Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Notiz zu Behemoth von Zhao Liang

Text: Victor Morozov (aus dem Englischen von David Perrin)

Life on Mars

Es ist schwierig, Behemoth von Liang Zhao zeitlich einzuordnen. Ob die Kamera unter der Oberfläche, durch schlecht beleuchteten Tunnel kriecht oder in feurigen, verwahrlosten Fabriken filmt: der Film scheint dem Ende der Zeit anzugehören. Eher näher zu Mad Max als Wang Bings Tie Xi Qu: West of the Tracks, besitzt der Film eine unheimliche, beinahe prophetische Qualität, als würde er die letzten Überlebenden der Zivilisation zeigen. In seiner stärksten Szene tauchen Männer, Frauen und Jugendliche auf notdürftigen, mit Erz gefüllten Dreirädern aus der Tiefe der Landschaft auf. Ihre Gesichter sind schwarz vom Kohlenstaub, als ob sie die Reiter der Apokalypse wären.

Das alles nimmt diesen Menschen nichts von ihrer Würde. Teil der Faszination des Films liegt in seiner Fähigkeit, sie nicht nur als Opfer darzustellen, und er ist gerade deshalb politisch, weil er die Tiefe dieser Leben nicht für eine didaktische Botschaft opfert. Durch Liangs Bilder werden die Männer, die sich ihrem Schicksal mit schweigender Entschlossenheit stellen, zu mehr als bloßen Slogans: Indem er auf ihren faltigen Gesichtern verharrt, auf dem Staub und dem Schweiß, der sie bedeckt, entwickelt der Film eine Form von Poesie, die man ohne Übertreibung als Humanismus beschreiben kann.

Behemoth ist, wie das verfallende Land, das er zeigt, ein vielschichtiges Wesen. Der obsessive, aber auch etwas distanzierte und jenseitige Blick auf die Bergbauregion in der Inneren Mongolei macht den Film genauso geeignet für die Kunstgalerie als für die Zwecke der Umweltaktivisten: innen. Mit seinen eindrucksvollen Bildern, wie zum Beispiel von unendlichen Reihen von Lastwagen, die darauf warten, Abfälle auf ehemals grünen Feldern abzuladen oder einem Mann, der eine Pflanze durch eine verwüstete Landschaft trägt, ist der Film zugleich mystisch und anthropologisch. Als wir schließlich die von der Kohle ermöglichte urbane Dystopie zu sehen bekommen (leere, stille Wohnblöcke, die bedrohlich auf die verlassenen Straßen der Geisterstadt blicken), ist der Kreis der menschlichen (Selbst-) Ausbeutung und Katastrophe geschlossen. 

Das Land speichert alle Spuren; es ist eine ewige Festplatte. Man braucht nicht über diese Bilder, auf denen eine Schafherde auf dem letzten Stück Gras vor der Zerstörung weidet, hinauszuschauen. Es ist ein seltsames Gefühl, die menschlichen Spuren zu sehen – sie tatsächlich in der Landschaft eingeschrieben zu sehen – und zu verstehen, dass sie den Tod bedeuten. Nicht mehr und nicht weniger. 

Diese Doppelspannung – einerseits, die Sorge, sogar die Verzweiflung darüber, was die Menschen andere Menschen antun; anderseits das Staunen über die menschliche Neigung zur Weltzerstörung – ist das, was Behemoth lebendig hält, voller Anspielungen und unberechenbar, nie aber zynisch. Mit Ausnahme eines Monologs (inspiriert von Dantes Göttlicher Komödie), eine Art Gesang für eine verlorene Welt, bleibt die Stimme des Regisseurs aus. Zwischen Reportage und reiner Beobachtung erweckt Liang die Offenbarungskraft des Kinos, die darin besteht, das Unsichtbare zu zeigen, die Lebenden und Toten zu verbinden.