Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Viennale 2013: Când se lasa seara peste Bucuresti sau metabolism von Corneliu Porumboiu


Es gibt zwei Arten von Kino, von denen ich ein­fach nicht genug bekom­men kann. Das wäre zum einen jenes Kino, das sich völ­lig den Gefüh­len hin­gibt und weni­ger auf Nar­ra­ti­on und Inhal­te setzt, das also eine gewis­se Ähn­lich­keit zur Lyrik auf­weist, wo Far­ben, Stim­mun­gen und Töne die eigent­li­che Geschich­te erzäh­len. Zum Ande­ren gibt es jenes Kino, das sich völ­lig dem Rea­lis­mus hin­gibt. Wo die Zeit noch tat­säch­lich zu ver­ge­hen scheint, wo mir moto­ri­sche Abläu­fe erst rich­tig bewusst wer­den und Denk­pro­zes­se rei­fen kön­nen. Die­se bei­den „Arten“ tre­ten natür­lich unter­schied­lich auf, aber kaum jemand ver­mag die zwei­te Art der­art geschickt umzu­set­zen wie Cor­ne­liu Por­um­boiu. Dabei setzt er in sei­nem neu­en Film ganz auf die Tra­di­ti­on der Schluss­se­quen­zen sei­ner bei­den beein­dru­cken­den Vor­gän­ger „Poliţist, Adjec­tiv“ und „A fost sau n‑a fost?“, indem er das Ver­strei­chen der Zeit nicht mit Stil­le son­dern mit Wör­tern füllt. All­täg­li­che Gesprä­che, phi­lo­so­phi­sche Gesprä­che, inti­me Gesprä­che. Dabei ver­zwei­gen sich cha­rak­ter­li­che Schwä­chen und Stär­ken, Humor, Bos­haf­tig­keit und Gefühl. Noch stär­ker wirkt die­ses Kino, weil Por­um­boiu immer­zu die Posi­ti­on eines neu­tra­len Beob­ach­ters mit star­ren Ein­stel­lun­gen wählt. Was für ein Gehör muss die­ser Mann haben, wenn er sol­che Fil­me schreibt? 


In “Când se lasa seara peste Bucu­res­ti sau meta­bo­lism” geht es, ganz wie der Titel ver­mu­ten lässt, um einen Regis­seur in der Kri­se. Er schläft mit sei­ner Schau­spie­le­rin statt am Set auf­zu­tau­chen, täuscht Krank­hei­ten vor und will alles noch­mal dre­hen. Dabei reflek­tiert der Film von Beginn an auch auf die Mate­ria­li­tät von Fil­men, ein wenig flir­tet er mit dem Gedan­ken an ein Ende des Kinos. Film wird vom Prot­ago­nis­ten als Selbst­zen­sur ver­stan­den, die ihm ver­schie­de­ne Erzähl­wei­sen und vor allem die Län­ge von Ein­stel­lun­gen auf­er­legt. Um sei­nen Punkt zu for­cie­ren, erklärt er in einer die­ser typisch absur­den, doch erns­ten, furcht­bar komi­schen, zum Nach­den­ken anre­gen­den Sze­nen, dass die asia­ti­sche Küche von den Stäb­chen geprägt ist, mit denen dort geges­sen wird. Den gan­zen Film über spürt man Zeit und Mate­ri­al. Ein Ende des Kinos droht am Hori­zont. In einem Gespräch über Moni­ca Vitti wird klar, dass die Schau­spie­le­rin im Film weder Vitti kennt, noch Michel­an­ge­lo Anto­nio­ni. In sei­ner Kon­se­quenz bezüg­lich der Län­ge sei­ner Ein­stel­lun­gen erin­nert der Film an die letz­ten Wer­ke von Cris­ti Puiu oder Tsai Ming Liang. Aller­dings ist „Meta­bo­lism“ ein Film über das Fil­me­ma­chen und reiht sich damit in eine ganz ande­re Tra­di­ti­on von Fil­men ein. Ein­mal lässt Por­um­boiu sei­nen Regis­seur und sei­ne Schau­spie­le­rin eine Sze­ne lan­ge pro­ben, um den Regis­seur unmit­tel­bar danach in eine psy­cho­lo­gisch ganz ähn­li­che Situa­ti­on zu wer­fen wie die Frau in sei­nem Film. Ansons­ten gibt sich der Film kaum der Ver­lo­ckung die­ser dop­pel­ten Ver­schach­te­lung hin.
Der Film stellt auch die Fra­ge nach dem Rea­lis­mus selbst und was es bedeu­tet ein rea­lis­ti­sches Kino zu machen. Den­noch ist er weit weg von einer film­theo­re­ti­schen Abhand­lung. Im Kern geht es um ein ver­zwei­fel­tes Anren­nen gegen einen Film, gegen sich selbst. Por­um­boiu legt sei­nen Regis­seur äußert ego­zen­trisch an und er macht nicht den Feh­ler in bei der Arbeit zu zei­gen. Er zeigt ihn auf sei­nen Wegen zur Arbeit und bei sei­nen Aus­weich­ma­nö­vern vor und nach dem Sex mit sei­ner Haupt­dar­stel­le­rin. Gewis­ser­ma­ßen stellt „Meta­bo­lism“ die Suche nach Inspi­ra­ti­on dar. Die Hin­der­nis­se, die mehr aus dem Regis­seur selbst zu kom­men schei­nen. Die­ser Mann wirkt in kei­ner Sekun­de wie ein Künst­ler oder Hand­wer­ker, er wirkt wie eine ver­lo­re­ne See­le, ein Exis­ten­zia­list ohne Erkennt­nis. Der Film wie­der­holt Abläu­fe ohne sie jemals wirk­lich zu wie­der­ho­len. Es ist wie eine Park­lü­cke, aus der man nicht fin­det. Ein muti­ger Film, der von André Bazin hät­te gedreht sein kön­nen. Zumin­dest hät­te er ihn mit ziem­li­cher Sicher­heit zu Recht geliebt.