In Jean Rouchs Madame L‘Eau gibt es einen Traum von Windmühlen in den Niederlanden, dem Land unter dem Meer. Drei Männer vom Niger, die geduldigen Globetrotter und Begleiter von Rouch in einigen seiner Arbeiten, Damouré, Lam, and Tallou reisen in dieses ferne Land, um das Geheimnis der Windmühlen zu ergründen, den Fortschritt, den sie damit verbinden. Rouch filmt diese Windmühlen von innen und von außen, er ist über und unter ihnen. Die Männer lernen, sind erstaunt, berühren, sehen. Das Wasser und die Luft küssen sich in diesen Mühlen genau wie die Arbeit und die Schönheit, die Idylle und der Druck. Man kann nur stehen und staunen, im Wind warten auf die eigene Bewegung. So sitzen wir auch im Kino und wenn man Rouch als surrealen Ethnografen bezeichnet, zielt man – obwohl der Einfluss der Surrealisten auf ihn unverkennbar bleibt – vorbei an ihm, denn er ist ein filmischer Ethnograf.
Hinter uns ist ein Projektor, der aussieht wie eine Windmühle. Die Flügel der Windmühlen drehen sich durch das Licht wie Filmstreifen. Wir leben in einem Land unter dem Wasser, aber der Projektor hält uns darüber, er verändert die Höhe des Stroms der vorbeiziehenden Bilder. Es ist Jean Rouch und seine Kamera im Herzen des Winds. Im Ton hören wir das entrückte Design eines Traums vom Wind. Leise ist es eine andere Welt, die durch uns kriecht, die verschwimmt im Wasser der Mühlen, auf der sich ein Licht spiegelt, das vor uns erscheint wie ein letztes Ausatmen bevor wir wieder in unser Leben gehen, das so viel weiter weg von der Realität ist, als dieser Projektor, als dieses Werk von Jean Rouch, Madame L‘Eau. Das mystische Gefühl einer humorvollen Studie, eines gemeinsamen Projekts, das sich fasziniert und damit ansteckt. Tallou weint vor Eifersucht als sein Esel, den er „Die Geduldige“ nennt, von einem anderen Esel schwanger ist. Er hat „Die Geduldige“ nach Amsterdam gebracht…Madame Sterdam. Hier gibt es Bilder, die wir nicht unbedingt erwartet hatten, andere Bilder, ganz vorsichtige und ganz freche Bilder, die man noch nie gesehen hat und nie wieder sehen wird. Durch alles läuft das sprunghafte Fließen einer Montage, die auch eine Windmühle ist.
Auf dem Weg ins Kino werden uns viele Löwen begegnen. Wir werden unsere Schwerter gegen die Windmühlen erheben. Die Frage, die dort lauert: Gibt es diese Windmühlen wirklich? Sind sie die Illusion einer anderen Welt oder warum baut man sie nicht in Afrika auf? Warum nicht? Man könnte die ausgetrocknete Region des Nigers damit retten, so die Idee der drei Seelen, die ein wenig an die Heiligen Drei Könige bei Albert Serra (ein Mann, der sich mit Windmühlenbekämpfern auseinandergesetzt hat) erinnern, obwohl sie sich kaum verirren. In einer Windmühle begegnen wir einer fremden Welt, wir blicken auf etwas, das wir mehr als Bild, denn als Realität kennen. Mit Rouch hat man das Gefühl, dass man nicht leugnen darf, dass die Sonne geschienen hat, als man Wissen erlangt hat, man lernt, dass der Blick in das Fremde, auf das Andere nicht immer von einem aufgesetzten Ernst durchdrungen sein muss. Es geht schlicht um Wahrnehmung und die Lust an dieser Wahrnehmung, ein performatives Treiben durch das Wasser des Kinos. Die drei Männer bemühen sich um eine flirtende (jedoch verlobte) Frau, sie besuchen einen Konstrukteur und fahren mit einem Boot in Amsterdam.
Wo würden wir nach einer solchen Welt suchen, in der man im gemeinsamen Spiel, sich selbst, die Kamera und die(se) Welt entdeckt? Dieses Kino von Rouch kommt daher wie jenes von Pedro Costa – nur auf den ersten Blick ohne die Schmerzen -, wo bei Costa Geister durch die Bilder zittern, treibt bei Roch die verspielte Polemik einer Performance durch den Film. Die Windmühlen bekommen denselben Wind vom Hauch der Geister und von den neckischen Böhen. Es ist ein Wind, der begehrt, ohne besitzen zu wollen.