Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Alles dreht sich (Etalagen V)

Eine gewis­se Unru­he ver­spü­rend, wer­den hier Din­ge zuein­an­der gestellt, die gemein­hin getrenn­te Wege gehen bezie­hungs­wei­se befah­ren. Auf den ers­ten Blick fal­len die Renn­rä­der auf, die an sil­ber­nen Ket­ten prunk­voll von der Decke hän­gen. Das ers­te, ein him­mel­blau­es Col­na­go, Dura-Ace-Schalt­grup­pe mit gel­ben Akzen­ten am Ober- und Unter­rohr. Zwar sehen die Rei­fen aus, als hät­ten sie noch nie Asphalt berührt, doch der abge­ses­se­ne Sat­tel wüss­te eini­ge Geschich­ten vom Leben auf der Stra­ße zu erzäh­len. Irri­tiert muss man fest­stel­len, dass es sich weder um ein Fahr­rad­ge­schäft noch eine Werk­statt han­deln kann. Im Hin­ter­grund fal­len hoch­tou­ri­ge Motor­rä­der auf. Chop­per für die Lang- sowie Super­sport­ler für die Renn­stre­cke, dazwi­schen auf dem ölver­schmier­ten wei­ßen Fließ­bo­den eini­ge Kis­ten, ver­mut­lich gefüllt mit Ersatz­tei­len. Hin­zu kommt ein Auto­rei­fen, mit schwarz mat­tier­ter Fel­ge, dar­auf zwei Modell­fahr­zeu­ge und Figu­ren einer Car­rera-Bahn dra­piert. Die Renn­bahn schlän­gelt sich durch das eben­erdi­ge Lokal. Immer wie­der tau­chen klei­ne Sport­wa­gen auf, vor allem ein Por­sche Car­rera, über den sich eben­so ein Foto­buch dort befin­det. Außer­dem win­zi­ge Figu­ren, die die Stre­cke betrach­ten. Im Dun­keln dahin­ter ein gel­bes Stahl­rah­men-Bahn­rad, Her­stel­ler nicht zu erken­nen. Auch ein Col­na­go? Im Fens­ter rechts dane­ben das­sel­be Arran­ge­ment: Renn­bahn, Modell­fahr­zeu­ge, Ersatz­tei­le, rei­hen­wei­se Fahr­rä­der im Hin­ter­grund. Von der Decke ein Moun­tain­bike, selbst­ver­ständ­lich Col­na­go, in Air­brush Regen­bo­gen-Optik. Nebst auf sel­ber Höhe ein Renn­rad in Blau-Weiß, Schalt­grup­pe und Lauf­rä­der von Cam­pa­gno­lo, der Rah­men trägt den Schrift­zug Car­rera. Folgt man der Renn­bahn um die Ecke, begeg­net man als ers­tes hin­ter den blau ein­ge­fass­ten Fens­ter­schei­ben einem fuchs­ro­ten Stahl­rah­men-Bahn­rad von RIH. Tief­hän­gen­der Vor­bau, grau umwi­ckel­te Len­ker, stei­les Mit­tel­rohr auf dem ein brau­ner Leder­sat­tel thront. Der feh­len­de Antrieb lässt dar­auf schlie­ßen, dass die­ses Gefährt bes­ser nicht mehr bewegt wer­den soll­te, um sei­nen Schlaf nicht zu stö­ren. Traum: von einem Ren­nen alter Tage auf knat­tern­dem Holz­bo­den, mit acht Bar Schlauch­rei­fen, jeder­zeit bereit zu plat­zen, nicht anders als die unbe­fahr­ba­ren Schot­ter­stra­ßen von Luc Moul­lets Par­pail­lon. »Zu jeder Gele­gen­heit«, emp­fiehlt unter­des­sen die anti­quier­te Mar­ti­ni-Wer­bung auf einem Sims direkt dar­un­ter. Rechts dane­ben ein rot ein­ge­fass­tes Tablett, wor­auf sich fünf Apé­ri­tif­glä­ser und zwei Krü­ge ver­tei­len, alle­samt mit Mar­ken­em­blem ver­se­hen, die gelas­sen zur Stra­ße lächeln. Ein manns­ho­her Plüscheis­bär sitzt kopf­ge­neigt dahin­ter auf einem Motor­rad, als hät­te er den letz­ten Vieux Car­ré allein getrun­ken. Es hängt eine ein­sa­me Ver­las­sen­heit an den Din­gen, die sich auf die polier­ten Ober­flä­chen in not­dürf­tig abge­wisch­ten Staub­stel­len einer alten Pas­si­on zeich­net. Neu­er­dings sehen Fahr­rad­lä­den und Auto­häu­ser aus wie Kaf­fee­häu­ser oder Elek­tro­fach­ge­schäf­te. Jedes noch so sau­be­re Geschäft kann aber kaum ver­ber­gen, wenn es mit Fahr­zeu­gen han­delt, die manch­mal lei­dend nach Öl schrei­en, nur um dann wie­der fried­lich zu ver­stum­men. Es lässt sich hin­ter den Schei­ben ein Geruch von Gum­mi­ab­rieb und Ben­zin­ge­misch erah­nen. Ohne etwas zu rie­chen, ein Ste­chen in der Nase, wäh­rend es zu reg­nen beginnt.

(Laza­rett­gas­se)