Land of the Dead: Inside/Outside of a Ritual

Drei Filme kreisten am Freitag im Rahmen der Land of the Dead-Reihe im Österreichischen Filmmuseum um Schwarze Magie und unheimliche Rituale: The Wicker Man von Robin Hardy, Invocation of my Demon Brother von Kenneth Anger und The Devild Rides Out von Terence Fisher. Die hohe Bedeutung von heidnischen Kulten, Satanismus und Ritualen generell für Horrorfilme bringt mich in meinem fast als Selbstversuch angelegten Tauchgang in das Reich des Horrors auch wieder zu allgemeinen Überlegungen zum Genre. Ich hatte einzig den Kenneth Anger Film bereits gesehen und wurde vor allem von Terence Fisher und seinem in jeder Sekunde fesselnden The Devil Rides Out begeistert. Was für ein Film!

The Devil Rides Out

Nach einer gefühlt eine Minute dauernden Exposition, in der Rex seinen alten Freund de Richleau (gespielt in einer abartigen Präsenz von Christopher Lee irgendwo zwischen unbestechlicher Autorität und Komik) wiedertrifft, wirft einen Fisher mitten in sein Geschehen rund um die beiden Freunde und einen dritten Freund, Simon, der sich der schwarzen Magie hingegeben hat. Richleau durchschaut das Spiel sofort, denn er ist ein Experte in der Bekämpfung von schwarzer Magie: „I have never told you but I am…“ Fisher hält sich niemals unnötig mit Erklärungen und Psychologisierungen auf, er wirft einen mitten in seine Szenen, mit atemberaubenden Perspektivwechseln und Erschütterungen des Glaubens an die Realität und die Wahrheit des filmischen Bildes. Die Freunde geraten in einen Strudel der Abhängigkeiten und der hypnotischen Kräfte von Satan selbst und seinen Anhängern. Dabei spielen Augen und was sie sehen eine entscheidende Rolle. Fisher schneidet immer wieder in Close-Ups weit geöffneter Augen, er deformiert die Augen mancher Protagonisten und viel allgemeiner entscheidet der unwissende und wissende Blick hier alles. Denn Rex, wird praktisch wie der skeptische Zuschauer in das Geschehen geworfen. Er muss lernen zu glauben. Er steht eigentlich auf der Außenseite, aber wird durch eine nur durch Augen erzählte Liebesgeschichte und seine Freundschaft zu Richleau involviert. Dieser Richleau dagegen ist ein Wissender, er weiß mehr, er sagt ständig: „I know“. Je nachdem aus welcher Perspektive der Film erzählt, finden wir uns so in vielen Momenten voller Suspense, entweder weil wir zusammen mit den Protagonisten das Unbekannte erschließen müssen oder weil wir in Erwartung des Schlimmsten sind und in Vertrauen zu Richleau beginnen zu wissen, was sonst niemand im Film weiß. Man ist entweder innen oder außen.

The Wicker Man2

In The Wicker Man ist man außen. An dieser zunächst banal erscheinenden Frage, also ob man sich außerhalb oder innerhalb von Ritualen befindet, hängen ganze dramaturgische Strukturen, Auflösungsentscheidungen und auch weitere Fragen wie jene nach der Ernsthaftigkeit und des Zynismus des Genres, der Relevanz von logischem Verständnis und den Spannungsfeldern von Allegorien und Spiritualismus. Beide Filme beginnen mit der Ankunft eines einsamen Flugzeugs in eine fremde Welt. In The Wicker Man landet der katholische und sehr ernste Polizist Sergeant Howie auf einer verlassenen schottischen Insel, auf der ein Mädchen als vermisst gemeldet wurde. Bereits bei seiner ersten Interaktion mit den Fremden auf der Insel ist er isoliert. Sie schicken ihm erst nach mehrfachem Drängen ein kleines Boot, um ihm vom Flugzeug ans Ufer zu transportieren. In der ersten Hälfte des Films erschließt Regisseur Robin Hardy zusammen mit dem Polizisten die Merkwürdigkeiten der Insel. Dabei geht es zum einen um die latente Bedrohung eines bizarren Krimis im Schatten eines heidnischen Glaubens und zum anderen um eine humoristische Erschließung der Inselbewohner samt ihrer zum Teil ekligen, zum Teil bedrohlichen, zum Teil sexistischen Rituale. Die Besonderheit am Film ist, dass die Figur, die unseren Blickwinkel teilt, also Sergeant Howie keineswegs sympathisch ist. Er ist ein Fremder unter Fremden und so wird unsere Perspektive nochmal nach außen verlegt. Dennoch ist seine Isolation äußerst typisch für ein Genre, das immer wieder alles versucht, um seine Figuren voneinander zu trennen und so die maximale Spannung erzielen möchte. The Devil Rides Out hängt immer wieder an den Fragen von Zusammenbleiben oder sich Isolieren. Durchgehend wird es bedrohlich, wenn Figuren sich auf eigene Faust durchschlagen wollen, wenn sie nicht an die Gefahr glauben. Sinnbildlich dafür steht der Kreis den Richleau mit Kerzen und auf den Boden gemalten Schriftzeichen bildet, um das Eindringen des Teufels zu verhindern. Der Teufel versucht mit Hilfe der Imagination auf die Figuren einzuwirken und sie aus der Gruppe zu lösen. Wer glaubt, verschwindet im Horror und genau das schafft der Film hier selbst, denn er arbeitet so intensiv und lange auf die Imagination des Zusehers ein bis dieser selbst nicht mehr weiß, was er glauben darf und soll. Die Selbstverständlichkeit des Horrors und des Zweifels daran sind eine wahnsinnige Stärke des Films. Trotz humoristischer Momente und auch einer irrsinnigen Szene mit einer riesigen Spinne, nimmt der Film seine Ängste ernst. Hier liegt vielleicht einer meiner Probleme, die ich sonst häufig mit dem Genre habe: Fisher nimmt sein Genre völlig ernst und vor allem nimmt er die Ängste seiner Figuren ernst. Da gibt es keinen augenzwinkernden Zynismus sondern nur Emotion. Bei Filmemachern wie Dario Argento oder Brian De Palma hatte ich immer das Gefühl, dass sie über ihren Filmen schweben, dass sie uns eine identifikatorische Lust am Horror vermitteln wollen. Bei Fisher gibt es diese Lust auch, sie ist aber Teil einer Notwendigkeit seiner diegetischen Welt, sie wird nicht von außen auf die Filme geworfen sondern existiert auch jenseits des Films. Fisher ermöglicht auch Skeptikern den Zugang zum Genre, weil er den Zweifel mit verarbeitet, den Zweifel an Horror, den Zweifel am Übersinnlichen, aber auch den Zweifel an Film.

The Devil Rides Out2

Mich erinnerte The Devil Rides Out in seiner grün-schummrigen Farbgestaltung, in seiner hypnotischen Sogkraft und in seinen virtuosen Perspektivwechseln, die fast immer eine neue Form der Spannung erzeugen an Alfred Hitchcocks Vertigo. Nicht zuletzt wird in beiden Filmen die Zeit selbst angezweifelt. Beide umarmen in einer kinematographischen Eleganz und Souveränität die Schönheit von Angst. So verschwindet die junge, vom Teufel besessene Frau im zarten Spurt in einen dichten Wald, ganz so als würde sie gleich unter der Golden Gate Bridge abtauchen. Bei Fisher steht kaum etwas über den Rändern, er zeigt immer das Entscheidende und nicht das Offensichtliche, seine Szenen beginnen da wo es interessant wird. So ist die Reaktion oft wichtiger als die Handlung selbst. Ein Beispiel ist ein Schnitt als Richleau seinen Verwandten von den Geschehnissen erzählt und wir in die Szene kommen als diese darauf reagieren. Das Mystische vermag Fisher in Rauchschwaden, unleserlichen Zeichen oder beschlagenen Fenstern beschwören, bei ihm ist der Wind eine Veränderung des Gesichts, der mit aller Kraft versucht zu Isolieren und in uns Einzudringen. Ein tatsächlich sinnlicher Horrorfilm, der sich im Gegensatz zu The Wicker Man und zahlreichen anderen Vertretern der Schau nicht um körperliche Nacktheit bemühen muss, um ein Gefühl von Erotik zu erreichen. Das Erotische liegt hier im Spirituellen und in den abhängigen Augen. Der Spiritualismus steht im krassen Gegensatz zur Strangeness und Komik des Rituals in The Wicker Man, den ich eher als ethnographisches Portrait eines bedrohlich-grotesken Kults bezeichnen würde, denn als Horrorfilm. Schon der Produzentenhinweis vor dem Film deutet auf eine solche Verunsicherung gegenüber der tatsächlichen Existenz der Bewohner von Summerisle und ihres Kults hin. Man würde sich bei den Bewohnern der Insel für den Einblick in ihre Rituale begleiten. Auch die Aufnahmen beim Prozess am Ende des Films haben einen dokumentarischen Wert, die Kamera wirkt direkt involviert, so als würde sie dem Geschehen nur folgen. Die Stilisierung des Fremden und Fantastischen weicht hier-und das ist neben der inhaltlichen Wendung das eigentlich erschreckende am Film-einer dokumentarischen Ästhetik.

The Wicker Man

Hardy übt sich in der völligen Isolation seiner Hauptfigur: Eine Insel, sprachliche Differenzen, Unverständnis und unterschiedliche Vorstellungen von Glauben und Gerechtigkeit. Gewissermaßen hätte der Film auch ein spannendes Double Screening mit Rosemary’s Baby von Roman Polanski abgegeben. Zwei Filme, die sich scheinbar über ihren Horror stellen, aber dann doch einen Zweifel mit all seinen brutalen Konsequenzen schüren. Der Unterschied liegt in der Psychologie der Protagonisten und auch der Zuseher. Denn an einer tief aus dem Inneren empfunden Angst hat der Kultfilm (in jeder Hinsicht) The Wicker Man gar kein Interesse. Vielmehr geht es ihm um eine schwarzhumorige Fremdheit, die sich im seltsamen Mix außerordentlicher Momente wie einer unkommentierten Orgie am Strand, einem nackten Balztanz mit Gesang der Tochter des Wirts aus dem Nachbarzimmer, eigenwilliger Musicaleinlagen oder einer abgetrennten Hand als Schlafmittel offenbaren. Das Abartige zeigt sich in allen drei Filmen des Abends. Es ist in The Wicker Man und Invocation of my Demon Brother, dass es in den Horror führt und in The Devil Rides Out in Form der Spinne und des reitenden Teufels, dass es ihn bezweifelt und spirituell erhöht. Ein Reiz von The Wicker Man, dessen hohe Bedeutung für das Genre ich kaum nachempfinden kann, liegt in der Spannung zwischen dem Lachen über und die Angst vor der Abartigkeit. Einzig scheint sich Hardy dieser Spannung nicht immer bewusst zu sein und so wirft er bis vor kurz vor Schluss mit pseudo-anarchistischen Verfremdungseffekten in seine Abartigkeit und macht sie damit nicht noch abartiger sondern bricht sie als filmisches Konstrukt. Er wird dafür gefeiert natürlich, aber er verspielt auch das Herz des Films. Christoph Huber erwähnte in seiner Einführung den Status des Films als Citizen Kane des Horrors. Diese Formulierung klingt besser als sie ist. Die Kontrolle über die Sprache von Welles, mit der charmanten Unbeholfenheit von Hardy zu vergleichen, ist eine Beleidigung.

The Invocation of my Demon Brother

Bleibt noch Invocation of my Demon Brother, oder? Da ist noch etwas. Denn dort wo Anger den Film selbst zum Ritual oder besser zum Teil des Rituals macht, indem seine Bilder sich fast wie ein Geschwür zu den Sounds von Mick Jagger durch den Projektor schlängeln, da fühle ich mich in meinem eigenen Ritual, meiner eigenen Isolation erwischt. Schließlich ist jeder Kinogang ein solches Ritual. Auch dort gibt es Menschen, die innen und außen sind. Im Rahmen einer Horrorschau fühle ich mich wie ein Außenstehender. Da kommen Menschen ins Filmmuseum, bei denen ich mir nicht ganz sicher sind, ob sie sich dem Anlass entsprechen verkleidet haben oder ob sie immer so herumlaufen, andere scheinen über jede Kleinigkeit in einem Horrorfilm zu lachen, wieder andere erzählen nach den Filmen begeistert von B-Movie Schauspielern, von denen ich mein Leben lang nicht gehört habe. Es gibt Applaus nach manchem Film, die Haltung zu den Filmen ist eine viel wärmere, sie ist enthusiastischer und das irritiert mich, da die Filme so oft von etwas Fremden und Kalten erzählen. Kurator Christoph Huber erwähnt in seiner Einleitung die besondere Verbindung von Fans und Film im Horrorgenre. Er tut dies im Bezug zu den Diskussionen unterschiedlicher Schnittfassungen und deren Bedeutung für die Wirkung eines Films. Solche Diskussionen sind für mich absolut nachvollziehbar, jedoch verschließt sich mir, weshalb diese-jenseits der natürlich häufiger vorkommenden Zensur bei Horrorfilmen-nicht auch jenseits des Genres zu einer besonderen Beziehung zwischen Fans und Film führen sollte. Fehlt mir ein Glaube, eben jenes augenzwinkernde Einverständnis, dass das was ich sehen werde anderen Gesetzen gehört? Wohl kaum, denn das Übersinnliche und Magische, das Fantastische äußert sich für mich eben durch eine Aufrichtigkeit und nicht durch ein zynisches „Wir wissen doch alle, dass das nicht echt ist“-Gehabe. Zap, you’re pregnant. That’s witchcraft… In diesem Sinn ist Kenneth Anger vielleicht ein wirklicher Film des Horrors gelungen, ein Film, der achte seiner Magick Lantern Cycles, der den Horror durch Bilder und Töne evoziert, der ein Ritual im Kinosaal und mit dem Zuseher vornimmt. Es ist als würde man dieses Ritual wirklich erleben und es spielt auch gar keine Rolle mehr, ob man außen oder innen ist. Wenn es im Kino darum geht, sich zu verändern, dann sind Rituale der Ausdruck des Kinos, wie eine Taufe. Nur eine Taufe bedeutet noch lange nicht, dass man glaubt.

Land of the Dead: Long Weekend von Colin Egglestone

Nach einer spannenden Einführung zum Film und zum australischen Kino der 1970er Jahre von Christoph Huber beginnt Long Weekend von Colin Egglestone mit einem langsam über einen von der Sonne erröteten Felsen kriechenden Krebs. Die Kamera wird mit einer Kranfahrt abheben und das blaue Meer offenbaren. Bereits hier vollziehen sich eine Schönheit und ein Frieden in der Natur, die essentiell für das Verständnis des Films sind. Denn wenn man den Frieden nicht stört, wird er auch selbst nicht stören. Long Weekend flirtet mit dem Genre des Tierhorrors und des Abenteuerfilms, ist aber in seinem Kern ein destruktives Beziehungsdrama. Peter und Marcia wollen ein verlängertes Wochenende in der abgelegenen Wildnis verbringen. Sie fahren an einen traumhaften Strand, der sich hinter einem labyrinthischen Wald versteckt. Marcia hat gerade eine Abtreibung hinter sich. Wie wir später erfahren sollen, wäre das Kind aus einem Seitensprung entstanden. Ihre Sexualität ist verstört und eigentlich sehen wir das Paar fast durchgehend beim Streiten. Es ist ein Film der sexuellen Frustrationen, die den äußeren Horror, der nach und nach von der angegriffenen Natur ausgeht zu einem inneren Bild werden lässt. Da werden Adlereier an Bäume geworfen, sodass sie zerschellen und ein Baum immer wieder ein bisschen mit einer Axt bearbeitet. Peter schießt planlos auf das Meer und die beiden Camper hinterlassen eine bedrohliche Müllhalde. Ein eingefrorenes Huhn beginnt zu vergammeln; die Richtung ist klar: Das psychologische Trauma der Abtreibung wird in einem Wechselspiel aus giftigen Dialogen und einer feindlich erscheinenden Natur bearbeitet. Je länger Peter und Marcia am unheimlichen Waldrand und Strand bleiben und je aggressiver sie sich gegen die Natur (die natürliche Geburt?) stellen, desto härter schlägt die Natur zurück.

Long weekend3

Dabei ist das Setting ein Star. Damit meine ich zum einen, dass der Film es vor allem in der zweiten Hälfte versteht, das Ungewöhnliche und Mystische in einer Art zu erhöhen, die eine Seele der Natur betont, ohne dass dies in platten Symbolen aufgelöst werden müsste. Die engstehenden Bäume und der Dunst über dem Meer bewirken eine deformierte Strangeness, die an Jonathan Glazer erinnert und darauf hindeuten, dass eine friedliche Koexistenz nicht möglich ist. Die Natur ist dabei stets unschuldig. Sie reagiert nur, sie greift nicht an. So greift eine Adlermama Peter nur an, weil das Paar im Besitz des Adlereis ist. Ansonsten ist die Feindlichkeit fast durchgehend eine Bedrohung, aber keine Handlung. Es ist ein latentes oder konkretes Gefühl, dass nicht von der Natur sondern von einer menschlichen Entfremdung ausgeht. Folgerichtig geht die wirkliche Gewalt letztendlich immer von den Menschen aus. Besonders beeindruckend ist dies als Peter in einer Nacht betrunken mit einem Licht am Autofenster in der Tiefenschärfe hinter der sich schlafend stellenden Marcia auftaucht und versucht sie zu wecken. Das ist auch zugleich der zweite Aspekt, den Huber bereits in seiner Einleitung andeutete, denn die Natur ist hier nicht ein böser Antagonist, sondern schlicht der Held des Films. Das wirft natürlich auch die Frage der Bedeutung von Identifikation für das Horrorgenre auf. Es ist klar, dass wir von einer anderen Art des Horrors sprechen, wenn es nicht darum geht, um das Leben einzelner Figuren zu zittern, wenn uns die bedrohten Existenzen nicht sympathisch erscheinen. In Long Weekend geht der Horror von den Menschen aus und sie bekommen dafür Horror zurück. Der Film folgt dem Ursache und Wirkung Prinzip von Horror und er umrahmt das mit seiner innerpsychologischen Bedeutungsebene. Damit könnte Long Weekend fast zu einer gekonnten Mischung aus Bruno Dumonts Twentynine Palms und Lisandro Alonsos La libertad werden…aber dazu fehlt dann doch einiges.

Der hohe metaphorische Gehalt drückt nämlich im Gegensatz etwa zu Nicolas Roegs Outback-Poesie Walkabout auch auf den Film. Denn insbesondere zu Beginn wirken die beiden Figuren wie größere Ideen, nicht wie Menschen. Man beginnt den Film zu durchschauen, man beginnt das Drehbuch zu lesen. Hier ist der Mann. Seine Aufgabe ist es rau zu sein, er verhält sich sorglos gegenüber der Natur und unsensibel gegenüber seiner Frau. Hier ist die Frau. Sie ist eine Frau, sie will nicht campen, sie ist schlecht gelaunt. Durch diese äußerst klare Figurenzeichnung, die sich gegen Ende weitaus ambivalenter gestaltet, wird der Horror nicht mehr körperlich spürbar sondern nur mehr intellektuell. Hinzu kommt eine fehlende Subtilität in den Bildern und Dialogen. Egglestone erkennt die subtilen Spannungen in der Beziehung ein wenig zu deutlich. Er lässt die Figuren darüber sprechen, er bringt sie in seine metaphorischen Bilder, in sein aufgesetztes Tondesign und seine Musik. So wird beispielsweise in einem völlig unnötigen Dialog am Strand die komplette Beziehungsgeschichte aufgelöst.

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Und dann gibt es da noch die alte Bazin-Regel. Wie Serge Daney einmal treffend bemerkt hat, war André Bazin besessen von Tieren. Er hätte sich Long Weekend mit seinen Hunden, Krebsen, Ameisen, Adlern, Seeottern, Koalas, Beuteltieren, Schlangen, Kängurus und Spinnen sicherlich sehr genau angesehen. Und vermutlich wäre ihm wieder der „Montage-Verboten“ Gedanke gekommen. Bazin sagte, dass es für die Glaubwürdigkeit einer Szene unbedingt wichtig sei, dass man Tier und Mensch im selben Bild zeigen würde. (das gilt nicht nur für Tiere). Manche Einstellungen jedoch (zum Beispiel jene der Ameisen) wirken wie völlig aus dem Kontext gehobene Intermezzos, Egglestone schneidet Zwischenbilder in seinen Film, die seinen Star, das Setting auseinanderbrechen. Hier schneidet er sich selbst, denn in diesen Bildern wird die Natur doch zum aufgesetzten Feind des Menschen, sie existiert nur in der Montage, um Angst zu machen, um eklig oder unheimlich zu wirken. Natürlich ist es nicht unbedingt leicht Szenen mit Adlern und Menschen in einer einzigen Einstellung zu drehen, aber wie der Film selbst beweist, ist das durchaus möglich und insbesondere bei Ameisen kann man das schon verlangen. Egglestone scheint hier eher am technischen Anspruch zu scheitern, weil er die Ameisen unbedingt mit einem Makro Objektiv filmen will. Dadurch wirken aber verschiedene Szenen im Film wie aus einem Naturfilm, der nicht in der diegetischen Welt des Pärchens und erstaunlicherweise auch nicht im Setting verortet ist. Eine lokale Verortung ist dem Film auch gar nicht wirklich wichtig. Das unterscheidet ihn auch von einem weiteren Outback-Drama, Wake in Fright von Ted Kotcheff, der aus jeder Pore nach Australien riecht. (Outback-Drama kann diesen völlig von der Leine gelassenen Roadtrip-Western-Horror-Existentialismus mit Massen an Alkohol, unterschwelliger Erotik und einer unfassbar brutalen Känguru-Jagd nicht mal annähernd beschreiben) Vielmehr geht es in Long Weekend um einen ewigen Kampf zwischen den Geschlechtern, zwischen Mensch und Natur und zwischen Leben und Sterben. Das sind zugleich die Stärke und die Schwäche des Films.

Land of the Dead: The Horror of Film: Toby Dammit und Cuedecuc, Vampir

Kaum habe ich nach dem Screening von “Carrie” von Brian De Palma und “Suspiria” von Dario Argento im Rahmen der Land of the Dead-Schau im Österreichischen Filmmuseum meine Schwierigkeiten mit der filmischen Manipulation geäußert, schon sehe ich mit „Toby Dammit“ von Federico Fellini und „Cuadecuc, Vampir“ von Pere Portabella zwei Filme, die genau diese Manipulation thematisieren und in den wahren Horror der Filme drehen. In dieser äußerst spannenden Programmierung taten sich neue Aspekte des Genres auf, die sich mit der Konstruktion von Horror und dem (politischen) Horror, der dahinter lauert, beschäftigen und zudem auch Fragen an Rhythmus und Ton im Genre stellen. Schließlich verunsichern die beiden Filme ihre Zuseher mit ihren Blicken hinter die Kulissen und finden so den Horror der Konstruktion. Ganz beiläufig entdeckt man so noch ein fast vergessenes Fellini-Glanzstück.

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„Toby Dammit“, ist im Rahmen des Omnibusprojekts „Histoires Extraordinaires“ mit drei Edgar Allan Poe-Verfilmungen entstanden. Die anderen beiden Segmente, die uns nicht gezeigt wurden, stammen von Louis Malle und Roger Vadim. Auch Fellinis Episode „Toby Dammit“ ist eine solche Poe-Verfilmung, selbst wenn sich der italienische Meister nur in Ansätzen an der Vorlage „Never Bet the Devil Your Head“ bedient sondern eher ein freie Reflektion über den eigenen Motivkomplex (Traumwelten, existentialistisch-kriselnde Männer, in die Kamera blickende Frauen manchmal mit riesigen Hüten, extravagante Fahrten, High Society Blabla, Paparazzi, satirische Nonchalance, Rom bei Nacht, Nino Rota und einiges mehr) mit der makaberen Mystik von Poe kreuzt. Der britische Shakespeare-Filmstar Toby Dammit (Terrence Stamp) reist zu einer Preisverleihung nach Rom. Dort taumelt er durch die Hölle der gefälschten Oberflächen von Film und Fernsehen. Er bewegt sich wie ein Vampir, sieht auch so aus und hat Visionen von einem kleinen blonden Mädchen, das er in einem Interview als den Teufel bezeichnet. Der Film entwickelt sich zu einem Horrortrip. Mit einem rohrenden Ferrari jagt der nahe am Zusammenbruch stehende Mann nach einem Ausraster auf der Preisverleihung durch den nächtlichen Nebel und verliert sich völlig. Dann sieht er wieder das blonde Mädchen…Das alles funktioniert ganz außerordentlich gut. „Toby Dammit“ ist ein fast vergessener Schatz, ein großartiger Film, der sich wunderbar als Brücke zwischen der Hochphase von Fellini mit Filmen wie „La Dolce Vita“, „8 ½“ oder „Giulietta degli spiriti“ und der künstlerischen Umarmung des Artifiziellen in Filmen wie „Satyricon“ oder „Roma“ verstehen lässt. Hier ist ein Protagonist, der deutlich aktiver ist als die Marcello-Existentialisten bei Fellini. Seine Aktivität ist zwar von Surrealismus und Todestrieb bestimmt, aber sie macht am Ende des Films nicht genau dort weiter, wo sie angefangen hat, es gibt nicht das selbstbemitleidende Schulterzucken von Mastroianni, sonder die Flucht in die totale Fatalität. Folgerichtig schraubt Fellini sein sowieso schon hohes Tempo in Kamerabewegung und Schnitt nochmal nach oben. „Toby Dammit“ markiert auch die erste Kollaboration von Fellini mit Kameramann Giuseppe Rotunno, der menschlichen und gesellschaftlichen Verfall wie kaum ein zweiter in Schönheit portraitieren kann. (Man denke an seine Bilder in „Il Gattopardo“ von Luchino Visconti unter anderem). Hier wird Rom von der ersten Sekunde als Hölle gezeichnet. Ein orangener Dunst hängt über dem Flughafen, unheimliche Gestalten überall, manchmal sind es aufgemalte Figuren, manchmal echte Menschen, manchmal Attrappen, ich bin mir nie sicher, die Kamera passiert sie in einem schwindelerregenden Schönheitsrausch, der überwältigend unheimlich wirkt. In einer riesigen Summierung von POV-Schüssen aus dem rasenden Ferrari entsteht eine hypnotisch-hysterische Suche in der Dunkelheit über verlassene italienische Landstraßen, die einen völlig gefangen nimmt. Es entsteht ein Gefühl für Rhythmus, der einen in eine Horror-Trance versetzt. Wie wichtig Rhythmus und Trance für das Genre sind, zeigt sich dann vor allem in Verbindung zu „Cuadecuc, Vampir“ von Pere Portabella.

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Dieser ist zugleich ein eigenständiger Film des Horrors als eine Dokumentation des Drehs zu Jésus Francos „Count Dracula“ mit Christopher Lee. Dabei folgt der Film mit einer deformierten Tscherkassky-Romantik dem Dreh und der Geschichte um den Fürsten der Dunkelheit. In grenzwertig hohen Schwarz/Weiß Kontrasten entsteht ein Rauschen der Bilder und eines Noise-Trance Soundtracks (Elektro, Oper, Hämmer, eine Bohrmaschine???), der sich immer wieder in einer betulichen Melodie entblößt bis auch diese in ihre Einzelstücke zersetzt wird. Dabei wird bis zum Ende kein Wort gesprochen. Es ist ein Stimmungsbild eines Filmdrehs, das wie eine Erinnerung an Eindrücke von der Entstehung eines Films in uns überlebt. Hier vermischen sich Film und Nicht-Film zu einer fast ununterscheidbaren Poesie des Horrors. Es ist als würde Miguel Gomes einen Horrorfilm drehen.

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Die Bewegungen der Kamera und die Bewegungen vor der Kamera folgen dabei dramaturgischen Prinzipien des Horrors. Sie werden langsam schneller, es gibt einen Schockmoment, dann atmet man wieder durch. Einzig eine inhaltliche Verortung fehlt. Diese braucht man sich auch auf keinen Fall herstellen, denn „Cuadecuc, Vampir“ funktioniert nach einer inneren Logik über seinen Rhythmus. In beiden Filmen des Abends entsteht eine Trance, die man als Tanz mit dem Teufel bezeichnen kann. Im Gegensatz zu Argento verzichten Fellini und Portabella darauf ihre rhythmischen Horrorbewegungen mit platten Dialogen und albernen Momenten in das Reich des Trash zu überführen sondern bewegen sich entlang der Essenz des Genres. In einer Sequenz entsteht eine Erwartung an eine Katastrophe/einen Schock alleine durch den lauter werdenden Ton. Es ist natürlich kein Geheimnis, dass Ton eine der wichtigsten Rollen für das Horrorgenre spielt, aber es ist äußerst interessant, dieses Gefühl so nackt zu erleben.

Cuadecuc Vampir

Und der Film wird zum Horror. So sind es bei Fellini die grell leuchtenden Fotoapparate, die oberflächlichen Fratzen der Filmproduzenten, das gelangweilte Nichts aus den weiblichen Darstellern und der geheuchelte Applaus einer Branche am dekadenten Abgrund während es bei Portabella das Schuss-Gegenschuss Prinzip von erschrockenen Gesichtern und der langsamen Bewegung eines Dollys um eine Ecke sind oder Hände, die aus dem Off mit Kunstblut auf Gesichter spritzen. Merkt man bei Fellini eine Bitterkeit über die grausamen Absurditäten der falschen Menschen so sucht Portabella immer wieder die wahren Momente dieser konstruierten Figuren und schneidet sie unbemerkt zwischen seine Bilder des diegetischen Geschehens: Ein kurzer Ekel über die Flüssigkeit nach dem Take, ein plötzliches Lächeln in die Kamera. Dabei manipuliert „Cuadecuc, Vampir“ auf seine ganz eigene Weise, denn er spielt bis zum Anschlag mit den Möglichkeiten der Montage. Gesichter und Ausdrücke werden gegeneinander geschnitten und erzeugen eine Angst, die nur vor dem Film selbst entsteht. So wird für einige Sekunden die Vorrichtung gezeigt, auf der sich die Fledermausattrappe vor und aus dem Fenster bewegt. Dies lässt uns zwar die Konstruktion durchschauen, aber Portabella schneidet die Bilder so in seinen Film, dass der Horror einfach weitergeht. Die Maske des Horrors fällt und bleibt gerade deshalb und wer will kann dabei vor allem bei Portabella eine anti-faschistische Allegorie sehen. Denn wer in Dracula die Verkörperung von General Francsico Franco sieht, der wird einiges über den Horror einer faschistischen Regierung erfahren, wenn dieser sich seine unheimlichen Augen aus dem Gesicht nimmt und als ganz normaler Mensch vor uns sitzt. Am Ende liest Chirstopher Lee dann aus dem Roman den Tod seiner ikonischen Figur vor. Er muss zweimal beginnen. Als er endet, wird seine Figur doch wieder zu Dracula. Es ist ein Spiel, wir durchschauen es, aber dennoch verunsichert es uns und macht uns Angst. Nur weil die Maske des Horrors fällt, fällt noch lange nicht der Horror darunter. Das Ende von „Cuadecuc, Vampir“ bricht mit dem Horror und bestätigt ihn zugleich.

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Ein faszinierendes Double-Screening, das den Spiegel auf den Horror richtete und nicht das offenbarte, was man erwartet hat.

Land of the Dead: Over the Red Top: Carrie und Suspiria

Am zweiten Tag wartete das Österreichische Filmmuseum im Rahmen seiner “Land of the Dead” Retrospektive mit zwei Filmen, die ich zu meiner Schande bis dato noch nicht gesehen hatte: „Carrie“ von Brian De Palma und „Suspiria“ von Dario Argento. Die Programmierung dieser beiden Filme nebeneinander entwickelte eine sehr eigenwillige Dynamik, die voller Spuren des Genres war und mich dennoch heillos überforderte. Das liegt schlicht daran, dass beide Filme mit ihrer Over-the-Top Brachial-Stilisierung einem derart manipulativ ins Gesicht schreien, dass ich als Fremder des Horrorfilms irgendwann Wahrnehmungsprobleme bekam. Aber vielleicht zielen die Filme auch genau darauf. Ich werde wieder einige allgemeine Betrachtungen zum Horrorgenre und dessen Wirkung auf mich anstellen.

Weiches/Hartes Rot

Suspiria

Ein zartes und hartes rot (bei De Palma ist es manchmal mehr rosa als rot) beherrscht beide Filme. In „Carrie“ beginnt das schon bei der Haarfarbe der Protagonistin und vieler Protagonisten (Romain Gavras was watching…) und geht weiter in die schulischen Räume und finden ihren Höhepunkt natürlich im Schweineblut, das in der Prom-Night über die junge Frau, die im Inbegriff war, sich zu finden, geschüttet wird und eine übersinnliche Katastrophe auslöst. Dieses Blut findet sich bereits in der ersten Szene, in der De Palma den Zuschauer von Shampoo-Erotik in einen kurzen Moment des Schauderns wirft, bevor er sein soziales Mobbing-Thema im Film platziert. Carrie White, erzogen von einer manisch katholischen Mutter, hat ihre Menstruation bekommen und weiß nicht damit umzugehen. Sie ist ein Mobbingopfer, eine Außenseiterin. Aber niemand ahnt, dass sich mit ihrer Menstruation auch dunkle Kräfte in der werdenden Frau, die von einer tollen Sissy Spacek gespielt wird, entstehen. Es gibt keinen diegetischen Grund für die Dominanz von rot hier, es ist eine Frage der Stimmung und des Stils. De Palma taucht fast seinen gesamten Film in dieses weiche rot und unterstützt sich mit seiner Vorliebe für Split Diopter Lenses, die es ihm ermöglichen das Staubkorn im Bildvordergrund und den Komparsen in der hintersten Ecke scharf zu halten. (In seinem „Blow Out“ perfektionierte De Palma dieses Vorgehen). Dabei schwebt seine Kamera genauso weich wie die rote Farbe. Die virtuosen Fahrten durch die Räume, die wohl in der Prom-Night ihren definitiven Höhepunkt erlebt als die Kamera zunächst immer schneller um das tanzende Paar kreist (auch diese Einstellung sollte De Palma in „Blow Out“ perfektionieren) und dann den Spuren des Schweinebluts folgt, um den Suspense bis zum Anschlag zu spannen, sind der stilistische Höhepunkt des Films.

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In beiden Filmen wird das Rot weggewischt. Carrie badet nach ihrem Blutbad in Wasser (zuvor eine wunderschöne Einstellung ihrer Füße neben dem blutdurchtränkten Handtuch) und Suzy, die Protagonistin in Dario Argentos „Suspiria“ versucht den merkwürdigen Wein, der ihr in der mysteriösen und gefährlichen Tanzschule jeden Abend gebracht wird, in das Waschbecken zu schütten. Allerdings klebt die Flüssigkeit mehr an den Rändern des Waschbeckens, als darin zu verschwinden. Bei Argento steht ein surrealer Bilderreigen, der sich immer wieder neu findet und dennoch einer inneren Logik zu gehorchen scheint, über dem Gesamtrot von De Palma. Natürlich schulden beide Filmemacher ihren Abflussfetisch Alfred Hitchcock, der das Ganze in „Psycho“ ja bekanntermaßen ohne die Farbe selbst gemacht hat. Dennoch ist dieses Bild bei ihm eindrücklicher rot und ich beginne ein wenig zu verstehen, warum Lav Diaz sich auch Farbfilme gerne in Schwarz/Weiß ansieht. Ansonsten gibt es bei Argento eine Menge Kunstblut, das sich in meiner Erinnerung wie laute Spritzer über den Film verteilt. Und es gibt einen Red Room, einen Übungsraum für die jungen Tänzerinnen, der während meiner Betrachtung die Prom Night heraufbeschwört. Die auffälligste Verwendung von Farbe in „Suspiria“ und vor allem von Rot findet sich jedoch in einer Art Horrormotivik, die Wände beleuchtet wie normal nur Filmmusik agiert. Der Horror scheint sowieso die ganze Zeit aus dem Film selbst zu entstehen und nicht aus seiner Geschichte. Es sind Lichter im Hintergrund, Lichter im Vordergrund, die verstörende Kultmusik der Goblins, eine plötzliche Supertotale, ein POV-artiges Heranfahren, die Dunkelheit…J. Hobermann hat zurecht bemerkt, dass der Film mehr Sinn für das Auge als für das Gehirn macht. Jedenfalls tauchen einzelne, farbige Spotlights an den Wänden auf im Moment des Horrors. So tanzen rote Schatten auf den angstgefrorenen Gesichtern. Irritierenderweise versetzen mich solche Szenen nicht in einen Zustand des Horrors sondern holen mich aus dem Horror heraus, denn ich sehe plötzlich einen jungen Italiener hinter der Kamera, der das Licht anschaltet. Einen viel stärkeren Horroreffekt erzielt beispielsweise Chantal Akerman mit einem ähnlichen Einsatz einer einzelnen Lichtquelle in „Jeanne Dielman, 23 Quai du Commerce, 1080 Bruxelles“. Ein nur vielleicht gewagter Vergleich. Die Künstlichkeit der unterschiedlichen expressionistischen Farbpalletten erzeugt ein Meta-Gefühl für das Genre. Licht und Dunkelheit und die unnatürliche Kraft von Farben sind voller Bedeutung für den Horror. Man kann „Suspiria“ wohl am besten als Farbflut bezeichnen. Ein spezieller Technicolor-Entwicklungsprozess ermöglichte Argento ein dreigeteiltes Farbmuster aus Grün, Rot und Blau. Eine mögliche Interpretation liegt in der psychedelischen Hexenkraft, die den Film ab der Ankunft in der Tanzschule heimsucht.

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In diesem Haus, dass immer wieder an das Schloss in Jean Cocteaus „La Belle et la Bête“ erinnert, spielen auch beim Film selbst die Farben verrückt. Doch dort wo Cocteau einen ausgeprägten Schönheitssinn aufweist, ist Argento ein Holzhammer, da seine nicht zu leugnende Sensualität nicht aus den Figuren und ihren Bewegungen kommt, sondern aus der schieren Überfüllung. Einen Schönheitscredit vermag man Argento noch für die Zulawski-artige Betonung der Farbe hinter den Pupillen geben (wobei Zulawski sich da womöglich von Argento hat inspirieren lassen…). Die Überfüllung entsteht natürlich auch durch die Doppelprogrammierung zweier Filme, die ganz bewusst over the top gehen, die hysterisch schreien und den Horror in seine expressivsten Art im Kino explodieren lassen. Ich habe den Eindruck, dass der Ton in „Suspiria“ ein wenig lauter als gewöhnlich ist im Filmmuseum. Das erscheint mir etwas unnötig, weil ich schon bei Filmen im Haus gesessen bin, bei denen jeder Ton zählte und erzählte, die fast zu leise gespielt wurden und nun dieser sowieso schon laute Film, bei dem es oft schlicht darum geht, dass es verstörend und laut ist, aber nicht um die Nuancen im Ton, so gespielt wird, dass ich alle fehlenden Nuancen höre. Natürlich gehört sich das trotzdem so, weil Argento eben laut gehört. Die euphorischen Argento-Jünger im Kino würden mir da Recht geben. Das bewusste Über-das-Ziel-hinaus-schießen bewirkt auch ein hohes komödiantisches Potenzial. Vor allem bei „Carrie“ sind viele Schmunzler und Lacher dabei, die sich aus dem Verhalten der Figuren im Verhältnis zur Kamera vollzieht. De Palma zeigt sich als wunderbarer Beobachter von stilisierten Teenage-Klischees. Dagegen entstehen Lacher bei Argento vor allem aus harten Schnitten nach Schockern. Insbesondere der Schnitt auf bayrische Schuhplattler hat es in sich. Außerdem entsteht ein Humor aus der Irrationalität des Verhaltens der Figuren (die Nonchalance mit der Suzy ihr Getränk trinkt, die Gespräche unter den Tänzerinnen) und der Absurdität mancher Brutalität wie die Attacke einer Fledermaus oder den merkwürdigen Blicken des rumänischen Bediensteten. Dasselbe gilt natürlich auch für den Einsatz von Farbe, der eben einem expressionistischen statt einem natürlichen Ideal folgt.

Suspiria2

Während rot bei De Palma eine weiche Farbe ist, erscheint sie bei Argento hart. Die Kamerabewegungen von Argento sind deutlich abrupter, er ist getriebener als der souveräne De Palma, der über der Welt und seinem Publikum schwebt. Das bedeutet nicht, dass Argento nicht weiß, was er tut, sondern lediglich, dass er mehr an den Horror glaubt und De Palma mehr an sich selbst und Alfred Hitchcock.Rot ist in beiden Filmen eine Farbe des Horrors. Allerdings ist die Farbe sowohl bei De Palma als auch bei Argento von außen auf die Filme geklatscht. Sie ist ein offensichtliches Stilmittel und kommt nicht aus der Seele der Figuren, aus dem Horror in ihnen selbst. Das liegt zum einen an der Exploitation-Nähe des Blutes selbst und zum anderen am manipulativen und selbstreferentiellen Stil der beiden Regisseure. Eigentlich funktionieren diese Filme mehr wie Pat O’Neill artige Spiele mit der Publikumserwartung als ein narratives Kino, das sich mit der äußeren Welt beschäftigt. Hier stoße ich an meine Grenzen, denn ich befinde mich nun mal im fotorealistischen Camp der Filmbetrachtung und des Filmschaffens. Mir ist bewusst, dass Film immer Fiktion ist, aber diese Fiktion setzt sich aus dokumentarischen Teilen zusammen. Um frei Gilberto Perez zu zitieren: Das Licht der Kamera ist Dokumentation, jenes des Projektors ist Fiktion. Bei De Palma und Argento spielt der dokumentarische Charakter keine Rolle, sie haben kein Interesse an einer Welt, die sie nicht beherrschen können. Einzig in seinen komödiantischen Szenen, vermag De Palma ein solches Gefühl zu evozieren. Die Tatsache, dass „Suspiria“ in Deutschland spielt, hat schlicht keine nennenswerte Bedeutung. Sie verrät das Desinteresse von Argento für die Welt. Ich spüre sie die ganze Zeit wie kleine Teufel hinter der Leinwand, die mich und meinen Blick lenken. Die Künstlichkeit ihrer Filme, die ich prinzipiell mag, entsteht nicht aus einer Weltsicht sondern aus einer auf das und vor allem im Fall von De Palma gegen das Publikum gerichteten Idee. Dasselbe gilt für den Einsatz von Rot. Wie bei abstrakten Avantgarde-Künstlern gibt es keine Welt sondern nur die Welt des Films bei ihnen. Ich verstehe Cristi Puiu, wenn er sagt, dass er seinen Studenten auch vermittelt, dass sie nicht nur Filme sehen sollen. „Suspiria“ und „Carrie“ sind derart filmische Filme, dass sie die filmischste Eigenschaft von Film ignorieren: Ein Dokument der Welt zu sein. Ich bin mir bewusst, dass das ein wenig gezwungen und prinzipienhaft ist und ich will damit nicht sagen, dass diese Filme schlecht sind oder kunstlos. Aber sie sind redundant und können mich nicht über ihre Existenz im Kinosaal hinaus bewegen. Sie langweilen mich mit ihren aufgesetzten Blicken und ihrem fehlenden Beobachtungssinn. Sie sind Genremasturbationen. Ich will Zeit haben für meinen Blick, ich will nicht gelenkt werden. Ich fühle mich sowohl in „Carrie“ wie in „Suspiria“ vergewaltigt, die Filmemacher haben mich nicht respektiert. Ich respektiere ihre Qualität, aber hinterfrage ihre Ethik. Gut, dass es sowas gibt, denn sonst würde ich vergessen wie sich der wahre Horror in Rot in Ingmar Bergmans „Viskningar och rop“ und Michelangelo Antonionis „Il deserto rosso“ anfühlt.

Carrie2

Nein, ich weiß: Nicht jeder Film darf, muss, soll, kann so sein wie man es sich selbst vorstellt, die Filmkultur ist viel zu reich, um sie mit Prinzipiendenken zu erfassen, um sie auch wirklich genießen zu können. Ich glaube, dass jeder der das Kino liebt auch diese Filme liebt. Sie sind so reich an Form, Farben, Bewegungen, Geräuschen und Emotionen. Zudem sind sie unheimlich inspirierend, angefangen vom unfassbaren Szenenbild in „Suspiria“, zu dem Ausharren von Zeit in „Carrie“ bis zu den Bildikonen, die beide Filme schaffen und weitertragen. Beide Filme werden von hochinteressanten musikalischen Kompositionen begleitet und man wird in eine Trance des gefangenen Blicks geleitet. Meine ethischen Betrachtungen sind selbst in sich gefangen und redundant. Sagen sie etwas über das Wesen des Horrors aus? Vielleicht steht am Ende dieser beiden Werke, dass Horror immer eine liebevolle Hingabe des Zusehers verlangt, ein Vertrauen und ein eskapistischer Rausch in uns.

Vielleicht war diese Frontalprogrammierung zweier derart schreiender Horrorfilme auch zu viel für mich? Vielleicht habe ich verlernt, unschuldig Filme zu sehen? Vielleicht ist das gut so? Vielleicht mag ich Kino nicht? Vielleicht sind diese Filme nicht unschuldig? Vielleicht ist das gut so? Vielleicht habe ich doch Recht? Vielleicht stimmt alles, vielleicht stimmt nichts.

Land of the Dead: Night of the Living Dead von George A. Romero

Zur Eröffnung der “Land of the Dead”-Schau zeigte das Österreichische Filmmuseum einen der absoluten Meilensteine der Filmgeschichte: George A. Romeros „Night of the Living Dead“. Die anhaltende Relevanz und Faszination am Horrorgenre, das sich damit womöglich mehr und mehr zum bedeutendsten Genre der letzten 50 Jahre entwickelt, ist bemerkenswert. Das spannende daran ist, dass man als Zuseher weniger Assoziationen zu Bildern und Charakteren hat als beispielsweise beim Western oder dem Gangsterfilm, aber sich dafür weitaus intensiver an seine Emotionen erinnert. Der Horror ist ein körperliches Genre: Nervenaufreibende Angst, Schock und Ekel sind Gefühle, die einem bleiben. Man beginnt zu schwitzen, man will nicht mehr hinsehen, mancher sieht nicht mehr hin, es wird geschrien, durchgeatmet und sich am Sitz festgekrallt. Oftmals verstecken sich unter den übersinnlichen, brutalen und obskuren Oberflächen auch allegorische Gesellschaftskommentare und hergestellte Relationen zur Welt außerhalb des Genres. Allerdings wird die Schau für mich zu einer Herausforderung. Nein, es liegt weder daran, dass ich Angst vor den Filmen hätte noch daran, dass ich Horror für zu wenig kunstvoll erachte. Es ist schlicht so, dass ich Filme nicht fühlen kann, wenn ich mich manipuliert fühle. Dieser Widerspruch beherrscht aber meiner Ansicht nach den Horrorfilm. Strenggenommen manipuliert natürlich jeder Film bis zu einem gewissen Grad, aber Horrorfilme spielen ganz außerordentlich mit unseren Erwartungen, sie bedienen On- und Off-Screen, sie setzen Musik und Sound ein immer mit dem direkten Ziel der Beeinflussung des Publikums. Natürlich kann man das nicht so einfach trennen, denn Horror steckt in vielen Momenten des Lebens, nicht nur in der möglichen Anwesenheit eines Zombies in einer dunklen Kammer oder in der eigenen Schizophrenie. Horror kann eine Sicht und Wahrnehmung der Welt sein, ein wahres Gefühl. Gute Horrorfilme wissen das. Die Texte, die ich in den kommenden Tagen und Wochen zu den Filmen der „Land of the Dead“ Retrospektive schreiben werde, werden daher immer bis zu einem gewissen Grad auch Genrereflektionen sein. Da sich dieser Teil der groß angelegten Schau in den Jahren 1968 bis 1987 bewegt, also jener Zeit, in der das Genre ein dynamisch-rebellisches Selbstbewusstsein entwickelte und begann Grenzen auszuloten, bin ich guter Dinge den ein oder anderen Widerspruch in mir aufzulösen. Es ist auch insofern eine spannende Schau für mich, da ich unheimlich viele Essentials des Genres noch nicht gesehen habe.

Night of the Living Dead2

„Night of the Living Dead“ jedoch sehe ich zum zweiten Mal. Mit seiner allegorischen Haltung und der offenen Thematisierung von Gesellschaftskonflikten der 1960er Jahre zeigt bereits der erste Film eine jener offensichtlichen Qualitäten des Genres, über seine bloße manipulative Schockwirkung hinaus zu existieren. Die Entscheidung die Retrospektive mit diesem Film zu beginnen, ist im Kontext absolut nachvollziehbar, denn schließlich ist es dieser Film, der ein neues Zeitalter einläutete. Die Kopie sieht äußerst mitgenommen aus, dreimal (nach meiner Beobachtung) fehlen ein paar Frames und es kommt zu kurzen Sprüngen. Das sorgfältige Sounddesign erhält zudem eine minimale und irgendwie wundervolle Verfremdung. Die Spuren der Zeit fügen der Schönheit des Films noch weitere Kanten hinzu. Für alle, die den Film nicht kennen, sei vermerkt, dass man besser in seiner Wohnung bleibt, denn eine radioaktive Strahlung hat die Toten zum Leben erweckt. Diese sind zwar äußerst langsam und schwächlich, aber sie sind viele und sie sind tödlich. Wir folgen zunächst einer blonden Frau mit ihrem genervten Mann an einen verregneten Friedhof. Außer ihnen treibt sich noch eine einsame, fast schwebende Gestalt im Bildhintergrund umher. Diese Gestalt wird den Mann in einem unbeholfenen Ringkampf zu Boden werfen und die Frau an ein verlassenes Haus verfolgen. Dort tauchen nach einiger Zeit immer mehr Untote und auch ein paar Menschen auf. Einer von ihnen ist Ben, der Held des Films. Das politische Statement liegt neben dem Ende des Films nicht im Kommentar der Hautfarbe des Protagonisten sondern gerade darin, dass uns nicht erklärt werden muss, warum diese Figur unser Held ist. Wir sehen es einfach, es macht keinen Unterschied. Es entfaltet sich ein nächtlicher Überlebenskampf bei dem die Figuren untereinander genauso zu kämpfen haben, wie die Figuren mit den Untoten.

„I felt real terror in that neighborhood theater. (…) I saw kids who had no sources they could draw upon to protect themselves from the dread and fear they felt. … What are parents thinking when they drop their children off to see a movie called Night of the Living Dead?”, schrieb Roger Ebert bekanntermaßen

Damit kommentierte Ebert den Skandal einer neuartigen Distributionspolitk durch den umstrittenen Vertrieb „Continental“, der in den 1960er Jahren mehrere anspruchsvolle britische Filme für erwachsenes Publikum (zum Beispiel „Room at the Top“ von Jack Clayton) herausbrachte, die zum Teil mit Zensur bedacht wurden. Sie versuchten sich darin solche Filme in Nachmittagsprogramme und in Vorstadtkinos unterzubringen.

Night of the living dead

Heute muss man Missverständnisse und unliebsame Überraschungen kaum mehr befürchten, zumal bei einem Screening in einem Filmmuseum. „Night of the Living Dead“ ist ein essentielles Erbe der Filmkultur und ein Kultfilm. Nur äußerst beschränkte Ignoranten würden dem Film seine künstlerische Größe abstreiten und wir sind hoffentlich über die Zeit hinweg, in der das Dreckige und Brutale im Film als Zeichen für künstlerische Minderwertigkeit galt. So tragen einige Besucher im Filmmuseum Fan-Shirts und statt Angstschreien sind gelegentliche laute Lacher des nerdigen Entzückens zu vernehmen. Natürlich liegt das auch an der Zeit, die der Film auf dem Buckel hat. Mancher Schockeffekt verpufft, weil seine Konstruktion allzu durchschaubar ist. Das ist normal bei einem Genre, das für eine optimale Generierung von Schockerlebnissen immer an den technischen Voraussetzungen und den bereits erlebten Schocks seines Publikums hängt. Trotzdem wurde zu viel über statt mit dem Film gelacht, aber das ist ein anderes Thema. Der wahre Schock des Films liegt auch in ganz anderen Dingen.

Die Schönheit der einsamen Toten.

Die tötenden Toten in „Night of the Living Dead“ sind die schönsten und traurigsten Figuren des Films. Zum einen agieren sie völlig hilflos, ob ihrer Schwäche und ihres übermächtigen Triebs. Sie können sich nicht helfen. Selbst, wenn Romero filmt wie Innereien von Menschen gegessen werden, hat das noch eine eigene Würde. Der Ton zieht sich dann immer zurück, es bleibt ein leises Klagen wie in einem nächtlichen Krankenhaus, ein Flüstern, ein Schmatzen. Die Panik tritt immer nur im Konflikt mit den Lebenden auf. Dann wird es laut und hektisch. Sie stehen im Schatten und der hohe Kontrast des körnigen schwarz und weiß verschluckt ihre Augen, die sowieso nur mehr aus tiefen Höhlen ins Leere blicken. Untersichtige Panik, ängstliche Gesichter, die aus Fenstern schielen, ein brennender Sessel auf der Veranda. Die Untoten, die zu schön sind, um sie Zombies zu nennen, erscheinen als abwesende Geister und provozieren gleichermaßen Bilder menschlicher Schönheit und menschlicher Abgründe. Am Ende des Films werden sie wie verirrtes Wild abgeschossen, unfähig sich zu helfen. Für wenige Sekunden kann man aus einem Hubschrauber heraus kaum unterscheiden zwischen den Untoten und den jagenden Menschen. Diese Figuren wirken nicht so als wollen sie leben und als wollen sie töten. Sie befinden sich fast in einer ultimativen existenziellen Krise. Immer wieder schneidet Romero auf die vor dem Haus lungernden Gestalten. Zum einen sind das POV-Shots, die von einer Bedrohung sprechen und die anzeigen, dass es immer mehr werden. Zum anderen aber sind das poetische Portraitaufnahmen, die mehr und mehr von einer Unschuld erzählen. Das liegt auch daran, dass die Menschen selbst nicht allesamt sympathisch agieren. Ben ist eine Identifikationsfigur, klar, aber auch er bleibt nicht ohne Ambivalenzen. Zum einen hat er ein etwas irrationales „I am the Boss“ Gehabe und zum anderen erschießt er (verständlicherweise, aber trotzdem ziemlich kalt) einen anderen Mann, der die Sicherheit von allen gefährdet. Eine gewisse Naivität und ein durch pointierte Dialoge unterstützter Zynismus gegenüber menschlichen Beziehungen machen eine Unterscheidung zwischen Gut und Böse nicht so leicht. Zwar wirken die zwei Szenen in denen die Paare des Films vorgestellt werden aufgesetzt und unnötig, aber sie stellen dennoch Fragen, die auch im Herz des Films schlagen: Ist das Fremde automatisch böse? Wie sieht das Böse aus? Die Oberfläche von Körpern und damit auch die Oberfläche des Films, das einfach Sichtbare erzählt hier etwas anderes als das Hörbare und Spürbare. Es scheinen manche Menschen im Film zu sein, denen eine Seele fehlt, die etwas Böses repräsentieren. Man ist fremd unter Fremden.

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Der Zynismus des Films lädt natürlich auch ein zu einer entspannten, humoristischen Betrachtung. „Night of the Living Dead“ ist auch deshalb ein wichtiger Film, weil er immerzu bewusst macht, dass er ein Film ist. Immer wieder nehmen Figuren die Rolle des Zusehers ein und sagen Dinge, die einem beim zuschauen selbst auf der Zunge lagen. Erst in der letzten Szene-als Ben völlig beiläufig von schießfreudigen Polizisten erschossen wird, weil er für einen Untoten gehalten wird-verkehrt sich dieser Zynismus in eine wütende Bitterkeit, die schmerzt. Sie schmerzt auch deshalb, weil ihre allegorische Bedeutung heute nicht mehr auf ein einzelnes gesellschaftliches Thema zu münzen ist, sondern auf einen generellen menschlichen Wesenszug. Der Horror des Films liegt damit in der fehlenden Kommunikation und der Aggression der Menschen. Und der Horror beginnt erst als Nachwirkung des Endes nach dem Film, denn davor ist es vor allem ein trauriger Film über Schönheit, die gefährlich ist. Ich hatte während des Films keine Angst, aber jetzt habe ich sie.