Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Vom Geschäft keine Ahnung, Sportsfreund

Kaum jemand wür­de behaup­ten, einen Film kön­ne man nur rich­tig sehen, wenn man ihn auch ver­ste­he. Viel­leicht gra­ben sich die unver­stan­de­nen Tei­le eines Films tie­fer ins Gedächt­nis, als jene, die sich so mit­tei­len, als wären die Gesich­ter auf der Lein­wand nur spre­chen­de Hül­len ohne Geheim­nis­se. Für den Sport im Fern­se­hen gilt das wohl weni­ger. Alle mög­li­chen Ein­blen­dun­gen über den aktu­el­len Spiel­stand, die ver­blei­ben­de Dau­er, das pau­sen­lo­sen Kom­men­tie­ren und Anhäu­fen von Infor­ma­tio­nen, die Augen­bli­cke spä­ter bereits wie­der ver­ges­sen sind, wol­len sich dem mehr oder weni­ger plan­lo­sen Publi­kum mit­tei­len. Jedes noch so klei­ne Detail im Ver­lauf des Spiels – ein kur­zer Aus­rut­scher, eine Ges­te, ein Durch­drin­gen des Pri­va­ten im Öffent­li­chen – über­la­gert alles Vor­he­ri­ge und domi­niert fort­wäh­rend die erreg­te Auf­merk­sam­keit, bis irgend­wann eine erneu­te Ver­än­de­rung ein­tritt. Anders könn­te man wohl kaum stun­den­lang Fahr­rä­dern, die sich über enge Päs­se und end­los fla­che Land­stri­che quä­len, oder Bäl­len, die über oder in Net­ze geschleu­dert wer­den, fol­gen, ohne von der eige­nen Seher­schöp­fung bene­belt, lang­sam dahin zu dösen. Wür­de man beim Sport die Men­schen ver­ges­sen, und sehe nur ein geis­ter­haf­tes Hin und Her, dann fie­le es schwer dar­in eine beson­de­re Dra­ma­tur­gie zu erken­nen. Um die­se Dra­ma­tur­gie vor einem Bild­schirm begreif­lich zu machen und dem Publi­kum zu sug­ge­rie­ren, dass es am Spiel teil­nimmt, reicht es aber nicht, Kon­tra­hen­ten in ein Bild zu set­zen, son­dern sie müs­sen bedeu­tungs­ge­la­den durch stän­di­ge Bild­wech­sel ins Ver­hält­nis, in Ver­tei­lun­gen, in Spiel­stän­de, in Ran­kings, gestellt wer­den. Dra­ma­tur­gisch zu den­ken, bedeu­tet in die­sem Fall, sowohl zu wis­sen, was als nächs­tes gesche­hen wird, als auch das Unvor­her­seh­ba­re zu ermöglichen.

Hin­läng­lich bekannt ist, dass sich das Kino in beson­de­rem Maße für sport­li­che Ereig­nis­se inter­es­siert. Am ehes­ten haben das jene Fil­me­ma­cher erkannt, die es als ihre Auf­ga­be betrach­te­ten, die intel­lek­tu­el­le Durch­drin­gung des Kinos wie­der auf ein popu­lä­res Fun­da­ment zurück­zu­füh­ren. So etwa Jean-Luc Godard, des­sen eige­ne Ten­nis­lei­den­schaft sein Werk auf eigen­sin­ni­ge Wei­se durch­zieht. Schon am Anfang von Pier­rot le fou, etwas spä­ter mit Jean-Pierre Gorin in Vla­di­mir et Rosa, kurz in Soi­g­né ta Droi­te, selbst­re­dend in JLG/​JLG – auto­por­trait de décembre, oder in Wim Wen­ders Chambre 666 – neben einem Match im Fern­se­her sit­zend: »Je vais fai­re la bal­le. Je vais fai­re le bal­lot.« (Ich wer­de den Ball spie­len, ich wer­de den Hohl­kopf spie­len.) Gehalt­vol­ler klingt: »Das Kino lügt, der Sport nicht«. Eigent­lich könn­ten alle Fil­me Godards auf einem Ten­nis­platz spie­len, so wie sei­ne Mon­ta­ge­tech­nik die ele­gan­ten Ball­wech­sel im Ten­nis ver­in­ner­licht. Aller­dings war sich Godard auch bewusst, dass so nur noch sel­ten gespielt wird – eher wer­den die Bäl­le ver­dro­schen, mit gereck­ten Fäus­ten und ange­spann­ter Miene.

Inso­fern ähneln sich Kino und Sport dann doch auf eine gewis­se Wei­se – fast könn­te man glau­ben, sie wären inein­an­der ver­liebt. Einer­seits sym­bo­li­siert die Grö­ße des Sports, anhand ihrer Iko­nen, für den Fil­me­ma­cher wie den Ath­le­ten eine Hybris des eige­nen Vor­ha­bens, bedroht vom Schei­tern – etwas, das auf den ange­streng­ten, mus­ku­lö­sen Kör­pern im Schweiß, Trä­nen und manch­mal auch Blut glän­zend erstrahlt. (Vom Hun­ger, dem Durst und Gestank weiß das Kino glück­li­cher­wei­se wenig.) Ande­rer­seits zeich­net sich nach dem über­wun­de­nen Wett­kampf, egal ob gewon­nen oder ver­lo­ren, das regel­rech­te Gegen­teil die­ser Angst ab, indem die sinn­los-tra­gi­schen Figu­ren die Lächer­lich­keit der Mas­sen­be­geis­te­rung bloß­stel­len. Zurück in der Rea­li­tät wirkt die erbrach­te Leis­tung absurd. Sich selbst nicht all­zu ernst zu neh­men, wäre dar­auf wohl die ein­zig wah­re Reak­ti­on. Auch wenn Jan­nik Sin­ner als neu­er Ten­nis-Welt­rang­lis­ten­bes­ter, der ers­te Ita­li­ens, die ange­streb­te Ernst­haf­tig­keit mit ahnungs­los-läs­si­ger Jugend­lich­keit gegen­über sei­ne kaum älte­re Geg­nern zu über­spie­len ver­sucht, womit er sich die Her­zen vie­ler (neu­er) Fans sichert, kann auch er sich die­ser Betriebs­lo­gik nicht gänz­lich ent­zie­hen. Selbst­iro­ni­sche Wer­bung für Guc­ci und sou­ve­rän-nichts­sa­gen­de Ant­wor­ten auf Pres­se­kon­fe­ren­zen erzäh­len von einen Star, der wahr­schein­lich nie einer sein woll­te, son­dern Ten­nis ein­fach nur lieb­te. Unschul­dig steckt dar­in schon ein gewis­ser kul­tur­kri­ti­scher Impuls, den nicht nur Godard son­dern auch Pier Pao­lo Paso­li­ni bedien­te wie am Bei­spiel des jun­gen Eddy Merckx:

»Es gibt für einen Ath­le­ten nur eine Art, sei­ne Frei­heit voll zu ver­wirk­li­chen: frei um den Sieg kämp­fen zu kön­nen. Die Sie­ge schei­nen aber heu­te einem regu­lie­ren­den und repres­si­ven Wil­len zu unter­lie­gen, der demü­ti­gend für Renn­fah­rer ist. Phy­sisch sind sie zwar die­sel­ben wie vor fünf­und­zwan­zig Jah­ren, aber ihre rea­le Ver­bin­dung zu uns hat unwi­der­ruf­lich einen Pro­zeß der Ent­frem­dung und Ver­fäl­schung durch­lau­fen. Merckx ist ein so gran­dio­ser Sport­ler, weil er unbe­ein­flußt von all dem siegt. Der Kör­per von Merckx ist stär­ker als der Kon­sum, der sich sei­ner bemäch­ti­gen will.« (Paso­li­ni)

Im Nach­hall der French Opens lässt sich dahin­ge­hend in Luca Gua­d­a­gni­nos Chal­len­gers beob­ach­ten, wie tra­di­tio­nel­le Sport­be­geis­te­rung in ein pro­gres­si­ves Gewand hüllt wird: Zwei ange­hen­de Ten­nis­pro­fis – die unein­deu­ti­gen Män­ner­freun­de Art Donald­son (Mike Faist) und Patrick Zweig (Josh O’Connor) – umwer­ben die eben­so jun­ge, auf­stre­ben­de Ten­nis­spie­le­rin Tashi (Zen­da­ya). Alle drei tref­fen erst bei einer Tur­nier­par­ty und wenig spä­ter auf der Bett­kan­te zusam­men. Dass hier zu dritt weder Ten­nis noch mit der gegen­sei­ti­gen Lust gespielt wer­den darf, stellt der Film, an der ein­zi­gen mit­rei­ßen­den Sze­ne über­ra­schend schnell fest, indem sich Tashi von den bei­den wie­der ver­ab­schie­det. Dabei schwebt über allem wohl weni­ger das geteil­te, riva­li­sie­ren­de Inter­es­se an der glei­chen Frau, son­dern der uner­war­te­te gemein­sa­me Kuss zwi­schen den bei­den ado­les­zen­ten Män­nern. Pein­lich über­rum­pelt tren­nen sich ihre Wege fort­an. Den wenig spä­ter been­de­ten ers­ten Satz des Spiels um die Frau gewinnt Patrick, doch nach der kur­zen Lie­be­lei und einem Kreuz­band­riss ent­schei­det sich Tashi doch für Art, der aber irgend­wann statt Lieb­ha­ber oder Ten­nis­pro­fi die Rol­le als gewor­de­ner Fami­li­en­va­ter reiz­vol­ler fin­det. Im Gegen­satz zu den schwär­men­den Män­nern spiel­te eigent­lich nur Tashi Ten­nis mit wirk­li­cher Obses­si­on, bis sie durch die Knie­ver­let­zung früh­zei­tig an ihr Kar­rie­re­en­de kommt, erst Trai­ne­rin und dann Mut­ter wird, um am Ende des Films auf der Tri­bü­ne sit­zen zu dür­fen und ein Spiel der bei­den, inzwi­schen als Kon­kur­ren­ten agie­ren­den, Ten­nis­spie­ler zu ver­fol­gen. Bei­de dabei recht müde. Mit Hil­fe zahl­lo­ser Rück­blen­den und Orts­wech­seln umgar­nen sich die Drei noch eini­ge wei­te­re Male, bevor zum Ende auf dem Hard Court noch­mal Klar­hei­ten geschaf­fen werden.

Die Tri­bü­ne des Films for­dert »gutes Ten­nis«. Für den Nicht­ken­ner, wozu sich auch der Regis­seur offen­kun­dig zählt, bedeu­tet das genau­so viel oder wenig wie: ein »gutes Ren­nen«, ein »guter Film«, ein »gutes Wochen­en­de«. Wür­de man nach den ent­spre­chen­den Kri­te­ri­en fra­gen, blie­be man einer Ant­wort schul­dig. Allem Anschein nach kann man so viel erwar­ten wie bei einem Feu­er­werk, das erst erstrahlt und über­wäl­tigt, bevor es im Nichts zer­stäubt, und manch­mal auch nur des­halb beglückt. Was man sah, kann man kaum aus­drü­cken, doch für einen Moment fühl­te man sich ganz nah, ganz betei­ligt an etwas Außer­welt­li­chem, dort, wo man die Regeln nicht ver­steht. Aber wür­de es die Vor­stel­lung vom »guten Ten­nis« geben, wenn das mitt­le­re, lang­wei­li­ge und vor­her­seh­ba­re nicht nicht auch mög­lich wäre? Denen, die es for­dern, dürf­te das weni­ger auf­re­gen­de vom eige­nen Ten­nis gut bekannt sein. Hier und da mal ein guter Schlag, hilft aller­dings sich dar­über hin­weg­zu­täu­schen und sich trotz­dem Con­nais­seur zu nennen.

In Gua­d­a­gni­nos ver­schlepp­ten Film-Match, ewi­ger, müh­sa­mer Bezie­hungs-Ball­wech­sel, wer­den kurz vor Schluss noch­mal alle Regis­ter gezo­gen, mit der zugleich die ver­spiel­te Lie­be zum Ten­nis wie­der zurück­er­obert wer­den soll. Gera­de­zu, als gäbe es einen Preis zu gewin­nen, der aber schon in wei­te Fer­ne gerückt ist und um den man wie Art nur noch pflicht­schul­dig kämpft. Also weni­ger Dra­ma­tur­gie bezie­hungs­wei­se sport­li­ches Kön­nen und mehr visu­el­les Spek­ta­kel: Die Kame­ra fliegt plötz­lich als Ball über den Platz. Der Boden wird glä­sern und zeigt die Kon­tra­hen­ten von unten. Hin und Her, so schnell, dass die Augen kaum fol­gen kön­nen. Hän­de ver­gra­ben sich ange­spannt in den glü­hend-hei­ßen Plas­tik­schal­sit­zen unter dem knal­len­den Son­nen­licht. Schweiß­per­len rin­nen in Groß­auf­nah­men über haa­ri­ge und glatt­ra­sier­te Haut­par­tien hin­ab. Dabei rücken die bei­den Geg­ner im Schuss-Gegen­schuss immer näher, um sich end­lich wie zwei Sol­da­ten in die Arme zu fal­len, nach­dem sie den beschwer­li­chen Dschun­gel wil­der Ein­stel­lun­gen mit stamp­fen­den Kick­drums durch­quert haben, anstatt wie ange­schos­se­ne Revol­ver­hel­den erstarrt umzu­fal­len. Unmiss­ver­ständ­lich darf sich in die­ser Sze­ne die ange­stau­te sexu­el­le Ener­gie ent­la­den, wel­che über die Lie­bes­wir­run­gen des Films reich­lich ange­sam­melt wur­de. Sie gilt dem männ­li­chen Gegen­über, ver­mit­telt über den Ball. Wür­de man von den klein­bür­ger­li­chen Fami­li­en­sor­gen, dem not­wen­di­gen Sieg und Wer­be­ver­trä­gen abse­hen, bräuch­te man hier nur die Anzie­hung zwei­er Män­ner zu betrach­ten, um die Regeln des Films zu verstehen.

Aber gleich­zei­tig steht, fast schon drän­gend, zwi­schen den Bei­den, wie die Mon­ta­ge nicht müde wird zu beto­nen, eine Frau, um deren Erobe­rung, und dann um deren Wil­len das Spiel gespielt wird. Trotz­dem fragt man sich lang Zeit, wor­in das Zen­trum bezie­hungs­wei­se das Ziel die­ses Films besteht, denn ein sinn­li­cher Exzess oder eine wirk­li­che sport­li­che Ver­aus­ga­bung, auf die sich kon­zen­trie­ren lie­ße, bleibt vor­erst aus. Eben­so wenig tra­gen die Text­ein­blen­dung dazu bei. Weder führt die gestürz­te Frau noch einer ihrer bei­den Ver­eh­rer den Film an. Erst mit der Wie­der­ver­ei­ni­gung der ange­kratz­ten Män­ner­freund­schaft wird der Höhe­punkt des Films erreicht, wor­an aber auf­fal­len dürf­te, dass die­se an kei­ner Stel­le des Films ernst­haft in Gefahr stand. Noch bevor die bei­den Män­ner dar­an dach­ten, sich mit Ver­ach­tung zu beschie­ßen, gin­gen sie sicher­heits­hal­ber auf jovia­le Distanz, ver­lo­ren sich aus den Augen, bis sie sich in der Sau­na vor dem Fina­le wie­der begeg­nen. Außer­dem kom­men sie aus gutem Hau­se und haben, um ihre Exis­tenz sowie­so nicht zu fürch­ten, anders als die Frau zwi­schen ihnen, aber das ist zweit­ran­gig und inter­es­siert nur wenn man sitzt, statt spielt. Es sieht so aus, als bestehe allein die Not­wen­dig­keit, die infan­ti­len Kämp­fe auf­zu­ge­ben, um sich ver­ant­wor­tungs­voll erwach­sen die Hand zu rei­chen und das Ten­nis-Fami­li­en­glück zu ret­ten. Nur wer will dann noch spie­len? Nimmt man an, in einer Ména­ge-à-trois wäre die Lösung des Kon­flikts ent­hal­ten, was dem pro­gres­si­ven Anstrich ent­sprä­che, lässt sich wun­der­bar davon abse­hen, dass die Anzie­hung der bei­den Män­ner des­halb ent­steht und bis ans Ende hin­aus­ge­zö­gert wer­den muss, weil sie hier eigent­lich unmög­lich scheint – ver­drängt, sub­li­miert durch Sport, Spiel und Spaß.

Stets kon­flikt­be­la­den steht die Ten­nis-Beschäf­ti­gung des Kinos in der Regel für ein Ver­hält­nis zwei­er Lie­ben­der – iko­nisch (eben­so mit einem Knie) in Éric Roh­mers Le genou de Clai­re. Dazu muss man auch nicht viel von den Regeln ver­ste­hen, deren Kennt­nis, aber viel Leid erspa­ren wür­de, ein­zig der Ball­wech­sel gibt den Spie­lern ihr Recht. Auf­find­bar ist die­se selbst­ge­nüg­sa­me Ein­fach­heit im Ten­nis in der ehr­furchts­voll beob­ach­ten­den Stil­le des Publi­kums und der Kom­men­ta­to­ren, bevor sie nach einem Punkt­ge­winn von ein paar knap­pen, aner­ken­nen­den Wor­ten gefüllt wird. Dabei han­delt es sich heu­te aber eher um Aus­nah­men han­delt, denn um das angeb­lich ver­wir­ren­de Spiel zu ver­ste­hen, braucht es mehr Infor­ma­tio­nen. Erst wenn die Regeln gebro­chen wer­den, indem ein Drit­ter hin­zu­tritt und sich ein­mischt, beginnt ein Spiel mit unsi­che­rem Aus­gang. Die unge­ra­de Zahl ver­kom­pli­ziert alles. 

Sel­ten ist die­se Ambi­gui­tät so prä­zi­se zu beob­ach­ten wie in Joseph Loseys Acci­dent. Dort unter­schei­det sich die Kon­stel­la­ti­on zwi­schen zwei Ver­eh­rern, einer offen­siv, der ande­re ver­steckt, um eine eben­so jun­ge Frau, nicht all­zu sehr von Gua­d­a­gni­nos Film. Jedoch gelingt es Losey die gan­ze Unüber­sicht­lich­keit in nur einer ein­zi­gen Sze­ne im bes­ten Sinn auf den Punkt zu brin­gen, anstatt zu behaup­ten, man könn­te alles mit Wor­ten erklä­ren: drei bezie­hungs­wei­se vier oder fünf, Freun­de, bereits am Nach­mit­tag ange­trun­ken, begin­nen aus rei­ner Lust ein Ten­nis­spiel. Alle­samt Aka­de­mi­ker tra­gen sie weder die rich­ti­ge Klei­dung noch wis­sen sie, wo sie ste­hen müs­sen. Die Bäl­le wer­den lin­kisch gewor­fen, mit dem Kopf gesto­ßen oder fri­vol-pene­trant auf Kör­per­tei­le der ande­ren gezielt, anstatt ins rich­ti­ge Feld ser­viert. Am Rand wach­sen Rosen, ein Hund bellt, eine Kat­ze hängt im Netz, Kühe in der Fer­ne, es wird gelacht und gespot­tet. Das Spiel endet plötz­lich, ohne dass nur ein Punkt zähl­te, der Ball ging ver­lo­ren, statt­des­sen bracht sich für einen Moment eine gefähr­li­che Zärt­lich­keit Bahn, die jeder­zeit über die ange­spann­te Stell­ver­tre­ter­rol­le des Spiels erzähl­te und das Netz zu über­schrei­ten drohte.

Der ver­lo­re­ne Punkt, dass der Sport nur Mit­tel zum Zweck ist, erfährt auch in Chal­len­gers eine gewis­se Wahr­heit, wenn­gleich um eini­ges tugend­haf­ter, indem sich der Film glei­cher­ma­ßen vor den schö­nen, aber ver­wirr­ten Lie­ben­den und der Wer­be­äs­the­tik ver­beugt, die sich mit luf­ti­gen Piqué-Stof­fen in Weiß über deren ver­schwit­ze Kör­per legt. Gua­d­a­gni­no inter­es­siert sich mehr für das Bild eines Sports, wie er nicht allein durch das Fern­se­hen, son­dern vor allem auch durch Wer­be­spots und rie­si­ge Wer­be­flä­chen trans­por­tiert wird. Nie­mand liegt am Ende des Films oder dazwi­schen erschöpft im Dreck, wäh­rend ein ande­rer tri­um­phiert, viel­mehr lie­gen sich alle ein­an­der befrie­det in den Armen, ganz so als ob man selbst dazu­ge­hö­ren könn­te. Nicht nur intro­ji­ziert die Kame­ra der­lei Vor­stel­lun­gen, die den Sport als ver­meint­lich par­ti­zi­pa­ti­ves Ereig­nis ästhe­tisch fei­ern, auch der Cast des Dis­ney­stars Zen­da­ya als Tashi lässt das her­an­ge­zo­ge­ne klei­ne Glück­ver­spre­chen beim mitt­ler­wei­le voll­jäh­ri­gen Publi­kum weiterleben. 

Obschon Tashi kei­ne Pro­fi­spie­le­rin mehr ist, posiert sie den­noch neben ihrem Mann auf dem haus­ho­hen Wer­be­pla­kat eines Uhren­her­stel­lers und Spon­sors im (und ver­mut­lich auch vom) Film. Man könn­te glau­ben, die Zeit spie­le für Ten­nis kei­ne Rol­le, aber das täuscht, wenn man die zahl­rei­chen Wer­be­un­ter­bre­chun­gen bedenkt. Ein kur­zes Spiel wäre kaum lukra­tiv. Kino und Wer­bung unter­schei­den sich ver­mut­lich maß­geb­lich dahin­ge­hend, dass ers­te­res die Men­schen ver­führt und zurück­lässt, wäh­rend letz­te­re die Men­schen abspeist, denn Zeit kos­tet. In Chal­len­gers dro­hen jedoch Kino und Wer­bung blind­lings inein­an­der über­zu­lau­fen, wenn man in Betracht zieht, wie das sexu­el­le Poten­ti­al, das in bei­den lebt, sich schein­bar nur noch an den Ober­flä­chen inter­es­siert zeigt. Das ernst­haf­te, wenn­gleich ori­en­tier­ung­lo­se Hin-und-Her­sprin­gen des Films spricht dabei eher von einer Antriebs­lo­sig­keit, zuguns­ten eines obses­si­ven Rin­gens um geschäft­li­chen Erfolg für Men­schen, die an ihrer einst geleb­ten Lei­den­schaft zuneh­mend verarmen.

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