Three Men from Wisconsin: Wind Across the Everglades von Nicholas Ray

Nicholas Ray Wind Across the Everglades

Ein Vogelschwarm hinter dem Logo der Warner Brothers, willkommen im „Wonderland of Wild Life“, Wind Across the Everglades. Dann: Krachende Schüsse zerfetzen den Frieden im Kinosaal. Nicholas Ray meldet sich zurück mit einem Film, der durchdrungen ist von einem sumpfigen Dampf am Ende der Zivilisation und von einem Wettstreit zwischen einem Öko-Bewusstsein und der Grausamkeit einer „Friss oder Stirb“ Logik. In früheren Besprechungen des Films taucht der Name Nicholas Ray gar nicht als Hauptverantwortlicher auf, denn der Filmemacher wurde gegen Ende der Dreharbeiten gefeuert von Budd Schulberg, der das Drehbuch schrieb und damit, die ihn sonst umwehende Stadtluft hinter sich ließ. Von Anfang an wird hier die Gewalt von Fortschritt gegen die Schönheit und Funktionalität einer unberührten Natur gestellt. In dieser Hinsicht kann man zumindest von einer entfernten Verwandtschaft des Films mit On Dangerous Ground sprechen.

Der engagierte Walt (gespielt von Christopher Plummer) kommt nach Florida, um dort Gesetze durchzusetzen, die Vogeljagd einschränken sollen. Er trifft schnell auf das Unverständnis einer kapitalistisch-dekadenten Gesellschaft, die Ray mit ausufernden Federn auf Hüten zeigt und die Gesetzlosen selbst, einer verrückten, gewalttätigen Bande rund um Cottonmouth (Burl Ives in mächtiger Präsenz mit noch mächtigerem rotem Bart). Die Dramaturgie folgt also einem Western-Prinzip. Inmitten dieses Konflikts platzt eine der unmotiviertesten Liebesgeschichten, die ich mir vorstellen kann. Man vergisst sie schon während man sie sieht. Was man nicht vergisst, das sind die Bilder der Natur, die hier fast im Stil einer Tierdokumentation präsentiert werden. Krokodile, Schlangen, Eulen, Pelikane, allerhand Vögel, sie werden in einem Kreislauf gezeigt, der gestört wird. Sicherlich nichts neues, aber Ray schleudert seine erbarmungslose Kraft in diese Landschaft und verwandelt sie in ein sinnliches Reich der flüchtigen Eindrücke, Ausdrücke und eines beständigen Drucks, der sich nur in zwei Varianten entladen kann: Dem Alkohol und dem Blues. Der Alkohol wird hier in Massen konsumiert, er schlägt eine Nähe zum Wahnsinn und zur Gewalt vor. Das Vulgäre und Barbarische tropft durch die triefenden Gesichter einer Männlichkeit um Cottonmouth, die sich weniger als Teil der Natur, denn als ihre notwendige Fortsetzung versteht, sie ertragen alles und ersparen sich und ihren Feinden nichts. In gewisser Weise erinnert der Film an Deliverance von John Borrman (auch sonst ein Mann der Sümpfe). Es geht zurück in einen Überlebenskampf ohne die Regeln der Zivilisation, in der sich Männlichkeit, Natur und Freundschaft neu definieren.

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Der zweite Ausweg, der Blues, das ist auch der Rhythmus des Films, der sich immer wieder in ein Tempo davontragen lässt, das nicht ganz passen will und dann doch wieder in seine Stimmung fällt, als würde das beständige Klingen des verrauchten Klaviers in der Spelunke, von einem labilen oder nervösen Mann stammen, der zum Beispiel darum weiß, dass es im Blues eine Frau geben muss, der aber eigentlich an ganz andere Dinge denkt, an die Schönheit von Flügelschlägen in der Sonne zum Beispiel oder an einen Hut, der zufällig auf dem Wasser landet. Wie viel Kino in einem Hut liegt, der von einem Kopf zu Boden fällt, hat wohl außer John Ford nur Nicholas Ray wirklich verstanden. Beständig scheint er auf der Suche nach dem Kino in einer Bewegung, der Bewegung des Kinos.

Überlebenskampf bei Ray beginnt immer wie ein Spiel, wird zu einer Unsicherheit und endet schließlich in der beständigen Bedrohung des Todes. Es ist ein wenig wie der Gang des Lebens selbst, nur dass in seinen Filmen immer wieder die Chronologie des Älterwerdens hinterfragt wird, da wir uns ständig am Ende einer Unschuld bewegen, egal wie alt die Figuren letztlich sind, eine Unschuld, die das Fatale sucht, das Ideale will und dadurch schon in der Ausholbewegung eines Messerstichs über das eigene Scheitern unterrichtet wird von einer Erbarmungslosigkeit, die sich nie wirklich so anfühlt, aber doch immer über allem schwebt. Diese Unschuld in Wind Across the Everglades verläuft zwischen der Natur und ihrer Beherrschung, der Beherrschung der Natur und der beherrschenden Natur.

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