In der Ferne ein rotes Leuchten im Nebel. The Human Hibernation von Anna Cornudella Castro beginnt bei Tauwetter. Ein kleiner Junge irrt durch einen winterlichen Wald, sucht seine Begleiter, um ihn herum Kühe, die ihre Blicke auf ihn richten. Er erreicht einen von Bäumen umstellten Teich, wo er verzweifelt in den schweren Schnee sinkt und einen Schrei ausstößt. Auch wenn die Zivilisation im Leuchten scheint, bleibt er in seiner Verlorenheit unerlöst. Die Kamera entfernt sich, der Frühling kommt, die Menschen erwachen aus ihrem Winterschlaf. Doch weder erhellen sich die Bilder noch wird der verlorene Junge von seiner suchenden Schwester wiedergefunden. Der Rand jeder Einstellung geht ins Dunkle und Unscharfe über, als würde damit gleichermaßen das namenlosen Gelände charakterisiert werden, in dessen Zentrum sich mehrere Gewässer befinden, die als Portale in andere Welten dienen sollen, wie man sich erzählt. In unterschiedlicher Weise macht sich der Film hier ein Reduktionsprinzip zunutze: Zum einen ermöglicht es durch kleinste Andeutungen, von einer umfangreichen Begebenheit zu erzählen, sodass sich hinter dem fernen künstlichen Leuchten eine ganze fiktive Gesellschaft einer Science-Fiction-Erzählungen befinden könnte. Zum anderen provozieren die erzählerischen Auslassungen, die kaum als solche auffallen, zwangsläufige Hinzufügungen der eigenen Gedankenwelt, sodass sich die Frage nach dem Inhalt des Films bereits absurd darstellt. Diese Erkenntnis wirkt geistreicher, als sie eigentlich ist und schafft es damit sogar in Jurybegründungen. So neigt der Film einerseits zu nichtssagendem blauen Dunst und andererseits zu vieldeutigem Schlummer – nicht schlafend, nicht wach. Er sucht Antworten, versteckt aber seine Fragen. Er möchte menschliche Widersprüche aufdecken, zeigt aber nur Figuren, die einander ähneln. Er versucht die Balance zwischen den Menschen und anderen Lebewesen zu finden, kennt aber nur domestizierte Tiere. Man könnte sich fragen, was sich verändern würde, handelte es sich beim roten Licht nicht um ein Technisches wie das einer Übertragungsleitung, sondern um ein Geisterhaftes, entsprungen aus einem Märchen. Möglicherweise wäre dadurch das Interesse weniger auf die Zivilisation im ewigen Selbstgespräch gelenkt, sondern auf das, was sich außer ihr aufhält und in sie hineintritt. Im Film bleibt es unberührt, ob man überhaupt dem Äußeren der Zivilisation begegnen will, sich dort, sei es durch ein Portal, hinbegeben kann, oder nicht lieber augenreibend zurücktritt. Die Sehnsucht nach dem Mythischen steht in diesem Film, wo der Blick ins Auge einer Kuh die Welt und den Himmel bedeuten, aber auch anderen Filmen, sinnbildlich für vieles – vor allem Ästhetisches – auf der Berlinale. Es handelt sich dabei um eine nur nach außen hin exzentrisch-verbindende, im Innern aber doch selbstbezogene Rhetorik, wo die eigene Stimme mehr zählt, als etwas mit eigenen Augen zu sehen, egal ob neu oder wiederholt. Seltsam, wenn einem dies vergeblich vorkommt. In dieser Hinsicht geht The Human Hibernation trotzdem weiter als andere Arbeiten. Nicht nur nimmt der Film durch seine verhaltenen Gesten Distanz zur übergreifenden Anthropozentrismus-Kritik, ebenso begegnet er dem allgegenwärtigen Diskussionsappell mit Stille. Dass auf der Berlinale nicht diskutiert wird, kann kaum behauptet werden. Würde man nicht genau hinhören, könnte man es aber auch mit einem Selbstgespräch an einem vertrockneten, milchigen Tümpel verwechseln, der angeblich zu anderen Welten führen soll.