Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Just love me – The Five Obstructions

Es ist und bleibt ein Umein­an­der­ge­tan­ze, ein Anzie­hen und auch Weg­sto­ßen, ein Dre­hen und Win­den, und dafür, dass wir es hier mit zwei hoch­kom­pli­zier­ten Intel­lek­tu­el­len zu tun haben, ist die­ser Lie­bes­rei­gen dann doch wie­der herr­lich ein­fach, um nicht zu sagen, nor­mal. Die fünf Kurz­fil­me, mit deren Fer­tig­stel­lung Jør­gen Leth in The Five Obs­truc­tions von Lars von Trier beauf­tragt wird (oder sage ich bes­ser, «behin­dert» wird) geben fast ein wenig Atem­pau­se zwi­schen den eige­nen zar­ten Trä­nen und auch dem eige­nen Seuf­zen. Fünf Hin­der­nis­se sol­len es hier sein, aber Hin­der­nis­se für wen? Von Trier will Leth ein­fach wie­der ans krea­ti­ve Tages­licht holen. Die­ser war schrei­bend etwas in der selbst­ge­wünsch­ten Ruhe ver­schwun­den, und von Trier zerrt ihn nun wie ein über­glück­li­ches Kind ans Licht, raus zum Spie­len. So nimmt man den Lieb­lings­on­kel an die Hand: «Komm, ich zeig dir was!» Und Jør­gen Leth lässt sich ger­ne etwas zei­gen vom klei­nen Lars. Der Alters­un­ter­schied zwi­schen den bei­den beträgt gera­de mal 21 Jah­re. Und so einen Men­schen wünscht man jedem, einen, der einen auch mit Gewalt irgend­wo­hin führt, weil er oder sie in der Lage ist, zu sehen, ob man dort nun wirk­lich hin­will oder sogar muss. Von wem lässt man sich so etwas schon vor­le­ben? Dazu braucht es Respekt und Zunei­gung. Und das gegen­sei­tig. Die bei­den Män­ner wis­sen, was sie so tun im Leben, wofür man sie kennt und schätzt, ja, sie wis­sen dies sogar auf pri­va­ter Ebe­ne. «Ich möch­te dich bestra­fen.» Wer von den bei­den sagt die­sen Satz?

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Leth soll ein Remake sei­nes gefei­er­ten Kurz­fil­mes dre­hen, eine moder­ne, aktu­el­le Ver­si­on. Genau­er gesagt eben fünf Ver­sio­nen. Dazu gehö­ren etwa die Auf­nah­men «an einem schreck­li­chen Ort», den Schreck­lichs­ten, den Leth sich gera­de den­ken kann. Er dür­fe die­sen aber nicht expli­zit zei­gen. Leth reist in ein ver­arm­tes Rot­licht­vier­tel von Bom­bay und nimmt an einer Tafel Platz, geklei­det in einem Smo­king. So isst der per­fek­te Mensch. Von Triers gedach­te Bös­ar­tig­keit gegen Leths ver­wirr­te, arbeit­sa­me Hart­nä­ckig­keit, die bei­den funk­tio­nie­ren präch­tig zusam­men. Der Kampf funk­tio­niert. Leth hat von Trier ein­mal unter­rich­tet am Däni­schen Film­in­sti­tut. Leth ist also nicht nur ein däni­scher Sport­re­por­ter (sei­ne Tour de France-Mode­ra­tio­nen sind legen­där) son­dern ein Poet, Autor und Fil­me­ma­cher. Sein berühm­tes­ter Kurz­film, gemes­sen und bemes­sen an der inter­na­tio­na­len Aner­ken­nung, die die­ser Film erhielt, wird bald 50 Jah­re alt: Det per­fek­te men­nes­ke. Die­se 13 Minu­ten sind nicht nur über­wäl­ti­gend in ihrer wun­der­schö­nen Ein­fach­heit in Schwarz­weiß (mit Majken Algren Niel­sen und Claus Nis­sen), ein Tanz- und Bewe­gungs­film mit eben­so lyri­schen und kla­ren Text­zei­len. Wie bewegt sich der per­fek­te Mensch. Was isst der per­fek­te Mensch. So fällt der per­fek­te Mensch. Wo Fra­gen kei­ne Fra­gen mehr sind, sind die dazu­ge­hö­ri­gen Ant­wor­ten auch kei­ne Ant­wor­ten mehr. Und eine Fra­ge bleibt so kei­ne Fra­ge, und eine Ant­wort bleibt auch kei­ne Ant­wort mehr. Kurz­um, ein zeit­lo­ses Klein­od, über das Lars von Trier zu Beginn die­ses sei­nes Fil­mes De fem ben­spænd zu Leth sagt: «Und das machen wir jetzt alles kaputt», und dabei strahlt er über sein gan­zes Gesicht, kichert und hickst ein wenig.

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«Das wird ein spas­ti­scher Film», sagt Jør­gen Leth an einer Stel­le und schüt­telt sanft den Kopf. Von Trier erklärt, dass er Leths Doku­men­tar­fil­me ein biss­chen zu zere­bral und für sich selbst zu los­ge­löst emp­fin­det. Und er möch­te wis­sen, ob der «noch was kann» oder nicht. Sind die Zei­ten etwa vor­bei? Und Leth erlaubt von Trier, dies zu fra­gen und zu erkun­den. Ein Limit hat natür­lich hier auch er. Aber davon erzähl­te ich ja bereits. Von Trier hat die­se ver­rück­te Theo­rie, dass die «gan­ze Wahr­heit» her­vor­kommt, wenn Leth erst ein­mal auf­ge­bro­chen sei. Bei­de Fil­me­ma­cher lie­ben lan­ge Ein­stel­lun­gen, und so beschränkt von Trier für eine Ver­si­on schon ein­mal ziel­si­cher die Län­ge der Ein­stel­lun­gen auf 12 Frames. «Das war rich­tig böse von mir», lächelt er in die Kame­ra. Leth mag auch kei­ne Ani­ma­ti­ons­fil­me, und sobald er dies wie­der ein­mal unbe­dacht geäus­sert hat, steht die Form der nächs­ten Ver­si­on fest: Ein Trick­film. Der Lie­bes­rei­gen will kein Ende neh­men. Wer Leths künst­le­ri­schen Tech­ni­ken und Ansich­ten nur ein wenig ken­nen­ge­lernt hat, weiß, dass er damit nicht ein­ver­stan­den sein kann: Es ist ein all­zu roman­ti­scher und auch sen­ti­men­ta­ler Begriff. Zusam­men­bre­chen wird hier nie­mand. Der Sinn die­ser fünf Akte ist die allei­ni­ge gegen­sei­ti­ge Stär­kung. «Ich bin ein Beob­ach­ter, kein Teil­neh­mer, ich has­se Doku­men­tar­fil­me, die alle Ant­wor­ten mit­brin­gen.» Nach­dem Leth die­sen Satz gesagt hat, wird wie­der die­ses Lächeln auf von Triers Gesicht auf­schei­nen. Und Leth wird auch sagen: «Lars, ich mag dei­ne Zärt­lich­keit, dei­ne Trau­rig­keit und dei­nen Sadis­mus, dei­nen Fami­li­en­sinn. Aus­ser­dem mag ich Dog­ville