In einem Text über Jean-Claude Biettes Film Le Théâtre des matières resümiert Serge Daney, dass es das Publikum für seine Filme im Kino womöglich gar nicht mehr gäbe. Stattdessen säße es vor einem Fernseher zu Hause und hätte den Glauben an das klassische, alte Kino aufgegeben. Biette hat in einem kleinen Pariser Nachbarschaftskino weiterhin diese Filme gezeigt, worin er versprach, das eigene Leben für eine Weile vergessen zu können, indem man sich dem imaginierten Spiel anderer Leben hingibt. Diese Sehnsucht ist (wie so vieles) älter als das Kino selbst, wenngleich es unter dem unausweichlichen Realitätszwang des Alltags, der im Kino als Realismus fortlebt, abhanden kommt.
Während immer nur die Nachrichtenlage das Gemüt bestimmt, könnte man gleichbedeutend aber auch vom alltäglichen Realitätsverlust sprechen, bei dem Geschichten, die sich dieser Realität gewahr werden, nicht mehr erdacht, erzählt oder gesehen werden. Wer dies tut, muss offenbar nicht mehr ganz klar im Kopf sein und auch ein bisschen nostalgisch. Biettes Filme erzählen von Menschen, denen es so ergeht und die, wie er selbst mit diesem kleinen Nachbarschaftskino, in die Nische geflohen sind. Ein dunkler Raum mit einer Leinwand und ein paar ausgedienten Sesseln mag ein Ort sein, an dem so die übrige Zeit allein verbringt. Ein wenig von Sinnen, dem Alltäglichen entzogen, stoßen bei Biette hier aber Gleichgesinnte aufeinander – in vielerlei Hinsicht.
Sich mit Biettes Filmen und Texten zu beschäftigen, offenbart, dass das Kino zwar ein einsamer Ort sein kann, aber nicht muss. Sein Kino ist ein Ort der Bekanntschaften, Freundschaften oder Verwandtschaften. Alles im kleinen Kreis, der sich aber keinesfalls nur um sich selbst dreht. So kann man darin entdecken, dass Filme, Literatur und Theater wie Menschen miteinander umgehen, indem sie sich mögen, betrügen, kritisieren, wieder vertragen, vergessen, fortgehen oder wieder zurückkommen. Alles ist gleichzeitig nichtig und das Wichtigste auf der Welt. Warum seine Filme kaum über die Grenzen Frankreichs bekannt geworden sind, könnte vielleicht damit zu tun haben. Mit neuen Betrachtungen zu seinem Werk und einigen Übersetzungen möchten wir einundzwanzig Jahre nach seinem Ableben dahingehend etwas verändern und so auch Daney widersprechen.
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