Budd Boetticher ist dem Kino eher aufgrund seiner Western und staubtrockenen Matadorfilme in Erinnerung geblieben, seinem romantischen Noir, The Killer is Loose, wird weniger Beachtung geschenkt. Die Filmgeschichte kennt da kein Erbarmen, die gerade passenden Schubladen wollen geölt werden oder sie bleiben für immer verschlossen. Dabei ist dieser in nicht viel mehr als zwei Wochen gedrehte Film eine Lehrstunde in eleganter und reduzierter Verdichtung. Hinter der knappen Handlung wird beinahe ein Skelett sichtbar; dramaturgische Askese, die einen Thriller rund um den Rachetrip eines aus dem Gefängnis Ausgebrochenen mit einer Idee von Liebe kreuzt.
Versinnbildlicht durch den isoliert auftretenden Donner, der die Handlung strukturiert und rhythmisiert, zeigt Boetticher jene weiten US-amerikanischen Straßen, die es nur für solche Filme zu geben scheint. Zwielichtige Gestalten mit Hut und Sonnenbrille spähen um die Ecke, die Sonne knallt, aber irgendwie ist trotzdem Nacht. Es regnet kurz und heftig. Die Menschen wenden sich von der Kamera ab. Niemand spricht, weil alle wissen, was nicht gesagt werden kann. Dann wird eine Bank überfallen und geschossen und man sieht, dass es keinen Unterschied gibt zwischen den Sterbenden und den Überlebenden, alle sind verbittert und vergangen. Wann immer in diesem Film eine moralische Entscheidung getroffen werden soll, fallen die Figuren in eine seltsame Passivität, lassen geschehen statt handeln zu können. Sie glauben sich bestimmt von einer Ausweglosigkeit und es schmerzt fast, ihnen dabei zuzusehen, wie sie nichts tun. Das Nachkriegsbild der USA: Ein zynischer Friedhof. Trotzdem ist da ein Funken, nennen wir ihn Liebe, an dem sich die Handlung aufreibt, den sie umkreist, bis sie ihn einfängt.
Hier also der Polizist Sam Wagner, gespielt von einem blassen, mit dem Kino mehr oder weniger fertigen Joseph Cotten, der bei einem Einsatz aus Versehen die Frau des bewaffneten Bankräubers Leon „Foggy“ Poole (Wendell Corey, der stets beängstigend ruhig bleibt, fast einem Horrorfilm entspringen könnte) erschießt. Foggy schwört Rache und bricht eines Tages aus dem Gefängnis aus. Er tötet alle, die sich in seinen Weg stellen. Die Polizei fühlt sich überlegen, folgt den üblichen, behäbig greifenden Protokollen und die Protokolle sagen: Keine Panik. Aber die Protokolle wanken, der Flüchtige schlüpft durch die löchrigen Maschen des Apparats. Sein Ziel: Lila Wagner, die Ehefrau Sams, gespielt von Rhonda Fleming. Die Panik lässt sich nicht mehr unterdrücken. Der einzige Ausweg: Die Bedrohung stoppen, um sich zumindest sicher zu fühlen, auch wenn das auch nichts bringt.
In Lila findet Boetticher eine Idee von Liebe, dieses Wort, das so vielen Hollywoodfilmen einen einfachen Ausweg verschafft hat. Ein Wort, das hier gar nicht eindeutig ist, denn zwischen Lila, Sam und Foggy offenbaren sich unterschiedliche Auffassungen von Liebe. Lila versteht darunter Offenheit und Hinwendung und Geborgenheit, Sam nur, dass er für diese Geborgenheit sorgen kann. Er zeigt sich eigentlich völlig unfähig zur Liebe, riskiert das Leben seiner Frau, um ihr zu beweisen, dass er ein Mann ist. Foggy dagegen hat geliebt, weil sein Leben damit neu begonnen hat. Seine erschossene Frau wird nur als Silhouette sichtbar (wahrscheinlich würde sonst niemand mehr Sympathien mit Sam haben, der sie erschießt), ihr Verlust führt ihn in den Wahnsinn.
Entscheidend dabei ist, dass der Täter das größte Opfer bleibt, seine verlorene Liebe die aufrichtigere ist und sein Tod, gefilmt in einem Topshot, der den Leichnam im Vorgarten gegen die sich schließende Haustür kadriert, nur eine Lüge, um eine Idee von Geborgenheit zu beschützen. Selbstredend kann man das auch anders sehen, man kann ein Happy End erkennen und die sich gegen den Mörder aufbäumende Liebe. Was aber wenn die Gewalt durch die Liebe gerechtfertigt wird und die Liebe durch die Gewalt?