Betrachtet man die Programme der dieser Tage wieder in den Großstädten aufgebauten Sommerkinos, fällt einem auf, dass sie im strengeren Sinn kein Programm haben. Sie zeigen Filme. Manchmal thematisch gruppiert. Manchmal handverlesen ausgewählt. Manchmal von Algorithmen vorgeschlagen (so scheint es). Meist mit mehr als einem zum Publikum schielenden Auge (bloß keine Überforderung unter freiem Himmel! Was im Winter Erfolg hatte, wird im Sommer Erfolg haben!). Aber sie haben keine Idee vom Kino. Sie erzählen nichts. Die Filme werden hintereinander gezeigt, nicht miteinander oder gegeneinander oder auseinander hervorgehend. Im Freiluftkino wurde der wiederkehrende Zuschauer aufgegeben. Das einzelne Erlebnis zählt, nicht das Gefühl, an einer Auseinandersetzung mit dem Leben oder der Kunst teilzuhaben, die sich über mehrere Filme streckt. Vielleicht ist das ohnehin ein anachronistischer Gedanke. Größere Programmbögen sucht man heute überall mit der Lupe. Finanziell und politisch wird die Vielseitigkeit, die Vielstimmigkeit honoriert. Kooperationen entledigen sich der Idiosynkrasie, Events ersetzen jedwede übergreifende Auseinandersetzung, die Angst vor den leeren Sitzen im Mondlicht verdunkelt die Leinwand. Man geht davon aus, dass es ein paar Abende für wirklich jeden gibt. Nicht zu viele, sodass genug für die anderen bleibt. Das Kino ist angeblich für alle, nur nicht gleichzeitig. Der Anlass ist wichtig, darauf kann man sich einigen. Ein Date, ein bisschen Abkühlung unter Sternen oder unter Mücken. Ein Abendessen und danach ein Film. Sommerkinos, eigentlich ein Oberbegriff, der viele verschiedene Ansätze beherbergen könnte, sind zur eigenen Marke verkommen. Wie Speiseeis. Man verbindet das Sommerkino mit einem Gefühl und mit Zikadengesang. Der Film spielt eine Nebenrolle. Man soll sich nicht ins Kino verlieben, sondern im Kino verlieben. Gezeigt werden Arbeiten, die früher im Abendprogramm auf Privatsendern gezeigt wurden, sogenannte Kultfilme, Highlights des Jahres, «Klassiker» (die auch im restlichen Jahr eine seltsame Platzhalterfunktion einnehmen), Kooperationsfilme, dann doch wieder Historisches und Festivalkino. Niemand kann sich beschweren, ist doch alles da. Manche setzen verschiedene Kuratorinnen ein. Alle dürfen mal einen Film aussuchen und sich Kurator nennen. Früher waren das einfach Anrufer bei Radiostationen, die sich ein Lied wünschen durften. Die Zusammenstellung der Filme, lässt keinen Rückschluss auf den Geschmack oder gar das Denken derer zu, die diese Programme zusammenstellen. Sicherlich, man könnte die Tatsache, dass Menschen ins Sommerkino gehen (und nicht in einen Film) auch für Anderes nutzen. Für ein Programm beispielsweise. Aber man fürchtet sich, dass wer dieses summer feeling, diese Ferienstimmung verliert im Sommerkino. Ausnahmen gibt es, aber sie verschwinden zunehmend in der Dominanz der Zugeständnisse. Das Kino (und das ist leider keine Sache der Freiluftkinos allein) feiert sich selbst als sozialen Ort und vergisst dabei, dass es Filme zeigt. Das ist freilich eine Übertreibung, aber das lässt sich auch über jedes Wort sagen, dass diese Kinos nutzen, um die gezeigten Filme zu beschreiben. Der angeblich hehre Kampf um den Fortbestand des Kinos, er führt rasant in ein ganzjähriges Sommerkino.

