Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Notiz zu Vörös föld von László Vitézy

Text: Paola Savoldelli

Is there life on Mars?

(David Bowie)

Die Erde wählt ihre Farben mit Bedacht, das heißt selten aus einem Überfluss der Minerale, sondern aus deren Mangel. Die rote Erde etwa, auch wenn man sie im politischen Farbenspiel noch so aufladen möchte, ist Produkt der allitischen Verwitterung, eines chemischen Prozesses, der silikatische Minerale nach und nach auflöst. Was bleibt, sind Hydroxide von Eisen und Aluminium. Was bleibt, ist rot. Marslandschaften. Im warmen und feuchten Gelände, wenn es nicht zu bergig ist, mag so Bauxit entstehen, benannt nach dem französischen Ort, an dem das Gestein zunächst gefunden wurde, Les-Baux-de-Provence. Die etymologische Nähe des Mineralnamens zu Pachtverträgen lässt mich schmunzeln, schließlich ist die Geschichte des Bauxit eng an ökonomische Vorgehensweisen geknüpft. In Ungarn wurden jahrelang Karstbauxite zur Auslieferung an die Sowjetunion abgebaut, ein vergleichsweise unrentables Unterfangen, was den Bergmann László Szántó in Vörös föld von László Vitézywenig stört, schließlich glaubt er, im Sinne des Staates zu handeln, als er Bauxit auf seinem Grundstück findet (genauer gesagt, findet es sein Schwein, was zu einer perfiden Pointe am Ende des Films führt) und dies den zuständigen Behörden meldet. Was folgt, ist eine so grausame wie absurde Umwälzung der roten Erde in einen bürokratisch-politischen Albtraum. Bilder von sowjetischen Panzern, die aufkreuzen, als das Dorf sich gegen die Errichtung des Bergwerks wehrt, wurden von der Zensur einkassiert. László Vitézy, der vor seiner Filmkarriere in Fabriken arbeitete, fängt den in die Machtlosigkeit führenden Abwärtsstrudel des Einzelnen im System in einer seltsam unterhaltsamen Mischung aus Amateurtheater (der Film ist teilweise mit Laien besetzt und im Handkamera-Stil der Budapester Schule der 1970er Jahre gedreht; man sprach von Filmen ohne Vorführpflicht, was bedeutet, dass sie häufig nicht gezeigt wurden) und politischer Parabel in einer dokumentarischen Ästhetik ein. Neben der subversiven, kritischen Auseinandersetzung mit dem Sozialismus und den Mächtigen zeichnet sich der Film dadurch aus, dass er den Eingriff des Bauxitabbaus in die Landschaft thematisiert. Nicht nur der Mensch ist machtlos im System, sondern auch das Dorf und die Natur. Der Filmemacher reagierte damit auf ein tatsächliches Politikum, das Bauvorhaben einer Bauxitmine bei Hévíz, die die Ökologie der Umgebung gefährden sollte. Das Projekt wurde zumindest kurz aufgehalten, aber schließlich doch umgesetzt. Die Zerstörung wirkt bis heute. Beispielsweise erlebte Ungarn vor vierzehn Jahren eine große Umweltkatastrophe beim Kolontár-Dammbruch. Kolontár, das ist der Ort, an dem die große Bauxitmine im Film angesiedelt ist. Damals traten eine Million Kubikmeter Rotschlamm aus einem Aluminiumwerk aus und verursachten eine Umweltkatastrophe, die dafür sorgte, dass wochenlang tote Fische in den umliegenden Gewässern trieben und angrenzende Orte evakuiert werden mussten. Die aus einem Helikopter aufgenommen Bilder der Katastrophe zeigen einen roten Sumpf, der Ortschaften unter sich begräbt. Der Rotschlamm enthielt unter anderem ätzende Natronlauge, Quecksilber, Chrom und Arsen. Eine sich tödlich ausbreitende rote Wüste, die längst nicht nur in Ungarn für folgenschwere Schäden sorgt.