Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Notiz zu Slike iz života udarnika von Bahrudin Čengić

Text: Leonard Geisler

Jedes filmische Bild ist für eine Kamera gemacht. Ob nun das Mannschaftsfoto eines lokalen Fußballvereins, eine Einstellung aus der Verfolgungsjagd eines New-Hollywood-Films, die Dokumentation einer Kriegshandlung oder die farblose Aufzeichnung einer Überwachungskamera aus dem oberen Raumwinkel: sie alle sind eingerichtet für ihren Bildrahmen. Die verschiedenen Bildsorten insistieren mit unterschiedlicher Vehemenz auf der Abwesenheit der Technik, die sie hervorgebracht hat. Während das zweidimensionale Mannschaftsfoto keinen Hehl aus seiner Ausgerichtetheit für die Kameralinse macht, versucht ein Film wie zum Beispiel William Friedkins The French Connection einen intensiveren Realitätseffekt dadurch zu erzielen, dass er seine Gemachtheit verhehlt. 

In vielerlei Hinsicht entspricht Bahrudin Čengićs Slike iz života udarnika dem Mannschaftsfoto eines lokalen Fußballvereins. Damit soll gesagt sein, dass der Film sich seiner Gemachtheit nicht schämt, sie, im Gegenteil, nach außen kehrt. Seine Einstellungen gleichen Postkarten, Bildern ohne Rücken, die den Eindruck vermitteln, als würde die filmische Welt hinter der Grenze, der vierten Wand, die von der Kamera gezogen wird, aufhören zu sein, als wäre da bloß noch die Crew, Lampen, Fahrzeuge, der Klappstuhl des Regisseurs, ein Koffer mit verschiedenen Objektiven, vielleicht ein Tisch, auf dem Essen und ein Aschenbecher stehen. Es sind Bilder, die eine Maske ihres Gesichts um den Hinterkopf geschnallt tragen, um den Angriff des Tigers, der sie bloß von hinten anspringen kann, zu vereiteln. Der Tiger ist das sozialistische Jugoslawien und die von ihm gezogenen Grenzen des Sagbaren.

Slike iz života udarnika erzählt das Leben von Adem, eines Udarniks, eines Stoßarbeiters, eines Arbeiters also, dessen Produktivität und Enthusiasmus die Norm um ein Vielfaches übersteigen. Adem arbeitet unter Tage. Er ist Alexei Stachanow nachempfunden, einem russischen Minenarbeiter, der 1935 das Vierzehnfache seiner Kohlen-Quote erfüllt haben soll. Es gibt da diese schöne Szene, eine Art eingeschobenen Essay bestehend aus propagandistischen Militärparaden, dessen Bilder ganz in Rot getaucht sind. Adem ist nach Moskau gereist und schreibt seiner Familie. Er berichtet, dass er nach seiner Ankunft sofort um ein Treffen mit Genossen Stachanow gebeten habe, sie gemeinsam Wodka tranken und sich verbrüderten. Adem schreibt, dass Stachanows Kraft nun etwas nachgelassen, dass er die Fackel an ihn weitergegeben habe. Er schreibt, dass sie dem einbalsamierten Genossen Lenin Respekt zollten und, dass Genosse Stalin, der bloß zwei Meter von ihm entfernt stand, nur einen Finger zu heben brauchte, um ein Tanzfest von Sibirien bis zum Kaukasus ausbrechen zu lassen.

Der durch und durch seichte Realitätseffekt, der sich aus der von Čengić gewählten Form ergibt, beharrt auf dem Graben zwischen dem Leben Adems, die ihm zuteil gewordene Anerkennung, welche die Demütigung erträglich macht, und dem Leben, das sozialistische Minenarbeiter wie Adem tatsächlich führten. Gegen Ende des Films gibt es eine unglaubliche Einstellung, die vielleicht hundert Bergleute zeigt – die weißen Helme mit den Lampen auf dem Kopf, die Gesichter verrußt – wie sie vor einem Strommast für die Kamera posieren, als handelte es sich um ein Klassenfoto. Die Einstellung reicht jedoch über die Pose hinaus, zeigt ebenfalls wie die Minenarbeiter aufstehen, davontrotten, mit gesenktem Blick aus dem Bild treten, die Kamera neigt sich, folgt ihnen, springt dann näher heran, offenbart die müden, von der Arbeit gezeichneten Gesichter, das schüttere Haar, die zusammengekniffenen Augenbrauen und blauen Overalls: Zeichen, die für gewöhnlich mit Gefängnisarbeit assoziiert werden.