Viennale 2015: Singularities of a Festival: DETLEF SIERCK

Notizen zur Viennale 2015 in einem Rausch, der keine Zeit lässt, aber nach Zeit schreit. Ioana Florescu und Patrick Holzapfel geben sich auch am dritten Tag des Festivals ihren freien Assoziationen und Eindrücken hin. Es sind Eindrücke, die man festhalten muss, weil sie sonst im Bilderrausch verpassen, sich in Erinnerungen zu wandeln oder es sind Erinnerungen, die man nicht von Eindrücken unterscheiden kann, Erinnerungen, die uns drücken, die nicht an den Filmen hängen müssen, aber aus ihnen hervorkommen.

Tag 1 + Tag 2

Carol Rooney Mara

Ioana

  • Carol ist derart virtuos, dass Kribbeln in den Fingerspitzen vor lauter sinnlicher Freude einsetzt. Vor allem, wenn subtile (sind sie?) Doppelbelichtungen überlappende Tonebenen begleiten. Aber ist er gefährlich?
  • Happy Mother’s Day war vielleicht das Highlight des Tages. Richard Leacock danach über Kino und Essen sprechen zu hören und sehen war nicht schlecht – aus informativer Sicht.
  • The vanity Tables of Douglas Sirk hat mir Lust auf Fassbinder gemacht. So wie Leacock auf Flaherty.
  • Heute haben mehre Filmemacher erzählt, wie befreiend (aus finanziell-bürokratischer Sicht) es ist, digital zu drehen. Manche haben einige Nachteile erwähnt.
  • Ich habe erst heute, dank Mark Rappaport, den Namen von Marcel Dalio (der eigentlich nicht Marcel Dalio ist) erfahren. Musste mich fragen, wieso ich bislang nicht selbst nachgeschaut habe, wie er heißt.

Cate Blanchett Carol

Patrick

  • A certain desirable is more terror to me than all that’s rare. How come they don’t give an academic award to all the movie stars that die?
  • Die Texturen von Carol von Todd Haynes sind wie ein fast vergessener Orgasmus des Kinos. Er sieht so gut aus, dass er manchmal droht, Vintage zu werden. Aber alles andere an ihm ist perfekt. Es ist ein Melodram nicht wie Douglas Sirk, sondern so wie Douglas Sirk es gerne gedreht hätte. (woher kommen meine ständigen Douglas Sirk Anspielungen?). Zudem einer der ganz ganz wenigen Filme in den letzten 10 Jahren, der ein Happy End derart kraftvoll und selbstbewusst inszeniert.
  • Es ist das Jahr der verdeckten Blicke, die den Blick nicht verdecken sondern verzaubern. Was für Hou Hsiao-hsien Seide ist, ist für Haynes Glas, das im Filmkorn fast zerfließt vor Schönheit.
  • Man darf nur ein Bild drehen. Nicht hunderte. Man muss sich reduzieren.
  • Es ist zum zweiten Mal in diesem Jahr, dass ich Zeuge eines grandiosen Q&As geleitet von Olaf Möller werde. In Graz war es ein aufregend-wütendes mit Peter Kern und in Wien ein sehr intelligentes und spannendes mit Jem Cohen.
  • Immer noch beschäftigt mich die von 88:88 aufgeworfene Frage nach den Möglichkeiten des Kinos im visuellen Zeitalter sozialer Medien. Der Film folgt einer Logik der fehlenden Aufmerksamkeit, der schwindenden Präsenz. Muss das Kino diese Welt wiedergeben oder sollte es eher eine Antwort suchen?