Clips/Idee: Ioana Florescu
Text: Patrick Holzapfel
Ioana Florescu hat sich wieder auf die Suche gemacht. Diesmal hat sie Menschen gefunden, die uns am Ende von Filmen den Rücken zukehren und gehen. Wir werden sie nicht mehr wieder sehen,
That there, that’s not me, I go where I please,I walk through walls,I float down the Liffey
Gycklarnas afton von Ingmar Bergman
Un condamné à mort s’est échappé von Robert Bresson
In solchen Momenten zerfließen die Filme vor unseren Augen: Film is The Art of Absence. Was davor, danach, daneben, dahinter, darüber, darunter, dazwischen passiert ist entscheidend. Ein solches Ende macht uns klar, dass wir Filme nicht einfach betreten und schon gar nicht besitzen können. Wir können sie nur betrachten so lange sie uns lassen. Aber der Raum und die Zeit im Off werden nur in uns existieren und in den Figuren, nicht aber auf der Leinwand, dieser riesigen Lupe, dieser wahren Lüge; fängt Blicke wie andere Schmetterlinge,
Ich werde aufstehen und in die Leinwand springen, um den Figuren zu folgen. Ich will an der Leinwand kleben wie eine tote Spinne und langsam darin versinken. Vielleicht kann ich den Figuren dann folgen? Ich renne Chaplin hinterher. Ich verfolge ihn durch die Nacht. Hoffentlich kann ich ihn nie berühren,
Es muss ein Leben hinter den Bildern geben,
I’m not here,This isn’t happening,I’m not here, I’m not here
Le Bonheur von Agnès Varda
La grande illusion von Jean Renoir
Ungreifbar und unbegreiflich schweben schwarze Silhouetten ins Nichts. Narren glauben, dass diese Bilder von einer ungewissen Zukunft sprechen, obwohl sie eindeutig in der Gegenwart verankert sind. Danach ist nichts mehr. Es wird irgendwann schwarz werden. Die Zukunft ist eine Illusion im Kino. Diese Geister sterben am Ende ihrer Filme. Die Filme auch. Aber sie werden wiedergeboren. Wer sich in seinem Sitz bewegt und glaubt, dass dies nun das Ende des Films sei, weil Filme nun mal so enden, verpasst den letzten Blick des Kinos. Unfähig sich zu rühren, unfähig weiter zu folgen,
Hat die Kamera ihre Lust verloren? Sind diese Bilder ihr letzter Lebenshauch, vielleicht ein letztes trauriges Blinzeln, die letzte Erinnerung an eine Welt?
Orphée von Jean Cocteau
Das Kino braucht keinen Vorhang, denn es gibt den Off-Screen und die Tiefe des Bildes. Und es gibt noch mehr,
Sie kehren mir den Rücken zu. Ich sehe ihre zuckenden Schulterblätter, ich sehe Punkte in der leidenschaftlichen Landschaft. Ihre Füße sind echt. Jeder Schritt hinterlässt eine Spur in meiner Pupille, eine glühende Narbe unter meinen Lidern,
Wer genau hinhört, kann den letzten Atemzug der Filme vernehmen. Es ist ein langes Seufzen, das wie ein verlorener Wind über die Ewigkeit der Vergangenheit treibt, ein feuchter Film, der sich auf den Augen bildet und unmerklich über die Wangen brennt wie ein sanfter Reifen auf Asphalt. Ein Film setzt niemals einen Punkt sondern immer Kommas,
In a little while, I’ll be gone, The moment’s already passed, Yeah, it’s gone
Professione:reporter von Michelangelo Antonioni
In Another Country von Hong Sang-soo
Film ist gemacht für den Übergang von Tag auf Nacht und Nacht auf Tag. Immerzu sehen wir in den Filmen die Geburt und den Tod des Lichts. Ein Zustand in dem noch alles möglich ist. Diese gehenden Gestalten am Ende des Films sind der endgültige Übergang als Geister aus der Maschine. Sie könnten auch fliegen. Ihre Langsamkeit sagt mir, dass ich sterben werde. Mit ihnen oder ohne sie, langsam oder plötzlich. Es ist der Horizont, indem sie verschwinden bevor er selbst verschwindet. Vielleicht klammert sich der Blick an die Dauer der Entfernung, vielleicht hetzt er ihnen nach, aber auch der Blick wird sterben.
Irgendwann kann man nichts mehr sehen.
Wie der Expressionist ein Romantiker ist, die Angst der Natur nicht länger ertragen kann, so ist die verschwindende Filmfigur eine romantische Angst, die ihren Rahmen nicht mehr ertragen kann. Aber diese Figuren verlassen den Rahmen nicht. Sie verschwinden in ihm. Ich verstehe nicht wohin sie gehen. Das liegt daran, dass sie nicht im Raum verschwinden sondern in der Zeit.
Being There von Hal Ashby
Of Freaks and Men von Alexei Balabanov
What Time is it There? von Tsai Ming-liang
I’m not here, This isn’t happening,I’m not here, I’m not here
Eine wunderschöne Mücke saugt mir das Blut in Zeitlupe aus. Ich sehe ihr zu und spüre den langen Schauer meines platzenden Blutes, das in den Körper der Mücke fließt und weiß, dass dieser Moment in meinem Gedächtnis bleiben wird, wie das letzte Echo eines Hilfeschreis in den Bergen, wie der Geschmack eines letzten Kusses auf den Lippen verweilt. Die Erinnerung an diese Bilder ist jene des empfundenen Schmerzes bei ihrer Betrachtung.
Strobe lights and blown speakers
Rocco e i suoi fratelli von Luchino Visconti
Fireworks and hurricanes
Modern Times von Charlie Chaplin
Bilder des Bedauerns. Ich hätte besser sehen können. Ich bedauere nicht, dass sie gehen. Ich bedauere, dass ich sie nie gesehen habe, nicht so geküsst wie ich sie küssen wollten, nicht so gekannt wie ich wollte. Warum drehen sie sich nicht noch einmal um? Ich wollte nie mehr blinzeln. E.E. Cummings,
or if your wish be to close me, i and
my life will shut very beautifully,suddenly,
as when the heart of this flower imagines
the snow carefully everywhere descending;
Out of the Past von Jacques Tourneur
I vitelloni von Federico Fellini
Warum tanze ich auf dem Gedächtnis von Geistern? Im Sonnenuntergang, jemand spielt ganz zufrieden eine Violine, Boccherini, ich sitze auf einer Veranda, es ist warm genug und ich kann einmal den Zweifel vergessen, die Angst, weil ich begreife, dass ich keine Bedeutung habe.
Ich werde irgendwann aufstehen. Die Lichter gehen an. Sie sollten nicht. Ich werde eine Jacke tragen und den anderen Zeitmenschen aus dem Kino folgen. Ich werde der Leinwand den Rücken kehren, sie kann meine zuckenden Schultern sehen, meine echten Füße, die den Boden noch nicht berühren können. Man kann mich noch eine ganze Weile sehen. Dann werde ich zu einem Punkt in einer Landschaft. Nur mein Blick ist geblieben. Bis auch er stirbt.
I’m not here, This isn’t happening, I’m not here, I’m not here
Ladri di biciclette von Vittorio De Sica
The Searchers von John Ford
We’re gonna live forever,