Am Meer

Ein Mann mittleren Alters sitzt an einem Strand. Niemand ist dort zu sehen, nur Sand und das Rauschen des Meeres; er beobachtet seine Frau, die zunächst auf das Wasser schaut und dann in den Wellen schwimmt. Schweiß rinnt ihm über die Stirn.Was für ein wunderbares Bild vom Mann im Vordergrund, der im Sand sitzt und seiner Frau im Hintergrund zusieht, die im Wasser kämpft.

Der Mann beginnt plötzlich zu sprechen. Er übt seine Worte, um sie zu verlassen, um sich eine Zeit lang zu trennen. Er bleibt dabei ganz ruhig, wirkt aber nicht zufrieden mit seinen Worten. Sein Blick geht wieder zu ihr aufs Meer und er setzt noch einmal neu an. Diesmal sehen wir ihn von der Seite. Er wählt ähnliche Worte, ein bisschen anders, wieder sehr ruhig. Plötzlich lehnt er sich nach hinten und sie sitzt bereits neben ihm. Fast ausdruckslos.

Diese Szene in Nuri Bilge Ceylan’s Climates hat mich zutiefst bewegt. Wie fast alles in den Filmen von Ceylan muss man sie lesen, muss sie interpretieren. Dennoch bewegt sie. Es ist dieser fast surreale Moment, wenn man glaubt, dass er seine Worte noch übt, wenn man diese Unaufrichtigkeit spürt und vielleicht gar nicht für möglich hält, dass er sie tatsächlich verlassen wird und plötzlich erkennen muss, dass es bereits passiert ist. Ein Spiel mit den Zeiten, das zugleich sehr viel über die Charaktere, ihre Beziehungen und die Umstände aussagt. Selten habe ich gesehen, dass Realität so präzise eingefangen wurde. Durch simples Auslassen einer Information hat Ceylan uns herausgefordert und einen Sog gestaltet, aus dem man den ganzen weiteren Film nicht mehr aussteigen kann.

Es geht nicht darum diese Szene zu analysieren. Es geht nur darum zu sehen, was möglich ist.

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