Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Psycho von Alfred Hitchcock: Ein Blick

Wer genau schaut Dich da an, wenn Du vor einem Spiegel stehst? Und könnte dieses Schauen genau jenes sein, wenn etwa ein Schauspieler dazu aufgefordert wird, direkt in die Kamera zu schauen?

Psycho von Alfred Hitchcock ist voll von solchen Spiegel-Szenen und ebenso angefüllt mit derartiger Kommunikation zwischen dem Schauspieler und der Kamera. Das Publikum wird damit auf Trap gehalten, diese beiden Arten des „An-Schauens“ auseinanderzuhalten, das „Sich-Schauen“ oder das „Sich-Anschauen“? Robert Bloch selbst, der Autor des Originalromans Psycho aus dem Jahr 1959, brachte das Gerücht in Umlauf, dass die Inspiration zu seiner Hauptfigur Norman Bates eine tatsächliche lebendige Entsprechung habe: Calvin Beck, tätig als Herausgeber und Redakteur, dessen Mutter ihm nicht von der Seite wich, ja, selbst zu seinen Kursen am College begleitete sie ihn während seines Studiums. Seine Mutter kontrollierte ihn kontinuierlich, und Becks Aussehen kam auch der Originalbeschreibung des Norman Bates im Roman recht nahe, wo Bloch ihn als „fett, schmierig, mit einer leisen Stimme, ungesund ausschauend“ beschreibt. I make you sick, eh? Well, I think not. No, boy. I don’t make you sick. You make yourself sick.“

Psycho (1960) by Alfred Hitchcock
Psycho by Alfred Hitchcock

Also, Mary Crane hat einen Liebhaber. Und einen Job. Kopfschmerzen auch, aber ebenso hat sie eine Mission: die 40.000 Dollar ihres Chefs zur Bank zu bringen, und das alles an einem Freitagnachmittag … All ihre Familienprobleme sausen durch ihren Kopf, von dort direkt in ihre Finger, das diese somit das Lenkrad ihres Autos fest umklammert halten. Ein paar Kleinigkeiten in einen Koffer gepackt, an das Geld denkend und daran, wie gut dann endlich ihrer beide Geschäft laufen würde, ohne Schulden, mit ihrer niemals enden wollenden Liebe, ein ruhiges und normales Leben lebend, ohne Geldsorgen natürlich. Kleine Erdbeben, wie etwa der Polizist, der sie freundlich auffordert, sich doch ein Motel zu suchen (eine Sonnenbrille tragend, direkt in die Kamera sprechend). Mary Crane denkt weiter nach und spricht weiter zu sich selbst (direkt in die Kamera). Die kleine Stadt zu verlassen ist einfach und die Straße führt in die Nacht, in den Regen und zum Bates-Motel („vacancy“). Joseph Stefano (The Black Orchid; The Naked Edge) schrieb das Drehbuch und schuf eine Szene von extremer Zartheit und purer Angst: Auf ihrem Weg muss Crane an einer roten Ampel halten, sie denkt weiter nach und starrt durch die Windschutzscheibe auf die Menschen, die an ihr vorüberhasten, und für wenige Sekunden nur starrt sie ihrem Chef direkt in die Augen. Er ist nicht minder erschrocken, geht aber langsam weiter, vielleicht zweifelt er sogar daran, dass es tatsächlich sie sei in diesem Auto (hatte sie sich nicht über starke Kopfschmerzen beklagt, habe sie nicht nur noch schnell zur Bank fahren wollen, um dann für den Rest des Nachmittags endlich nach Hause zu fahren um sich nur noch auszuruhen?) In the mirror after Mom died, when you went to pieces…“

Bates Motel: all‘ diese Leute, die hierher kommen, nachdem all‘ das geschehen ist. Norman Bates und seine Mutter, mit der ist es nicht einfach, weißt Du. Was sollst Du denn machen, wenn Du weißt, dass Deine Mutter ein Mörder ist? Du musst sie beschützen. Ab und zu musst Du Dir einen genehmigen, Du wirst Dir ein wenig Musik anhören („Bartok’s Concerto for Orchestra“) und Du musst all‘ diese Leute ertragen, wie sie durch Dein Haus poltern, Dir dumme Fragen stellen und nichts, aber auch gar nichts begreifen! Welch‘ purer cineastischer Herzschlag, die Rolle des Norman Bates mit dem brünetten, gutaussehenden und nervösen Anthony Perkins zu besetzen, um dann für immer mit Hitchcocks Version des Norman Bates in Verbindung gebracht zu werden. Perkins war in der New Yorker Schwulenszene dafür bekannt, vorzugsweise mit älteren Frauen Beziehungen zu führen. Diese durften sich um ihn kümmern, um seinen Haushalt, um seine Katzen, aber mehr durften sie nicht … Er liebte dieses Spielchen, ihnen zu gestatten ihn zu lieben, und sich selbst zu gestatten, diese Liebe unerwidert zu lassen. Perkins Blick und sein Lächeln, direkt in die Kamera, am Ende des Films geben einen Hauch von einer Andeutung, wie er Menschen in seinen Bann ziehen konnte. Oder nicht. If I didn’t love you, do you know where you’d be today?“