Viennale 2015: Unsere hohen Lichter

Nach fast einer Woche fühlen wir uns in der Lage, auf die Viennale 2015 zurückzublicken. Was bleibt vom Festival?

Patrick

Ich betone vor allem – aber nicht nur – die Filme, die ich bei der Viennale zum ersten Mal beziehungsweise zum ersten Mal im Kino gesehen habe.

Arabian Nights

Vier Filme

Visita ou memórias e confissões von Manoel De Oliveira

Weil er mich daran erinnert hat, wie es ist zu sterben

No Home Movie von Chantal Akerman

Weil die Kamera eine Seele ist (meine Besprechung)

The Immigrant von Charlie Chaplin

Weil es keine Fehler gibt

Vremena goda/Tarva yeghanakner von Artavazd Pelechian

Weil ich keine Worte dafür habe

Mein Film des Jahres 2015:

Right Now, Wrong Then von Hong Sang-soo (meine Besprechung)

Die Enttäuschung:

Mountains May Depart von Jia Zhang-ke: Es ist sicherlich kein schlimmer Film und Jia Zhang-ke ist und bleibt ein großartiger Metteur en Scène, aber das Verschwinden jeglicher Subtilität und des Bildhintergrundes aus vielen seiner Szenen ist der große Schmerz des Jahres.

13 Szenen des Festivals

Es gab diese Rolltreppen in Cemetery of Splendour von Apichatpong Weerasethakul, die mich in einen Traum gestürzt haben, der meine letzte Chance auf eine Flucht war. Die Schlafkrankheit ergriff mich bis Renoir in Straubs L‘aquarium et la nation platzte und ich mich fragen musste, ob und wie ich in einer Nation lebe. Ich weiß es nicht. Ich fühle mich wie der Baum im Wind in No Home Movie von Chantal Akerman und Philippe Garrel hatte völlig Recht, als er gesagt hat, dass Akerman in der Lage war, so zu erzählen, dass man merkt: es betrifft uns alle. Ich habe den ersten Kuss bei Desplechin und seinem Trois souvenirs de ma jeunesse (meine Besprechung) nicht mehr gesehen, aber nicht vergessen. Auch er betrifft uns alle. Er ist wie das plötzliche Erwachen des scheinbar Toten in Psaume von Nicolas Boone. Ein Augenblick, in dem die Zeit steht. Ein Schlag in die Kontinuität meiner selbstzufriedenen Wahrnehmung. Die Zeit läuft rückwärts im letzten Bild von Kaili Blues von Bi Gan (meine Besprechung), ein Ende, das mich sehen und erkennen ließ. Allgemein dachte ich oft, dass Filme nicht – wie Cristi Puiu sagt – lediglich ein Zeugnis sein sollten, sondern eine Offenbarung. Also das Gegenteil des verschleiernden Nebels aus dem Tal in The Assassin von Hou hsiao-hsien (meine Besprechung), dem Film, der meine Augen vor Schönheit in Glas verwandelt. Es sind die Rolltreppen aus Glas, die vom Wind geküsst werden. Ich ziehe mich aus wie der Filmemacher in Right Now, Wrong Then von Hong Sang-soo und springe ins Wasser wie die Kinder in der Katastrophe in Storm Children, Book One von Lav Diaz. Im Wasser ist es wie in L‘invisible von Fabrice Aragno, bei dem kein Bild in meinem Gedächtnis bleibt, sondern nur dritte Bilder, die sich zwischen dem Sichtbaren bewegen. Alles fließt. Im Wasser fliegen mir die Fetzen verbrannter Filme entgegen wie in Bill Morrisons Beyond Zero: 1914-1918. Sie sehen aus wie die schreienden Gesichter eines Grauens, das real wird, weil es materiell wird. Im wasser träume ich von einem Blick zwischen die Texturen, einem Blick, der mir gilt wie in Carol von Todd Haynes. Dann mache ich die Augen auf und stehe auf einer Rolltreppe im Kaufhaus in der Mariahilferstraße. Ich höre Weihnachtsmusik und stelle fest, dass es keine Szene ist, an die ich denke, wenn ich an The Exquisite Corpus von Peter Tscherkassky denke, sondern eine Textur.

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Weitere Besprechungen:

Arabian Nights von Miguel Gomes

The Golden Era von Ann Hui

Claude Lanzmann-Spectres of the Shoa von Adam Benzine

Tangerine von Sean Baker

Travelling at Night with Jim Jarmusch von Léa Rinaldi

Maru von Suzuki Yohei

In Transit von Albert Maysles u.a.

Ioana

The Event

Visita ou memórias e confissões – made then, seen now

Right Now, Wrong Then – wrong then, right now

The Assassin – pulsating death, still life – pulsating life, still death

The Cow – man then, cow now – cow then, man now – no cow, no man

Cemetery of Splendour – then is now, now is then – don’t live, don’t die

Trois souvenirs de ma jeunesse – wrong then, wrong now – paul then, esther now – now prequel to then. Amalric!

The Exquisite Corpus – sex then (60s-70s), orgasm now?

Happy Mother’s Day – sex then, mother of quintuplets now?!

Sobytie – shot then, made now

Samuray-s – film nowhere, memory of it now

As Mil e uma Noites – stories here, stories there, stories everywhere – politics now

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Chaplin – laugh then, laugh now – love then, love now

Comoara – hidden then, found now

Vremena goda/Tarva yeghanakner – breathtakingly insane then, insanely breathtaking now

Tagebucheinträge:

ROT

SCHWARZ 

DETLEF SIERCK

GOLD

GO WEST

GRÜN

HYPNOSE

BLIND

NEONRÖHREN

ECHO

SEIDE

BLAU

WIND

NEBEL

FEDERN

Andrey

The Hitch-Hiker von Ida Lupino

No Home Movie von Chantal Akerman

‚Non‘, ou a Vã Gloria de Mandar von Manoel De Oliveira

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„No is a terrible word“

Texte von Andrey:

As mil e uma noites von Miguel Gomes

The Look of Silence von Joshua Oppenheimer

Einer von uns von Stephan Richter

Die artenreiche Kino-Menagerie

Carol von Todd Haynes

Nordische Filmtage Lübeck 2015: Land der Geysire

Hringurinn von Friðrik Þór Friðriksson

Bei Eröffnungen fühle ich mich immer furchtbar underdressed (wenn ich so herumlaufe wie immer), oder aber furchtbar affektiert (wenn ich mich schick mache). Normalerweise gehe ich gar nicht auf solche Eröffnungen, und sehe mir lieber einen Film ohne das nervige Geplapper an. Zu diesen Anlässen wird ohnehin ungemein viel über Film gesprochen, aber dabei wird zumeist auf Film ganz vergessen (also auf das worum es eigentlich gehen sollte). Eröffnungsfilme halten zudem selten was sie versprechen und sind meist so gewählt, dass danach möglichst schwungvoll zum ersten Piccolöchen gegriffen werden kann; eventuell noch mit etwas politischem Diskussionspotenzial um das Gespräch bei der Feier danach zu beleben. So weit, so gut. Nachdem mir die Nordischen Filmtage meine Eintrittskarte sogar per Post zugeschickt haben, bin ich hingegangen, habe mich underdressed gefühlt und danach ein wenig vom Sekt genascht.

Der isländische Un Certain Regard-Gewinner Hrútar, der als Eröffnungsfilm herhalten muss stellt sich allerdings als veritables Prunkstück nordischen Kinos heraus. Was anfangs wie eine typisch skandinavische Komödie erscheint – also Männer mit Bärten, die Schafe züchten und bei eisigen Temperaturen wenig sprechen – entwickelt sich zu einer Milieustudie eines aussterbenden Stücks isländischer Kultur. Die obligatorischen Landschaftsaufnahmen der malerischen Felder des isländischen Hochlands wechseln sich dabei mit den ähnlichen rauen Gesichtern der Protagonisten ab, die oftmals den gesamten Bildraum ausfüllen. Zuweilen wird dieser Kontrast etwas überstrapaziert, doch die Verbindung von Land und Leuten durch die Kamera gelingt vorbildhaft. Die herausragenden Schauspieler haben daran erheblich Anteil. Sie wirken, als hätte man sie eigens für den Film aus den Schafställen Islands vor die Kamera gezerrt und balancieren sehr eindrucksvoll zwischen der Intensität der kammerspielartigen Szenen im Inneren der Höfe, die durch den Schnee quasi von der Außenwelt abgeschnitten sind und den alltäglichen landwirtschaftlichen Tätigkeiten auf der Weide und im Stall. Alles in allem entschädigte der Eröffnungsfilm für die Tortur der Danksagungen und Applausorgien.

Hrútar von Grímur Hakonarson

Island bereitete mir auch das bislang schönste Erlebnis hier am Festival. Friðrik Þór Friðrikssons Parforceritt Hringurinn ist eine echte Entdeckung. In der Mitte der Achtziger umrundete Friðriksson einmal sein Heimatland auf der ringförmigen „Ring Road“, die dem Film seinen Namen gibt. Dabei hatte er auf seinem Wagen eine Kamera montiert, die alle zwölf Meter ein Einzelbild aufnahm. In knapp über achtzig Minuten erkundet man also Island im Schnelldurchlauf. Der Film ist hypnotisch in seiner Monotonie aber gleichzeitig abstoßend durch die Hektik und Unregelmäßigkeit des Bildinhalts. In kurvenreichen Abschnitten kommt ein Gefühl auf, das entfernt an Seekrankheit erinnert, wenn der Wagen über die unbefestigten und teils vom Regen aufgeweichten Straßen rumpelt, verschwimmt das Bildfeld zu einem Farbenmeer aus blau, grün und braun. Friðriksson gelingt eine Synthese zweier großer avantgardistischer Traditionen. Einerseits finden sich in seinem Film Sedimente des strukturellen Films, insbesondere dessen Bestreben Raum, Zeit und Dauer auszumessen, andererseits spielt Hringurinn mit der Intensivierung von Bewegung, wie man es zum Beispiel aus Go! Go! Go! von Marie Menken kennt. In seiner Einführung verglich Kurator Jörg Schöning den Film mit den Phantom Rides des frühen Kinos. In dieser Hinsicht ist Hringurinn der Antipode zu Ernie Gehrs Eureka, der die Fahrt einer Straßenbahngarnitur in seiner zeitlichen Dimension ausdehnt. Beileibe ist das kein einfacher Film und provozierte eine Menge an walk-outs (die ersten bereits nach knapp zwei Minuten), wer durchhält wird allerdings mit einem einzigartigen Kinoerlebnis belohnt – der zweite Film von Friðriksson, der hier läuft wandert auf jeden Fall auch auf meine Liste.

Viennale 2015: Singularities of a Festival: FEDERN

Notizen zur Viennale 2015 in einem Rausch, der keine Zeit lässt, aber nach Zeit schreit. Ioana Florescu und Patrick Holzapfel warten nach dem letzten Tag des Festivals darauf, dass sich die Eindrücke niederlegen, aufklaren oder tiefere Wahrheiten offenbaren. Bis dahin (und wir werden kommende Woche unsere Highlights präsentieren) bleiben die Fetzen der Viennale, die wie Federn nach einer Kissenschlacht in der Luft stehen.

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Ioana

  • Ohhh! What a beauty! Oh I’ve never seen one as big as that before
  • Tierische Liebe ist sicher der gefährlichste Seidl Film, den ich bislang gesehen habe. Ein Eingriff [eine Invasion] in und eine Parade von Einsamkeit und Bedürfnissen, bei der die Vorstellung von seiner Arbeitsweise genau so insidiös wie seine zu vermutende Auffassung von Menschen ist. Oder andersherum. Du hast natürlich Recht jedes mal, wenn du mir mit Puius “Es ist nicht so einfach” antwortest.
  • Um mich von Perfidia zu befreien, versuche ich Jeanne Balibars Pearl so oft wie möglich zu hören.
  • Die sehr gute Fussballszene in Kes schließt sich zusammen an einer Reihe von wunderbaren  Fussballszenen in Film (eigentlich Rugby, ich unterscheide nur zwischen Sport auf dem Boden und Sport im Wasser, so wie mein Mitchum zwischen zwei Arten von Schauspiel unterscheidet: with and without a horse)  und plötzlich steht Ken Loach in meinem Kopf aus diesem einzigen Grund und für kurze Zeit neben Lindsay Anderson und Carlos Reygadas.

Ken Loach Kes

Patrick

  • Deutsche Schlager klingen eigentlich wie chinesische Kinderlieder. Nur leider versteht man den Text.
  • Happy Hour von Hamaguchi Ryusuke ist ein Film über das verschwundene Lächeln. Es ist natürlich mehr, aber bei mir bleibt das verschwundene Lächeln. (Wolken vor der Sonne)
  • Ein Man stand gestern vor dem The Birds-Plakat vor dem Filmmuseum. Er nahm seine Frau an der Hand und zeigte ihr zielsicher: Das ist Tippi Hedren in Marnie.
  • Das Fußballspiel in Kes von Ken Loach ist unvergesslich. Alleine der Establishing-Shot des “Bobby Charlton”-Trainers, der, wie ein Raubtier gefilmt, alleine über das Fußballfeld rennt, war den Film wert. Loach berührt da auch die wahre Absurdität von Sportstunden in der Schule, in denen der Ehrgeiz einiger auf die Lustlosigkeit anderer trifft.
  • John Ford liebt Katharine Hepburn in einem roten Sonnenball. In seiner Whiskeyflasche sieht er für einen Moment seine Reflektion und dann dreht er einen Film, um zu vergessen. Letztes Jahr war die John Ford-Retrospektive, aber dieses Jahr habe ich die Reflektion von Ford gesehen. Es ist schon wieder ein Jahr vergangen, seitdem wir über eine seiner Einstellungen nachgedacht haben. Wir müssen Apichatpong fragen wie wir mehrere Leben haben können, um mehr Ford zu sehen.

 

Viennale 2015: Singularities of a Festival: NEBEL

Andersen Thoughts we had

Notizen zur Viennale 2015 in einem Rausch, der keine Zeit lässt, aber nach Zeit schreit. Ioana Florescu und Patrick Holzapfel bestreiten den vorletzten Tag des Festivals im Nebel ihrer Wahrnehmung, die gleich einer gegenwärtigen Erinnerung nicht mehr unterscheiden will zwischen Heute und Gestern und deren Morgen schon längst vergangen scheint. Dabei dringt durch diesen Nebel immer wieder ein kurzes Licht, das man festhalten will, damit es nicht wieder verschluckt wird, in den hunderten Kritiken, die man von Filmen liest und die alle voneinander abschreiben, weil die Kritiker vergesslich sind.

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Patrick

  • Jemand sagte gestern zu mir, dass The Thoughts That Once We Had von Thom Andersen ein perfekter Abschlussfilm für die Viennale gewesen wäre, weil er voll wäre mit dieser sentimentalen Nostalgie und dem Glauben daran, dass Kino die Menschen (noch) verändern könne. Mir kam es ein wenig anders vor. Auf mich wirkte der Film, als würde er das Kino auf einem alternativen Kontinent verorten, einem Kontinent, auf dem man lebt, wenn man mit dem Kino ist (ein persönlicher Kontinent), der in einem Wechselspiel mit der Realität existiert und daher notgedrungen verändernd auf diese wirkt in der individuellen Wahrnehmung. Es ist für mich keine Frage einer konkreten Utopie, sondern einfach das Wirkungsprinzip des Kinos. Aber vielleicht zeigt das, wie stark ich in dieser Utopie lebe. Vielleicht geht es dem Film ja ähnlich und er lebt in einer Utopie, die persönlich ist, obwohl sie eigentlich von Dringlichkeiten erzählt.
  • Das Programm in Wien will natürlich etwas mit dem Kino und daher glaubt es auch an etwas aus dem Kino. Nur scheint mir das Festival (genau umgekehrt) dringlich zu sein, obwohl es eigentlich von Persönlichkeiten erzählt.
  • Jacques Rancière: “An infinity of emotions is created in cinema – gestures, gazes, movements of bodies, possibilities for bodies to relate to each other: this is the treasure we should cherish. It’s fundamental with regard to the formatting of fictions, of expressions, of expected effects. This is why cinema has to be thought of as a global historic adventure – we lose sense of it if we continue to focus on the ‚releases of the year‘. Rather than dabbling in actuality we ought to take up cinema as a whole, in relation to all its potentialities, which assumes a real militant cinephilia. We should rethink cinema as part of a history of possibilities of life” (https://mubi.com/notebook/posts/common-ground-pedro-costa-and-thom-andersen-in-dialogue)
  • John Ford, The Informer: Der Widerspruch aus einer fragilen und sinnlichen Welt mit Lichtern, die durch Holz dringen, Nebel, dessen Geburt Ford hier filmt und der Rauheit eines überdeutlichen Schauspiels von Victor McLaglen. Es endet in Vergebung, aber man muss genau hinsehen, weil es nicht so einfach ist.
  • The Exquisite Corpus erscheint fast wie ein Alien nicht nur im Kurzfilmprogramm der österreichischen Avantgarde-Filme, sondern im gesamten Schaffen im deutschsprachigen Raum. An einem anderen Tag hatte ich mich darüber unterhalten, dass im deutschsprachigen Kino oft das Begehren und die Schönheit fehlen würde. Tscherkassky ist einer der ganz wenigen Filmemacher aus unserem Kulturkreis, der – obgleich mit Dekonstruktionen – von einem Begehren erzählt und einer fast lasziven Dekadenz, die man spürt, weil seine Filme wegen ihrer formalen Brillanz, keinen Millimeter Film nicht mit Immersion und Zersetzung aufladen. Bei The Exquisite Corpus bedeutet das ein schlimmes Fieber, das man immer dann bekommt, wenn man penetrieren will, eine Angst vor Krankheit und Nacktheit, die man beide immerzu fordert und anlockt, ein Blick, der Körper verletzt, weil er aus Film besteht oder aber ein Film, der uns die Krankheit des Blicks erst bewusst macht.
  • Johann Lurf dagegen setzt seine Fragen an die Politik der Perspektive fort. Von wo man worauf schaut, wird bei ihm immer interessanter. Mit Capital Cuba liefert er gewissermaßen die politisierte Version von Tscherkasskys Shot/Countershot, wobei bei Lurf die Pointe im Subtext liegt.
  • Ich will mehr mit der Hand schreiben.

Andersen Hou hsiao Hsien

Ioana

  • Der Nebel in The Informer erinnerte mich an wie sehr ich The Long Voyage Home vermisse. Wahrscheinlich wird die Viennale von einer Serie von Filmabenden gefolgt, bei der ich die Filme zeigen werde, auf denen mir andere Filme Lust gemacht haben.
  • Sollte man Filmstudenten erst The Thoughts That Once We Had als Appetizer zeigen oder die Filme, die in ihm vorkommen?
  • Wieder ein Programm im Filmmuseum, das mich in Staunen darüber versetzt, was es alles auf Film gibt. Dieses Mal ging es um Tier- und Menschengärten. Wir sollten irgendwann Archive durchwühlen und Schätze finden, vorzugsweise vor Weihnachten. Auch wenn man eigentlich Bestandlisten durchwühlt.
  • Hat die Konzentration in den Filmen gefehlt oder ist das meine Reaktion auf fast zwei Wochen Festival?

 

Viennale 2015: Singularities of a Festival: WIND

Notizen zur Viennale 2015 in einem Rausch, der keine Zeit lässt, aber nach Zeit schreit. Ioana Florescu und Patrick Holzapfel werden am 13. Tag des Festivals mit Schmerzen konfrontiert, die einen dort treffen, wo kein Kanal für Wörter aus dem Körper führt. Schmerzen, die bleiben und die wieder von einer Film- und Festivalerfahrung berichten, die nicht in klaren Strukturen erfassbar ist. Jetzt muss man sich fragen, ob unsere Träume der letzten Tage nur verdrängte Schmerzen waren.

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La captive

Ioana

  • Der Baum im Wind, der wehtut
  • Wenn man sich 2015 bewegte Bilder vom Ersten Weltkrieg anschaut, scheint die Dekomposition von Zelluloidfilm im Ersten Weltkrieg, eine genau so starke Waffe wie jeder Kanonenschuss gewesen zu sein. Soldaten wurden davon verschluckt, Soldaten sind davor geflüchtet. Dennoch scheinen die zersetztenden Flecken in Beyond Zero: 1914-1918 weniger Macht als in Decasia zu haben.
  • Man spürt schon das Ende des Festivals, es gibt keine Karten mehr, die man reservieren muss.
  • Nach Heart of a Dog und Forget me not (obwohl es sicher wunderbare Gedichte mit dem zweiten Namen gibt) muss ich überlegen, ob es noch Sinn macht, den Titel zu berücksichtigen, wenn man die Filme, die man während eines Festivals sehen will, auswählt.
  • Der Baum im Wind tut weh.

Toute une nuit

Patrick

  • Wenn man diese Selbst- bzw. Familienportraits von Akerman und De Oliveira sieht und gesehen hat, dann kommen einem die meisten anderen Filmemacher auf dem Festival vor wie Blender. Wahrscheinlich ist das ja sowieso das Kino. Ich frage mich, warum und ob Persönlichkeit, die man durch die Kamera spürt (auch Ehrlichkeit, Offenheit) entscheidendes Kriterium dieser Kunst ist. Schließlich geht es auch ums Hinsehen und Zuhören und die Illusion.
  • Ich denke an Hans Hurch als DJ. Er hat Bach und Dylan gespielt und wurde wütend, weil niemand richtig zuhörte. Das hat mir imponiert. Aber habe ich richtig zugehört?
  • The source of all movement is thought
  • Ich habe noch nie so viele Links zu Filmen zugeschickt bekommen wie während dieser Viennale. Ich freue mich darüber und hoffe, dass ich die nötige Zeit für sie haben werde.
  • Wenn die letzte Einstellung wie ein letztes Atmen, ein leiser Wind ist, kann ich das verstehen. Wenn sie aber wirkt, als wolle man nicht mehr hinsehen, als würde man sich abkehren von sich selbst, dann tut das weh. No Home Movie besteht fast nur aus solchen Einstellungen und ich werde nicht den Fehler machen, das in irgendeiner Weise mit “dem letzten Film” in Verbindung zu bringen. Vielmehr ist Akerman die genuine Filmemacherin des seelischen Schmerzes, den sie in ihrer Karriere selbst dann nicht verstecken konnte, wenn sie es versucht hat.
  • Der einsame Soldat mit seinem Hund im Feld. Auf seinem Gesicht brennt Film. Das Kronos Quartet zersetzt ihn weiter. Dann wird er Geschichte. Und die Geschichte zeigt uns ihr Material. Es ist kein Material der Erklärung und Information. Es ist ein Material der Sinnlichkeit. Der Sinnlichkeit dieses Soldaten und der Sinnlichkeit des Materials.

Viennale 2015: Singularities of a Festival: BLAU

Notizen zur Viennale 2015 in einem Rausch, der keine Zeit lässt, aber nach Zeit schreit. Ioana Florescu und Patrick Holzapfel von einem nur scheinbar ruhigen zwölften Tag der Viennale, der wie das Blau eines sanft vor uns liegenden Sees ungeahnte Tiefen offenbart, die nicht sichtbar sind und noch viel weniger in klaren Gedanken gefasst werden können.

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Fabrice Aragno

Ioana (Right Then, Wrong Now)

  • Ruhigster Festivaltag mit nur zwei gesehenen Filmen, die aber für meine tägliche Wahrnehmungsbedürfnisse ausreichen.
  • Ein Tag, den ich auch nur für Hong Sang-soos unglaublich vielschichtigen Right Now, Wrong Then behalten hätte, der Film hätte es verdient, der einzige eines Tages zu sein. Seine Variationen, die Innenleben zergliedern, vermehren und stufenweise enthüllen scheinen mir die lebendigste und neugierigste Auseinandersetzung mit Film in diesem Jahr zu sein.
  • Ich traue dieser Sonne, die nicht mehr loslässt, nicht.

Puissance Godard

Patrick (Right Now, Wrong Then)

  • Es war ein ruhiger Tag auf dem Festival. Ich war dennoch überfordert mit meinen Eindrücken. Ich habe gesehen wie sich zwei Wellen küssen, wie man falsch lacht und es ehrlich scheint und ehrlich lacht und es falsch scheint.
  • Ich habe mir Right Now, Wrong Then ein zweites Mal angesehen. Ich wollte zunächst anders sein, aber ich war dann doch gleich. Er zergliedert wirklich das Innenleben. Aber er erzählt auch davon, wie man das Innenleben nicht wirklich berühren kann. Verunsicherung, Scham und Missverständnisse.
  • Am Abend bin ich ins Wasser gesprungen mit Jean-Luc Godard und Fabrice Aragno. L’Invisible ist einer der besten Found Footage Arbeiten, die ich gesehen habe. Das liegt weder am Finden noch am Footage, sondern nur an der Montage. Aragno sucht etwas Unsichtbares und weil er im Kino ist, findet er es zwischen, hinter und im Sichtbaren. Eigentlich ganz natürlich. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Godard ihm Adieu au Langage verdankt und er Godard diesen Film.
  • Ich traue dieser Sonne, die mich loslässt, nicht.