Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Unfinished Dances: On the Silver Globe von Andrzej Żuławski

Alles zit­tert jetzt. Der blaue-graue Fil­ter in den Weit­win­kel-Wüs­ten­land­schaf­ten in Andrzej Żuław­skis „On the Sil­ver Glo­be“ (pl:  «Na sre­brnym glo­bie») ist eine Orgie der Irra­tio­na­li­tät. Inmit­ten bibli­scher Alle­go­rien in einer ost­eu­ro­päi­schen Sci­Fi-Meta­phi­lo­so­phie («Die Lunar Tri­lo­gie» von Jer­zy Żuław­ski) fin­det sich vor allem eins: Schön­heit. Blu­ten­de Gesich­ter, die mit ver­ge­hen­den Augen in die Kame­ra star­ren, tan­zen­de Kämp­fe an einem wei­ßen Strand, ein blau­es Feu­er, das sich auf der blas­sen Haut bewegt. Die Dreh­ar­bei­ten zu „On the Sil­ver Glo­be“ wur­den 1978 von der pol­ni­schen Regie­rung auf­grund dubio­ser Anschul­di­gun­gen bezüg­lich sub­ver­si­ver Inten­tio­nen von Zulaw­ski gestoppt. 80% der Auf­nah­men waren dann abge­dreht und der Rest soll­te nie vor der Kame­ra ent­ste­hen. Nach zehn Jah­ren im fran­zö­si­schen Exil kehr­te Zulaw­ski zurück, um den Film zu been­den. Cast und Crew hat­ten die bereits gedreh­ten Rol­len auf­be­wahrt, aber ansons­ten gab es nichts mehr: Kei­ne Schau­spie­ler, kei­ne Sets, kei­ne Kos­tü­me. Zulaw­ski ent­schied sich die feh­len­den Stel­len mit einer Voice Over Nar­ra­ti­on zu erzäh­len, dazu ein Bil­der­rausch zeit­ge­nös­si­scher Ein­drü­cke, an deren Ende der Regis­seur selbst in einer Spie­ge­lung steht. Er hat die Ent­ste­hung des Films mit in den Film ein­ge­ar­bei­tet, er wür­de den Film allen wid­men, die dar­an gear­bei­tet haben. 1988 fei­er­te die Ver­si­on auf den Film­fest­spie­len in Can­nes Pre­miè­re. Jedes feh­len­de Bild berei­chert „On the Sil­ver Glo­be“, jeder Schat­ten auf den auf­schim­mern­den Gesich­tern spie­gelt die Ver­gäng­lich­keit im Men­schen, im Schau­spie­ler und im Film.

On the Silver Globe

Als wür­de jemand durch einen Raum tan­zen und man wür­de nur Fet­zen sei­ner Bewe­gung erken­nen, in einer hys­te­ri­schen Wahr­heit, immer weit dar­über hin­aus, kei­ne Sekun­de zurück­hal­tend oder boden­stän­dig. Die feh­len­den Stel­len sind nicht allei­ne Grund für das Cha­os Das Cha­os ist die Struk­tur von Zulaw­ski. Sei­ne Dia­lo­ge sind poe­tisch for­mu­lier­te Phi­lo­so­phie, sie wer­den nicht gespro­chen son­dern aus­ge­drückt durch Kör­per. Die Kame­ra bewegt sich immer­zu, sie ist ent­fes­selt, völ­lig frei und sie gibt kei­nen Halt, nein. In der ers­ten Hälf­te des Films ist die Kame­ra die­ge­tisch ver­an­kert, eine Figur trägt sie durch den Film und altert. Mit ihr altern wir und es stellt sich mehr und mehr die Fra­ge: Was bedeu­tet es, Mensch zu sein? Zudem flie­gen­de Asso­zia­tio­nen zur Heu­che­lei der Dar­stel­lung, ein Film, der sich hasst. Eine Dis­har­mo­nie der Schön­heit ent­steht durch das Grau­en, das Ani­ma­li­sche, das hier kei­ner los­wer­den kann. Blut fließt am Strand der Göt­ter, bun­te Far­be wird über kel­ti­sche Sym­bo­le gesprüht. Es gibt einen Krieg mit einer Grup­pe von Mutan­ten, die alle Ver­wand­te des mons­trö­sen Lieb­ha­bers in „Pos­ses­si­on“ sein könn­ten. Sie tra­gen etwas in sich, dass aus uns selbst kommt, eine Angst, eine Wahr­heit, sie sind unser Trieb. Durch die gezwun­ge­nen und unge­zwun­ge­nen Ellip­sen ent­steht eine Bewah­rung der Momen­te, klei­ne Augen­bli­cke wie die Fotos eines Lebens, die an uns vor­bei­hu­schen. Ein deka­den­ter Zer­stö­rungs­trieb, der so unfass­bar über­wäl­tigt, der so schön ist, dass ich zit­tern muss. Zulaw­ski gibt mir etwas für das Ster­ben mit ins Leben. „On the Sil­ver Glo­be“ kommt nie zur Ruhe, aber er hat Momen­te der Erkennt­nis und die­se sind immer mit dem Ster­ben ver­bun­den. Wie das Licht des Films, so ster­ben auch die Men­schen. Oder es stirbt etwas in ihnen. Es wird klar, dass ein Film, wenn er vom Ster­ben spricht, auch von einem Tod in uns spre­chen kann. Bei Zulaw­ski stirbt die See­le immer im Ange­sicht des ster­ben­den Kör­pers. Aber viel­leicht ist der ster­ben­de Kör­per, die nach außen gekehr­te Seele.

Das Schau­spiel wirkt immer wie­der wie ein Tanz, eine Cho­reo­gra­phie der frem­den Exis­ten­zen, Men­schen gehen um sich selbst her­um, die Kame­ra mit ihnen, sie umschlin­gen sich und schrei­en, alles ist Expres­si­on. Alles ist mög­lich. Das Ratio­na­le kann nicht exis­tie­ren, weil es nur ein wei­te­res Objekt des Zwei­fels ist. Die Figu­ren fol­gen hier kei­ne Psy­cho­lo­gie. Sie sind getrie­ben von der Welt selbst, von ihren Trie­ben, ihrer Ver­zweif­lung, ja sind sie über­haupt Men­schen? Die Lyrik von Zulaw­ski ver­bie­tet mehr als den Ein­druck, der sich in die See­le brennt. Jedes Wort mehr ist Aus­druck einer Machtlosigkeit.