Adachi Masao – „Es geht doch immer nur um die Freiheit des Menschen“

Der Regisseur Adachi Masao wurde 1939 in Japan, Fukuoka geboren und gilt mit seinen Kollegen wie Ōshima Nagisa, Watanabe Fumio und Wakamatsu Koji als Begründer der linksgerichteten japanischen Art Theater Guild. In den 60ern und 70ern arbeitete er als Drehbuchautor, Schauspieler und Regisseur; sie unterstützten sich gegenseitig in ihrem linksradikalen Ehrgeiz, es entstanden Filme wie Violated Angels, Ōshimas Death by Hanging und A.K.A. Serialkiller, eine reine Aneinanderreihung von Landschaftsaufnahmen, die der damals 19jährige Serienkiller Norio Nagayama in seiner Kindheit bis zur Tatzeit um sich gehabt haben muss, der Versuch, ein Täterprofil zu erstellen mit der Überzeugung, dass die ihn umgebende Landschaft einen Menschen für’s Leben prägt und sich in seinem Denken und Handeln wiederfindet (fukeiron). Adachi sah sich als „filmmaker activist“, dass der Filmemacher zur politischen Stellungnahme geradezu gezwungen ist. Mit dem Genre des pink eiga (auf dem ersten Blick gewaltverherrlichende Erotikfilme, die den Menschen durchaus realistisch als sexuell getriebenes Wesen definieren) stieß Adachi in seiner harten Konsequenz der Darstellung auf nicht minder agressiven Wiederstand, meist von Seiten der Frauenbewegung, die in seinen Filmen die Frau nicht als eigentliche „Machtinhaber“ sehen konnte und wollte. 1971 drehte er in Beirut PFLP: Declaration of War, um schließlich dort zu bleiben und die Japanische Rote Arme zu unterstützen. Das Filmemachen gab er nicht auf, leider ist kein Material aus dieser Zeit erhalten geblieben. In Jordanien verbüßte Adachi eine längere Haftstrafe, wurde schließlich an Japan ausgeliefert und verbüßte in Japan 2001 eine 18monatige Haftstrafe aufgrund des Besitzes gefälschter Ausweißpapiere. Von der japanischen Regierung wird er mittlerweile als „ungefährlich“ eingestuft und lebt heute mit seiner libanesischen Ehefrau und Kind in Tokyo.

„Als ich nach Japan zurückkehrte, wollte Wakamatsu Koji, dass ich wieder arbeite. Ich musste erst einmal darüber nachdenken. Ich habe schließlich dreißig Jahre japanisches Kino irgendwie verpasst! In Palästina wollte ich nur noch Dokumentarfilme machen, und viel gearbeitet habe ich dort auch, ist leider alles verloren gegangen. Aber Spielfilme haben mich nicht mehr so interessiert. Ich war zu dem Zeitpunkt einfach nur noch ein Soldat, kein Filmemacher mehr. Da gibt es auch keinen Grund mehr für mich, das zu erklären, aber so war es.“

ADACHI I
„Was Filmemachen angeht, hatte ich eher sehr fremdartige Gefühle, aber gleichzeitig waren hier in Japan sehr viele daran interessiert, dass ich wieder Filme mache. Eigentlich will ich die Filmemacher in Palästina, Regisseure und Kameramänner, dazu bringen, ihr eigenes Kino zu machen, Filme, die wirklich mit ihrer Geschichte zu tun haben. Das erfordert immer sehr viel Mut, wenn man so sein soll, wie man wirklich ist. Und ich hatte den Eindruck, dass ich dort etwas leisten kann. Ich als Lehrer! Ich habe in Palästina Filmemacher und Produzenten unterstützt, ihre Ideen nicht nur zu verwirklichen, sondern sie überhaupt zuzulassen. Eine Übung in mehr Selbstbewusstsein. Die jungen Filmemacher gehen zum Beispiel nach Moskau, um Film zu studieren, und wenn sie zurückkommen, wollen sie erst einmal alles mögliche organisieren, genau durchplanen. Und ich sagte immer nur: Nein, es gibt keinen Grund, zu warten! Die Zeit vergeht so schnell, und es kann immer so viel passieren. In den letzten Jahren habe ich so oft mein Equipment und mein kleines Archiv verloren, ich musste oft umziehen, geradezu flüchten. Viel anzusammeln lohnt sich nicht, weil es jeden Tag passieren kann, dass alles auf einmal fort ist. Also, worauf wartet ihr? Wenn ihr Filme machen wollt, macht es einfach. Ich fürchte, dass es ganz egal ist , was ich alles in meinem Leben gemacht habe, ich war immer nur ein Filmemacher. Auch wenn ich im Gefängnis war, habe ich mir doch überlegt, wie es ist, wenn ich wieder entlassen werde. Vor allem habe ich mich gefragt, welche Filme ich noch machen werde. An manchen Tagen habe ich nichts anderes gedacht. Als ich zurück in Japan war, habe ich versucht, über meine eigene Geschichte Filme zu machen. Der Film wurde mit 7 Millionen Dollar kalkuliert, das Geld aufzutreiben war sehr schwierig. Er sollte 13. Monat heißen, mit meiner eigenen Geschichte verbunden. Es gibt diesen Monat ja nicht, das fand ich spannend: eine Geschichte außerhalb des normalen Zeitbegriffs. Zuerst wurde ein Komitee gegründet, um die 7 Millionen zu organisieren, aber das hat nicht funktioniert, Das Projekt haben wir dann erst einmal verworfen.“

ADACHI II

„Uns war klar: wir würden eine weniger aufwendige Produktion machen, aber ich habe so viele Ideen im Kopf, Filme, die ich unbedingt machen will. Für mich hieß das nur, ich habe so viele Ideen, wenn das eine nicht klappt, dann eben ein nächstes Projekt. Wenn es hierfür kein Geld gibt, dann eben dafür! Was soll’s, dann mache ich eben Dokumentarfilme. Niemand sagt mir, wie Dokumentarfilme auszusehen haben. Das kann dann alles sehr wie ein Spielfilm aussehen. Dreißig Jahre außerhalb des Filmgeschäftes macht dich selbst schon schwierig, die Firmen wissen nicht, wie sie mit dir umgehen sollen. Ich wußte es ja manchmal selbst nicht. Manche Menschen haben auch Angst vor dir, wenn sie etwas über deine Geschichte wissen. Das ist dumm und aber auch verständlich. Angst habe ich vor mir selbst keine. Die Menschen machen sich immer so viele Gedanken um Zeit. 30 Jahre! Das ist alles für mich wie „gestern“, also gar nichts. Das ist eine ganz einfache Antwort, vielleicht auch zu einfach für manche Leute. Wichtig ist die Auseinandersetzung. Sicher, ich arbeite auch ganz „normal“, ich schreibe ein Drehbuch, zeichne ein „story board“ und mache mir über die Position der Kamera Gedanken. Aber das wichtigste ist es, immer miteinander zu reden. So oft es nur geht diskutiere ich mit jungen Filmemachern, oder mit jedem, der auch nur ein wenig Ahnung hat vom Filmemachen. Reden ist alles. Damit kann man schon Bilder im Kopf entstehen lassen. Auch diesmal musste ich mich bei meiner Crew entschuldigen: alles was wir gedreht haben und schließlich nun die Arbeit im Schneideraum! Im Schneideraum kann einem dann eine ganz andere Geschichte begegnen. Manche sind davon nicht so begeistert, werden gar wütend. Sie haben irgendetwas gemacht, was ihnen wichtig erschien, und sie geben alles, um es im Film zu sehen. Und ich sitze dann im Schnitt und schaue mir das Material an, und dann … Ja, manche sind wirklich sauer auf mich! Auch manche Produzenten.“

ADACHI III
„Viel Geld hatte ich nicht, und es waren gerade die finanziell aufwendigen Szenen, die ich nachher herausgenommen habe. Brauchte ich einfach nicht mehr. Die Geschichte war da, und der Gegensatz „reale“ Welt und die „Abstraktion“ von all dem. Es hatte funktioniert, da brauchte ich nicht diese ausgefeilten erklärenden Szenen. Das passiert mir glaube ich oft, teuren Szenen sieht man das viele Geld immer an, und manchmal muss das alles einfach weg. Außerdem will ich keine Szene in meinem Film haben: nur weil sie teuer war! Mein Produzent war davon natürlich nicht begeistert. Aber heute gibt es ja die DVDs, da kann man solche Szenen dann hinein packen und auch die Produzenten sind zufrieden. Wir haben in einem Studio gedreht, das gesamte Set war in diesem Gebäude. Mein „art director“ wollte in einem „echten“ Gefängnis drehen, aber ich … Du weißt sicher, dass ich für eine gewisse Zeit im Gefängnis war und ich wollte nicht „dahin zurück“, also haben wir das gesamte Studio als „Gefängnis“ benutzt. Besonders realistisch sieht das dann eben nicht aus, das alles sieht wohl sehr abstrakt aus, obwohl ich mich sonst nicht so sehr auf die Ausstattung verlasse. Es ging mir nicht darum, ein „echtes“ Gefängnis zu zeigen, bei der Kameraarbeit war das nachher von großer Bedeutung. Ein Gefängnis, ein Ort, mehr eine Idee von einem Gefängnis. Mein Film ist kein japanischer Film. Er hat überhaupt keine Nationalität. Bei der Auswahl der Schauspieler, zum Beispiel die Gefängniswärter, sieht man japanische Schauspieler, hört die japanische Sprache, aber es ist eben kein japanischer Film. Ich kenne mich nun wirklich aus, was Gefängnisse angeht, aber ich wollte keinen typischen Gefängnisfilm machen. Das Ganze ist eine „Komposition“ zu einem Gefängnis. Ich wollte dem Film die unvermeidliche Schwere nehmen, so kam ich auch zu meiner Schauspielführung und zur Kamera, Licht und nicht zuletzt zur Vertonung. Mein Kameramann wollte nur zu gern möglichst realistische Gefängnisbilder haben, aber das wäre nicht mein Kino gewesen, so etwas brauchte ich nicht! Auf die Dialoge habe ich auch nicht besonders geachtet. Ich habe lange Zeit Dokumentarfilme gemacht, der Unterschied zur dortigen Bildarbeit im Vergleich zum Spielfilm ist schon enorm und machte mir viel Spaß. Ich wurde richtig übermütig: „Kein übliches Gefängnisdrama!“

„Mein Komponist Otomo Yoshihide ist eigentlich recht naiv. Ich sagte immer nur: „Ist in Ordnung!“ Er ist so um die vierzig und ich glaube, er hat sein gesamtes Leben in der Bücherei verbracht. Er sah sich die Filme von Wakamatsu an und las mein Script. Er hatte wohl Spaß dabei und war sehr aufgeregt. Er erarbeitete eine gesamte musikalische Interpretation meines Scripts. Und natürlich das Hauptthema. Er sagt immer, dass es nicht wichtig sei, was er selbst von der Musik halte. Es muss einfach nur passen. Bei den Aufnahmen im Studio habe ich erst einmal gar keinen „timecode“ vorgegeben, und wir haben alles ausprobiert. Ich mag experimentelle, radikale Musik, ich brauche keine Nachahmung aus den vergangenen hundert Jahren. Man wird schon sehen, was richtig ist, und Musik hat so viele Möglichkeiten. Ich brauche keine Hintergrundmusik, Musik und Handlung sind gleichwertig. Man muß sich ja eigentlich auch nach den technischen Möglichkeiten der heutigen Kinos richten, und so gab es bisher immer Ärger mit dem Toningenieur. Dem war vieles zu laut oder nicht „sauber“ genug.“

„In meinem Film braucht es keine schönen Töne und schon gar keine schöne Musik. Aber geh‘ auf die Straße: wo gibt es schon schöne Töne? Wir benutzten zu Beginn wie üblich 24 Tonspuren, aber das war einfach zu schön! Viele machen „schöne“ Filme mit einer „schönen“ politischen Message, ich meine damit: sauber und ordentlich und technisch korrekt. Das tut mir irgendwie leid. Der Mensch ist so nicht. Und im Kino soll es doch um Menschen gehen? Es geht um die Kraft des Menschen. Nach meiner Zeit im Gefängnis gab es viele Filmkritiker hier in Japan, die sich Sorgen machten, ob ich noch die Kraft hätte, eine Geschichte auf diese Art und Weise zu erzählen. Eine starke, berührende Geschichte. Aber nun sehen sie ja: es ist noch genug Kraft vorhanden. Es glauben viele, man ist nach solch einer Zeit nur noch „Gefängnis“. Ich habe sehr viel Zeit mit den Gefängnisuniformen verbracht. Ich brauchte eine bestimmte Farbe, konnte sie zu dem Zeitpunkt aber nicht genau definieren. Wir haben so viel ausprobiert, Farben, Bein- und Armlängen. Aber schließlich: bei Tokyo habe ich eine Baustelle gesehen, dort trugen die Arbeiter eine bestimmte Uniform. Ich wollte keine „echte“ Uniform, die musste ich nicht noch einmal jeden Tag um mich herum haben. Aber wieder das „Gefühl“ einer Uniform. Mit dem Begriff des „Terrorismus“, wie ich ihn heute verstehe, können viele junge Leute heute nichts mehr anfangen. Gerade das junge Publikum war schon vom Titel des Filmes irritiert. Sie kannten meine alten Filme und dachten sich wohl, dass es interessant sein könnte, einen neuen Film von mir zu sehen! Deshalb habe ich meine Geschichte auch so abstrakt inszeniert. Wenn man etwas über Geschichte im historischen Sinn zu erzählen hat, entfernt man sich nur vom jungen Publikum, wenn man daraus einen historisch korrekten Film macht. Ich werde weiter so arbeiten, um die Geschichte für junge Menschen heute interessant zu machen. Sie wollen keine Geschichtsstunde, oder wollen keine Erklärungen aus der Vergangenheit. Es geht um ihre heutige Zeit und es geht um das heutige Leben. Das ist gut, denn ich muss mich informieren, um zu wissen, wie junge Leute heute leben, wie sie ihre Umwelt wahrnehmen. Und wenn sie etwas ändern wollen, politisch, muss man die heutigen Gegebenheiten berücksichtigen. The Prisoner ist ein sehr ruhiger und auch persönlicher Film, die nächsten werde ich anders machen. Aber es gibt keinen Grund, nostalgisch zu werden. Es gibt so vieles, über das man Filme machen kann. Das Publikum soll sich im Kino wiedererkennen. Und ich werde da sehr trickreich vorgehen!“

„Eher historisch, ach ja: meine „pink eiga“, damals war das radikal. So etwas zu zeigen hatte ganz offensichtlich einen politische Hintergrund. Die Menschen waren deshalb geschockt, und nicht, weil es nackte Haut zu sehen gab oder weil Menschen lustvoll getötet wurden. Das, was dahinter steckte war schockierend und wurde ja auch offensichtlich wahrgenommen. Sicher, in der Zeit war es nicht üblich, sich so freizügig über Sex zu äußern. Selbst im privaten Raum war es das nicht. Und mit Sex konnte man noch eine Gesellschaft darstellen, die Filme waren billig und schnell produziert. Das machte es noch einfacher. Es ging nicht um den erotischen Aspekt von Sexualität, der ganzen Romantisierung, sondern Sex war gewalttätig, blutig und sollte gesellschaftliche Zusammenhänge aufzeigen. Was lag da näher, als Sexfilme zu machen? Wakamatsu hat man ja dann irgendwann sprichwörtlich aus dem Kino gekickt, weil man es heute so nicht mehr sieht. Die Gewalt richtete sich häufig gegen Frauen, und auch, wenn die sexuelle Gewalt Männer betraf, da gab es sofort immer Ärger von den Feministinnen. Ich glaube, Frauen muss man nicht beschützen, man muss aber die kranken Hirne wieder auf die richtigen Gleise bringen, die an solcher Gewalt gegen Frauen so großes Interesse haben und sie eventuell auch ausüben.“

„Aber die Sexindustrie hat sich zwischenzeitlich sehr verändert, auch was die Filme angeht und niemand regt sich über solche Filme mehr auf. Ich halte es für viel gefährlicher, dass Frauen in ihrer Sexualität immer noch verschönt dargestellt werden, all das sexy Zeug. Männer dürfen Triebe haben, Frauen dürfen das immer noch nicht und werden weiterhin als sanft und schön und hübsch gezeigt. Das ist gefährlich! Aber Underground? Gibt es das noch? Seit den Mittsiebzigern ist Underground doch tot. Es geht um das große Geschäft, bei der Malerei und der Musik ist das ja auch nicht anders. Underground hat aber immer noch die Idee des Unkontrollierten. Und so lange diese Idee noch in den Köpfen steckt ist es ja ganz gut. Ich habe viele Filme gemacht, ohne jedes Budget. Wenn man eine Geschichte erzählen will und weiß, welche Bilder man haben will, dann braucht man nicht herum zu sitzen und auf den großen ersten Film zu warten. Mittlerweile gibt es gute Videokameras oder die kleinen Digitalen und so braucht man nicht viel Geld, um einen Film zu machen. Aber man braucht natürlich eine Geschichte. Wenn man dann davon einige Hundert gemacht hat, ja, dann macht man eben Filme, und wenn man denn unbedingt ganz viel Erfolg haben will, das kommt dann schon. An alle jungen Filmemacher: filmen, filmen, filmen! Kino ist kein Museum, Kino ist hier und jetzt. Und Geld findet sich doch immer. Irgendwie.“

ADACHI IV
„Was ist ein realistischer Film- man hat ja immer den Ehrgeiz, etwas möglichst realistisch darzustellen. Aber darum geht es ja nicht, man muss immer ein Stück voraus laufen und dann wieder zurück, immer wieder. Braucht man viele Sätze, um etwas zu sagen? Braucht man viele Bilder, um etwas zu zeigen? Die Realität, die bekommt man nur vom Publikum. Und eigentlich will ich nur surrealistisch sein. Mit der Freiheit, nach der alle immer rufen, ist das so eine Sache. Um wirklich nach Freiheit rufen zu können, muss man gefangen sein und wie bitte ruft man denn nach Freiheit? Man will also heraus aus diesem Gefängnis, aber die Frage sollte auch sein: wohin geht es dann?
In seiner eignen kleinen Freiheit darf man sich keine Gefängnisse machen. Zeit spielt eh eine große Rolle, jeder Ort ist anders zu einer bestimmten Zeit, man selbst ist anders. Wenn man schon in einem Gefängnis ist, dann sei wenigstens frei in deinem eigenen kleinen Gefängnis. Der Wunsch nach Freiheit ist schon Freiheit genug, jetzt rede ich Unsinn! Aber ich glaube, dass Freiheit nichts zu tun hat mit einer Freiheit für Männer und einer anderen Freiheit für Frauen, es geht um die Freiheit des Menschen! Da habe ich bei manchen Diskussionen schon sehr viel herum gebrüllt: es geht doch immer nur um die Freiheit des Menschen. Nur um die Freiheit mit sich selbst.“

Softboiled Wonderland – Japanische Bilderwerfer

Das Kino Planet+1 in Osaka ist umgezogen. Ist größer jetzt, Treppchen hinauf, schmaler Flur und immer noch in Umeda, aber diesmal in einer ruhigeren Ecke, eine Minute zu laufen von der Nakazakicho-Station. Und Tomioka Kunihiko grinst „Ich kenn‘ Dich, von irgendwoher kenn‘ ich Dich“. Das kommt davon: hier und da ein Festival. Sollte mehr Werbung machen, 100 Meter weiter gibt es einen Weinladen und da schaut man mich groß an: „Hier soll ein Kino sein?“, ein Blick auf den Prospekt: Tribute to Barbara Stanwyck, Filme von Arne Sucksdorf, und japanische Musicals aus den 60ern. „Ach SO ein Kino!“ Genau, so eins. Cafés an allen Ecken, dicke Aschenbecher gottlob, und die Dame an der Theke zählt mit mir begeistert bis zehn, auf deutsch. Go Shibata ist auch da, dreht seinen neuen Film, spricht nicht viel bis ich anfange, von meinem Bass zu erzählen (Ibanez Serial Player aus den 80ern, mit Smith-Tonabnehmern!) und Go strahlt: „Claudia-san, wir gründen ’ne Band!“. Gerne. Also Sucksdorf, sehr voll und sehr gemischt, 5 Euro das Ticket, die alte Dame neben mir schläft sofort ein, ihr Begleiter sitzt auf der vordersten Stuhlkante und nickt immer wieder heftig. Das Licht geht an und die Dame auch wieder. Und im Café noch etwas trinken, dann in ein Teriyaki-Restaurant, Go ist immer noch dabei und nun auch Yamashita Nobuhiro, der hin und wieder einschläft, eine Zigarette raucht und wild erzählt, und wieder einschläft. Taxifahrt zum Hotel: „Gibt es in Deutschland auch solche Kinos?“ Gibt es. Nachts um halbdrei wird man wach, Fenster auf, dritter Stock: Elvis singt „Love me tender“, Anfang bis Ende, nur das eine Lied, dann ist es wieder ruhig. Etwas abwarten, aber das war es mit Elvis, Fenster zu. Auf Hokaido hat ein Lehrer einen seiner Schüler ermordet. Der Junge hatte sich bei seinen Eltern über die Lehrmethoden beschwert.

1

Kurosawas Sakebi gesehen, großes Kino im Umeda Sky-Building, dann auch 14 Euro, bitte. Die Kartennummer: und deren Besitzer bitte der Reihe nach ins Kino treten. Rechts einordnen. Koji Yakusho: ich bin nahe dran dafür zu beten, dass immer eine Kamera in der Nähe sein möge, wenn dieser Mann sich auch nur einen Zentimeter bewegt. Vor dem Gebäude eine riesige Baustelle, unser Bahnhof soll schöner werden! Vor mir eine endlose Treppe, eiliges Geklapper hinter mir bis mich eine alte Frau im Kimono am Ellbogen zupft, sich einfach einhakt und neben mir die Stufen raufgeht, Ein freundliches Kopfnicken und Sonnenschirm aufgespannt. Bitte, gerne. Dan eine Reihe von Sai Yoichi und ich treffe die Dame vom Goethe-Institut: „Ach, wir kennen uns doch?“. Jaja, ein Festival hier und dort. „Mein Büro ist nun kleiner, aber die Aussicht ist schon schön.“ 32. Stock, der Aufzug lässt die ersten 21 einfach aus. Praktisch, wer’s verträgt. Abends Jazzkonzert in der CellBox, schöne schwarze Fassade, viele Jugendliche, da die Kneipe im eleganten Einkaufsviertel Shinsaibashi gelegen ist. Zu Fuss zum Hotel. An der Ecke was essen, ein Amerikaner aus San Fransisco kocht und bedient, ist vor 15 Jahren während seines Studiums hier hängen geblieben und seiner damaligen Gastfamilie gehört das kleine Restaurant.

Einmal eine Pachinkohalle, Ohren betäuben! Mittags schon gut besucht, laute Musik und Geklapper der Kugeln, wie sie ins Körbchen fallen, auf die Dauer etwas dröge, und vorne kann man seine Kugeln dann abgeben, bekommt Naturalien: Seife, billige Hemden, Weinflaschen. Ich bekomme Strumpfhosen mittlerer Größe, gehe raus und sehe einen Herren, der die Gewinner höflich anspricht, Geld wird gewechselt und der Pachinko-Gewinn landet im Körbchen. Mit Kennermiene versuche ich‘ es auch, ohne Zögern bekomme ich tausend Yen. Ein Konzertflyer der ungewöhnlichen Art: ein Aritayaki-Konzert, soll heißen, der freundliche ältere Herr hämmert auf circa 25 getöpferten Schalen der Firma Aritayaki eine schöne Melodie heraus. Sein Traum, einmal bei Meissen zu spielen, hat sich vor ein paar Jahren erfüllt …

„Wie war Tokyo?“ – Ein unendliches Warten, Interviews schieben sich in alle Richtungen, dann in einer großen Leere endend. Nagazaki reist durch’s Land, um dann doch nicht zu erscheinen; das Büro von Yamagata findet sich momentan in seinen Kartons nicht zurecht, Office Kitano brummelt wie gewohnt vor sich hin und außerdem ist das Hotel viel zu groß. Die Zimmer liegen so eng beieinander: der Flur erinnert an den Bauch eines U-Bootes und die linke Hälfte der Zimmer wird für eine Woche von einer chinesischen Reisegruppe belegt. Wildes Türentrommeln und Gelächter auf dem 12. Stock, in der Nacht werde ich wach, draußen scheint der Mond und erst gegen fünf Uhr in der Frühe schalten sich die letzten Lichter in den anderen Gebäuden aus. Aber Geduld ist alles und schließlich gibt es genügend Museen in der Stadt, Kinos sowieso, ein einziger Reigen an Hollywood und Babel ist brechend voll. Hugh Grant spricht hier japanisch und Berrymore wird bejauchzt mit jedem Gelächter, das sie von der Leinwand lässt. Ein Publikum, voller Verständnis für den alternden Schnulzensänger, jeden Abend kann man es selbst erleben, wenn man in den Seitenstraßen nicht an den winzig kleinen Restaurants vorbei geht, fast jede ist mit einer Karaoke-Anlage ausgestattet, und so hoch muss der Alkoholpegel gar nicht sein, um dann nach einer halben Stunde des Zusammensitzens sehnsuchtsvolle Lieder an das Meer und an die vergangene Jugend und vor allem an die Liebe zu richten! Je trauriger, umso besser.

Das Fernsehen als Erfahrungswert: die Werbespots lassen sich von der eigentlichen Sendung kaum unterscheiden, Cameron Diaz macht Werbung für einen Mobiltelefonvertreiber, Scarlett Johansson trinkt genüsslich kalten Milchkaffee („It really makes my day“) und Madonna findet man bei einer großen Versicherung wieder („I am strong“). Während Kitano zärtlich über eine Öko-Waschmaschine streichelt, es ist also alles in bester Ordnung.

„Wie läuft es in Tokyo?“- Danke sehr, aber momentan läuft gar nichts, und ich bin reichlich erstaunt und komme hier und da auch aus dem Grinsen nicht heraus: während die Szene in Tokyo immer noch gerne über Osaka lächelt, habe ich in Osaka bereits innerhalb weniger Tage mehr an Filmen gesehen, Leute getroffen und e-mails erhalten, als hier. Aber freundlich lächeln und Danke der Nachfrage. So also zum Tokyo Spring Center und eine Ausstellung zu Ando Tadao genießen, die Sonne scheint, die ausgestellten Zeichnungen und Modelle glitzern vor sich hin und Ando selbst stellt sein neues Buch vor, in dem er innerhalb seiner Arbeit nun endlich den gemeinen Arbeiter feiert, ohne den jedes Bauwerk hilflos nicht existent wäre. Hoppla, aber wer jetzt sofort von japanischen jungen Männern, schweissüberströmt und eisenschleppend in ihren weißen weiten Arbeitshosen träumt, der wird enttäuscht werden. Ando hat sich schon seinen Teil gedacht, und so erweist sich die Fotoauswahl als Ode an die im vollendeten Bauwerk nicht sichtbare Geometrie von riesigen Gerüsten, Stangen und dem manchmal wahnwitzigen Größenverhältnis von Gerüst und Arbeitern. Man ist konzentriert bei der Arbeit, nur hier und da Bünde an Männerfreundschaft, viel elektrisches Licht und der nicht enden wollende Bauprozess, während der Architekt immer noch um Kleinigkeiten und Papiere kämpft, seine Gedankenwelt verteidigen muss, bis noch weit nach der Eröffnungsfeier. Ando sitzt also vorne mit seinem Mikrofon, während eine Gruppe an Studenten sich sehnsuchtsvoll zu seinen Füßen niederlässt, aber er lässt den Kontakt nicht abreißen, löst hier und da alles in ein fröhliches Gelächter auf und nickt mir später freundlich zu, kritzelt linkshändig in meinen Katalog hinein und schaut in die Sonne „Sehr hübsch, das Licht, aber nicht von mir“, witzelt er noch mit kratziger Stimme; mit seinem Jeanne d`Arc-Haarschnitt sieht er mittlerweile aus, wie eine etwas magere alte Dame und verschwindet. Die Sonne scheint unaufhörlich und Eiko grinst frundlich: „Ich melde Dich einfach bei Kitano an, das wird schon!“ Und es wird nichts, ich sitze an einem Mittwoch im Office und warte vor mich hin, nach zwei Stunden gehe ich, mit viel Tee und Keksen im Bauch. Leid tut es allen, so ist das nun mal und Eiko lacht ein paar Tage später: „Ich habe extra geschrieben, dass Du recht groß und dünn bist und aus dem Westen kommst, meistens nimmt er sich dann etwas Zeit!“

Der Bürgermeister von Nagazaki wurde von der lokalen Mafia auf offener Straße des frühen morgens erschossen, es ging wohl um Baugrundstücke und das erfolglose Verhandeln von Wucherpreisen. Wieder in Osaka, nutzt ja alles nichts und Johannes Schönherr ist in der Stadt und tut, was Johannes Schönherr tun muß: er zeigt wildes Material aus dem New Yorker Underground aus den 70ern. Die Bar ist voll, 5 Plätze an der Theke, dann die kleine Treppe rauf, dort gibt es eine Leinwand mit einigen Plätzen, und die Damen verlassen vorzeitig entsetzt den Raum, während eine Russin noch sitzen bleibt und sich lauthals über die körperlichen Vor- und Nachteile des japanischen Mannes auslässt. Ich hebe wieder nur arrogant die Augenbraue, aber hier nutzt das nichts. „Kommst Du morgen nach Kobe? Es gibt eine Party im Emigration Center.“ Mal sehen und die japanische junge Dame neben mir fängt nach der zweiten Bierdose an, meinen Arm zu streicheln „I like your long hair and legs.“ Dafür kann ich nichts.

2

Also am nächsten Tag nach Kobe, das Treffen entbehrt nicht einer gewissen Gruseligkeit. Man gibt sich hier salopp im selbstgewählten Exil, und interessanterweise kann jeder einem auf Nachfrage die exakte Zahl an Jahren und Monaten des bisherigen Aufenthaltes nennen. Es gibt Musik und dann, die Russin! „Weißt Du, von man hier Drogen bekommt? Ich brauch‘ was zu rauchen.“ So geht das den halben Abend und schließlich seilen wir uns ab, um mit Matt Kaufman die Nacht durchzumachen, seine Eltern besuchen Kobe und so lohnt es sich für ihn nicht mehr, nach Hause zu fahren und wir drei tingeln durch Kobe, die letzten Bars schließen um 5 Uhr und so muß man nur die beiden toten Stunden hinter sich bringen, selbst die Getränke- und Zigarettenautomaten funktionieren in der Zeit nicht mehr. Und Kaufman erzählt, immer noch nüchtern, von New York und Schönherr erzählt, nicht mehr nüchtern, wie er und Kaufman sich damals kennengelernt haben. Schließlich landen wir in einem Spa, frühstücken dort und sind wieder völlig wach, als jemand zu uns tritt: Kobe ist klein. Die Russin …

Davon muß man sich erholen. Und dann ist Tomioka von seiner kurzen Reise nach Deutschland zurück, berichtet von Kawase, die ihren Film in Cannes im Wettbewerb hat, und wieder zeichnet sich da ein ganz zartes Warten ab, aber ich habe ja Zeit. „Wir stellen unser Filmarchiv vor, ist ja alles noch in Vorbereitung. Kommst Du? Und wo bist Du eigentlich?“ Momentan in Nord-Kobe, Sannomiya und nach 5 Wochen ist mein rechtes Knie ganz blau vom beständigen An-Tischkanten-Stoßen.- Also mit der Bahn zur Shinnagata-Station, im Einkaufsviertel die gelbe Treppe hoch bis zum 2.Stock, direkt neben dem ägyptischen Restaurant: das Kino hat vielleicht 40 Plätze, auch ein elektrisches Piano, denn es gibt The Golden Bullet aus dem Jahr 1927 und Tomioka winkt freundlich aus dem Vorführrraum. Später Wohlvetrautes: bei Bier und Häppchen wird der ewige Geldmangel bejammert, die Sponsoren lächeln milde und ein Grüppchen formiert sich, um die Räumlichkeiten zu betrachten. Mehrere Zimmer, in denen sich Gerätschaften und Filmdosen türmen, Kartons, Kisten, Schneidetische, Kameras. „Das wird wohl ein paar Jahre dauern, und bisher sind wir zu zweit.“ Also die Rolladen wieder heruntergelassen, nur die Häppchen sind anders und ich werde nach ein paar Bechern Bier am Ärmel gezupft: „Dich kenne ich von Rotterdam! Und was machst Du hier?“ Ich schaue so herum.

Abends ein Besuch im türkischen Restaurant „Midnight Express“ auf der Flower Road, ein Paar aus Dortmund, die nun sein 12 Jahren in Kobe leben und sich immer noch wie auf Urlaub fühlen. Franky hat mir des morgens beim Hotelfrühstück davon erzählt, und daß er selbst nun nach Karlsruhe zieht und daß seine Frau etwas genervt ist und wo ich eigentlich herkomme? Er selbst stammt aus Kalifornien. Wieso beginnt eigentlich die Antwort auf diese Frage mittlerweile immer mit „actually“, egal, an wen man sie stellt? Das permanente Vogelgezwitscher im Frühstücksraum kommt übrigens vom Band und macht einen morgens um 9 schon etwas wahnsinnig. Also noch ein paar Termine ausmachen, aber nun sind alle entweder in Hongkong oder in wilder Aufregung für Bald-Cannes, schwieriger als gedacht, aber nun zwei Wochen Tokyo und einfach abwarten.

Ein Reporter des Senders NHK wurde in Tokyo festgenommen: nachts um eins hatte er in einem Apartementkomplex mehrere Wohnungstüren ausprobiert, um sich bei seiner anstehenden Wohnungssuche doch nur „inspirieren zu lassen“. Die Polizei glaubt dem 32jährigen nicht so recht und der Sender wartet jetzt erst einmal ab, bevor sie ein offizielles Statement abgeben. Die Goldene Woche hat begonnen, drei staatliche Feiertage und dann auch noch das Wochenende, und das heisst wie überall auf der Welt, wilder Alkoholkonsum und man schlängelt sich schon am frühen Nachmittag durch die Reihen der Betrunkenen. Und des Nachts kann es passieren, dass genau unter dem eigenen Hotelfenster jemand seinen Magen entleert. Die männlichen Nachtschwalben halten sich relativ nüchtern, da Haar soll sitzen und der Minirock sowieso und wie die Jungs es schaffen, auf Stilettos durch die Gegend zu klackern und dabei gut auszusehen werde ich noch begreifen lernen. Zumindest gibt es laut Gesundheitsamt immer mehr männliche Magersüchtige, vor allem in den Grossstädten.

„Hast Du Lust, Masao Adachi zu treffen?“ Was für eine Frage und so gibt es in Umeda zuerst des Abends seinen Film Teruristo und Adachi selbst ist müde und führt sein Kind an einem Haltegurt spazieren und so trifft man sich am nächsten Morgen zu Milchkaffee, alles ist Film und er selbst macht keine Anstalten von seiner Ach so berüchtigten Vergangenheit zu erzählen. Die Leute sollen meinen Film sehen und gut ist es. Betrunken sind immer noch alle und des Nachts kehre ich zum Hotel zurück, als ein Herr aus einer Kneipe tritt, mich kurz anschaut und schliesslich seine Hose herunterlässt und in gestreifter Shorts dasteht. Augenbrauenheben reicht auch diesmal wieder und die schon erwähnten Jungs in Highheels applaudieren und winken mir zu. Manchmal ist das Leben wie ein Film und das kann auch ängstigen. Oder ist Film doch wie das Leben? Macht auch Angst.

Werbe-TV in der Nacht: die Wäsche muss weiß sein (sonst verlässt dich irgendwann deine Ehefrau), aber wenn die Wäsche so wirklich weiss ist, kehrt sie doch wieder zurück, und unser bebrillter Werbespot- Protagonist nimmt seine Frau (mitsamt riesigem Beutel voller Schmutzwäsche!) an der Haustür wieder dankbar in Empfang. Kein Liebhaber dieser Welt wäscht so gut wie der eigene Ehemann.

Omuri hat die neue Biografie zu Seijun Suzuki verfasst, und mitsamt riesiger Retrospektive im Cine Nouveau (Haltestelle Kujo) wird das Ereignis gefeiert. Suzuki ist auch da und beantwortet Zuschauerfragen. Manchmal ist es wieder ganz einfach: Zigeunerweisen? Jedes mal, wenn der Film langweilig wurde habe ich ordentlich Musik draufgelegt, das mache ich immer so und funktioniert auch immer. Kein Film muss länger sein als 90 Minuten, wenn doch, willst Du die Leute nicht unterhalten sondern therapieren. Spricht’s und hebt sein Wasserglas. „Ich habe nicht genug Filme gemacht, aber der Rest kommt noch.“

3

TV am frühen Morgen und die Kochsendungen sind immer noch verwirrend. Eine Möhre wird der Länge nach zerteilt und analysiert, die hübsche Form und erst die Farbe! Noch nie war eine Möhre so schön, ganz sicher nicht. Aber lange darf man den Blick nicht von der Mattscheibe wenden, sich etwa vornüberbeugen, um sich die Schuhe zuzubinden, dann beginnt bestimmt schon wieder eine neue Sendung und was ich erst für eine Karaoke-Sendung halte ist eigentlich die hiesige Hitparade. Man darf sich nicht so ernst nehmen. Und Kitano schlägt in seiner Talkshow den jungen Damen im Publikum mit einem Fächer ordentlich auf den Kopf, Ausweitung der Schmerzzone, und die Begeisterung nimmt kein Ende, Applaus inbegriffen, einfach herrlich normal.

Und schließlich Kiyoshi Kurosawa, es gibt eine lange Nacht mit seine Filmen im Planet-Kino und gegen 6 Uhr wird er ins Büro gelotst, sitzt etwas verloren neben dem übervollen Aschenbecher und erzählt von Italien. Ein paar Stunden später sitzt man im Restaurant und er schaltet zwischen Englisch und Japanisch hin und her, mein Übersetzer aus San Fransisco geht mir gehörigst auf die Nerven, bis ich ihn irgendwann nur noch ignoriere und ich zwinkere mir die gute Ai wieder heran, die Gottlob mein Zwinkern richtig interpretiert und immer mehr ein wenig näher rückt, bis der unausstehliche junge Mann sich gelangweilt abwendet. Drei Stunden später geht es zurück zum Kino, das dazugehörige Café ist überfüllt mit jungen Leuten und Kuroswa erzählt von seiner Arbeit und seinem wohl besten Film, eine Radsportdoku, sein bester Film „sagt meine Frau“. Morgens um vier regnet es und er macht sich mit einem weißen Regenschirm auf den Weg zum Hotel. Später wird man wach, Fenster auf, dritter Stock: Elvis singt „Love me tender“. Anfang bis Ende, nur das eine Lied, dann ist es wieder ruhig.