IFFR 2017: Eric Baudelaire / fūkeiron, or the politics and poetics of landscape

Also Known as Jihadi von Eric Baudelaire

Anlässlich der neuen Arbeit von Eric Baudelaire, Also Known As Jihadi, die parallel zum Festival im Witte de With Center for Contemporary Art zu sehen war, veranstaltete das IFFR eine Gesprächsrunde mit ihm und Claire Atherton, die den Film geschnitten hat. Baudelaire greift darin ein bildpolitisches Konzept auf, das Ende der 1960er Jahre in Japan innerhalb eines kleinen Kollektivs um Masao Adachi entwickelt wurde. Ich war neugierig, wie Baudelaire diesen bereits 2011 in seinem essayistischen Dokumentarfilm The Anabasis of May and Fusako Shigenobu, Masao Adachi, and 27 Years without Images erprobten Zugang in dem kürzlich finalisierten Projekt erneut und anders getestet hat. Die Rede ist von fūkeiron, der sogenannten landscape theory. Diese Theorie wurde von Adachi und seinen Kollegen während der gemeinsamen Arbeit an dem Film A.K.A. Serial Killer ausgearbeitet, in dem sie der Spur des jungen Arbeiters Norio Nagayama folgten, der 1968 ohne ein erkennbares Motiv vier ihm unbekannte Menschen in vier Städten Japans erschossen hatte und von den Medien als Serienmörder gebrandmarkt worden war. Im Bestreben, neues Licht auf den Fall zu werfen, versuchten sie sich in einer neuen und ungewöhnlichen Form der filmischen Annäherung an eine Figur. Während des gesamten Films wird Nagayama nie gezeigt, auch kein einziger Handlungsablauf dargestellt. A.K.A. Serial Killer besteht aus einer kontinuierlichen Aneinanderreihung von gefilmten Städtelandschaften, die Nagayama auf seinem Lebensweg bis zu seiner Verhaftung umgeben hatten. Unterlegt mit Free Jazz sind die Bilder von wenigen Kommentaren durchsetzt, die grobe Eckdaten zur Geschichte seiner zahlreichen Versuche, in der Arbeitswelt Fuß zu fassen, liefern. Warum diese Vorgangsweise? Der Film basiert auf der Idee des Kollektivs, dass sich jene politischen und ökonomischen Machtstrukturen, die das Japan der 1960er Jahre kennzeichneten und die sie als hauptverantwortlich für Nagayamas aussichtslose Lage betrachteten, in Landschaften einschreiben, in ihnen wirksam werden und über deren filmische Betrachtung offengelegt werden können. Indem sie Nagayamas Umgebung, die Orte, an denen er sich aufgehalten hatte, filmten, versuchten sie, sich ihm indirekt anzunähern und dabei die Landschaft in Hinblick auf eine Inkorporierung und Manifestation der Machtstrukturen, die Nagayamas Lebensumstände geprägt hatten, zu befragen.

Also Known as Jihadi von Eric Baudelaire

Baudelaire setzt in Also Known As Jihadi ähnlich an, indem er sich ebenfalls auf der Bildebene von seinem Protagonisten, Abdel Aziz Mekki, abwendet. Aufgewachsen in einem Pariser Vorort schloss sich der junge Mann, dessen Namen im Film geändert wurde, in Syrien der Al-Nusra Front an, einem Vorläufer des IS. Später wurde er in Frankreich inhaftiert. Wie A.K.A. Serial Killer versammelt auch Also Known As Jihadi Aufnahmen der Umgebungen, die der Protagonist im Laufe seines Lebensweges erfahren hat. Bilder des Krankenhauses wo er geboren wurde, der Siedlung, in der er aufgewachsen ist, der Schulen, die er besucht hat. Diese Aufnahmen alternieren mit Auszügen aus Gerichtsakten und Polizeiprotokollen, die einem mehrere tausend Seiten umfassenden Konvolut entnommen sind. Sie geben Einblicke in Verhörprotokolle, aufgezeichnete Telefonate, die Rückschlüsse auf seine Geschichte zulassen und eine indirekte Narration etablieren. Der Sound setzt sich aus leicht versetzt aufgenommenen Umgebungsgeräuschen zusammen, auf einen Off-Kommentar wird verzichtet. Auch Baudelaires Film ist als investigative Fallstudie angelegt, unterscheidet sich jedoch vor allem in einer Hinsicht fundamental. Anders als bei Baudelaire verharrte die landscape theory, wie sie in Japan entwickelt und filmisch umgesetzt wurde, nicht im Reflexions- und Investigationsmodus, sondern ist im Kontext eines Aktivismus zu verorten, an den sie unmittelbar anknüpfte. Vor dem Hintergrund einer konkreten politischen Protestbewegung wich 1969 unter den Vertreter_innen der landscape theory der Glaube an das autonom agierende Subjekt, kam Zweifel an individueller wie kollektiver Handlungsmacht auf. Entsprechend verlagerte sich der Schwerpunkt ihres politischen Protests, ihres militanten Filmschaffens, darauf, auf die strukturelle Unterdrückung oder – weiter gefasst – die Determinierung des Subjekts hinzuweisen, sie filmisch zu ergründen: die Landschaft als Inkorporation der Macht in den Blick zu nehmen. Dazu Masao Adachi: „Power does sometimes appear in a human figure, but in general, power is the system itself. For example, people say that power is located in the state as a mechanism of violence along with the military or police apparatus that guarantees that power, but this is only a small portion of power, a piece of the system. The point of landscape theory was to say that landscape itself is a reflection of the omnipresence of power.“[i]

So kündigte sich mit der Praktizierung von fūkeiron einerseits eine Wende an, mit Film einen Reflexionsprozess zu initiieren, anstatt zum militanten Widerstand gegen die Staatsgewalt aufzurufen, andererseits transportieren die Aufnahmen, die die Landschaft als omnipräsenten ,Feind‘ zu erkennen gaben, einen neu ausgerichteten Appell zur Gegenwehr, der für Gō Hirasawa die agitative Seite der fūkei eiga bzw. landscape films unterstreicht: „The landscape theory, I believe, is the highest form of cinematic agitation. It attempts to represent every object that is to be destroyed. [… T]he landscape as agitation idea is virtually saying: ,Destroy this, destroy that.‘“[ii]

Also Known as Jihadi von Eric Baudelaire

Also Known As Jihadi ist nicht wie A.K.A. Serial Killer im Kontext einer Protestbewegung entstanden, aber knüpft an den Drang zu Verstehen an, dem die landscape theory folgt. Dieser Impuls mündet nicht in eine zielgerichtete Suchbewegung. In Zusammenhang mit dem komplexen Verhältnis von Beobachtung und Montage verschiebt sich der Versuch zu verstehen zum Versuch „nicht“ zu verstehen, was Pierre Zaoui wie folgt ausführt: „aim[ing] to understand and not to understand at the same time – to understand up to the point where one no longer understands – and also to show, refusing to understand or explain […]: the desire (not) to understand, in its threefold sense – to see, to hear, and to share.“[iii]

Was Zaoui schreibt, erinnert mich an ein Kafka-Zitat aus Der Verschollene: „,Ich verstehe von Politik nichts‘, sagte Karl. ,Das ist ein Fehler‘, sagte der Student. ,Aber abgesehen davon haben Sie doch Augen und Ohren.‘“ Ungeachtet dessen, wo das Nicht-Verstehen beginnt oder wie es bewertet wird, wird bei Kafka wie bei Baudelaire das Beobachten Devise. Den Raum zwischen dem Versuch zu verstehen und der Unmöglichkeit eines Verstehens auszuloten, bedeutet in Also Known As Jihadi keine Erklärung für Taten zu liefern, sondern den unbequemen Weg der permanenten Suchbewegung zu wählen – die Augen zu öffnen und die Ohren zu spitzen. Wird damit der Beobachtung ein Primat gegenüber der Analyse eingeräumt? Findet nicht in der Montage stets eine Form der Analyse statt? Im Betrachten, Wenden und Schieben der Bilder um sie in eine Anordnung, eine bestimmte Konstellation zu bringen, die Bedeutung generiert, auf ein Verstehen drängt? Der Film zeigt Landschaftsaufnahmen von verschiedenen Stationen Abdel Aziz Mekkis und Bilder von Auszügen aus den Gerichtsakten, die lose eine faktenbasierte Narration in die Landschaften weben. Die Klarheit der Fakten steht dabei stets in Kontrast zur Offenheit der Fragen, die sie aufwerfen. Die Stadtlandschaften stehen völlig frei zwischen den Textbildern, arbeiten also ebenfalls der Offenheit zu.

In der Gesprächsrunde bringt der Kurator Stoffel Debuysere zum Thema Montage die Frage ein, inwiefern die Bilder in Also Known As Jihadi für sich sprechen und inwiefern sie eines Sprechens über sie bedürfen oder zum Sprechen gebracht werden müssen. Er spricht die Balance an, die der Film sucht, wenn er zum einen mit den Textelementen Hinweise zu Abdel Aziz Mekki und den gefilmten Landschaften gibt und zum anderen die Landschaften aus sich selbst heraus wirken lässt. Baudelaire erläutert dazu, wie der Film für ihn ein Netz darstellt, das die Projektionen der Zuschauer_innen einfängt – wie der Film sich aus dem zusammensetzt, was in die Bilder projiziert wird. Die Montage der Bilder, die Anordnung eines Davor und Danach, arbeitet den Projektionen zu, doch indem das Verhältnis zwischen dem, was die Dokumente und dem was die Bilder sagen, keineswegs illustrativ angelegt ist, bleibt das, was die Bilder in den Zuschauer_innen hervorrufen, zutiefst subjektiv. Claire Atherton bringt abschließend ihr gemeinsames Anliegen im Schneideprozess auf den Punkt: nicht mit den Bildern etwas sagen zu wollen und sie dementsprechend aneinander zu fügen, sondern zu hören, was die Bilder sagen.

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[i] Masao Adachi, „Messages in a Bottle: An Interview with Filmmaker Masao Adachi“, Harry Harootunian/Sabu Kohso, boundary 2, Jg. 35, Nr. 3, Herbst 2008, S. 63–97, hier S. 86.
[ii] Gō Hirasawa, „Reassessing ,A.k.a. Serial Killer‘ and ,Red Army-PFLP‘“, Gespräch zwischen ders., Shiro Yabu und Takashi Sakai, aus dem Japan. übers. v. Yuzo Sakuramoto, http://www.bordersphere.com/events/adachi6_body.htm.
[iii] Pierre Zaoui, „Anabasis of Terror. Trying (Not) to Understand“, 2011, S. 43.

IFFR 2017: Black Power der Black Rebels & Kontrastprogramm

Sich auf das 484 Filme umfassende Programm des International Film Festival Rotterdam 2017 einzulassen, erfordert Geduld mit dem Katalog, Mut zur Lücke, gezielte Entscheidungen und Improvisation. Die vier Sektionen des Festivals bergen konzise kuratierte Programmschwerpunkte und versprechen Orientierungshilfen: Bright Future umfasst Erstlingswerke, Voices konzentriert sich auf neue Arbeiten etablierter Filmemacher_innen, Deep Focus taucht u. a. mit Retrospektiven in die Filmgeschichte der Cinephilie, Perspectives bringt Programme zu aktuellen, gesellschaftspolitisch relevanten Themen. Letztere Sparte beinhaltet in der diesjährigen Ausgabe einen Schwerpunkt, der mit Black Rebels: Navigating the Cultural Divide betitelt ist und historische wie zeitgenössische Arbeiten versammelt, die in Filmgesprächen und Rahmenprogramm diskursiviert werden.

Es ist mein erster Besuch des IFFR, obgleich ich es schon eine Weile im Visier hatte, ebenso wie Rotterdam, das mit seinen faszinierenden Neubauten so manchen Frust über architektonische Entscheidungen in meiner Wiener Umgebung wachruft. „Welcome on Planet IFFR“ blinkt es bei meiner Ankunft aus allen Richtungen, nun gut. Ich beginne (retrospektiv) mit meinem eindrücklichsten Kinoerlebnis. Der Film war mir nicht mal unbekannt, kein neuer Stern, aber mit anhaltender Strahlkraft, gedreht 1968 im Londoner West Indian Student Centre. James Baldwin und Dick Gregory sprechen vor großteils schwarzem Publikum über ,black experience‘ in den USA und in Großbritannien, filmisch dokumentiert auf 16mm von Horace Ové. 48 Minuten lang lässt Baldwin’s Nigger am Ereignis dieser brennenden Rede und der folgenden lebhaften Diskussion teilhaben und knapp fünfzig Jahre später die Aktualität der verhandelten Fragen von Rassismus und Exklusion spüren. „I’m not really talking about colour, I’m not talking about race. I don’t really believe in race, I don’t really believe in colour. But I do know what I see.“ Mit Witz und Nachdruck, zigarettenrauchend am Tisch mal stehend, mal sitzend zieht Baldwin das Auditorium in den Bann, zuweilen mit Gregory schäkernd. Am Beginn steht eine Anekdote zu seinem ersten Londonaufenthalt, als er bei einem Besuch im British Museum mit der Frage konfrontiert war, woher er sei. Born in Harlem, New York. Der Fragende ist nicht zufrieden, fragt nach seinen Eltern. In Maryland und New Orleans. „But before that, where were you born?“ Darauf Baldwins strahlendes Lachen angesichts der Absurdität.

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Gegen Ende des Films antwortet Baldwin auf die Frage eines Hörers „if there is any place for the white liberal in the black power movement“ (damit meint der Hörer seine eigene Position – protestierendes Raunen geht durch das Publikum) pointiert auf die allgemeine Ablehnung reagierend: „It’s not a matter of my liberation, for example. It is also a matter of yours. And if we’re working together it’s not because we’re gonna do something for the ,poor black people‘. We’re gonna do something for each other to save this really rather frightening world.“ Dick Gregory neben ihm bringt in einem abschließenden Statement das Problem von „white folks in the black movement“ auf den Punkt: „white is not a colour, it’s the attitude. Black is not a colour, it’s the attitude.“ Black power is black attitude.
Das Festival setzte mit Black Rebels ebenso Schlaglichter auf zeitgenössische Arbeiten. Spannend dabei fand ich etwa die Kurzfilme Bayard & Me von Matt Wolf und Kbela von Yasmin Thayná.  Vielversprechend auch der Einblick in die queerfeministische Webserie 195 Lewis. Etwas enttäuschend hingegen die gezeigten Kurzfilme von Barry Jenkins, dem mit der Präsentation von Moonlight und einer Masterclass ein prominenter Platz eingeräumt war. Bayard & Me – ein wärmender Film mit unspektakulärer filmischer Herangehensweise (klassisch narrativ, bebildernde Montage von Archivmaterial): Walter Naegele erzählt aus dem Off von seinem Leben mit Bayard Rustin, dem afroamerikanischen Aktivisten der Bürgerrechtsbewegung in den USA und Organisatoren des Marschs auf Washington mit der legendären Rede Martin Luther Kings, der ob seiner offen gelebten Homosexualität allerdings stets im Hintergrund agierte. Liebe auf den ersten Blick bei der ersten Begegnung 1977 in San Francisco. Die Schilderung von Rustins Einsatz für gewaltfreien Widerstand und die gewaltfreie Lösung politischer Konflikte, für die Rechte von Minderheiten, insbesondere für die LGBT-Bewegung und seiner daran geknüpften Kritik an der Identitätspolitik der black power-Bewegung fließt mit der Schilderung des gemeinsamen Alltags ineinander. Die Altersdifferenz des Paares von knapp vierzig Jahren ermöglichte zur rechtlichen Absicherung beider Lebenspartner die kreative Lösung einer Adoption angesichts der Unmöglichkeit einer Heirat. Kbela – ein stolzer, würdevoller, lärmender, dialogloser, lustvoller, bildgewaltiger, tanzender Film über (stigmatisiertes) Haar: „bad hair, static shock, bad hair, steelwool, nappy hair, kinky hair, mop head, unmanagable hair, worn out hair“. Das Haar wird grob bearbeitet, aus Ölkanistern und diversen Tuben begossen, das Haar wird zum schrubbenden Topflappen, das Haar wird liebevoll geschnitten und freudig bestaunt und befühlt, zu gemeinsamen Gesängen in Yoruba („Inaê painted the sea silver, On the sea she poured a river, On the sea, a fire giver – It thrills me to the soal. There’s so much love in it.“). Kraftvoller Beitrag zum brasilianischen natural hair movement gegen die Vormachtstellung glatten Haares, Rassismus und Sexismus.

Als Höhepunkt des umfangreichen Programmschwerpunktes zum politischen Filmschaffen der Black Rebels veranstaltete das Festival eine vier Stunden währende Talk Show: „Minding the Gap“. Parallel zu den Aktionen auf der Bühne waren Friseur_innen im Einsatz…Aufgrund des beharrlichen und effektiven Zeitmanagements des DJs, der aufdreht, wenn sich Gäste und Moderation nicht kurz genug halten, blieb leider zu wenig Zeit für die Talks. Schade! Ein etwas weniger geballtes Line-up hätte tiefere Einblicke und Diskussionen zulassen können. Geladen waren unter vielen anderen Ernest Dickerson, June Givanni und mit Charles Burnett ein Vertreter der L.A. Rebellion. Seine Filme Killer of Sheep und The Glass Shield waren auch Teil des Festivalprogramms, entstanden im Kontext des Filmschaffens einer Gruppe, die sich Ende der 1960er an der UCLA formierte um in Unabhängigkeit von der Unterhaltungsindustrie zu wirken. Retrospektiven hierzu lieferten jüngst das Courtisane Festival oder auch das Österreichische Filmmuseum. So weit, so gut.

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Eine Zielstrebigkeit der etwas anderen Art begegnet mir, als ich eine Pause brauche, die Show verlasse und planlos in einen beliebigen Kinosaal stolpere, in dem die Projektion bereits begonnen hat. Szenenwechsel: Auf der Leinwand ein Zeltplatz im Morgengrauen. Ein Mitt-30er, Roko, ist bemüht, schlaftrunkene auf Bodenmatten, in Hängematten und Zelten lagernde Mit-Mitt-30er zum Aufstehen zu bewegen und in einen Bus zu steigen. Die Nacht war ganz offensichtlich nicht zum Schlafen genutzt worden. Aufgeweckt wird auch der Protagonist und Ich-Erzähler, Stola, der sich ergeben aus dem Zelt müht. Seine Stimme begleitet das Geschehen aus dem Off. Eigentlich hat er keine Lust auf den geplanten Ausflug zum Kloster Gradina mitsamt seinen Fresken, aber am Zeltplatz bleiben will er auch nicht, also lieber der Bus und Schlaf während der Fahrt. Doch diese dauert nicht lange, da der Bus alsbald den Geist aufgibt und in der zusehends brütenden kroatischen Sonne am Straßenrand stoppt. Was tun? Roko findet, man könne den Rest des Weges auch zu Fuß zurücklegen. Eine kleine Gruppe entschließt sich zum Aufbruch. Stola findet zwar, den Busschatten sollte man nicht verschmähen, allerdings ist ihm die Gruppe, die bleibt, nicht sympathisch und so schließt er sich dem Wandertrupp an. Zielsicher schreitet Roko voraus, doch bald wird klar, dass er keine Ahnung vom richtigen Weg hat. Nach und nach reduziert sich die Gruppe (wobei die Gründe etwas beliebig gewählt erscheinen): Martina zieht irgendwann die Gesellschaft einiger Rinder am Wegrand vor, ein Kollege schließt sich einem kuriosen Trupp in Fabeltierkostümen an. Kaum konnte man noch daran glauben, aber am Ende finden Stola und Roko sich als einzig Verbliebene des strapaziösen Pilgertrips schließlich doch in den klösterlichen Gemäuern wieder (die allerdings keine Fresken preisgeben, was nicht der bereits hereingebrochenen Nacht geschuldet ist).

Porträts einer sich verirrenden Junggeneration, die sich am vermeintlich geringeren Übel orientiert, sind im zeitgenössischen Autor_innenkino zwar keine Raritäten, doch darauf zielt A Brief Excursion laut Regisseur Igor Bezinović nicht ab. Ob der Film nun Studie, Symptom oder apolitische Spielerei mit der gleichnamigen Romanvorlage von Antun Šoljan ist, sei dahingestellt. Ein Film, der mir in seiner Kurzweiligkeit als Kontrastprogramm nicht ungelegen kommt, eine Filmerfahrung, die einen leichtfüßigen Spaziergang im IFFR-Dickicht darstellt. Als Bright Future-Beitrag, Teil der „selection of discoveries for the future“ stellt sich mir jedoch nicht nur mit dieser Arbeit einmal mehr die Frage, welche Perspektiven das europäische Gegenwartskino öffnen, wo es einhaken, woran es rütteln, was es aufbrechen oder ob es auf der Stelle treten will. Was kann Kino hier und jetzt? Verirrungen illustrieren? Wo schimmern Auswege?