Text: Elisabeth Kothgasser
Knöpfe spiegeln sich im schwarzen Tisch. Knöpfe auf seinem braunen, sandbraunen, sandbraun gestrickten Cardigan. Krawatte, Hemd, souverän und makellos. Keine Feder, Fussel, Haare, Krümel, kein einziges Residuum der Außenwelt ist auf seiner Kleidung zu erkennen. Dicke, dunkle, prominente Augenbrauen über Augen, an die ich mich nicht mehr erinnern kann. Mir blieb nur ein Eindruck: Haifischaugen.
Der Mann hat weiße Haare, nach hinten gekämmt, ein zeitloser Stil. Aber waren seine Haare weiß, oder grau, oder war es einfach dunkel? Ich erinnere mich an eine Krawatte. War sie schwarz, oder war es einfach dunkel? Ist es einfach das Ende des Films, als die Sonne verschwindet, das meine Erinnerung trübt und alles schwarz färbt?
Zurückgelehnt sitzt er da, blickt an der Kamera vorbei, während er redet. Ruhig, monoton. Trägt er dunkle Hosen oder war es einfach dunkel? Trägt er dunkle Hosen? Vielleicht.
Seine Haltung soll entspannt wirken, tut sie aber nicht. Er sitzt steif, erigiert da, Adjektive, die an seine Beschreibungen von sexueller, physischer, psychischer Gewalt erinnern. Nur vereinzelt bewegt er sich, verlagert sein Gewicht auf die eine oder andere Seite. Die Hände des Mannes sind vor der Brust, oder am Tisch, verschränkt.
Vielleicht trägt er einen Ehering, vielleicht nicht. Er sitzt mit einer geraden Körperhaltung und einem sandfarbenen Cardigan, in einem farblichen Kontrast zur kühleren Umgebung hinter ihm, den weißen Säulen, dem Dickicht des Waldes, der Beton. Alles in weißen, blauen, grünen Farbtönen. Er bewegt sich kaum, spricht ruhig, sein Körper hält still. Ein Tuch, es ist weiß und blau kariert, hängt hinter ihm. Er spiegelt sich im schwarzen Tisch.
Ich kann ihm kaum ins Gesicht sehen. Mein Blick sucht immer öfter, immer mehr den Text, hält sich daran fest. Jede seiner Sprechpausen suggeriert eine Frage, die gestellt, aber nie gehört wird. Jeder Versprecher, jeder kleine Makel lässt mich durchatmen, ich kralle mich daran fest, erinnere mich durchzuhalten, immer wieder, während scheinbar endlose Ausführungen über Gewalt, Grausamkeiten, Unbeschreibliches das beschrieben wird, in einem unaufhörlichen Strom auf mich einwirken.
Es ist nicht einfach. In meinem Kopf entstehen Bilder, verschwommen, unklar. Gewalt in der Sprache und Gewalt im Bild, beides ist auf unterschiedliche Arten so kraftvoll. Ich weiß nicht, was davon mir mehr zu schaffen macht in diesen Momenten, in denen ich dem Film ausgesetzt bin. Dem Spieldokumentarfilm, wie Selma Doborac De Facto beschreibt, den ich im Rahmen eines Schreibworkshops von Jugend ohne Film bei der Diagonale gesehen habe. Der Film löst Gefühle der Hilflosigkeit aus, konfrontiert uns mit Fragen.
Wie viel kann man aushalten? Wie viel soll, muss man aushalten? Und warum?
Wenige verlassen den Kinosaal. Wegen der Gewalt, die beschrieben wird? Ich weiß es nicht. Ich sage mir, dass es die Wirklichkeit ist, die beschrieben wird. Und ob es nicht feige ist, sich dieser zu entziehen, die Augen zu verschließen vor dem, was immer passiert ist, passieren wird, und jetzt gerade, während wir alle in einem Kinosaal sitzen, passiert.
Das ist Wirklichkeit, denke ich. Eine Herausforderung, diese Gewalt an Worten, Gewalt durch Worte, die in den ruhigen Körpern der Schauspieler sitzen. Ruhig, oder ruhend. Es fällt mir schwerer, ihnen zuzuhören, und noch schwerer, sie anzusehen. Immer mehr lese ich die Untertitel, anstatt den Männern zuzuhören, ihnen ins Gesicht zu blicken.
Wie viel des Textes wurde übernommen, wie viel zur Anpassung an das Medium hinzugefügt?
Wie lange kann ich durchhalten?
Und ist es nicht meine Pflicht, mir die Gewalt, die beschrieben wird, zuzumuten, als Mitglied einer Gesellschaft, einer Welt, in der diese immense Gewalt, die ich hier nicht explizit nennen und beschreiben will, passiert, immer passiert ist, immer passieren wird? Der Film muss gesehen, das gehörte tatsächlich ungefiltert und unvoreingenommen erlebt werden. Die Tage und Wochen danach geht mir der Film immer wieder durch den Kopf. Das Erlebte sackt ein und ich beginne, mehr und mehr, den Film für das zu schätzen, was er mir gibt. Eine Erinnerung an Gewalt, die nicht vergessen werden darf.
(Der Text entstand im Rahmen des Schreibworkshops bei der Diagonale 2023.)