Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Viennale 2025: Zwölfter Tag

Hät­te ich Eszkimó ass­zo­ny fázik von Xan­tus János vor zehn Jah­ren gese­hen, hät­te ich ver­mut­lich tage­lang nichts ande­res gehört als die Musik von Tra­bant, die mir mein gan­zes Leben erklärt hät­te. Ich gebe zu, dass ich auch jetzt, wäh­rend ich die­se Zei­len schrei­be, ihre Lie­der höre und bedaue­re, das Unga­ri­sche nicht zu ver­ste­hen. «Er schaut mich an, aber ich kann sei­ne Augen nicht sehen.»

Nach­dem ich zum ers­ten Mal Kár­ho­zat von Tarr Béla gese­hen habe, habe ich tage­lang nur die­se Ver­si­on von Kész Az Egé­sz hören kön­nen, so als wür­de jedes ande­re Lied den Schmerz nicht rich­tig fas­sen können.

Mich erin­nert Eszkimó ass­zo­ny fázik an Leos Car­ax. Eine aus den Fugen gera­ten­de Drei­ecks­ge­schich­te, die in ein gemein­sa­mes Band­pro­jekt und Mord mün­det. Manch­mal schwebt die Kame­ra über ein Was­ser, von dem ich nicht ver­ste­he, wo es sich befin­det. Für ein Land wie Ungarn, das an kein Meer grenzt, ist die­se Sehn­sucht nach dem Meer frap­pie­rend. Viel­leicht las­sen sich bestimm­te Aspek­te natio­na­ler Kul­tu­ren allei­ne dadurch ver­ste­hen: Gibt es ein Meer oder nicht.

Das Blut und die stür­mi­schen Küs­se wider­spre­chen dem betu­li­chen und womög­lich eska­pis­ti­schen Frie­den vie­ler ande­rer Fil­me, die ich hier gese­hen habe.

Auch die­ser Film wird von Tie­ren belebt, was mal wie­der zeigt, dass die Tier­welt nicht erst im zeit­ge­nös­si­schen Kino in eine Sym­bio­se mit den Fil­men ein­ge­gan­gen ist: Bel­len­de Hun­de (natür­lich), eine erhäng­te Kat­ze, ein lust­voll stöh­nen­der Esel, an Haa­re zie­hen­de Affen,…es ist die Span­nung zwi­schen der doku­men­ta­ri­schen Unbe­re­chen­bar­keit ihrer Bewe­gun­gen und der des­halb wie magisch in der Insze­nie­rung auf­ge­hen­den Gerich­tet­heit ihrer Bedürf­nis­se, die sie so inter­es­sant machen für die Kame­ra (wenn es nicht nur dar­um geht, sie gern zu sehen).

Die Per­for­mance von Méhes Mari­et­ta zeigt mir ein­mal mehr, dass die Din­ge, die einem im Kino am stärks­ten berüh­ren, die­je­ni­gen sind, die wie vom Mond gefal­len schei­nen. Als sie plötz­lich zu sin­gen beginnt bei einem Din­ner, dach­te ich tat­säch­lich kurz, dass das Kino neu begin­nen könn­te. Das sind nur flüch­ti­ge Ein­drü­cke, ein kur­zes Auf­lo­dern von die­ser hoff­nungs­lo­sen Hoff­nung, die mehr in die­sen Din­gen sucht als da ist. Aber das ist es letzt­lich, was einen wie mich zurück­keh­ren lässt in die Kino­sä­le, auch wenn man sie längst nicht mehr sehen kann. Was hier näm­lich neu begin­nen könn­te, ist nicht das Kino, son­dern ein Gefühl, das man längst glaub­te, ver­lo­ren zu haben. Die­ses Gefühl hat nichts mit dem Kino zu tun. Es ist nur leich­ter, es dort zu fin­den als anders­wo. Ich habe kei­nen Namen für die­ses Gefühl. Aber es lässt mich glau­ben, dass alles noch ein­mal neu begin­nen könnte.

Die Stim­me von Robert Wil­son beru­higt mich.

Robert Wil­son and the CIVIL warS ist ein recht klas­si­scher Ver­tre­ter des belieb­ten Gen­res, bei dem Män­ner männ­li­che Künst­ler por­trai­tie­ren. Wie vie­le der gelun­ge­ne­ren Fil­me die­ser Art, erzählt er auch von einem Schei­tern. Das berührt auch, weil die Kame­ra, der Wil­son im Lau­fe des Films fast zu ent­wi­schen scheint, in der Ent­täu­schung auf ein­mal ganz nah kom­men darf. Als wäre der Mensch dort zu fin­den, wo er sein Ziel nicht erreicht.

Gefühlt sind 80% aller gezeig­ten Fil­me deut­sche Co-Pro­duk­tio­nen. Viel­leicht las­sen sich bestimm­te Aspek­te natio­na­ler Kul­tu­ren allei­ne dadurch ver­ste­hen: Haben sie Geld oder nicht.

Am Abend fegt ein Sturm durch die Stadt. Eine Toi­let­ten­ka­bi­ne liegt quer über den Rad­weg. Zur Bahn has­ten­de Men­schen gerin­nen zu Schat­ten­wol­ken, sie gehen gebückt und lang­sam. Ich träu­me vom Meer.