Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

North by Northwest von Alfred Hitchcock

North by Northwest: Ein Blick

Wer starrt dir ins Genick, und war­um ist jener Blick nach vorn mit einem Mal ver­nich­tet, sobald die Augen sich kurz und wirr zur Sei­te bewe­gen? Die Dyna­mik ist noch vor­han­den, das Licht glit­zert in den Pupil­len, und was genau ist es, was dann eigent­lich geschieht?

North by Nor­thwest von Alfred Hitch­cock: Den Blick zunächst auf Eve Kendall’s blon­des Genick gerich­tet, wie die mas­sie­ren­de, männ­li­che, rech­te Hand sich auf ihre lin­ke Schul­ter hin­ab­glei­ten lässt, um in der dar­auf­fol­gen­den Tota­len über ihren Kopf zu strei­cheln, beim glän­zen­den Schei­tel begin­nend, über die dich­te Mas­se ihres silb­ri­gen Haa­res. So strei­chelt man einen Hund. Oder man könn­te die Axt anset­zen, denn die Schul­ter­par­tie wird für uns ja schon ertas­tet. Geprüft auf ihre Stoff­lich­keit. Das hier getra­ge­ne rote, schwe­re Blu­men­kleid wird Kult­sta­tus errei­chen. Der Rock ist weit und schwin­gend, Unmen­gen an Stoff­bah­nen von schwar­zer Sei­de mit roter Sti­cke­rei wur­den zu wei­ten Schwün­gen genäht, das Ober­teil ist schmal, betont die Tail­le, der Aus­schnitt rund und lässt den Rücken in einem spit­zen Aus­schnitt immer wie­der erbe­ben. Die strei­cheln­de Hand aber bewirkt in die­sem Moment rein gar nichts. Und das ist das Pro­blem. Die grau-sei­de­nen Anzug­ja­cken wur­den funk­tio­nell geschnit­ten und schaf­fen die Illu­si­on von kör­per­li­cher Grö­ße und auch Schlank­heit. Die Illu­si­on der schlan­ken männ­li­chen Linie erhält man hier eben­so prä­sen­tiert durch die Wahl der pas­sen­den grau­en Socken, und durch das simp­le Weg­las­sen eines Gür­tels. Die scho­ko­la­den­brau­nen Der­by-Schu­he sind hier meist das ein­zi­ge, kon­tras­tie­ren­de Acces­soire. I did­n’t rea­li­ze you were an art coll­ec­tor. I thought you just coll­ec­ted corpses.

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Die Män­ner hin­ter ihr, ich fra­ge mich immer wie­der, ob Eve sie rie­chen kann. Oder ob sie etwa des­halb lang­sam ihre Augen auf die Hand an ihrer Schul­ter rich­tet, nur weil sie den Geruch nicht mehr erkennt? Und was ist mit den Anzü­gen, die Man­schet­te und der Ärmel, so dicht an ihrem Ohr? Hört sie das Rascheln des Stof­fes? Die Bewe­gun­gen sei­nes Armes müs­sen doch Geräu­sche pro­du­zie­ren. Doch dann ste­hen wir hin­ter ihr, in eini­ger Ent­fer­nung und ich fra­ge mich, ob ihre Schul­ter und Hals­par­tie nicht auch ein klein wenig Puder auf sei­ner Hand­flä­che hin­ter­las­sen hat? I did­n’t rea­li­ze you were an art coll­ec­tor. I thought you just coll­ec­ted corp­ses. Wenn er sei­ne Hand lang­sam hebt, also von ihr ablässt, hebt sich ihr Brust­korb, sie atmet tief ein, aber ihre Augen deu­ten nicht auf Ruhe hin. Aber die­se sei­ne Last wird er nun anders­wo able­gen. Spürt Eve nicht wort­wört­lich den Atem der hin­ter ihr ste­hen­den Män­ner an ihrem Schei­tel und Nacken? Wir schrei­ben das Jahr 1959 und ihr Haar­schnitt gilt in jener Zeit als «Kurz­haar­schnitt», Frau­en, die so etwas tra­gen, gel­ten als exzen­trisch. Eve ist es nicht: am Ende muss sie hei­ra­ten und mit dem Mann auf einer gemüt­li­chen Zug­rei­se in einen schwar­zen Tun­nel jagen. Die­se Frau wird die Ängs­te des Man­nes nicht lin­dern, in jenem Moment, in dem er sie sich sei­nen Wunsch­träu­men anpas­sen konn­te, da war es auch schon vor­bei mit der Lie­be. You gen­tle­men are­n’t real­ly try­ing to kill my son, are you? So fragt die Mut­ter. Dafür braucht der Sohn nie­man­den ande­ren. Das wird er schon gekonnt sel­ber erledigen.