Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Schall und Rauch: Terra von Rossana Torres, Hiroatsu Suzuki

Ob es ein Interesse gibt für die Erde, ohne eine Faszination am Mysterium, das sie verbirgt? In ihrem dritten gemeinsamen Film Terra verneinen Rossana Torres und Hiroatsu Suzuki diese Frage mit Nachdruck, weil die hochsensiblen Rezeptoren ihrer Ton- und Bildgeräte nach jenen Regungen suchen, die man nur wahrnimmt, wenn man glaubt, dass man dann genau das sehen und hören kann, was eigentlich außerhalb, vom Menschen abgewandt seinen natürlichen Gang geht. Im Fall des Films, der wie viele den wenig bescheidenen Titel des Bodens, der Heimat und des Festlands in sich trägt, betrifft dieser Hors-Champs die Arbeit des Feuers. Genauer gesagt die Arbeit zur Erstellung von Holzkohle rund um einen Meiler. Eine Technik, die eines sogenannten Köhlers bedarf und jenseits einer industriellen Variante in Fabriken fast ausgestorben ist in weiten Teilen Europas. Nicht so in Alentejo, jener Provinz im Südosten Portugals, die spätestens durch das Kino von António Reis und Margarida Cordeiro einen beinahe mystischen Status im portugiesischen Kino innehat. Eine Art Pilgerstätte der Bildwerdung, der fruchtbare Boden einer im wahrsten Sinne des Wortes bodenständigen und doch poetischen Form über die Welt nachzudenken.

Im Film gibt es zwei Protagonisten. Der Köhler Nuno und der Rauch, den seine Arbeit produziert. Nun ist es so, dass man im zeitgenössischen Kino nicht gerade gefeit ist vor einer beständigen Rückkehr in die Natur, einem Interesse an jenen, die traditionelle, vom Aussterben bedrohte Berufe ausüben. Das Kino definiert sich noch einmal über das, was eigentlich schon verloren ist. Die Analogie zum eigenen Medium und dessen Verschwinden spielt dabei eine entscheidende Rolle; im Fall von Terra ist es eine Hinwendung an das Analoge über das Digitale. Bevor es einen Film gibt, gibt es im Digitalen die Möglichkeit einen Film auszuprobieren, an einem Ort zu sein, aufzunehmen, weiter zu denken, Files zu verwerfen, wieder von vorne zu beginnen. Weniger wird hier Zeit aus der Welt geschnitten, als Zeit ausgegeben.

Nuno ist ein schweigsamer Protagonist, die beiden Filmemacher interessieren sich für seine Handgriffe, aber noch mehr für seine Position in der Umgebung. Es ist eine kontemplative Studie von Einsamkeit vor einer beeindruckenden, entrückten Kulisse. Der Vorgang am Meiler dauert einige Wochen. Der Köhler kümmert sich um das Feuer. Es knistert, es dampft, man hört zu. Terra ist einer dieser Filme, die einen daran erinnern, dass einer der größten Filme vor unseren Augen abläuft, wenn wir intensiv ins Feuer blicken. Die Arbeit einer Zersetzung und das Geheimnis einer sich verändernden Form. Mit der Ausnahme gelegentlicher Ausflüge in die nähere Umgebung, die den Raum in der Zeit des brennenden Feuers auffangen, erläutern und für sich belassen, konzentriert sich der Blick mehr und mehr auf den Rauch.

Unerklärlicher, faszinierender, undurchdringlicher Rauch, der aus den geöffneten Mündern des Meilers in die Welt gedrückt wird. Weniger als ein Porträt dieser wundervollen Arbeit ist Terra eine direkte Frage an die Erde und das, was mit und unter ihr passiert. Man spürt eine Sehnsucht einzudringen in diesen mysteriösen Hügel in der Landschaft, einzutauchen, zu verbrennen. Dann aber ist da eine demütige Distanz. Sie hält sich zurück und schweigt, sodass man mehr und mehr versteht, dass weder Nuno noch die Filmemacher etwas von uns wollen. Es ist ein ethisches Paradox. Man dringt mit einer Kamera in eine Welt und Arbeit ein, deren Unschuld man festhalten will. Wie kann man über die Natur lernen, ohne in sie einzugreifen?

Die Antwort von Rossana Torres und Hiroatsu Suzuki ist Geduld und Neugier, Stille und Freiheit. Die letzte Szene zeigt in überwältigender Manier, welches Schauspiel sich vor den Augen und Ohren abspielen kann, wenn man einfach nur präsent ist. Ein Schwarm an Kranichen zieht über den sich verdunkelnden, in lilablau getunkten Himmel über die Felder Alentejos in die Nacht. Ihre Rufe wecken die Erhabenheit eines Films, der eigentlich keinerlei Anspruch zu haben scheint, der womöglich zu leise ist, um gehört zu werden, der nichts erfinden will, sondern nur im Kino eine Möglichkeit sieht, eine Möglichkeit zu sein. Ein ausgestorbener Film sozusagen. Doch so wie der Rauch, den der Film aus sämtlichen Perspektiven fotografiert, bleibt auch etwas vom Film bestehen. Es ist weniger die Kontemplation, von der man inzwischen mehr als genug gesehen hat oder die Arbeit dieses Mannes.

Wie oft in ernst gemeinter Kunst ist es etwas Abstraktes, das aus der Beobachtung der Realität gewonnen wird. Ein friedvoller Film, dessen harmonisierende, beinahe nostalgischen Gefühle ehrlich sind. Eine Erinnerung daran, dass man nicht verstehen muss, was man sieht, um es zu fühlen. Ein Mysterium, das sich für die Erde interessiert. Etwas Rauchendes, Arbeitendes zwischen Feuer, Holz und Erde.