Hätte ich Eszkimó asszony fázik von Xantus János vor zehn Jahren gesehen, hätte ich vermutlich tagelang nichts anderes gehört als die Musik von Trabant, die mir mein ganzes Leben erklärt hätte. Ich gebe zu, dass ich auch jetzt, während ich diese Zeilen schreibe, ihre Lieder höre und bedauere, das Ungarische nicht zu verstehen. «Er schaut mich an, aber ich kann seine Augen nicht sehen.»
Nachdem ich zum ersten Mal Kárhozat von Tarr Béla gesehen habe, habe ich tagelang nur diese Version von Kész Az Egész hören können, so als würde jedes andere Lied den Schmerz nicht richtig fassen können.
Mich erinnert Eszkimó asszony fázik an Leos Carax. Eine aus den Fugen geratende Dreiecksgeschichte, die in ein gemeinsames Bandprojekt und Mord mündet. Manchmal schwebt die Kamera über ein Wasser, von dem ich nicht verstehe, wo es sich befindet. Für ein Land wie Ungarn, das an kein Meer grenzt, ist diese Sehnsucht nach dem Meer frappierend. Vielleicht lassen sich bestimmte Aspekte nationaler Kulturen alleine dadurch verstehen: Gibt es ein Meer oder nicht.
Das Blut und die stürmischen Küsse widersprechen dem betulichen und womöglich eskapistischen Frieden vieler anderer Filme, die ich hier gesehen habe.
Auch dieser Film wird von Tieren belebt, was mal wieder zeigt, dass die Tierwelt nicht erst im zeitgenössischen Kino in eine Symbiose mit den Filmen eingegangen ist: Bellende Hunde (natürlich), eine erhängte Katze, ein lustvoll stöhnender Esel, an Haare ziehende Affen,…es ist die Spannung zwischen der dokumentarischen Unberechenbarkeit ihrer Bewegungen und der deshalb wie magisch in der Inszenierung aufgehenden Gerichtetheit ihrer Bedürfnisse, die sie so interessant machen für die Kamera (wenn es nicht nur darum geht, sie gern zu sehen).
Die Performance von Méhes Marietta zeigt mir einmal mehr, dass die Dinge, die einem im Kino am stärksten berühren, diejenigen sind, die wie vom Mond gefallen scheinen. Als sie plötzlich zu singen beginnt bei einem Dinner, dachte ich tatsächlich kurz, dass das Kino neu beginnen könnte. Das sind nur flüchtige Eindrücke, ein kurzes Auflodern von dieser hoffnungslosen Hoffnung, die mehr in diesen Dingen sucht als da ist. Aber das ist es letztlich, was einen wie mich zurückkehren lässt in die Kinosäle, auch wenn man sie längst nicht mehr sehen kann. Was hier nämlich neu beginnen könnte, ist nicht das Kino, sondern ein Gefühl, das man längst glaubte, verloren zu haben. Dieses Gefühl hat nichts mit dem Kino zu tun. Es ist nur leichter, es dort zu finden als anderswo. Ich habe keinen Namen für dieses Gefühl. Aber es lässt mich glauben, dass alles noch einmal neu beginnen könnte.
Die Stimme von Robert Wilson beruhigt mich.
Robert Wilson and the CIVIL warS ist ein recht klassischer Vertreter des beliebten Genres, bei dem Männer männliche Künstler portraitieren. Wie viele der gelungeneren Filme dieser Art, erzählt er auch von einem Scheitern. Das berührt auch, weil die Kamera, der Wilson im Laufe des Films fast zu entwischen scheint, in der Enttäuschung auf einmal ganz nah kommen darf. Als wäre der Mensch dort zu finden, wo er sein Ziel nicht erreicht.
Gefühlt sind 80% aller gezeigten Filme deutsche Co-Produktionen. Vielleicht lassen sich bestimmte Aspekte nationaler Kulturen alleine dadurch verstehen: Haben sie Geld oder nicht.
Am Abend fegt ein Sturm durch die Stadt. Eine Toilettenkabine liegt quer über den Radweg. Zur Bahn hastende Menschen gerinnen zu Schattenwolken, sie gehen gebückt und langsam. Ich träume vom Meer.

