Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Robby Müller. Beschützer des Augenblicks

Kein Son­nen­un­ter­gang macht auf sich selbst auf­merk­sam. Es sind viel­mehr gege­be­ne Bil­der und Beschrei­bun­gen, die für ihn nach Auf­merk­sam­keit schrei­en. Eigent­lich ist er ein­fach da, weil er in der Welt, an die­sem oder jenem Ort Sinn macht, weil man ihn spü­ren kann bevor man ihn sieht, weil er etwas erzählt, was an der Gegen­wart und deren Ver­gäng­lich­keit hängt, wie alles, was man fil­men kann. Rob­by Mül­ler, als „Meis­ter des Lichts“ titu­liert, hat uns Bil­der geschenkt. Sei­ne Arbei­ten mit Wim Wen­ders, Jim Jar­musch oder Lars von Trier blei­ben. Die Welt sei­ner größ­ten­teils hoch­fik­tio­na­len Arbei­ten, die er mit Bewe­gun­gen, Distan­zen und Licht emp­fängt, wirkt immer so, als kön­ne man dar­in leben.

Statt eines „Meis­ter des Lichts“ könn­te man ihn als „Beschüt­zer des Augen­blicks“ bezeich­nen. Jemand, der das Licht erst sieht, die Mög­lich­kei­ten, in denen das Licht auf eine Welt tref­fen kann offen­legt und dabei nie auf eine Aus­beu­tung der Schön­heit aus ist, son­dern auf das Sehen selbst. Jenes, das regis­triert und nicht inter­pre­tiert. Die Fil­me, bei denen Rob­by Mül­ler Kame­ra führ­te, wir­ken unab­hän­gig von ihrer womög­lich gar traum­ar­ti­gen, ent­rück­ten Nar­ra­ti­on, immer so, als wäre die Film­crew nicht mit einer Geschich­te gereist, son­dern an einen Ort. Dort filmt man im Moment, man filmt den Moment, man setzt sich dem aus, was in der Welt der jewei­li­gen Fil­me­ma­cher über­haupt mög­lich ist; als wür­de man sich selbst in eine Fik­ti­on bege­ben, um aus die­ser mit hoher tech­ni­scher Inten­si­tät und gro­ßer Offen­heit das Licht und die Nähe zu fil­tern, die einer Figur oder Sze­ne zusteht.

Ein beson­ders gelun­ge­nes, aber sel­ten im Zusam­men­hang mit Mül­ler erwähn­tes Bei­spiel ist Saint Jack von Peter Bog­d­a­no­vich. Eine Roman­ad­ap­ti­on, die in den Bil­dern des Films tat­säch­lich wirkt wie mög­li­che Fik­tio­nen in der Rea­li­tät. Ein Film bevöl­kert von schrä­gen, vom Leben gezeich­ne­ten Figu­ren; kei­ne kla­ren dra­ma­tur­gi­schen Struk­tu­ren, nur die­ser Sog, der sich an einer Figur (Ben Gaz­z­ara als Jack Flowers) ent­flammt, die ver­sucht ein Luxus­bor­dell in Sin­ga­pur zu eröff­nen. Wie in so vie­len Fil­men bei denen Mül­ler Kame­ra führ­te, gibt es einen kla­ren, bis­wei­len ein­sa­men Prot­ago­nis­ten, es gibt ein wil­des, vom Cha­os domi­nier­tes Sze­nen­bild und leicht ver­wisch­te Lich­ter, die im Bild­hin­ter­grund den Ein­druck einer Tie­fe und Schwü­le vermitteln.

Denkt man an Mül­ler, kom­men nicht wirk­lich gesto­chen schar­fe Tableaus, Sym­me­trie oder schö­ne Ein­stel­lun­gen (auch wenn es die gibt) in den Sinn. Viel­mehr baut Mül­ler Zustän­de. Er reagiert wie ein Ther­mo­me­ter auf die Tem­pe­ra­tur einer Sze­ne und gibt sie exakt wie­der. In Saint Jack ver­liert man sich plötz­lich in den Stim­mun­gen wie in den Wor­ten eines Romans. Man hat das Gefühl, dass man die Din­ge und Men­schen berüh­ren kann. Dabei geht es nicht um eine über alle Maßen in unse­re Wahr­neh­mung boh­ren­de Immersi­on, son­dern um jene Rela­ti­on des Auges zum Licht, aus der Gefüh­le ent­ste­hen kön­nen. Mül­ler glaubt nicht, dass er in etwas ein­drin­gen kann. Statt­des­sen will er unauf­fäl­lig blei­ben und damit alles greif­bar machen. Wie er es selbst for­mu­liert hat: Die Din­ge, mit dem Licht tra­gen. Als jemand, der sich in Fik­tio­nen auf­hält, über­rascht es eigent­lich auch kaum, dass Mül­ler in Saint Jack selbst vor die Kame­ra tritt für einen Gast­auf­tritt. Er begrüßt Jack Flowers und den merk­wür­di­gen Eddie Schu­man (gespielt von Bog­d­a­no­vich selbst) und hört sich eini­ge Kom­men­ta­re über Pro­sti­tu­ier­te in Ams­ter­dam an. Als er wei­ter­geht, ruft Flowers ihm nach: „That’s alright, Rob­by. You take care now.“

Saint Jack von Peter Bogdanovich
Saint Jack von Peter Bogdanovich

Mystery Train von Jim Jarmusch
Mys­tery Train von Jim Jarmusch

Down by Law von Jim Jarmusch
Down by Law von Jim Jarmusch

They All Laughed von Peter Bogdanovich
They All Laug­hed von Peter Bogdanovich

Im Lauf der Zeit von Wim Wenders
Im Lauf der Zeit von Wim Wenders