Bei Jean-Luc Godard unterscheidet die Kritik verschiedene Phasen wie bei Picasso. Deux ou trois choses que je sais d’elle widerspricht diesem Schubladenansätzen, vielleicht weil der Film aus dem Jahr 1967 ein Scharnier bildet zwischen zwei dieser Phasen, vielleicht aber auch, weil er kondensiert, was Godard über all seine Phasen hinweg verbunden hat (woran er quasi immer noch arbeitet, nach seinem Tod, der ihn nicht von seiner ewigen Resteverwertung abhält). Genug des Phasendreschens: Der Film umkreist in spielerischen und philosophischen Bewegungen (das ist ein und dasselbe bei JLG) die Macht der Worte und die Macht der Bilder, beide in ihrer Weise und auch in ihrer Verbindung eine Sprache.
Die Worte werden zu Bildern oder unterbrechen den Strom der Bilder oder beides und vice versa. Bestes Beispiel dafür ist das flüsternde Voice-Over des Filmemachers, der seine Figuren und deren Denkweisen oder Handlungen beschreibt, während sie im Bild zu sehen sind.
Das ist ein kompliziertes Unterfangen für den Filmemacher und auch für jene, die seinen Film heute sehen, denn heute droht jedes Wort, das man sagt, um die Bilder anzuhalten, nur weitere Worthülsen zu reproduzieren, für die es eigentlich weitere Bilder bräuchte, um die Worte zu stoppen (Teufelskreis der Kultur).
Hier ein von Godard praktizierter Trick, ein Trick der Kinder von Marx: Neu-Zusammensetzen der Elemente und ihrer Funktionen! Montage disparater Elemente! Unzusammenhängendes so betrachten, dass es zusammenwächst! Zusammenhängendes voneinander lösen!
Zu sehen ist eine Hausfrau, Mutter, Prostituierte (hier als Metapher für den Kapitalismus der Oberflächen aber auch als tatsächlich existierendes soziologisches und im Film feministisch diskutiertes Sozialphänomen der Nachkriegsjahre) gespielt von Marina Vlady und wie sie einen Tag verbringt. Gleichzeitig wird, auch wenn sie nicht zu sehen ist, die Produktion des Films sichtbar, die sich derart zur Debatte stellt und fragt, inwiefern sich das Kino abhebt vom Rest der produzierten, konsumierten Bilder.
Es ist zugleich leicht und unmöglich, den Film aus dem Jetzt heraus zu rezipieren. Deux ou trois choses que je sais d’elle zeigt unter anderem (er zeigt es eigentlich nicht, er produziert es) wie das, was geschrieben, gesagt und fotografiert wird, immer auch gleich kapitalisiert wird (Sinnbild dafür ist im Film die Leuchtreklame, aber wir Kinder von Coca Cola und Instagram kennen da weit mehr Beispiele). Gleichzeitig glaubt Godard irgendwie an das Kino und dessen Fähigkeit, wahre Bilder hinter oder in den falschen Bildern zu finden. Das hat mit formalen Entscheidungen zu tun, die Brüche zulassen, Verfremdungen. Vielleicht glaubt er auch an das Anti-Kino, das Kino eben, das dem Kino widerspricht und schon immer die eigentlich wahren Bilder produziert hat. Im Kino hat es immer diejenigen gegeben, die andere Bilder gemacht haben, Bilder, die denen widersprachen, die es sonst gab. Und diese Bilder wurden dann zu den eigentlichen Bildern des Kinos (Duras, Ford, Vertov, Akerman).
(Warum die Filmkultur und ihre Industrien so gefährlich geworden sind, zeigt sich auch darin, dass sie dieses Anti-Kino längst assimiliert haben. Heute jedenfalls kann man sich nette Kosmetikbeutel mit Zwischentiteln von Mekas und glitzernde T-Shirts aus dem Akerman-Metaverse bestellen, keine Zweifel.)
Sein Vorgehen versteht Godard jedenfalls als das Gegenteil einer Schleichwerbung (die Schleichwerbung nennt sich dieser Tage product placement oder #werbung, sie wird konsumiert wie ein oder ihr eigenes Produkt), also so, dass wir die Produkte vor die Nase gehalten bekommen, sie uns aber nicht verkauft werden, sondern dass wir eher über ihre Präsenz in unserem Leben an sich oder die Art und Weise, in der sie uns gezeigt werden, nachdenken. Wir genießen die angenehm farbigen Oberflächen des Films, die schönen Menschen, die in existenzialistischen Posen und doch mit der Leichtigkeit eines Löffels in einer Tasse Kaffee an ihrem Dasein rühren, aber wir merken, dass etwas nicht stimmt. Wir hinterfragen die Verlockung, während sie uns ansieht. Das ist ein bisschen, als würde wir uns beim Flirt der Schwächen des Gegenübers bewusst oder aber, als würden wir uns in wen verlieben, den wir als Betrüger durchschauen. Die erste Variante ist Utopie einer Selbstbestimmung, die zweite Variante ist Realismus.
Wen es nach Sichtung des Films auf die offene Straße verschlägt, sei es aus Gründen des Nachhausewegs oder schlicht, um etwas Luft zu schnappen nach der ansprechenden intellektuellen Berieselung, der wird bemerken, dass die Zutextung und Zubilderung im öffentlichen Raum längst wohltuender aufs Gemüt wirkt, verglichen mit der, die unsereins aus tragbarem Gerät entgegenschwappt. Da sind die vom Kapital beherrschten Bilder und Töne längst der Kahlschlag in einer Wüste. Und das Kino?
Das Lexikon des internationalen Films (was ist das eigentlich? Kann man das kaufen, gibt es das wirklich, wer liest sowas?) schreibt: «Ein zur Diskussion anregender Film, der auch inszenatorisch zu überzeugen versteht.»