Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Please don’t keeks me anymore: That Uncertain Feeling von Ernst Lubitsch

Das Genre der Ehekomödie ist längst ausgestorben, weil die Welt zu absurd ist, um nur über das zu lachen, was man kennt. In That Uncertain Feeling, einem gemeinhin als minder angesehenen, aber so gar nicht minderen Film von Lubitsch dreht sich alles um eine Ehefrau, die an chronischem Schluckauf leidet, wahrscheinlich oder ziemlich sicher, weil sie unglücklich ist in ihrer Beziehung mit einem Versicherungsvertreter, der gerade Hals über Kopf in Verhandlungen mit Matratzenvertretern aus Ungarn steckt. Er führt die immergleichen Dialoge mit ihr, sieht sie nicht an, interessiert sich nur für seine Arbeit und zu allem Überfluss steckt er ihr immer seinen Finger in den Bauchnabel und sagt laut „Keeks“. Irgendwann hält sie es nicht mehr aus, als Möbelstück zu leben. Diese Versicherungsvertreter gibt es natürlich zuhauf und immer noch, meist haben sie weniger Humor als dieser hier.

Lubitsch zeigt hier die erschreckende, aber grausam gewöhnliche Parallelität zwischen Verkaufsgesprächen und einer Ehe. Er müsse sich selbst verkaufen, rät ein Arzt oder Anwalt (sie alle verkörpern dasselbe hier, nennen wir es „Berater des Lebens“) dem verzweifelten Ehemann, dann würde es wieder klappen. Erste Vorboten einer neuen Selbstständigkeit, die Ehe als Testgebiet des neoliberalen Prinzips, in dem man sich selbst zur Ware erklärt. Der Erfolg, so er sich denn äußert, findet hinter verschlossenen Türen statt, der Mann hat erobert, zurückgewonnen, er erlaubt sich kurze Zuckungen, ehe er ganz bescheiden nach Außen hin die Contenance bewahrt, sachlich und tollpatschig, Hauptsache niemand merkt wie wichtig dieser Deal für ihn war. Wer auch immer die Tür hinter sich schließen darf, ist bei Lubitsch auf der Seite des Erfolgs. Das Subversive am Film ist, dass die Ehe als weiterer Schritt in der Karriere entlarvt wird, ein Meilenstein, den es zu meistern gilt. Die vom Film nie genannten Gefühle zeigen sich dann, wenn die Handlungen nicht mehr der selbst auferlegten Logik folgen, wenn sie aussetzen und ins Irrationale driften.

Die Frau jedenfalls lernt im Wartezimmer ihres Schluckauf-Psychiaters einen exzentrischen, weltverneinenden Pianisten kennen und brennt durch, zumindest versucht sie das. Nun ist es so, dass sich viele Paare in den Wartezimmern von Psychiatern kennenlernen, wahrscheinlich, weil es dort mit der Contenance besonders schwierig ist. Es gibt wahrscheinlich wenige Orte, an denen man sich so nackt fühlt. Der Film beweist, dass die verdorbensten Filme Hollywoods innerhalb des Production Codes entstanden. Lubitsch scheint in beinahe jeder Szene damit beschäftigt, die Grenzen dessen auszuloten, was er zeigen darf; let’s not mix musicians and mattresses, sagt jemand während genau das passiert. Der musician ist ein grimmiger Geselle, seine Gefühle äußert er in seiner Kunst, die natürlich nichts anderes ist als Versicherungen oder Matratzen. Scheitert die eine Beziehung am Verkaufsgehabe, zerbricht die andere auch am Dauergeklimper; insgesamt wohl daran, dass die Egos der Männer sich um ihre Berufe drehen und die Liebe für sie eine Vereinigung von Beruf und Bewunderung bedeuten. Als die Frau ihren ursprünglichen, im Sinne des Films eigentlichen Mann als mittelmäßigen Verkäufer bezeichnet, trifft ihn das am Schwersten.

Einmal gibt es ein Abendessen, das der Gatte für die wichtigen Kunden aus Ungarn gibt. Er bittet seine Frau an der entsprechenden Stelle ein lautes „Egészségedre!“ zum Besten zu geben, was eine Nostalgietirade zur Folge hat, in der sich sämtliche anwesende Ungarn ihren Heimatgefühlen hingeben. Mit den Matratzen hat es ohnedies so eine Bewandnis, stehen sie doch zugleich für die Essenz und die Abnutzung einer Ehe zugleich, das Abenteuer und den Alltag, das Liebemachen und die Rückenschmerzen, die Geborgenheit und die Schlaflosigkeit. Hinter den Bildern grinst irgendwo Lubitsch, der so leicht erscheinen lässt, was so schwer ist. Er baut eine Szene auf wie einen großen, runden Kuchen. Sobald geklärt ist, was die Zutaten des Kuchens sind, beginnt er damit, genüsslich kleine Stücke herauszuschneiden, immer genau so groß, dass sie auf das Ganze schließen lassen und ganz gründlich, bis nichts mehr übrig bleibt. Im Gegensatz dazu scheinen Komödien heute nur noch zu wissen, wie man den Kuchen in Gesichter wirft. Womöglich war die Ehekomödie auch prädestiniert für das Studiosystem, als das Filmemachen einem gewissen Alltag folgte, indem bestimmte Regelmäßigkeiten, so albern sie auch scheinen mögen, den Ablauf regelten. Wahrscheinlicher ist aber, dass wir die Ehe heute einfach nicht mehr Ernst genug nehmen, um darüber zu lachen.