Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

„Fuck, sie fickt mein Vorurteil“ oder auch: Duisburger Augenwinkelbeobachtungen

Text: Jona­than Bugiel

Auf dem Weg zum Kino, vor und nach, im und über den Film, stän­di­ge Gesprä­che und Gedan­ken. Zum Gehen set­zen wir einen Fuß vor den ande­ren. Eine ein­fa­che und logi­sche Abfol­ge einer Hand­lung resul­tiert im Vor­wärts­kom­men, Ste­hen­blei­ben, Umdre­hen oder Zurück­ge­hen. Beim Den­ken aller­dings ver­hält es sich anders. Auf­fas­sun­gen, Über­le­gun­gen und Ein­ge­bun­gen exis­tie­ren gleich­zei­tig, bedin­gen sich gegen­sei­tig, legen sich über­ein­an­der, kon­stant den inne­ren und äuße­ren Umstän­den des eige­nen Daseins ausgesetzt.

Um genau die­se Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Nahen und Frem­den nicht ver­le­gen ist die Duis­bur­ger Film­wo­che. Seit 1977 bringt sie in der namens­ge­ben­den Stadt jähr­lich doku­men­ta­ri­sche Wer­ke aus Deutsch­land, Öster­reich und der Schweiz ins Kino. Wobei die dort abge­bil­de­ten Lebens­rea­li­tä­ten weit über die der DACH-Regi­on hin­aus gehen. Jahr für Jahr pil­gern vor allem Kul­tur­be­flis­se­ne in den Ruhr­pott, um sich auf das Dis­po­si­tiv Duis­burg ein­zu­las­sen, das bedeu­tet, sich in den sam­te­nen Kino­ses­seln des film­fo­rums wie­der­zu­fin­den, um dann den Dis­kurs im anschlie­ßen­den Gespräch mit Filmemacher*innen, Kurator*innen und Mitzelebrant*innen des Doku­men­ta­ri­schen zu suchen. Die­ses Jahr schlie­ßen sich der Rei­se Anton Schrö­der, Jona­than Bugiel, Julia Milz, Leo­nard Kräh­mer und Rahel Jung an. Namen, die im wei­te­ren Ver­lauf die­ses Tex­tes noch eine wich­ti­ge Rol­le spie­len wer­den. Sie, also wir, sind die dies­jäh­ri­gen Teil­neh­men­den eines Work­shops von Jugend ohne Film und der Duis­bur­ger Film­wo­che, ange­lei­tet von Patrick Holz­ap­fel und Bian­ca Jas­mi­na Rauch.

Unser Ziel in die­sen Duis­bur­ger Tagen: Über Fil­me nach­den­ken, und, noch viel wich­ti­ger, über Fil­me schrei­ben. Denn manch­mal, so banal es klin­gen mag, müs­sen Gedan­ken ein­fach raus oder es gibt mehr von ihnen, als in einen Text pas­sen. Für aus­for­mu­lier­te und sorg­sam anein­an­der­ge­reih­te Buch­sta­ben, Wör­ter und Sät­ze man­gelt es gera­de im Film­fes­ti­val-Tru­bel oft an Zeit und Platz. Es liegt ein unver­kenn­ba­rer, ver­we­ge­ner Charme im unfer­ti­gen Gedan­ken, etwas Uner­hör­tes. Aus die­sen Über­le­gun­gen her­aus sind fol­gen­de Kurz­nach­rich­ten unter dem Arbeits­ti­tel Chat-Ver­lau­fen ent­stan­den. Sich bedie­nend an der Ästhe­tik und den Metho­den moder­ner Tele­kom­mu­ni­ka­ti­on – dem affekt­ba­sier­ten “Tex­ten”. 

Wir beweg­ten uns in die­sen Tagen zwi­schen (wahr­schein­lich) fes­ti­val­be­dingt hoher Bar­bour­ja­cken­dich­te und Schnurr­bär­ten, ruhr­pott­scher Indus­trie­kul­tur und Trink­hal­len, die Augen eben­so auf die Lein­wand wie auf unse­re Umge­bung gerich­tet. Unse­re Kurz­nach­rich­ten muten zwar kaum wie ein Mit­ein­an­der an, direk­te Reak­tio­nen auf­ein­an­der gibt es kei­ne, aber im direk­ten Dia­log, im Zusam­men­ste­hen vor und nach dem Kino, gibt es ein aner­ken­nen­des Nicken oder auch ein “wäre ich da mal drauf­ge­kom­men.” Sie wur­den Eis­bre­cher im Gespräch oder Auf­hän­ger für Dis­kus­sio­nen und Anstoß für wei­te­re Anek­do­ten. Die­se Tex­te schei­nen vor allem Impul­se zu sein. Wie aber kann im Bruch­stück ein Gan­zes for­mu­liert wer­den? Wie kön­nen weni­ge Zei­chen eben­so dem raschen Moment an einer Stra­ßen­ecke wie dem sich über Jah­re hin­weg win­den­den Film gerecht wer­den? Und die eige­nen Ansprü­che an Kom­ple­xi­tät und Stil, kann man die­se über­haupt ver­mit­teln? Mag sein, dass (unse­re) Kurz­nach­rich­ten dies ver­mö­gen, mag sein, dass sie das nicht tun. Egal. Viel­leicht müs­sen wir ein­fach hof­fen… und alles erwarten.

Denn es ist das Wag­nis des Spo­ra­di­schen. Über­hör­te Sät­ze, impul­si­ve Gedan­ken, Augen­win­kel­be­ob­ach­tun­gen, alles fin­det sei­nen Platz. Immer in der Hoff­nung, auf einen Reso­nanz­kör­per, posi­tio­niert vor einem frem­den Bild­schirm, zu tref­fen. Ein Lebens­zei­chen oder viel eher ein Zei­chen des Lebens, Gedan­ken­fun­ken die über­sprin­gen, nie in der Absicht, ein Gesamt­bild zu zeich­nen, son­dern viel­mehr sen­so­ri­sche Impul­se geben, Ahnun­gen von Erfah­rung zu vermitteln. 

MITTWOCH, 6. NOVEMBER

Drei von Fünf machen sich auf den Weg nach Duis­burg. Zwei von Fünf sind bereits dort. Die Nach­richt, dass Donald Trump wie­der Prä­si­dent der Ver­ei­nig­ten Staa­ten wird, lesen sie alle. Spä­ter hält die Schrift­stel­le­rin Esther Kin­sky einen Vor­trag über die Pra­xis des Sehens. Danach, Land­be­völ­ke­rung bei der Arbeit. Pfer­de wer­den auf sizi­lia­ni­schen Anhö­hen mit Wei­zen bela­den und Thun­fisch vor eben­falls sizi­lia­ni­schen Küs­ten gefan­gen (Para­bo­la d’oro und Con­ta­di­ni del Mare).

Julia, 02:05 

Ich lie­ge wach und den­ke über Bli­cke und Posi­tio­nen nach: Bli­cke, die Posi­tio­nen ein­neh­men, Posi­tio­nen, die sich hin­ter Bli­cken ver­ste­cken, Bli­cke und Kame­ra­po­si­tio­nen, wie der „Blick auf Augen­hö­he“ (weil die Kame­ra halt auf Augen­hö­he posi­tio­niert ist) oder der „Arsch­loch­blick“ oder aus der Per­spek­ti­ve von … und wie Per­spek­ti­ve zum Kon­zept wird, ob nun Augen­hö­he oder Arsch­loch und dann den­ke ich über die­ses Kon­zept nach, will ich aber eigent­lich nicht, weil mich heu­te Nacht nur eines wirk­lich inter­es­siert: das Inter­es­se selbst (oder die Abwe­sen­heit des­sen) in einem Blick und die Posi­ti­on, die dadurch sicht­bar wird. 

Anton, um 08:41

Wache auf zu Trump-Mel­dun­gen. Im Kopf Bil­der von Rea­gan, Ken­ne­dy, Fon­da – die Stu­dio­auf­nah­men wir­ken am ech­tes­ten, die Nahen weit weg. Drau­ßen: Duisburg.

Leo­nard, um 08:58

Als ich in den ICE nach Duis­burg stei­ge, ist der batt­le­ground sta­te Penn­syl­va­nia schon gecallt, was cru­cial für das out­co­me der elec­tion sei. Mei­ne Rest­hoff­nung, wenn es sonst schon kei­ne mehr gibt, beschränkt sich nun dar­auf, mir auf der Zug­fahrt den bescheu­er­ten News-Ticker-Jar­gon aus­zu­trei­ben, um Platz zu schaf­fen für die berüch­tig­te Duis­bur­ger Gesprächs­kul­tur. Der Nebel hängt dicht über dem batt­le­ground sta­te Bran­den­burg, und wird sich hier wie anders­wo so bald nicht lichten.

Rahel, um 10:13

Der Schwarz­wald zieht an mir vor­bei und es ist ent­schie­den: Trump “is going to fix our coun­try“ – unüber­rascht fas­sungs­los ver­su­che ich die Wirk­macht von Nar­ra­ti­ven zu ver­ste­hen und die erzähl­te Rea­li­tät ein­zu­ord­nen. Unge­fähr so wie ein Dokumentarfilm. 

Jona­than, um 10:00

Dich­te Nebel­schwa­den lie­gen über der Stadt, bede­cken sie. Sym­bol­bild Zukunft? Feh­len­de Weit­sicht? Angst? Unge­wiss­heit? Oder doch nur kon­den­sie­ren­der Wasserdampf? 

Im Zug Rich­tung Duis­burg, ver­traut ungläu­big schei­nen­de Bild­schir­me in Rot und Blau. 

Von wel­chen Rea­li­tä­ten weiß die Lein­wand, noch 550 Kilo­me­ter, zu berichten?

Julia, um 15:15

Ich freue mich das ers­te Mal über einen Droh­nen­flug im Film. 

Leo­nard, um 19:59

Glau­be Esther Kin­sky als Trä­ge­rin des Por­zel­lan-Prei­ses anmo­de­riert gehört zu haben, aber es wird wohl doch der Paul-Celan-Preis gewe­sen sein.

Julia, 23:50

Auf dem Weg zum Apart­ment lau­fe ich durch das Gebäu­de des Haupt­bahn­hofs. Ein in Decken gewi­ckel­ter Mensch sitzt zusam­men­ge­kau­ert in einem Roll­stuhl neben dem geschlos­se­nen Ser­vice- Stand der Deut­schen Bahn, zwei Frau­en sit­zen auf einer Bank und essen Pom­mes und Gün­ther Jauch emp­fiehlt auf einem hän­gen­den Wer­be­pla­kat die App der Apo­the­ke mit dem Mot­to „Jetzt Zeit und Wege spa­ren“. Durch die Laut­spre­cher dringt die Infor­ma­ti­on, dass sich der ICE 2400 um 30 Minu­ten verspätet.

DONNERSTAG, 7. NOVEMBER

Erin­ne­run­gen an Tho­mas Hei­se in Duis­burg, Tie­re in Zürich (Der unsicht­ba­re Zoo), Zeug­nis über Tanz und Pro­test im Iran (Say­yareye doz­di­de sho­deye man), und Erin­ne­run­gen gegen­wär­ti­ger und ver­gan­ge­ner Krie­ge im EU-Grenz­land (Land­schaft und Wahn). Dazwi­schen hal­len Esther Kin­skys Wor­te über Bil­der­lärm nach.

Rahel, 00:53

Esther Kin­sky sprach vom „Bil­der­lärm“. Mit bald zufal­len­den Augen sehe ich ihn rauschen. 

Julia, 09:45

Bil­der­lärm auf dem Vor­platz des Haupt­bahn­hofs. Am UCI-Kino ist neben den Film­pla­ka­ten eine Video­wand ange­bracht, die Wer­bung und Nach­rich­ten abspielt. 

Frü­her wur­den Nach­rich­ten im Kino geschaut. 

Jona­than, 10:05

“What’s in my bag” per­si­fliert jemand Unbe­kann­tes hin­ter mir mit ver­stellt hoher Stim­me, das belieb­te You­tube-For­mat. Eine Ant­wort dar­auf habe ich nicht. In mei­ner auf­fäl­lig roten 3sat-Tasche, heu­te wich­ti­ger denn je, unter ande­rem ein Kühl­schrank­ma­gnet. „Duis­burg ist echt.” 

Blei­ben­de Erinnerung.

Rahel, 11:01

Aus den Schau­fens­tern blinkt es gol­den an gegen das gro­ße Grau. Jüngs­te Ent­de­ckung: ein Krokodil.

Anton, 11:34

Am Café-Neben­tisch geht es um freund­li­che Absa­gen von Film­fes­ti­vals. „Ah, voll nett!“. Kurz danach: „Ich frag mich, war­um man Din­ge tut im Leben.“

Jona­than, 11:48

Heu­te Abend My Sto­len Pla­net - so wer­den sich ver­mut­lich vie­le gera­de fühlen.

Julia, 11:57

Kei­ne Denk­mal­pfle­ge- Peter Badel spricht immer wie­der von Tho­mas Hei­se im Präsens. 

Rahel, 15:56

Mit­ge­hört: „Ich fand das Zebra super!“ 

Leo­nard, 18:15

Kar­ma­kar erzählt schön gif­tig von Men­schen, die das Käfi­gam­bi­en­te über­be­schil­der­ter Cafés genie­ßen. Dis­kus­si­ons­run­de­nam­bi­en­te hin­ge­gen, frei nach Mega­lo­po­lis: “What entit­les you to plow through the rich­ness of my Emer­so­ni­an mind?” Aber Kar­ma­kar hat Rom vor und hin­ter sich gelas­sen – sein Lieb­lings­jahr­hun­dert das fünf­zehn­te; über Gene­sis 1 kön­ne man reden; Fil­me­ma­cher den­ken in Spiel­film­ak­ten, Kar­ma­kar im aristotelischen.

Leo­nard, 18:27

Krank­heits­be­dingt muss eine Dis­kus­si­on per Zoom statt­fin­den. Her­aus­for­de­rung für den Fes­ti­val-Foto­gra­fen: Wie fin­det er die rich­ti­ge Ein­stel­lung, nach wel­chen Win­keln ver­langt das Hybride?

Jona­than, 19:46

Über­hört vor dem Kino: “Fuck, sie fickt mein Vorurteil.”

Rahel, 23:23

Die Bli­cke schwei­fen über die wei­ten Tota­len und irgend­wo hin­ter den Hügeln ver­lie­ren sich in der EU mei­ne Gedan­ken im Pri­va­ten. Als der Jeep Krei­se im Stop­pel­feld dreht, den­ke ich an die Pfer­de bei De Seta. 

FREITAG, 8. NOVEMBER

Jan Sol­dat und Gise­la Tuch­ten­ha­gen spre­chen in gegen­sei­ti­ger Neu­gier über den beob­ach­ten­den Doku­men­tar­film. Wir beob­ach­ten Gen­tri­fi­zie­rung in Zürich (Brunau­park), wäh­rend Faraz Fesha­ra­ki die Distanz zu sei­ner Fami­lie über zehn Jah­re hin­weg per Video­te­le­fo­nie zu über­brü­cken ver­sucht. Auf­grund der schwa­chen Inter­net­ver­bin­dung bleibt auch ihm meist nichts ande­res übrig, als zu beob­ach­ten (Was hast du ges­tern geträumt, Para­ja­nov).

Jona­than, 00:07

Es ist spät. Auf der Stra­ße ruft jemand “ich bin sau­er”. Ich nicht, Land­schaft und Wahn lässt mich erschöpft, aber zufrie­den zurück. Ich habe das Gefühl, Film und Regis­seu­rin ver­stan­den zu haben. Beein­dru­ckend sind Recher­che und Ent­ste­hungs­zeit­raum, aber wer meh­re­re Jah­re dort ver­bringt, kann auch 138 Minu­ten füllen.

Julia, 00:57

Durch die flim­mern­de Kör­nung des 16-mm-Film­ma­te­ri­als und die lang­sa­me Kame­ra­be­we­gung über die ver­schie­de­nen Grün-und Gelb­tö­ne der Baum­kro­nen hin­weg ent­steht ein psy­che­de­lisch-wabern­des Bild, ein beweg­tes Bild.

Leo­nard, 01:20

Auch mein Lieb­lings­schwenk aus Land­schaft und Wahn, weil er die Fra­ge nach der “rich­ti­gen” Distanz (zu den Men­schen, zu den Bil­dern, zur Geschich­te die­ses Ortes) ästhe­tisch auf­löst bzw. gera­de nicht auf­löst, eben wabern lässt. Misch­wald, aus der Fer­ne betrach­tet, sieht aus wie gro­ßes Moos.

Anton, 01:30

Irgend­wo zwi­schen die­sen Baum­kro­nen im Misch­wald die EU-Gren­ze. Kein Strich wie auf Goog­le Maps – unsicht­ba­re Mit­te des Films, aus der Fer­ne der Ein­stel­lung ‘betrach­tet’ mit Vehe­menz absurd. Ande­res Bild: Vögel flie­gen (über dem Wald?). 

Jona­than, 09:46

My Sto­len Pla­net - Bild und abge­bil­de­te Rea­li­tät tre­ten mit­ein­an­der in Dia­log, rei­chen sich in ihrem Leid die Hand, ver­las­sen gar ihr Medi­um und über­la­gern sich gegen­sei­tig, über­schat­tet von Pixeln, Bild­stö­run­gen und Blut auf Lein­wand und Linse.

Jona­than, 11:30

Über­hört im Film: “Ist ja Kunst im wei­tes­ten Sinne.”

Jona­than, 11:44

Gise­la Tuch­ten­ha­gen und Jan Sol­dat im Gespräch. Ein Werk vol­ler Unter­schie­de und doch sind sie sich einig – die gesto­chen schar­fe Auf­lö­sung moder­ner Kame­ras sei respektlos.

Rahel, 18:29

Hän­gen­ge­blie­ben aus Brunau­park: „Jetzt ist mein Leben um 180 Grad wie­der normal“ .

Julia, 18:33

Fra­ge mich, war­um Brunau­park (in sei­ner Form) so viel Wider­stand in mir aus­ge­löst hat. Um so lau­ter gelacht wur­de, des­to skep­ti­scher wur­de ich.

Aber einen Moment neh­me ich mit: „Man stirbt nicht ein biss­chen, man stirbt für immer.“ Das Lachen blieb end­lich in den Häls­ern stecken. 

Jona­than, 19:02

Ste­he am Duis­bur­ger Innen­ha­fen, bli­cke aufs Was­ser und den­ke immer noch über Land­schaft (und Wahn) nach. Gibt es sie auch ohne Mensch und sei­ne Gewalt?

Leo­nard, 19:31

Weit­ge­hen­de Aus­weich­ma­nö­ver der Brunau­park-Regis­seu­re gegen­über for­ma­ler Ana­ly­se: Ob der Humor im Schnitt «gebaut» sei, kön­ne man schwer sagen, vie­les sei «orga­nisch» ent­stan­den und «aus der Rea­li­tät geschöpft» (was natür­lich auch stim­men kann)

Anton, 23:30

Was hast du ges­tern geträumt, Para­ja­nov?: Denk­räu­me in der Unschär­fe der Bil­der. Kurz begin­nen die Pixel zu tanzen. 

SAMSTAG, 9. NOVEMBER

Ein chif­frier­tes Coming Out (Ó ), die unauf­fäl­li­ge ita­lie­ni­sche Grenz­ge­mein­de Fran­zen­fes­te als Schmelz­tie­gel der Kul­tu­ren (Durch­gangs­land) und die „Ver­laufs­kri­tik» läu­ten das Ende der Fes­ti­val­wo­che ein. Spä­ter dann Toast, Preis­ver­lei­hung und Par­ty – verdient. 

Jona­than, 09:33

Eben­falls Was hast du ges­tern geträumt, Para­ja­nov? Sät­ze blei­ben im Kopf. “Eine Revo­lu­ti­on ist kein Witz”, “Ich mag es nicht etwas zu ver­mis­sen” und ein Sand­wich-Rezept: Toast, geschmol­ze­ner Moz­za­rel­la und ein gekoch­tes Ei. 

Jona­than, 10:01

Im Gespräch “Ich hab nichts gegen Kitsch.” Erfri­schend, das von einem Doku­men­tar­fil­mer zu hören. 

Julia, 10:15

Im Film­fo­rum-Café wird über Prei­se geflüstert. 

Julia, 15:45

Bin früh­zei­tig aus Durch­gangs­land raus, in dem Moment als die Kame­ra in einem Kreis­ver­kehr mehr­mals, yup, im Kreis fährt. Eine Flucht vor der Lan­ge­wei­le. Ich habe sie gesucht, die Moti­va­ti­on in den Bil­dern. Wie einer der Arbei­ter, der das Gold nicht fin­den konn­te, bin aber auch ich leer aus­ge­gan­gen in die­sem Film. Da war sie dann wie­der, die Fra­ge nach dem Inter­es­se des Blicks. 

Jona­than, 17:02

Die Gedan­ken wer­den weni­ger, Bil­der über­neh­men. Im Auge des Sturms um 20:00 Uhr, fast Prime­time, die Preis­ver­ga­be. Wel­che Bil­der haben Bestand(en)?

Leo­nard, 20:09

Kino-Kuli­na­rik: Käse ist gene­rell zu emp­feh­len, Moz­za­rel­la dem Streich­kä­se vor­zu­zie­hen, ins­be­son­de­re kom­bi­niert mit Toast und Ei. Von gegrill­ter Gur­ke wird abgeraten.

Julia, 20:35

„Gut, ne?“- Alex­an­der Scholz 

Leo­nard, 20:39

Kuli­na­ri­scher Zusatz: Auch Doku­men­tar­film sei Lebens­mit­tel, Ver­dau­lich­keit unge­wiss. Zusam­men­hang mit der “Fast-Food-Mei­nungs­bil­dung” auch.

SONNTAG, 10. NOVEMBER

Rück­fahrt. Fünf von Fünf + ein gan­zes Fes­ti­val­pu­bli­kum machen sich auf den Weg. Vor­ab ein ver­lo­re­nes Han­dy und von Jugend­li­chen kura­tier­te Fil­me aus der Geschich­te der Duis­bur­ger Film­wo­che. Die­ses Jahr: Déjà vu von Lisl Pon­ger, 1999 und Novem­ber von Hito Stey­erl, 2004.

Rahel, 00:09

Herr Dicke von 3sat sagt: „Ich habe ein klei­nes Fai­ble, das ist Lyrik“. Dann liest er ein gro­ßes Gedicht vor und ver­spricht, es wir­ke spä­tes­tens heu­te Nacht. Recht hat­te er. 

Anton, 00:11

Rapi­de Stim­mungs­wech­sel im Dis­kus­si­ons­raum: heu­te Par­ty, mor­gen Vin­ta­ge Fußballbörse.

Rahel, 09:22

Im Fuß­ball­shirt sagt er lachend „Ich hab auch noch nie ne Aus­stel­lung gege­ben. Ihr seid hier qua­si pre­mie­ren­tech­nisch dabei“. Hier pre­miert sichs Schlag auf Schlag. 

Leo­nard, 23:49

Wäh­rend die Vin­ta­ge Fuß­ball­bör­se das Duis­bur­ger Fuß­ball­herz an bes­se­re, lei­der ver­gan­ge­ne Tage erin­nert, fährt der MSV, nein: unser MSV, in der Regio­nal­li­ga West einen 2:1‑Auswärtssieg beim Wup­per­ta­ler SV ein. Die Tore schos­sen Sym­al­la und Hahn. Damit sind “die Zebras” seit nun­mehr 10 Spie­len unge­schla­gen. Bis auf wei­te­res unschlag­bar auch die sou­ve­rä­ne Mode­ra­ti­on der laut Eigen­aus­sa­ge “halb­wegs jugend­li­chen” Aus­wahl­kom­mis­si­on der Duis­bur­ger Klas­sik am Morgen.

MONTAG, 11.November

Tag eins nach dem Fes­ti­val, Wel­ten ver­schmel­zen, Bestands­auf­nah­me von dem was bleibt. 

Julia, 10:42

Zurück in Ber­lin. U‑Bahn Linie 8. Unver­mit­tel­te Realität(en).

Leo­nard, 17:04

Blät­te­re bil­dungs­bür­ger­lich durch einen Celan-Band, Inter­pre­ta­ti­ons­ho­ri­zont Duis­burg. Mein Abschieds­bum­mel durch die porös fre­quen­tier­te Fuß­gän­ger­zo­ne drängt sich auf: Die Schwer­muts­schnel­len hin­durch, /​am blan­ken /​Wun­den­spie­gel vor­bei: /​da wer­den die vier­zig /​ent­rin­de­ten Lebens­bäu­me geflößt.

Leo­nard, 17:18

Celan über Fluch und Segen von Dead­lines: Unfrist und Frist /​mün­zen ein­an­der zuto­de.

Rahel, 21:29

Eine Sinal­co-Apfel­schor­le hat­te sich auf den Grund mei­nes Ruck­sacks ver­irrt. Aus der neh­me ich jetzt einen Schluck, nach­dem ich mit dem Mond im Augen­win­kel der Stim­me des Inge­nieurs zuge­hört habe. 

Jona­than, 22:00

Duis­burg, inzwi­schen 550km ent­fernt und 24 Stun­den spä­ter – die Beob­ach­tung bleibt.