Denjenigen, die sich lauthals über die Unermesslichkeit vor allem ländlicher Supermarktparkplätze und der damit einhergehenden Bodenversiegelung und Verunstaltung der Landschaft echauffieren, sei hier ein für alle Mal entgegengehalten, dass diese asphaltglänzenden, sauber mit Linien überzogenen, wöchentlich zwischen den Ritzen gemähten und maximal zu einem Drittel ausgelasteten Flächen des Alltags auch ihre Vorteile haben. Meinen jüngsten, zugegeben eher unwissenschaftlich durchgeführten soziologischen Beobachtungen nach, dienen diese Parkplätze nämlich ganz besonderen, an den Rand der Gesellschaft gedrängten, um nicht zu sagen vom Aussterben bedrohten Lebewesen als Lebensraum.
Die Rede ist nicht von den schlauen Krähen, die wissen, dass hier täglich Lebensmittel abfallen, sondern von in ihren Fahrzeugen kauernden, mampfenden, auf ihr Handy starrenden österreichischen Männern. Erkennbar sind sie freilich an ihrer ausgestellten, sich um nichts und niemand scherenden Männlichkeit (was auch immer das sein soll) und den penetrant ratternden Motoren, die dafür sorgen, dass sie im geschützten Innenraum auf dem öffentlichen Parkplatz Musik hören, die Heizung in ihren Hintern blasen lassen oder schlicht dem wohligen Rumoren der Maschine nachsinnen können. Nähert man sich einem solchen menschlichen Wesen an, um es beispielsweise zu bitten, den Motor abzudrehen, erntet man für gewöhnlich ein Grunzgeräusch oder ein Zischen, das diejenigen, die sich annähern, verjagen soll.
Bislang habe ich keinen solchen Mann in den Supermarkt gehen sehen, was mich zur Annahme verleitet, sie halten sich dort nur aufgrund des Parkplatzes, genauer, aufgrund der großen Parkfläche auf. Dafür spricht, dass sie sich meist (aber nicht ausschließlich) an den Rand dieser Flächen bewegen mit ihren Vehikeln, um dort, so vermute ich, ungestört ihrer Nicht-Tätigkeit nachhängen zu können. Manche von diesen Männern konnte ich bis zu drei Stunden in ihrem Refugium observieren, andere verbringen derart wohl vor allem ihre Mittagspausen, also im Mittel zwanzig Minuten. Ihre Kleidung ist unterschiedlich, aber meist leger, um es euphemistisch auszudrücken. Sie verharren erstaunlich lang in den gleichen, irgendwie erschlafften, starren Posen, verrichten meist eine Tätigkeit und schauen dabei mit hängenden Gesichtsmuskeln drein, als hätten sie vergessen, dass man sie durch die Scheibe sehen kann.
Viele bohren in der Nase, manche telefonieren, alle lümmeln sich in ihre Sitze. Leider wollte keiner der Männer meine Fragen zu dieser Tätigkeit beantworten, daher muss ich lediglich spekulieren, dass es sich entweder um eine in Zeiten der Inflation kostensparende Variante zum ziellosen Umherfahren mit demselben Fahrzeug handelt oder aber, was ich ehrlichgesagt für wahrscheinlicher halte, dass ihnen die doppelte Anonymität aus riesigem Parkplatz und Türen, die man um sich verschlossen hält, ein ekstatische Gefühl des Friedens verleiht, da sie sich endlich unerkannt wähnen, ihrer Arbeit, ihrer familiären oder sonstwo gelagerten Verantwortung entwichen, also wieder zu den infantilen, sich im Sandkasten verbuddelnden Wesen werden können, die sie eigentlich gerne wären. Ein wenig erinnert das durchaus an die Krabbelgruppe im Möbelhaus, wo Eltern ihre Kinder ablegen, damit sie in Ruhe Geld ausgeben können.
Die Männer legen sich aber selbst ab, so viel Würde haben sie dann doch, auch wenn es ihnen vermutlich nichts ausmachen würde, wenn ihre Partnerin, wie bei einer verwandten aber nicht zu verwechselnden Gattung Männer, gleichzeitig den Einkauf erledigte. Den höchstens noch in ihrem Auto nach einem Stück Schinken, dass ihnen aus der Semmel gefallen ist, krabbelnden Männern, ist derlei Wurst. Sie verhalten sich so, als würde die Welt nicht existieren und genau deshalb passen sie so gut auf diese alles plattmachenden, überall gleichaussehenden Parkplätze.
Auf 98 Männer fallen 2 Frauen, die einer ähnlichen Tätigkeit nachgehen, was, wie so oft, Fragen aufwirft. Ohne mich zu einem abschließenden Ausblick hinreißen zu lassen, würde ich gern in den Raum stellen, ob diese Flächen, im Angesicht der traurigen Tatsache, dass bestimmte, problematische Formen des männlichen Daseins langsamer verschwinden als uns lieb sein kann, ausgebaut werden sollten, damit sie als eine Art Reservat dienen können, in denen diese Männer ihren Weltbildern ungestört nachhängen können. Zu diesem Zweck, sagen die brutalen Zyniker, könnte man ihr ausgestoßenes CO2 zurück in die jeweiligen Fahrzeuge lenken, aber vielleicht würde es auch genügen, dafür bin ich dann doch mehr, ihnen die Motorhaube einzuschlagen. Den Parkplatz dürften sie so oder so behalten.