Poesie der Verstörung in diesem 1970er Slasher-Kultfilm. Mit The Texas Chainsaw Massacre hat Tobe Hooper einen anhaltenden Schock fabriziert, der auch Jahrzehnte nach seiner Herstellung nichts von seiner Wirkung verloren hat. Es ist dies einer jener Filme, die einen von Anfang an einfach alleine lassen. Ein Film, der sich gegen die Welt verstört. Viele Filme strahlen das Begehren nach einer Partnerschaft mit dem Zuschauer aus. Sie verlangen unsere Teilnahme, unsere Identifikation und bieten dafür das Versprechen, dass sie „Liefern“ werden. Im Horror- sowie im Thrillergenre wird diese Sicherheit bezüglich der Partnerschaft mit dem Film am Ende oft aufgehoben. Als Beispiele aus der laufenden Retrospektive im Österreichischen Filmmuseum könnte man The Wicker Man oder Halloween nennen, die mit ihren finalen Sequenzen auf eine Hoffnungslosigkeit über den Rahmen des Films hinausweisen. Eines der berühmtesten Beispiele ist wohl das überraschende Ableben der Protagonistin nach dem halben Film in Alfred Hitchcocks Psycho. Aber auch in anderen Genres gibt es diese gräulichen Momente, wenn der Film eben nicht mehr bloß als Film, der sich an alle Regeln hält, wahrgenommen werden kann. Beispiele dafür wären der Walt Disney Film Bambi, der völlig unbedarft die Mutter des namensgebenden Rehkitzes tötet oder My Girl von Howard Zieff, der in den Augen von Kindern durchaus zu einem Horrorfilm mutieren kann. Die Fallhöhe ist hierbei vor allem bei Filmen des Mainstreams äußerst hoch, da sie prinzipiell ja mit den Mechanismen der Identifikation und der Partnerschaft mit dem Zuseher agieren und so auch die Macht haben, diesen plötzlich fallen zu lassen. Bei The Texas Chainsaw Massacre wird man allerdings von Anfang an alleine gelassen.
Fünf junge Menschen fahren mit einem Van durch das trostlose Texas. Sie fahren zum Haus des Großvaters von Sally und Franklin. Ihre Fahrt wird mit einem rauen who cares-Realismus, im Stil etwa von Cristi Puius Marfa şi Banii, durch karge Sonnenwiesen beobachtet. Das Framing von Hooper wirkt ungeplant, die Kamera scheint begleitend zu reagieren. Hierbei wird bereits auf eine Verité-Authentifizierung gesetzt, die spätesten seit The Blair Witch Project essentiell für eine spezielle Ausprägung des Genres ist und meiner Meinung nach in REC von Jaume Balagueró und Paco Plaza einen formellen Höhepunkt gefunden hat. Dem Blick des Films geht es weniger darum, dass man alles bequem und spannungsgeladen verfolgen kann, sondern dass man an die Geschehnisse glaubt. Die abstrahierten Taschenlampen-Fetzen zu Beginn des Films sind ein schrilles Fest für unsere Erwartungen. Manchmal fährt die Kamera zwar seitlich durch das hohe Gras, aber diese Einstellungen geben kein Gefühl von Eleganz. Vielmehr vermag man die Grashalme zu riechen.
Es ist ein zu großer Zufall, um ihn noch als solchen wahrzunehmen, dass am Vorabend in Peter Kubelkas Was ist Film-Zyklus The Act of Seeing with One’s Own Eyes von Stan Brakhage zu sehen war. Dort begleitet der Künstler verschiedene Autopsien, Menschen, die in ihre Einzelteile gelegt werden bis man entweder kaum mehr Luft, ob der Brutalität der fehlenden Seelen in den Körpern bekommt oder eben bis man die rot-rosa Lichtkugeln nur noch als abstrakte Poesie wahrnimmt. Brakhage benutzt ein Objektiv, das ihn immer ein wenig zu nahe am Geschehen hält, sodass man zwar genau erkennt, was da gerade vor uns aus den Körpern entfernt und umgedreht wird, aber sich doch nie mit einem analytischen Blick beruhigen darf. Diese Bilder machen uns bewusst, dass wir dabei sind. Sie brennen sich in das Gehirn und Brakhage macht uns klar, dass wir mehr nicht sind, eine verformbare Hülle, eine Operation, ein Sterben. Er macht es uns klar, indem er uns sehen lässt. Auch The Texas Chainsaw Massacre wird mit solchen Assoziationen arbeiten. Der Horror ist auch der Rauheit geschuldet, die uns sinnlich aus der Bequemlichkeit des Filmschauens reißt. Die fünf Freunde nehmen einen Anhalter mit, der sich als Wahnsinniger und als Bedrohung entpuppt. Sein verbranntes Gesicht, seine Erscheinung, seine enthusiastische Art und dann schneidet er sich mit einem Messer in die Hand.
Die Verstörung geht hierbei von der völligen Unberechenbarkeit der makaberen Figuren im Film aus. Diese werden weder als das Böse schlechthin noch als das durch Psychologie erfassbare Grauen projiziert sondern schlicht als das Verrückte. Es tut mir fast ein wenig weh, dass so platt zu formulieren, aber ein anderes Wort fällt mir schlicht nicht ein. Sie entziehen sich wirklicher Beschreibungen. Ihre äußere Erscheinung ist sicherlich markant, aber man wird sie nicht greifen können wie spätestens der what-the-fuck Tanz mit der Kettensäge im Gegenlicht des untergehenden Feuerballs zeigt. In dieser Absurdität liegt dann tatsächlich eine andere Form der Identifikation, jene der sadistischen Teilnahme. Es beginnt schon bald eine Menschenjagd, die eigentlich keine Jagd ist, denn alle fünf Freunde gehen zunächst aus eigenen Stücken zum Haus, das sich nahe dem Haus des Großvaters befindet. Dort lauert ein Schlachter mit Ledermaske (Leatherface), der kurzen Prozess mit den Eindringlingen macht. Einzig Sally erlebt mehr als ein schnelles Ableben. Im letzten Drittel des auf die nonchalante Essenz des Genres reduzierte Menschenjagd gibt es eine einzige Noise-Explosion: Der ständige Horror der Motorsäge, die egal in welcher Entfernung sie ist, immer äußerst laut auf uns eindrückt und das brutale Schreien von Sally. Alle anderen Töne unterstützen diesen Ausbruch des Horrors und wenn der Film kurz Luft holt, dann nur um zu Leiden und zu Bangen. Damit schließt der Film gewissermaßen an sein tolles Sound Design aus der Eröffnungssequenz an, in der ich ziemlich sicher war neben dem Klick von Fotoapparaten, auch das Brechen von Knochen zu hören und heftiges Atmen und vielleicht wie schwere Gegenstände in Plastiktüten gestopft wurden.
Wie so viele Häuser, die in den Filmen der Land of the Dead-Reihe zu sehen sind, ist auch das Haus in The Texas Chainsaw Massacre von besonderer Güte. Es gibt zwei Stockwerke. Unten gibt es neben dem Schlachtzimmer samt De grønne slagtere Svend-Kühlboxen, einen wundervollen Feder- und Knochenraum mit einem gackernden Hahn im Käfig, Staub in der Luft und natürlich die Angst der Abartigkeit, weil überall Skelette hängen, Tiere und Menschen vermischt, es ist egal und das karge Esszimmer, ein Holztisch, ein Lichtskelett, so könnte man es bezeichnen. Die Wände sind dekoriert mit Köpfen und Skeletten, es ist wieder ein Haus der Blicke, das man erforscht zusammen mit den Figuren und der Blick der Kamera lässt nicht alles zu, er versteckt die Klarheit und so könnte hinter jeder Wand der Tod laueren. Es ist sicherlich eines der schmutzigsten bewohnten Häuser der Filmgeschichte. Draußen gibt es eine amerikanische Veranda, eine verwahrloste Schaukel und man blickt durch ein Moskitogitter in das Innere des Hauses. Treppen führen nach oben, sie sind eng, das Haus hat keinen Platz. Plötzlich sind die Geländer rosa gestrichen, es sieht aufgeräumt aus, fast kindlich, unschuldig, unberührt. Wo ist der Schmutz? Alleine diese Veränderung macht Angst, wenn man sie zum ersten Mal sieht. Natürlich trügt der Frieden, denn oben lauert die Vergänglichkeit in Form zweier verwesender Körper, von denen einer noch lebt, vielleicht lebt der andere auch noch, es ist egal.
Was nicht egal ist, ist dass es egal ist. Durch das Unbedarfte der filmischen Form und die nichtssagenden Protagonisten wird man in eine interessante Situation gestürzt, indem Moment, indem sich der Horror zum Teil als absurde Schwarzhumorigkeit entblößt. So soll der halbtote Großvater selbst Sally töten, bringt aber nicht mehr genug Kraft auf, ihr mit dem Hammer den Kopf einzuschlagen und auch die unbeholfene Beiläufigkeit von Leatherface sowie die Tatsache, dass ihm die Opfer mehr oder weniger in die Arme laufen, kann einer gewissen Komik nicht entbehren. Diese Komik ist aber sadistisch. Nur, dass der Sadismus hier dem Kino gehört und nicht irgendeiner amoralischen gesellschaftlichen Tendenz. Denn The Texas Chainsaw Massacre ist weder torture porn, noch geht es ihm um die Freude am Leid. Es geht ihm um den Appetit am Sehen. Dieser wird immer dann ausgelöst, wenn wir nicht in Erwartung sind, sondern wenn der Schock von der Leine gelassen wird. Wenn das Böse hier sichtbar wird, dann erscheint es zwar noch immer abartig, aber lange nicht mehr böse, denn diese Gestalten sind unbeholfen, unmenschlich, brutal und absurd. Man denke nur an die Stimme von Leatherface, die Freude daran, mit der Säge Äste zu zersägen als wären sie Menschenbeine, seine Überraschung über die zweite Besucherin und die Streitereien innerhalb der Familie. Wenn man sich nirgends mehr festhalten kann, dann muss man akzeptieren, dass man in einem Land von Psychopathen lebt und dann will man ihnen einfach nur zusehen, dann beginnt man zu genießen und daran ist nichts falsch oder verwerflich, denn das Kino ist ein Garten unserer Blicke und der sadistische Blick ist nicht mehr als eine der interessantesten, abgründigsten Blumen darin.
Die Kopie, die im Filmmuseum zu sehen war, fügte der Rauheit noch einige Kanten hinzu. Zum einen gab es französische Untertitel, die vor allem zu Beginn mit einer derartigen Verzögerung projiziert wurden, dass ich mir nicht sicher war, ob das nicht einfach eine absichtliche weitere Deformierungsstrategie des Films ist. Zum anderen waren die Kratzer und Spuren auf dem filmischen Material von einer poetischen Schönheit, die mit der Direktheit der körnigen Ästhetik von The Texas Chainsaw Massacre nahezu perfekt harmonierte. Ein Film irgendwo aus der Garage, wie eine frühe Aufnahme eines Nirvana-Tracks, manchmal wirkt es so als würden ein paar Teenager einfach Spaß haben, aber so ist das auch bei Takeshi Kitano.