginnt den Film zu durchschauen, man beginnt das Drehbuch zu lesen. Hier ist der Mann. Seine Aufgabe ist es rau zu sein, er verhält sich sorglos gegenüber der Natur und unsensibel gegenüber seiner Frau. Hier ist die Frau. Sie ist eine Frau, sie will nicht campen, sie ist schlecht gelaunt. Durch diese äußerst klare Figurenzeichnung, die sich gegen Ende weitaus ambivalenter gestaltet, wird der Horror nicht mehr körperlich spürbar sondern nur mehr intellektuell. Hinzu kommt eine fehlende Subtilität in den Bildern und Dialogen. Egglestone erkennt die subtilen Spannungen in der Beziehung ein wenig zu deutlich. Er lässt die Figuren darüber sprechen, er bringt sie in seine metaphorischen Bilder, in sein aufgesetztes Tondesign und seine Musik. So wird beispielsweise in einem völlig unnötigen Dialog am Strand die komplette Beziehungsgeschichte aufgelöst.

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Und dann gibt es da noch die alte Bazin-Regel. Wie Serge Daney einmal treffend bemerkt hat, war André Bazin besessen von Tieren. Er hätte sich Long Weekend mit seinen Hunden, Krebsen, Ameisen, Adlern, Seeottern, Koalas, Beuteltieren, Schlangen, Kängurus und Spinnen sicherlich sehr genau angesehen. Und vermutlich wäre ihm wieder der „Montage-Verboten“ Gedanke gekommen. Bazin sagte, dass es für die Glaubwürdigkeit einer Szene unbedingt wichtig sei, dass man Tier und Mensch im selben Bild zeigen würde. (das gilt nicht nur für Tiere). Manche Einstellungen jedoch (zum Beispiel jene der Ameisen) wirken wie völlig aus dem Kontext gehobene Intermezzos, Egglestone schneidet Zwischenbilder in seinen Film, die seinen Star, das Setting auseinanderbrechen. Hier schneidet er sich selbst, denn in diesen Bildern wird die Natur doch zum aufgesetzten Feind des Menschen, sie existiert nur in der Montage, um Angst zu machen, um eklig oder unheimlich zu wirken. Natürlich ist es nicht unbedingt leicht Szenen mit Adlern und Menschen in einer einzigen Einstellung zu drehen, aber wie der Film selbst beweist, ist das durchaus möglich und insbesondere bei Ameisen kann man das schon verlangen. Egglestone scheint hier eher am technischen Anspruch zu scheitern, weil er die Ameisen unbedingt mit einem Makro Objektiv filmen will. Dadurch wirken aber verschiedene Szenen im Film wie aus einem Naturfilm, der nicht in der diegetischen Welt des Pärchens und erstaunlicherweise auch nicht im Setting verortet ist. Eine lokale Verortung ist dem Film auch gar nicht wirklich wichtig. Das unterscheidet ihn auch von einem weiteren Outback-Drama, Wake in Fright von Ted Kotcheff, der aus jeder Pore nach Australien riecht. (Outback-Drama kann diesen völlig von der Leine gelassenen Roadtrip-Western-Horror-Existentialismus mit Massen an Alkohol, unterschwelliger Erotik und einer unfassbar brutalen Känguru-Jagd nicht mal annähernd beschreiben) Vielmehr geht es in Long Weekend um einen ewigen Kampf zwischen den Geschlechtern, zwischen Mensch und Natur und zwischen Leben und Sterben. Das sind zugleich die Stärke und die Schwäche des Films.