Drei Ansichten von Ode(s)sa

Text: Luk Polleit

Als ich Odessa das erste Mal sah, lag die Stadt im Nebel, an ihrer Küste ein Mann. Vakulinchuk, ein Matrose, der seine Kumpanen auf der Potemkin zum Aufstand anzettelte, lag begraben am Hafen – „getötet für eine Schüssel Borschtsch“. Ich sah den Pier, überflutet mit trauernden Massen und die Matrosen in ihren nach dem sowjetischen Ideal geformten Körpern. Gestählte Muskeln und geschärfter Geist, um gegen die zaristische Herrschaft aufzubegehren, deren unmittelbarstes Symbol das vergammelte Fleisch an Bord war, das der Kommandant und der Schiffsarzt, als Vertreter der höheren Stände trotz Inspektion, der mit Maden übersäten Rinder, weiter ihren Untergebenen auftischten.

Als ich das zweite Mal Odesa erreichte, jetzt nur noch mit einem „s“ – eine sprachpolitische Entscheidung, die sich aus der Romanisierung der ukrainischen im Gegensatz zur russischen Schreibweise ergibt, war der erste Mann, der mich ansprach, auch ein Matrose. Aber ein ganz anderer als Vakulinchuk. Dieser Matrose war eher klein, hatte Frau, Kind, einen Hund und sprach exzellentes Englisch. Ich musste etwas verloren gewirkt haben, gestrandet am Ende der Stadt, wo die hohen Betonbauten dominieren und nichts die Weite des Meeres oder auch nur einen Hafen erahnen lässt, mit meinem riesigen Koffer und ein paar gestammelten ukrainischen Wörtern. Der Matrose bat seine Hilfe an, bereit mich auf den richtigen Kurs zu bringen. Wir sprachen ein wenig darüber, was mich nach Odesa getrieben hatte, das Filmfestival, und über seine Rückkehr von der Reise mit dem Getreidefrachter. Er stellte mir Frau, Hund, Kind vor, bis mich ein brummeliger Taxifahrer, der durch seinen prächtigen Schnauzer zumindest dem Gesicht nach schon eher der Potemkin Besatzung glich, einsammelte. Eigentlich war das nicht ganz richtig gewesen. Die Wahl auf Odesa als Ziel meiner Reise fiel aufgrund Sergei Eisensteins Film Bronenosec Potemkin. Zur Zeit des Entschlusses wusste ich nichts von einem Festival. Meine Gedanken waren ganz bei der Treppe gewesen. Als ich den Film vor einigen Jahren das erste Mal sah, hatte sich mir ein neuer Blick aufs Kino und das Medium Film eröffnet: Wo zuvor eine Wand gewesen war, hatten die sowjetischen Montagetheoretiker Ziegel sichtbar gemacht. Sie lösten den Mörtel auf und nahmen fröhlich wie in einem Jengaspiel, das nicht zu verlieren war, die Steine nach Belieben heraus, um sie an gänzlich veränderter Stelle wieder einzusetzen. Nicht bloß aus Begeisterung an der neugewonnenen, nahezu gottgleichen Schaffenskraft, die es erlaubte, unsere alltäglich erfahrene raumzeitliche Kontinuität unter Erhalt eines bis dahin unerreichten Realitätseindrucks frei zu verändern, sondern um jeden Teil ebendieser Realität einem maximalen Eindruck aufs Kinopublikum zu unterwerfen.

So formte sich in mir der Wunsch einmal auf dieser Treppe, die durchaus eine Attraktion, aber doch für die wenigsten Besucher ein Pilgerort der Filmgeschichte darstellte, zu stehen und einen Moment aus privatöffentlicher Verbundenheit zu erleben – einmal das Material zu berühren, das diese Regisseure auf der Leinwand zu immer neuen Mauerwerken zusammensetzten.

Ich fand mich auf der Rückbank des Lada wieder und rauschte auf eine Stadt zu, die für mich nicht viel mehr war als die Idee einer Treppe. Immer wieder ging mir, auf meiner langen Fahrt zwischen den ukrainischen Sonnenblumenfeldern, die Montage der berühmten Treppenszene durch den Kopf: Die Bilder der Massen in panischer Bewegung, getrieben von Gewehrläufen; Stufen übersäht mit Körpern; Gräuel der zaristischen Skrupellosigkeit, auf der Leinwand getrieben bis zum Moment größten Pathos – dem mutterlosen Kinderwagen, der in einer endlosen Dehnung der Zeit in den Abgrund stürzt.

Auf der Taxifahrt durch Odesa sah ich zwei Gruppen junger Männer in Militäruniformen durch die Stadt marschieren. Allen etwas Keckes, übermütiges ins Gesicht geschrieben, eine jugendliche Kraft, die ich ganz gut wiedererkannte. Doch bei ihrem Anblick, dachte ich nicht an Potemkin. Ich dachte an den Krieg, den eingefrorenen Krieg im Osten, der aus Kyjiw, der ersten Station meiner Reise, immer in weiter Ferne gewesen war.

Nachdem ich im Hotel angekommen war, kam mir wieder die Absicht meiner Reise in den Sinn und ich eilte darauf die Fußgängerzone entlang, ließ die Cafés und das Opernhaus hinter mir, bis ich aus der Ferne die ersten Laternenspitzen und schließlich die oberste Stufe erspähte. Über die monochromen Bilder begannen sich langsam Töne eines warmen Ockers und blassen Grüns zu legen. Ich blickte über die Stufen hinweg und wurde von einer mittäglichen Leere überrascht. Wo waren die Massen? Die Realität entpuppte sich als Trugbild. Ich bildete mir ein, die Szene musste gänzlich falsch montiert sein. 1. Die Sonne steht brütend in einem graublauen Himmel. 2. Aufsicht auf die Treppe. Weit und breit kein Mensch in Sicht. Nur der Wind fegt ab und zu sanft über die Stufen. 3. Eine staubige Stufe. Der Wind setzt ein paar Körner Sand und Kiesel in Bewegung. 4. Halbtotale: Seitlich – große Stufen mit Laternen. Vogelzwitschern. 5. Halbnah: Ein bebrillter Kopf der vorsichtig über die oberste Stufe blickt. 6. Die ganze Treppe, von oben: Eine Katze sonnt sich auf der untersten Stufe.

Als ich kürzlich Bronenosec Potemkin erneut sah, schienen mir die Bilder meiner Reise ähnlich weit entrückt, wie damals die farblosen. In die Montage hatten sich neue Einstellungen geschlichen, zunächst unbemerkt, versteckt hinter ihrer Farbigkeit. Doch diese neuen Bilder sind gerahmt durch die Logos der Nachrichtensender und den Laufbändern, durch die unaufhaltsam neue Informationen ins Bild drängen. Informationen, die die letzten Bilder immer schon unzulänglich erscheinen lassen und nach neuen drängen. Mit der gleichen Dringlichkeit begann ich mich durch die Bilderflut auf der Suche nach der Treppe zu wühlen. Zwischen zerbombten Hausfassaden und Rauchsäulen versuchte ich noch einmal einen Blick zu erhaschen in der Hoffnung auf die Chance eines erneuten Abgleichs meines mittlerweile imaginären Bildes der Treppe mit der Wirklichkeit. Doch nirgendwo kam sie in Sicht, vielleicht liegt sie gut versteckt unter der Verkleidung weißer Sandsäcke zum Schutz gegen die Bombensplitter. Weiter schritt ich durch die Bilder, diesmal zurück, im Versuch wenigstens die Eindrücke der Reise noch einmal in aller Klarheit aufzurufen, doch da will auch das mir nicht mehr gelingen und auf einmal erschienen wieder Eisensteins schwarz-weiße Filmbilder, die wenigstens durch die Sicherheit des fotografischen Prozesses von der Treppe zeugen.

Die Sehnsucht, ohne einander miteinander zu sein (cine amandi)

Time to Love von Metin Erksan

Oft schwärmen wir für die Idee einer Person, die nur durch den einseitigen Blick, nur durch das einseitige Wissen der Existenz überhaupt existieren kann. Die Sehnsucht besteht nur fort, solange sie unerfüllt, das Objekt des Sehnens unerreicht in der Ferne bleibt. Die Sehnsucht schöpft aus der Entsagung und dem Versinnbildlichen von Vorstellungen, um sich in einer diffusen Konkretheit zu verlieren. In der romantisierten Ferne liegt das Nichtgreifbare, nur Vorstellbare und nicht Feststellbare. Wolkenschlösser, Wasserdampfgesichter, vermischte Pixelanordnungen. Das Berühmte so nah und doch so fern. Wohin begibt sich die Sehnsucht, wenn das, was wir nur als wohltuende und aufregende Imagination vor unseren Augen hatten, plötzlich vor uns steht und uns aus der ganz privaten Imaginationsrealität, die nur uns alleine gehört hat, in eine neue, geteilte Realität der Begegnung mit der herbeiersehnten Person überführt?

In Metin Erksans Time to Love fegt der regenreiche Wind die Sehnsucht zuerst in sanfter Aufregung und dann tosend todesmutig über die anatolische Küste. Halil hat sich der Sehnsucht verschrieben. Sein Blick verliert sich in einer sanften Ergebenheit, die nicht mehr sein will als eine Sehnsucht um ihrer selbst willen. Er hat es sich in der Sehnsucht bequem gemacht. Schwelgerisch und melancholisch betritt Halil tagein tagaus ein verlassenes Ferienhaus, um es sich dort im Wohnzimmer auf einem Sessel bequem zu machen. Von dort aus sieht er fern. Nicht in ein Fernsehgerät, sondern er richtet seinen Blick auf das Porträt einer Frau. Mit strengem Auge ist ihr Blick auf jeden Punkt des Raumes gerichtet. Halil hat das Bild nicht selbst gemalt, er ist kein Pygmalion. Was sich in seinem Kopf abspielt, bleibt verborgen. Bevor Halil Platz genommen hat und Time to Love uns seine Gewohnheit zum ersten Mal offenbart, intensiviert sich der Blickkontakt zwischen ihm und dem Porträt durch eine Montage, die die beiden Gesichter mit jedem Schnitt und jeder Einstellung näher rückt, bis Merals eindringliche, weit offene Augen ganz groß zu sehen sind und auf sein tiefes Atmen in einer Halbnahen treffen. In seinem Gesicht glitzern noch Tropfen, die er aus dem Regen nach Drinnen mitgenommen hat. Sie erwecken den Eindruck von fehlplatzierten Tränen oder Schweißperlen. Die Tonebene forciert eine sehnsuchtsvolle Stimmung und kreiert in Kombination mit Halils Mimik eine lustvolle Komik. Time to Love: Halil hat alle Zeit der Welt für seine Liebe, denn hier scheint die Welt stillzustehen.

Halil befindet sich an einem Ort, nach dem sich wohl selbst viele sehnen. Ein schicker Ferienort auf den Prinzeninseln nahe Istanbul. Wahrscheinlich ist Winter, denn es regnet in Strömen und Halil führt mit einem älteren Kollegen Renovierungsarbeiten für die Istanbuler Schickeria durch. In seinen Pausen besucht er das Porträt der Frau. Und dann kommt es, wie es kommen muss: Meral stattet ihrem Ferienhaus einen Wochenendbesuch mit Freundinnen ab. Alleine betritt sie hinter seinem Rücken, mit einem neugierigen Auge auf Halil das Zimmer, in dem der Fremde vertieft und hingerissen ihr Porträt anblickt. Ihr gefällt sein Blick auf ihr Abbild und somit das Begehrt-werden: Sie lächelt. Nachdem Halil sie bemerkt, scheint er peinlich berührt, senkt seinen Blick und wagt es kaum Meral anzuschauen – wie er sie auch in den folgenden Begegnungen kaum anblicken wird. Er verlässt mit ihrer Erlaubnis das Haus.

Dass er Meral noch schöner als ihr Porträt findet, erzählt Halil kurz darauf seinem Kollegen. Time to Love? Time for a dream to come true? Meral liegt nach der Begegnung unruhig mit Ovids Ars Amatoria auf ihrem Sofa und rollt sich liegend in einer undefinierbaren Choreografie auf dem Polstermöbel herum. Seufz. Kurz darauf folgt eine Montage sehnsüchtiger Fensterblicke von Halil und Meral durch ihre verregneten Fenster in die Ferne. Aufnahmen von einsamen Blicken in ungeahnte Weiten sind ein häufiger Ausdruck der Sehnsucht in Time to Love. Irgendwo da draußen treibt sie sich herum, die Liebe. Vielleicht ist sie in ihrer Erwartung, irgendwo in der Ferne zwischen den Regenfäden besser aufgehoben als in den Momenten der Erfüllung, die in Windeseile in eine Leere der Enttäuschung zu gleiten vermögen. In der Kunst der Liebe ist die Tragik vorprogrammiert. Nach ihrer Ovid-Lektüre hat Meral dennoch beschlossen, sich Halil zu angeln. Der mag sich zwar in ihr Gesicht verliebt haben, aber das Objekt seiner Begierde ist nicht die lebendige Meral selbst. Das steht für ihn von Anfang an fest. Er will nur anschauen und bedingungslos angeschaut werden. Das zweidimensionale Gesicht kann ihm sein Herz nicht brechen. Seine Vorstellung von Erfüllung ist Ansichtssache. Da Meral diese Liebe für ein Abbild ihrer selbst anstatt ihrer Person ein Dorn im Auge ist, sie aber zugleich die Leidenschaft für ihr Bild bewundert, verliebt sie sich in diesen Mann: „Ich dachte immer, wahre Liebe sei ein Mythos. Aber deine Leidenschaft für mein Bild hat meine Sichtweise verändert. Jetzt bin ich in dich verliebt.“ Merals Vorstellung von Erfüllung liegt in einer dreidimensionalen Zweisamkeit mit Halil.

Mit klaren Worten erklärt Meral ihrer Liebschaft in Istanbul die Trennung, da nun ihre Liebe zu Halil beschlossene Sache sei, auch umgekehrt ist sie überzeugt, dass Halil sie liebe. Als Beweis dienen ihr seine Blicke auf das Bild. Doch Halils Verlangen unterscheidet sich von dem ihren. Wo soll die Liebe also hin oder bleibt sie besser zurück? Liebe erfährt in Time to Love ihren Ausdruck immer wieder über eine monotone Besprechungstonalität, die genauso einer Geschäftsverhandlung entspringen könnte oder die pragmatische Ergebenheit gegenüber dem Schicksal signalisiert. Dass der Beschluss jemanden zu lieben nicht gleichzusetzen ist mit dem tatsächlichen Empfinden, dass Gefühle nicht auf Befehl evoziert werden können, dass aber ohne Gespräch auch die vorhandenen Gefühle aus den Bahnen gleiten, drückt sich im unruhigen Wechsel von einem Zueinanderfinden und Auseinanderdriften von Halil und Meral aus. Liebe, Freundschaft, Intimität, Distanz, Sehnsucht, alles ist hier und auch fort, vermischt sich in einem Wechselbad. Aus der Ferne ruft die Sehnsucht miteinander zu sein, aus der Nähe diejenige ohneeinander zu bleiben.

Der Actionstar als Märtyrer

Text: Leonard Geisler

Es beginnt mit einer britischen Fernsehdoku über Buster Keaton. Ich lerne, dass es den Kameramännern Keatons strikt verboten war, eine Einstellung ohne sein ausdrückliches „Cut!“ zu beenden. Das Schiefgehen der Einstellung verheißt schließlich eben die Überraschung, das Aufreißen des Realen, das der Slapstick durch kleinteilige Kalkulation zu erschwitzen sucht. In einem inzwischen weltberühmten Gag aus The Three Ages klappt Keaton den hölzernen Verschluss einer Dachluke um, sodass diese über den Rand der Hausfassade ragt und er sie als Sprungbrett nutzen kann, um auf das gegenüberliegende Dach zu gelangen. Der Film dokumentiert die winzigen Passanten im Hintergrund der Szenerie, altmodische Autos auf der nicht geblockten Straße, die Kürze von Keatons Sprung, sein Aufschlagen an der gegenüberliegenden Hausfassade, seinen fehlenden Halt, seinen Sturz in den Abgrund, hinaus aus dem Bildrahmen – hinein in das im Off aufgespannte Sicherheitsnetz.

Keaton integrierte den gescheiterten Sprung in seinen Film und schrieb das Drehbuch um. In der filmischen Erzählung erreicht seine Figur das gegenüberliegende Dach nie. Stattdessen folgen wir ihrem Fall, dem Schiefgehen der Einstellung, und den daraus abgeleiteten Kuriositäten. Komödie bedeutete für Keaton: physische Aktion, die Wunder der Kausalität. Ein weiteres Beispiel für sein Insistieren auf die beständige und dokumentarisch festgehaltene Reibung des produktionstechnischen Plans mit dem Rohmaterial der Wirklichkeit findet sich in The General. Keatons Figur stürzt in den Truckee River und wird von den Stromschnellen fortgerissen. Für diesen Stunt war ein Draht an seinem Rücken befestigt – zu seiner eigenen Sicherheit und um seine Geschwindigkeit für die Kameraschwenks zu regulieren. Der Film dokumentiert das Reißen des Drahts, das plötzliche Fortgespültwerden des Körpers entlang der emporragenden Felsen, die Ahnung von Panik in Keatons Mimik, das Rascheln der Blätter und den Gleichmut der Natur angesichts individueller Tragödien.

Keatons Produktionsapparat war darauf ausgelegt, für den Gewinn eines flüchtigen Blicks auf die Wirklichkeit, eine Wette auf die Versehrtheit seines Köpers abzuschließen. Daher konnte nur Keaton selbst der Hauptdarsteller seiner Filme sein. Ein Leben lässt sich nur herschenken, niemals einfordern. In der britischen Dokumentation berichtet ein Weggefährte Keatons, wie er ihn fragte: „But weren’t you ever hurt in any of these things?“ Keatons Antwort: „Oh, all the time. You see this thing here at the top of my head? Well, I got that from Seven Chances. [zieht die Hose hoch] You see this thing on my leg, you see this scar here? You know I got that one from Sherlock Jr. You see this one here? [zieht das Hemd hoch] Well, I got that from Battling Buttler. It was something from every film on his body.”

Nicht viel später schaue ich ein Video von Jackie Chan in einer Talkshow. Er begrüßt die Interviewerin, macht etwas Smalltalk, zeigt ein, zwei Kampfsportgesten. Schließlich wird ein Skelett auf Rollen ins Bild gezogen. Etwa ein Dutzend Stücke pinkfarbenes Tape markieren dort die major injuries seiner Filmkarriere. Chan begutachtet das Skelett und korrigiert die Verortung eines schweren Knochenbruchs, den er sich nicht auf der linken, sondern der rechten Schädelseite zugezogen habe. Einige Jahre später fordert Chan den Talkshow-Moderator Conan O’Brien auf, eben dieses Loch in seinem Kopf zu berühren, das er sich in Jugoslawien beim Dreh von Armour of God zuzog. Der Ast eines Baums brach durch, Chan stürzte fünf Meter in die Tiefe, schlug mit dem Kopf auf einem Stein auf und ein Stückchen Knochen bohrte sich in seine Hirnmasse.

In den Filmcredits findet sich, wie in zahlreichen Filmen Chans, das Bildmaterial seiner schiefgegangenen Stunts. Der Film dokumentiert Chans Sprung, das Durchbrechen zweier Äste, die strahlende Sonne, sein Fallen, den Schreck des Kameramanns, der das Objektiv ruckartig zum Waldboden neigt und davoneilt. Es folgen dokumentarische Bilder von Chan im Halb-Bewusstsein auf einer Bahre, einen weißen Verband ans rechte Ohr gedrückt, um das Austreten des Blutes zu stoppen, die besorgten Gesichter seiner Crew. Dann wieder Chan, regungslos, die Augen geschlossen, nun durch das verdunkelte Fensterglas eines davonfahrenden Vans, ein bisschen wie bei Schneewittchen. Der Mensch, der die Bilder dokumentierte, nahm in Kauf, einen Sterbenden zu filmen, ebenso wie die Kameramänner es taten, als sie 60 Jahre zuvor den davontreibenden Keaton im Truckee River aufzeichneten. Als Chan 2016 den Ehrenoscar für sein Lebenswerk entgegennimmt, schließt er seine Dankesrede mit folgenden Worten: „After 56 years of filmindustry, making more than 200 films – I break so many bones – finally, this is mine.“

Ich erinnere mich an einen weiteren Talkshow-Auftritt: Tom Cruise, Rebecca Ferguson, Henry Cavill und Simon Pegg werben für Mission: Impossible – Fallout. Das Gespräch beginnt damit, dass Cruise erklärt, sein rechtes Fußgelenk sei noch immer gebrochen, aber dass er dennoch, trotz des Arbeitsunfalls, stoisch weiterdrehe: „We have a release date, so we gotta keep going.“ Anschließend wird der schiefgegangene Stunt aus drei Kameraperspektiven auf den Monitoren des Talkshow-Studios abgespielt. Zuerst eine Kamerafahrt, die Cruise dabei folgt, über das Dach eines sich im Bau befindlichen Hochhauses zu rennen, über einen Abgrund auf das gegenüberliegende Häuserdach zu springen und mit dem Oberkörper an der Kante des Dachs aufzuschlagen. Das Publikum im Studio stöhnt auf, als es sich der Höhe des Sprungs gewahr wird. Die zweite Einstellung, eine Totale, zeigt denselben Stunt im Profil. Als Cruise aus dieser Perspektive auf der Dachkante aufschlägt, ist das Kreischen etwas schriller. Daraufhin warnt der Moderator das Publikum, dass das folgende Material nichts für schwache Gemüter sei: „I mean a bone doesn’t pop out, but it’s an odd angle for anyone’s foot to be in.” Es handelt sich um einen vergrößerten Bildausschnitt der Totalen, die stockend – Bild für Bild – zeigt, wie Cruises rechter Fuß vollständig an der Hauswand aufsetzt als wäre sie der Bürgersteig, das Gewicht seines Körpers seinen Fuß an die Wand drückt und das Gelenk überdehnt, sodass seine Fußspitze beinah sein Schienbein berührt.

Das Publikum stöhnt, kreischt und lacht. Rebecca Ferguson ruft dem Moderator zu: „Do it again.“ Die dritte Kameraperspektive wird schließlich mit den Worten angekündigt: „Here is why Tom Cruise is payed the big bucks.” In der Frontalperspektive des gegenüberliegenden Dachs sehen wir, wie Cruise auf die Kamera zugeflogen kommt, an der Dachkante aufschlägt, können an seiner schmerzverzerrten Mimik den Moment des Gelenkbruches ablesen, und sehen, wie er sich dennoch aufs Dach zieht und an der Kamera vorbeihumpelt. Der Gelenkbruch hat es letztendlich in den Film geschafft.

Das seltsame Muster der Verhaltensweisen von Keaton, Chan und Cruise wirft die Frage auf, weshalb der Actionstar geneigt ist, sich mit seiner Selbstverstümmelung zu brüsten. Die Antwort findet sich in der filmischen Funktion des Stunts, der gleichzeitig drei verschiedenartige Zwecke verfolgt. Erstens generiert der Stunt in seinem Verweisen auf die Physik den Effekt des Dokumentarischen. Er ist für den Actionfilm, was der Samenerguss für den Porno ist: ein Rest körperlicher Wirklichkeit im künstlichen Ganzen. Zweitens rechtfertigt er die soziale Ordnung insofern er belegt, dass die Filmstars auch wirklich arbeiten, körperlich arbeiten, ihren Körper verpfänden an die Industrie. Das gebrochene Fußgelenk attestiert Cruises Recht auf die big bucks. Es erinnert an die rumänischen Menschen der Arbeiterklasse in Radu Judes Do Not Expect Too Much from the End of the World, denen von einem österreichischen Unternehmen 500 Euro dafür in Aussicht gestellt werden, die Verletzungen und Langzeitfolgen ihrer Arbeitsunfälle für einen Aufklärungsfilm zur Arbeitssicherheit filmen zu lassen. Auch der Actionstar lässt die Malträtierung seines Körpers für (sehr viel) Geld filmen und reiht sich ihnen so scheinbar ein. Drittens zahlt das Publikum dem Actionstar seine trotz allen Anstrengungen nicht wegzuleugnende Differenz dadurch zurück, dass es sich zumindest an der Sichtbarkeit seiner Arbeit ergötzt. Der Actionstar sieht dies ein und akzeptiert sein Martyrium.

Friaulische Kassiber: Durch Wolken gehen

In Clauzetto, auf dem balcone del Friuli, steckt eine Wolke. Sie steckt fest. Ihr schwerer weißgrauer Bauch kommt nicht über die Hänge und fällt auch nicht ins Tal. Langsam anschwellend verharrt dieses undurchdringliche Gemisch aus Wassertropfen zwischen Karstfelsen und der sich in den zähen Wolkenfängen verheddernden Sonne. Wer hinauf zum Monte Pala wandert, durchlebt die Gezeiten einer Wolke. Ich schreibe dir davon. Es ist eine Anleitung, um zu schweben. Oder eine verblassende Nachricht von der Rückseite des Himmels.

a: Am Anfang blickt man sie über sich und erkennt graue und weiße Schwaden, zu massig, um als Schleier durchzugehen, zu verhüllend, um Unterscheidungen treffen zu können. Diese Wolke verfärbt die unter ihr liegende Landschaft in graue Dumpfheit.

b: Etwas höher erkannt man den Beginn der Wolkenschicht, den Übergang von Luft zu Wasserluft, von Klarheit zu Trübsal. Man sieht feinste Schlieren, die wie unzählige Finger aus dem gräulichen Dickicht nach unten greifen, um sich jeden Tropfen aus der Atmosphäre einzuverleiben, seien es Tränen, Speichel oder Schweiß. Hier spürt man einen Regen, der in der Luft zu stehen scheint.

c: Dann geht man hindurch, man geht durch, man wechselt von einem Zustand in den nächsten, man verlässt die Welt der Eindrücke und landet in einer sichtlosen Stille. Sofort entfernen sich die Geräusche, kaum ein Vogel wagt sich ins Innere der Wolke und selbst das an den Ästen auftauende Laub raschelt nicht mehr. Das Wolkenscharnier ist hier, die Schwelle zwischen dem Gehen und dem Schweben.

d: Weiter oben, im Kern der Wolkennässe fällt Schnee statt Regen. Aber es ist nicht nur das. Die Flocken fallen jetzt nicht mehr, sie steigen und stehen und wirbeln und fallen und fliegen zugleich. Die Nässe kommt nun richtungslos. Es gibt überhaupt keine Richtung mehr, man dreht sich um ein sich verschiebendes Zentrum, blickt durch diffuses Licht, eigentlich ein Unlicht, das jederzeit droht in tausend Teile zu zerfallen. Man ist in einem Körper, der unablässig zerfällt und sich neu zusammensetzt, der droht sich zu verlieren, wenn er das, was er trägt, aufgibt.

e: Schließlich stößt man an die Wolkendecke. Hier ist es heller. Die Sonne klopft gegen eine zerberstende Wand aus Eiskristallen, die Aerosole tanzen in den warmen Strahlen, der Weg, dem man so blind folgte, wird wieder sichtbarer, man merkt jetzt, dass man ganz durchnässt ist, nicht wie sonst, sondern von Innen heraus, man ist selbst Nebel geworden. Man atmet Wasserdampf und schlüpft aus dem Grau in ein weltfremde Überlegenheit. Hier kreisen die Adler.

f: Jetzt ist man ein Wolkenflüchtiger. Man wischt sich die Nässe aus dem Gesicht und merkt, dass man etwas jünger wurde. Nicht viel, nur so viele Stunden, wie es dauert, bis der erste Tropfen fällt. Bis sich alles auflöst und von vorne beginnt.

Vergiss nicht deine Regenjacke.

Dein,
Patrick

Notiz zu Unsichtbare Tage oder Die Legende von den weißen Krokodilen von Eva Hiller

Ob sich in der Nacht Unvorhergesehenes, Ungeahntes, aber doch Ersehntes zu erkennen gibt, wird sich erst erfahren lassen, wenn sie vorüber gegangen ist. Dies könnte sowohl für Eva Hillers einzigartigen Film Unsichtbare Tage oder Die Legende von den weißen Krokodilen gelten als auch für die Retrospektive der diesjährigen Berlinale. In erste Linie ist es die Bildsprache dieses Films, dank der Kameraarbeit Thomas Mauchs, in der sich seine Besonderheit auszeichnet. Es handelt sich dabei jedoch nicht nur um die konzentriert-heimliche Komposition oder präzise Belichtung des Filmmaterials bei Nacht, sondern dass etwas in den Bildern entsteht, was sie gewissermaßen selbst verfolgt, indem die innerste Entsprechung des Kinos ausgelebt werden darf: Nächtliche Lichter und Schatten in urbanen Räumen zerstreuen die Aufmerksamkeit. Plätze, denen untertags keine Bedeutung zuteilwird, entwickeln plötzlich sonderbare Existenzen, sie erwachen und lösen sich von der umgebenden Welt ab. Ihre Erscheinungen fallen aus den dunklen Ecken auf die weiße Leinwand. Dem entgegen beschäftigte sich Eva Hiller, bevor sie die Arbeit am Film begann, mit den grellen Oberflächen der Alltagswelt: Fahrkartenschalter, Telefonzellen, Geldautomaten, Reklamen – leuchtende Virtualität, deren Abläufe nicht mehr nachvollziehbar sind. Nur dem Anschein nach steckt darin das Gegenteil der schmutzigen Grautöne in Berlin oder Frankfurt nach Sonnenuntergang, wenn sich der unbescholtene Blick enthebt, sei es aus Gewöhnung oder Angst. Jedenfalls will der nächtliche Blick übersehen, er zerteilt und überbrückt, er hält sich fest am Display, nur noch 14 Prozent, oder der Betrachtung einer Abfahrtsanzeige, immer noch 2 Minuten. So heißt es im Film einleitend, dass gerade die jüngeren Kulturen die Nacht am allermeisten fürchten. Für Hiller besitzt jener Macht, der über das Licht verfügt: Wer im mittelalterlichen England ohne Fackel anzutreffen war, musste mit dem Kerker rechnen, denn man verschafft sich einen Vorteil zu sehen, ohne gesehen zu werden. Der Film atmet insofern nicht nur die verführerische Luft der Nacht, sondern begegnet ihr mit einer kulturkritischen Perspektive, einer modernen Furcht, die ausgehend vom Kino wieder zu diesem zurückkehrt. Es heißt, dass der Kapitalismus die Nacht zum Verschwinden gebracht hätte, er verlängert den Arbeitstag und gräbt dem Traum das Wasser ab. Oder anders: Schlaf dient zur Erholung des Realitätsprinzips – Schlaflosigkeit verlebendigt die Alpträume. Einsamkeit ist das Produkt der Moderne. In diesem Sinne wird Unsichtbare Tage oder Die Legende von den weißen Krokodilen von der Erzählung einer Frau in einer fremden Wohnung begleitet, die auf einen Mann wartet, nicht ihr Ehemann. Stunden mit kreisenden Gedanken vergehen, deren Hoffnungen von einer Dämmerung zur nächsten ins Nichts gleiten. Hier erinnert Hillers Film, dem seit 1991 beachtlich wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, an Chantal Akermans zehn Jahre älteren Toute une nuit. Während Akermans Nächte in ihrer eigenen Dynamik und Geschwindigkeit verlaufen, sieht Hiller in ihnen einen monoton-treibenden, stampfenden Rhythmus, der von Fritz Langs Metropolis’ Moloch in die Technokeller des wiedervereinigten Landes hallt. Diese Entfremdungserfahrung saugt die Montage in einer Weise auf, die für das Gesprochene keine Entsprechungen oder Entgegnungen findet, eher Entgleisungen wählt, suchend und ahnend. Die postmoderne Nacht hat unter dem unbeirrbaren Druck hydraulischer Zylinder alles Abseitige, von Wünschen bestimmte, durch vorgegaukelte Authentizität, wie in der Pornografie, überformt. So bliebe für Hiller nichts am überstrahlten Schattendasein der Nacht übrig, wenn es nicht die Legende der weißen Krokodile gäbe, die ungesehen in den Abwässern New Yorks aber auch andernorts leben. Nur in den Fundamenten der Moderne könnte der Mythos überdauern oder neu entstehen. Was bedeutet das für die Retrospektive? Auch wenn die Kritik an der mangelhaften Programmierung aufgrund des gestrichenen Geldes ihre Berechtigung hat, ignoriert sie die Filme, die immerhin zu sehen sind. Eher müsste man fragen, warum ein Programm damit beworben und unwidersprochen bemessen werden muss, wie sehr es sich im Bereich des Abseitigen bewegt. Es spricht daraus ein aufgeregter Drang nach Entdeckungen, die sich vor lauter Verheißung gar nicht einlösen können. Hätte es unvorstellbarer sein sollen oder authentischer? Als stünde man noch tief in der Nacht, eher sinnierend als träumend, will man die Enttäuschung kaum fahrenlassen, dass bereits der nächste Tag begonnen hat. Zeit lässt sich auch in Retrospektiven nicht zurückdrehen: Sie sind weniger kollektive Träume als deren einsame Wiederkehr und notwendige Reflexion.

Ein Mann ist keine Nacht: Verbrannte Erde von Thomas Arslan

Contra ius interea solum nocte, gegen das Gesetz, aber nur bei Nacht: dieser von Anne Carson so niedergeschriebene und von sprachlicher wie seelischer Dunkelheit durchzogene Beispielsatz für das lateinische Adverb interea beschreibt auch das Kino, zumindest ein bestimmtes Kino, beispielsweise den Gangsterfilm, nach seiner Schwärze in bestimmten Ausprägungen auch Noir getauft, den, der sich den zerbrechlichen Verbrechern statt den mit ihrer eigenen Moral hadernden Polizisten (Cops) widmet, den, der wie Nicholas Ray einmal feststellte, von den sensibelsten Menschen handelt, jenen, die es nicht mehr aushalten und die sich deshalb am Rand, im Schatten (so der Titel des ersten Films von Thomas Arslan über den Verbrecher Trojan), außerhalb der Norm bewegen, von denjenigen also, die nicht anders zu leben wissen oder getrieben sind, von denjenigen, die in den guten Filmen (Melville, Mann, Ray) immer ein Rätsel bleiben, nicht weil sie etwas verbergen, sondern weil etwas in ihnen stumm bleibt, ein Schmerz vielleicht, eine Ahnung, eine Einsamkeit, Verlorenheit, man weiß es nicht, aber was auch immer es ist, es lässt sie handeln, wie sie eben handeln.

Verbrannte Erde ist ein solcher Film, ein Film der Nacht gewidmet und auch den einzigen Fragen, die sich in dieser Zwischenzeit des Seins, der Nicht-Zeit (Arslan findet seine Berliner Nicht-Orte nicht nur in der sich zunehmend von sich selbst entfernenden Geographie der deutschen Hauptstadt sondern auch in den Zeiten, an denen sich diese Orte in ein Nichts verwandeln und so ihren eigentlichen Sinn erst bekommen) stellen, nämlich: Kann ich dir trauen? Wohin gehst du? Was ist dein Preis? Alles andere ist unnötiges oder sehnsüchtiges Zwischenspiel wie ein kurzes Gespräch zwischen Trojan (schmallippig, mit der durch die Muskeln fließenden Anspannung eines vom Leben Geschundenen gespielt von Mišel Matičević) und Diana (Marie Leuenberger), in dem das „andere Leben“, das, was diese Nachtkreaturen umtreibt, wenn mal Tageslicht herrscht, seltsam verpufft, mit einem Augenfunkeln vielleicht, aber das bleibt Interpretationssache, denn wer hier zu viel von sich verrät, macht sich verletzbar.

Dieser Verbrecher, der hier mit einer undurchsichtigen Bande ein Gemälde Caspar David Friedrichs stehlen soll, so viel ist klar, ist ein klassischer Verbrecher (in dem Sinn, dass er einem Kino entspringt, das sich nicht erklären muss), einer, den es vermutlich nicht mehr gibt in der Wirklichkeit, vermutlich gar nie gab, eine Erfindung des Kinos ist er, aber im Kino gibt es ihn auch nicht mehr. Er ist der Verbrecher, der gerechter ist als die Ungerechten, die ihn umgeben, der moralischer ist als die Unmoral der Gesellschaft. Aber auch nur vielleicht, viel wissen wir auch nach zwei Filmen nicht über ihn. Er, der gleich in den ersten Bildern einer Autofahrt wie aus der Nacht geboren zu werden scheint, ist jedenfalls der, dem man Erfolg wünscht, sei es, weil man sich in seiner Einsamkeit wiederfindet oder weil er einmal ein gutes Herz zu zeigen scheint oder weil die, die ihn bedrohen, noch viel schrecklicher sind als er oder weil diese Stadt nicht mehr die gleiche ist, weil alles verendet, aber er an etwas festhält, was einmal intakt schien. In diesem Sinn ist Verbrannte Erde, obwohl er aufgrund seines simplen, stringenten Plots auch Adrenalin zuführt, ein von in die Nacht kippender Musik begleiteter Meta-Film, ein Film über etwas Geisterhaftes, eine kleine Erinnerung an das, was das Kino einmal getan hat. Wer hierin Nostalgie findet, muss sich bewusst machen, dass in der Nacht alles Vergangene näher rückt und alles Gegenwärtige einer Verformung anheimfällt, die es als das entlarvt, was es ist … anders formuliert: Die Schweigsamen herrschen dann, wenn die Redenden schlafen, die Toten leben länger (wie anders ist die scheinbare Unversehrtheit des niedergeschossenen Trojan gegen Ende des Films zu erklären?) und die Gesetze werden lächerlich im Angesicht der Gerechtigkeit. Das ist Kino, ruft einer an der Straßenecke, aber seine Worte werden von der ignoranten Nacht verschluckt.