Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Sommerkinos ohne Programm

Betrach­tet man die Pro­gram­me der die­ser Tage wie­der in den Groß­städ­ten auf­ge­bau­ten Som­mer­ki­nos, fällt einem auf, dass sie im stren­ge­ren Sinn kein Pro­gramm haben. Sie zei­gen Fil­me. Manch­mal the­ma­tisch grup­piert. Manch­mal hand­ver­le­sen aus­ge­wählt. Manch­mal von Algo­rith­men vor­ge­schla­gen (so scheint es). Meist mit mehr als einem zum Publi­kum schie­len­den Auge (bloß kei­ne Über­for­de­rung unter frei­em Him­mel! Was im Win­ter Erfolg hat­te, wird im Som­mer Erfolg haben!). Aber sie haben kei­ne Idee vom Kino. Sie erzäh­len nichts. Die Fil­me wer­den hin­ter­ein­an­der gezeigt, nicht mit­ein­an­der oder gegen­ein­an­der oder aus­ein­an­der her­vor­ge­hend. Im Frei­luft­ki­no wur­de der wie­der­keh­ren­de Zuschau­er auf­ge­ge­ben. Das ein­zel­ne Erleb­nis zählt, nicht das Gefühl, an einer Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Leben oder der Kunst teil­zu­ha­ben, die sich über meh­re­re Fil­me streckt. Viel­leicht ist das ohne­hin ein ana­chro­nis­ti­scher Gedan­ke. Grö­ße­re Pro­gramm­bö­gen sucht man heu­te über­all mit der Lupe. Finan­zi­ell und poli­tisch wird die Viel­sei­tig­keit, die Viel­stim­mig­keit hono­riert. Koope­ra­tio­nen ent­le­di­gen sich der Idio­syn­kra­sie, Events erset­zen jed­we­de über­grei­fen­de Aus­ein­an­der­set­zung, die Angst vor den lee­ren Sit­zen im Mond­licht ver­dun­kelt die Lein­wand. Man geht davon aus, dass es ein paar Aben­de für wirk­lich jeden gibt. Nicht zu vie­le, sodass genug für die ande­ren bleibt. Das Kino ist angeb­lich für alle, nur nicht gleich­zei­tig. Der Anlass ist wich­tig, dar­auf kann man sich eini­gen. Ein Date, ein biss­chen Abküh­lung unter Ster­nen oder unter Mücken. Ein Abend­essen und danach ein Film. Som­mer­ki­nos, eigent­lich ein Ober­be­griff, der vie­le ver­schie­de­ne Ansät­ze beher­ber­gen könn­te, sind zur eige­nen Mar­ke ver­kom­men. Wie Spei­se­eis. Man ver­bin­det das Som­mer­ki­no mit einem Gefühl und mit Zika­den­ge­sang. Der Film spielt eine Neben­rol­le. Man soll sich nicht ins Kino ver­lie­ben, son­dern im Kino ver­lie­ben. Gezeigt wer­den Arbei­ten, die frü­her im Abend­pro­gramm auf Pri­vat­sen­dern gezeigt wur­den, soge­nann­te Kult­fil­me, High­lights des Jah­res, «Klas­si­ker» (die auch im rest­li­chen Jahr eine selt­sa­me Platz­hal­ter­funk­ti­on ein­neh­men), Koope­ra­ti­ons­fil­me, dann doch wie­der His­to­ri­sches und Fes­ti­val­ki­no. Nie­mand kann sich beschwe­ren, ist doch alles da. Man­che set­zen ver­schie­de­ne Kura­to­rin­nen ein. Alle dür­fen mal einen Film aus­su­chen und sich Kura­tor nen­nen. Frü­her waren das ein­fach Anru­fer bei Radio­sta­tio­nen, die sich ein Lied wün­schen durf­ten. Die Zusam­men­stel­lung der Fil­me, lässt kei­nen Rück­schluss auf den Geschmack oder gar das Den­ken derer zu, die die­se Pro­gram­me zusam­men­stel­len. Sicher­lich, man könn­te die Tat­sa­che, dass Men­schen ins Som­mer­ki­no gehen (und nicht in einen Film) auch für Ande­res nut­zen. Für ein Pro­gramm bei­spiels­wei­se. Aber man fürch­tet sich, dass wer die­ses sum­mer fee­ling, die­se Feri­en­stim­mung ver­liert im Som­mer­ki­no. Aus­nah­men gibt es, aber sie ver­schwin­den zuneh­mend in der Domi­nanz der Zuge­ständ­nis­se. Das Kino (und das ist lei­der kei­ne Sache der Frei­luft­ki­nos allein) fei­ert sich selbst als sozia­len Ort und ver­gisst dabei, dass es Fil­me zeigt. Das ist frei­lich eine Über­trei­bung, aber das lässt sich auch über jedes Wort sagen, dass die­se Kinos nut­zen, um die gezeig­ten Fil­me zu beschrei­ben. Der angeb­lich heh­re Kampf um den Fort­be­stand des Kinos, er führt rasant in ein ganz­jäh­ri­ges Sommerkino.