Look at me now, a shadow of the man I used to be
Look through my eyes and through the years of loneliness you’ll see
To the times in my life when I could not bear to lose, a simple game
And the least of it all was the fortune and the fame
But the dream seemed to end just as soon as it had begun, was I to know?
For the last thing of all that was on my mind, was the close at the
End of the show
The shadow of a lonely man, feels nobody else
In the shadow of a lonely, lonely man
I can see myself
(…)
(Alan Parson’s Project-Shadow of a Lonely Man)
Aufgewirbelter Staub vor ikonischen Kulissen, die nur selten Kulissen sind. Es sind gefilmte Realitäten und Geschichte(n). Bewegung, immerzu Bewegung! Manchmal sanft-hypnotisch wie schleichende Schatten in The Long Voyage Home oder getrieben von einer brutalen Geschwindigkeit wie in der famosen Verfolgungsjagd in Stagecoach. Pferde, die reiten, fallen, springen und gar sprechen (Kentucky Pride), Schiffe, die treiben, die vor traurigen Silhouetten davon fahren, mit Alkohol angetrieben fast wie in einem Jacques Tati Film krachend dampfen (Steamboat Round The Bend). Züge, die einfahren, die losfahren, die sich durch die Landschaften schlängeln, wie dieses auf den ersten Blick erkennbare Kino eines der größten Filmemacher aller Zeiten selbst. Männer, die stolpern, die torkeln, fast fallen, die übereinander herfallen in einer Massenschlägerei am Ende des sehr irischen The Quiet Man, ein Aufzug, der die verschütteten aus einem Kohlewerk ans Tageslicht bringt wie in How Green Was My Valley. Wir sitzen und warten gebannt auf die Bewegung des Films, denn nur sie wird uns die Geheimnisse hinter dem Licht der Leinwand verraten. Kutschen, die durch das Wasser fahren, die kippen, die zusammenbrechen und immer weiter fahren. Und mitten in diesem Überschwang an poetischen und existentiellen Bewegungen liegt ein Hund in She wore a yellow ribbon und bewegt sich nicht. Denn die Bewegungen sind, wie nicht zuletzt Chris Fujiwara festgestellt hat, immer eine Metapher für Unbeweglichkeit bei John Ford. Die Geschwindigkeit der Welt wird einem nur dann klar, wenn man nicht daran Teil nehmen kann und Ford betreibt dieses Wechselspiel in einer handwerklichen und gefühlsbetonenden Perfektion. Da ist immer etwas, was sich bewegt, aber eigentlich sitzt man still. Ein zugleich gegenwärtiger und vergangener, ja vergänglicher Blick.
Aus zum Teil extrem untersichtigen Perspektiven beobachtet, reiten einsame Männer ihren Idealen nach in die Einsamkeit. Immer wieder verschwinden sie in einem Schatten oder gehen durch das Licht, dessen Existenz ein Bewusstsein für die Fiktionen dieses entkleideten amerikanischen Traums bewirkt. Im unerreichten The Man Who Shot Liberty Valance ist es Ranse, gespielt von Jimmy Stewart, der wortwörtlich zwischen dem Licht und dem Schatten seiner und damit auch der amerikanischen Geschichte oszilliert. Die abgehärteten und doch sanften Männer denken an ihr Zuhause und ertränken ihre Erinnerungen im Wasser des Wilden Westens, dem Whiskey. Daraus entstehen sowohl komische Szenen voller Absurdität und trockenstem Zynismus, als auch eine tragische Abhängigkeit und innerfamiliäre Wutanfälle. Kämpfende, oft wütende und vom Leben verlassene Frauen, die ihre Zärtlichkeit verbergen hinter einer Abwehrhaltung wie Mrs. Jessop in Pilgrimage oder Anne Bancroft in 7 Women als Dr. Cartwright. Ärzte gibt es sowieso überall. Ihre moralische Integrität, die wie in The Horse Soldiers über die empfindlichen ideologischen Schwammigkeiten hinausgreift, ist Bestandteil einer filmischen Welt, die an etwas glaubt: Sie glaubt an Heimat und Wahrheit. Der Glaube an die Heimat wird dabei nicht immer bestätigt, manchmal bleibt sie ein fernes Ziel, eine Sehnsucht oder gar Illusion. Die Wahrheit in einer aufrichtigen und zugleich ironisierenden Haltung liegt in einem Amerika im Werden, einer Geschichtsschreibung, die sich über das ganze Werk spannen lässt oder auch nur über einzelne Filme wie den großartigen Young Mr. Lincoln oder den fließenden The Iron Horse.
Oft verbergen sich die wahren Ideale hinter den einfachsten, auf den ersten Blick gescheiterten Figuren. Will Rogers ist eine solche Identifikationsfigur, sein Doctor Bull der Inbegriff fordianischer Wahrheit, aber auch Judge Priest, den er in Judge Priest spielt, dessen bewegendes Remake The Sun Shines Bright mit Charles Winninger in der gleichen Rolle von einer ähnlich sentimentalen Wahrheit hinter den Gartenzäunen einer Bescheidenheit erzählt, die nichts und doch alles mit den großen Western von Ford zu tun hat, arbeitet nach fordianischen Überzeugungen. Denn die Figuren sind von den gleichen Trieben und Prinzipien angetrieben, ihr soziales Gefüge ist nur ein anderes und sie haben keine Waffen in ihren historischen Händen, um sich zu verteidigen. Die Figuren sind entweder vom Leben überwältigt und stehen sich selbst und alles bemitleidend im Staub oder sie sind durch ihre Umstände abgehärtet und sehen eine Moral, ja eine Hoffnung an einem Horizont, der kaum erreichbar scheint. Oft fügen sie sich ihren geisterhaften Existenzen von einer der größten Schlusseinstellungen (Chaplin dürfte da unerreicht bleiben…), die das amerikanische Kino je hervorgebracht hat in The Searchers, bis zu einem Moment toter Zeit auf einer sandigen Veranda, der alles sagt im wundervollen My Darling Clementine, der mit Henry Fondas Wyatt Earp womöglich den ultimativen Ford Helden hervorgebracht hat, denn Wyatt ist immer zugleich zwischen einer entspannten und wissenden Kontrolle und einer schüchternen, liebenswerten Überforderung eingespannt. Er nimmt sich selbst jene menschlichen Pausen, die jeden Genrefilm von Ford zu etwas anderem machen als eine bloße Formel. In Cheyenne Autumn kehrt er in einer absurd geführten Variante voller Stil und Coolness interpretiert von Jimmy Stewart zurück auf die Leinwand. Wyatt Earp steht für ein Begehren nach Leben und Schönheit im Westen, eine Betonung von Einfachheit, die sich auch darin äußert, dass sich im Universum von Ford selten als erste Lösung der gewaltvolle Konflikt offenbart.
Vielmehr handeln die Figuren immer ihrem Überleben entsprechend. Ein gutes Beispiel dafür wäre der in seiner West-Romantik nur von Rio Grande übertroffene Wagon Master. Zwar wird nach einem äußerst abrupten Beginn schon nach Sekunden geschossen, aber im weiteren Verlauf wird Gewalt wie an einem seidenen Faden hängend nur äußerst vorsichtig gespannt und ein großer Spannungstouch des Films hängt an der Antizipation der Gewalt, die sich eben nicht in wilden Fantasien entlädt, sondern immer mit der Vernunft und Unvernunft der Geschichte im Einklang steht. Hierbei denkt man natürlich vor allem an die Kriegsfilme von Ford, allen voran seine großartige Dokumentation The Battle of Midway, die ihre Größe selbstredend nicht aus dem Patriotismus gewinnt, sondern insbesondere aus den erstaunlichen Anfangsminuten, die eine schwebende 16mm-Idylle mit Vögeln und Sonnenuntergängen evozieren, wie man sie wohl kaum in einer Dokumentation über eine der größten Kriegsschlachten der amerikanischen Geschichte erwarten würde. Wieder wird Gewalt nicht einfach als Gewalt genommen. Ein Gegenpol dazu wird aufgebaut. Typisch für die Ausweglosigkeit ist die erbarmungslose und ermüdende Isolation der Helden bei Ford. Ein in seiner Nacktheit fesselndes Beispiel wäre die Wüstenkriegsmelodie The Lost Patrol, in der die Einsamkeit und Isolation in einer existentialistischen Last Man Standing-Grausamkeit ihren Gipfel erreicht. Dabei spielt wie in vielen Filmen von Ford, darunter auch und insbesondere in They Were Expendable und Sergeant Rutledge die Frage nach Würde eine entscheidende Rolle.
Eigentlich scheint Ford gar kein so großes Interesse an den Schlachten und Konflikten selbst zu haben. Vielmehr gilt sein Interesse den Gesichtern, Körpern und Handlungen seiner Amerikaner und wie umgegangen wird. Dies ist eine der Erklärungen für das manchmal zu Unrecht kritisierte und immer präzise Einsetzen des Off-Screens bei Ford. So zeigt er häufig die „Feinde“ seiner Helden nicht oder nur kurz und lässt sie so als unsichtbare Bedrohung agieren. Selbiges gilt für die Sehnsüchte nach Frauen und Männern, nach Heimat und Familie, nach Alkohol, nach dem Leben und Sterben, deren Existenz man beim Blick in die Augen der Figuren nachvollziehen muss, da Ford nicht allzu viel von Flashbacks oder ähnlichen Hilfsmitteln hält. Er braucht sich dieser auch nicht bedienen, denn zu versiert ist sein Umgang mit dem Bild in dessen gegenwärtiger Vergangenheit. Er ist zusammen mit Charlie Chaplin vielleicht derjenige Filmemacher, der die klarsten und doch zugleich komplexesten Kamerapositionen und Kamerabewegungen findet, man kann fast nichts anderes sagen als: Die Kamera bei Ford hat immer Recht. Dabei spielt natürlich seine extreme Vorliebe für Rahmungen und fotografischen Mehrwert in einer unglaublich detaillierten Erforschung der Tiefenschärfe und der Totale eine entscheidende Rolle. Jedoch darf man nicht über die Experimentierfreude von Ford hinwegsehen, denn da gibt es Kameras die auf einer Kutsche positioniert sind, wenn diese in einen Fluss fährt, da gibt es den Mut, Figuren im Schatten stehen zu lassen oder am Rande des Bildes. Auch gibt es da das Ausreizen der Möglichkeiten im Bezug zur Geschwindigkeit einer Kamerabewegung noch zu Stummfilmzeiten. Ähnliches gilt für die Montage, die manchmal elliptische Züge bekommt wie in Young Mr.Lincoln, anderswo den Geschwindigkeitsrausch verstärkt und dann doch wieder so lange wie möglich vermieden wird, um die Bewegung im Bild zu betonen.
Weniger originell ist Ford im Umgang mit Musik, allerdings verweist nicht zuletzt Peter Bogdanovich in seiner Dokumentation Directed by John Ford auf wiederkehrende musikalische Motive in unterschiedlichen Filmen. Bei all dieser handwerklichen Virtuosität muss man natürlich auch darauf verweisen, dass Ford praktisch jederzeit mit den besten Produzenten (manchmal zu seinem Final-Cut Leiden), Kameramännern, Komponisten und Drehbuchautoren Hollywoods arbeitete. Ob Bert Glennon, Gregg Toland, Winton C. Hoch oder Arthur C. Miller, die Bildermacher von und mit Ford spielen in einer eigenen Liga. Insbesondere in der Zusammenarbeit mit Toland jedoch öffnet sich in The Grapes of Wrath und The Long Voyage Home ein dürstendes Glänzen in den Gesichtern und dieser unbeschreiblichen Tiefenschärfe auf, dass nicht nur alle anderen Bilder von Ford sondern ganz sicher auch von Toland überragt. Es bleibt John Wayne. Er sitzt in einem brennenden Haus, er trinkt und leidet, er lauscht dem Flötenspiel und träumt von Stockholm, er zerrt seine Frau durch das grüne Gras, er zeigt keine Schwäche, keine Angst, weil er der Inbegriff einer Selbstaufopferung ist, die jeden Wert über das Individuum stellt und das Individuum dadurch zu einer ungeahnten Stärke kommen lässt. Widerwillig und doch schmunzelnd zieht er eine Lesebrille an, trinkt einen Schluck und liest vor: When the legend becomes fact, print the legend. So long ya bastard!