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„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Notiz zu Sarraounia von Med Hondo

Text: Louise von Plessen

Als unabhängiger Filmemacher und innovativer Wegbereiter des afrikanischen Kinos widmet sich Med Hondo in seinem Epos Sarraounia der Freilegung historischer Fakten. Basierend auf dem gleichnamigen Roman von Abdoulaye Mamani aus dem Jahre 1980 erzählt Med Hondo in bildgewaltigem Techniscope, mit prächtigen Kostümen und aufwendigen Inszenierungen der zahlreichen Statisten und Soldaten den antikolonialen Kampf von Königin Sarraounia in Niger im Jahre 1899 gegen die französische Militärexpedition Voulet-Chanoine, gegen die gewaltsame Eroberung und Ausbeutung des Landes und seiner Rohstoffe. Während die meisten Stammesgemeinschaften in Niger sich mit der französischen Armee arrangieren oder sich sogar deren Streitkräften anschließen, gibt es für die Azna-Königin Sarraounia nur einen Weg: den Weg des Widerstands.

So lässt Sarraounia in einer Szene des Films langsam die rituelle Holzmaske vor ihrem Gesicht heruntergleiten. Inmitten ihres Stammes sitzt sie erhöht. Ihr Blick und ihre Haltung sind stolz und entschlossen, das eigene Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. „Wir müssen lernen, dass wir einen unerbittlichen Kampf führen müssen, um frei zu bleiben“, lautet Königin Sarraounias Aufruf für alle Zeit, Widerstand gegen den Kolonialismus zu leisten. Dass es Widerstand gegen den Kolonialismus in Afrika gab und insbesondere auch mächtige, afrikanische Frauen entschieden kämpften, ist ein blinder Fleck in der Geschichte. Med Hondo zeigt die von brutaler kolonialer Besatzung und Eroberung geprägte Lebenswirklichkeit der afrikanischen Dorf- und Stammesgemeinschaften, die sich zumeist der weißen Herrschaft ergeben in der Hoffnung, ihre Familien- und Stammesmitglieder, ihre Besitztümer und Rohstoffe vor der totalen Zerstörung zu retten. Perfiderweise wird ihnen die gemeinsame Eroberung eines großen Imperiums (Afrika) und seiner wertvollen Rohstoffe wie Gold und Silber versprochen. Doch der Preis, den sie zahlen, ist eine bis heute andauernde Abhängigkeit und Unterwerfung – insbesondere verbunden mit der massiven globalen Ausbeutung der Rohstoffe. Denn ein Drittel der weltweiten mineralischen Rohstoffvorkommen liegt in Afrika.  

Nachdem Med Hondo in Niger politischen Gegenwind seitens des Kulturministeriums der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich erfuhr und seine Filmproduktion in Niger nicht wie geplant realisieren konnte, setzte sich der ehemalige Staatschef von Burkina Faso, Thomas Sankara, für ihn ein. Kurzfristig wurden die Dreharbeiten nach Burkina Faso verlegt, wo Schauspieler, Techniker und vor allem Soldaten aus Burkina Faso Med Hondo großzügig zur Seite gestellt wurden. Sarraounia feierte seine Premiere in Paris, doch der Verleih des Films wurde – höchstwahrscheinlich aufgrund massiven politischen Drucks – blockiert. Der Film lief vereinzelt in französischen Kinos und wurde nach nur zwei Wochen aus dem Programm genommen. Die Entstehungsgeschichte von Sarraounia wird somit selbst zum Widerstand gegen (Neo-)Kolonialismus, gegen einseitige Geschichtsschreibung und die Fortsetzung politischer und ökonomischer Zwänge und Abhängigkeiten. In Afrika hingegen gewann Sarraounia 1987 den Hauptpreis auf dem zehnten Festival Panafricain du Cinéma et de la Télévision de Ouagadougou (FESPACO). Bis heute ist Sarraounia ein Meilenstein des afrikanischen und antikolonialen Kinos.