Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Promised Land von Gus Van Sant

In ein enges Drehbuchkorsett geschnürt, vermag „Promised Land“ von Gus Van Sant hinter seinem biblischen Titel, seinen moralischen Zusammenbrüchen und seine Abarbeitung von Klischees (Drehbuch: John Krasinski/Matt Damon) auch ein letztes Röcheln eines Western beherbergen. Fremde Menschen kommen in eine kleine verlassene Stadt und sie wissen noch gar nicht, dass sie dort womöglich als Helden davonreiten beziehungsweise bleiben werden. Es ist ein Snatched from today’s headlines-Thema, dem sich das eingespielte Team um Superstar Matt Damon hier gewidmet hat. Zwei Consultants einer Fracking-Firma fallen in Dörfer ein und überzeugen die Bewohner von Natural Gas, das heißt, dass sie die Farmer vom Geld überzeugen. Es geht darum, dass ihr Arbeitgeber, der Energiekonzern „Global“ die Länder pachten will, um dort mit fragwürdigen Methoden Gas abzubauen. Nun stößt das eingespielte Duo Steve (Matt Damon) und Sue (Frances McDormand) im Nirgendwo in Pennsylvania auf überraschende Schwierigkeiten. Zunächst macht der stets weiße und mit gläsernen Augen kluge Ratschläge verteilende Hal Holbrook auf die Risiken dieser Methode aufmerksam und dann kommt auch noch ein gerissener Umweltschützer (John Krasinski) in den Ort gefahren. Der Film hält sich so extrem an Drehbuchkonventionen, dass weitere Entwicklungen eigentlich kaum der Rede wert sind. Es gibt eine Liebesgeschichte, es gibt einige heftige Twists und Plot-Points und es gibt eine Hauptfigur, die am Ende nicht mehr das ist, was sie am Anfang war. Das „Promised Land“ ist wieder das geglättete amerikanische Kino, auf Oscars schielend und irgendwo genauso „Global“ wie „Global“. Aber im Gegensatz zum Beispiel zu Jean-Marc Valées „Dallas Buyers Club“, der Matthew McConaughey dieses Jahr einen Oscar bescherte, vermag Gus van Sant in seinen social-issue Schablonenfilm Aufrichtigkeit bringen. Das liegt zum einen an seinem Understatement. Es gibt keine Hysterie, keine großen Gesten, sondern lediglich ein kleines inneres Drama und ein großes äußeres Drama, das mit Pathos zwar niemals bricht, aber ihn dennoch auf der amerikanischen Ebene erzählt, auf der er auch spielt. Das gewohnte Gefühl für Musik, das solide Schauspiel und eine glaubwürdige Bildsprache helfen Van Sant, dass ich mir nicht endgültig wünsche, dass man ihn irgendwo mit einer Kamera auf einem Elefanten in der Wüste aussetzt mit einem Skateboard und einer Gitarre und ihn fragt: Do you remember?

Promised Land

„I’m not a bad guy“, sagt Damon zweimal im Film und mal ganz ehrlich: Hätte jemand Matt Damon, der hier umso mehr aussieht wie ein Teddy-Bär für einen Bad Guy gehalten? Das Drehbuch spielt jedenfalls jene Karte, die auch bei „Dallas Buyers Club“ ein ums andere Mal gespielt wurde: Ambivalenz. Ambivalenz scheint mehr und mehr das neue Klischee im Matinee-Kino der Vereinigten Staaten zu werden. Denn nur wer von ambivalenten Figuren erzählt, wird noch angehört. Es erklärt sich von selbst, dass Ambivalenz in diesen Filmen immer darauf beruht, dass man die Figuren besser versteht statt-wie das halt so ist mit der Ambivalenz-sie weniger zu verstehen. Und zudem soll Fehlerhaftigkeit am Ende immer zum Empathiegewinn führen. Als Schauspieler hat sich Matt Damon seit „Good Will Hunting“ sicherlich weiterentwickelt, als Drehbuchautor nicht.

Aber ich habe mir den Film als einen Western angesehen, als eine Art „Hud“ oder „Bad Day at Black Rock“. Ein Anti-Western-Drama in dem vom Westen nur noch die mürrischen Gesichter bleiben, die in die grüne Landschaft wie Dreckspritzer getupft werden und nur darauf warten vom „Fuck You“ Geld der großen Konzerne vernichtet zu werden. Männer begegnen sich noch in Duellen, sie ertrinken nachts ihre Sorgen und versuchen krampfhaft, keine Emotionen zu zeigen. Hier kommt nicht mehr nur die Eisenbahn, die in ein Promised Land führt, sondern hier kommt der Zug an, Endstation. Alle Aussteigen. Aber es entspricht dem Herz des amerikanischen Kinos, dass es sich weigert. Und das ist gut so, selbst wenn es mir unrealistisch, pathetisch oder gar bescheuert vorkommt. Denn wie sagt der französische Rennfahrer Jean Girard (Sacha Baron Cohen) in „Talladega Nights: The Ballad of Ricky Bobby“ zu Ricky Bobby (Will Ferrell), nachdem er ihn geküsst hat? „You taste of America.“ Und was antwortet Ricky? „Thank you“. Ironie war schon immer die bessere Ambivalenz.