Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Beleuchtungsanlagen (Etalagen IV)

Die hauslange Glasfront hat etwas von ihrem Glanz eingebüßt, ihre Scheiben sind stumpf geworden, die Rahmung hat ihre Form verloren. Der Regen hat Blütenstaub und Abgase vermischt, seine Spuren umschmeicheln die Auslage milde. Es handelt sich um zwei große Flächen, die sich in mehrere zurückgesetzte Kompartimente aufteilen. Man könnte glauben, in kleine Kaffeehausbuchten zu schauen, ohne Tisch und Stuhl, dafür mit vielen Beleuchtungsmöglichkeiten. Fünf Capriccios, in denen vielleicht das Licht für Godards Passion gefunden wäre, aber nichts leuchtet mehr. Linker Hand – so weit entfernt, als würde es aus dem Gesamtbild herausfallen – hängt von oben herab, vor einer sanft geschwungenen Gardine, ein Kronleuchter im staubigen Grau. Ein Kabel knotet sich um die Kettenaufhängung des Lusters, das Baldachin hat den Kontakt zur Decke verloren und es sieht beinah so aus, als würde der Leuchter schweben. Der Boden wurde mit Watte ausgelegt, wie im Himmel. Dort gebettet, ruhen zwei Wandstrahler, allerdings ohne Leuchtmittel. Einige andere in unterschiedlichen Ausführungen, Gold und Silber, mit zwei oder drei Fassungen, lehnen an der Wand. Ein verdunkeltes Paradies. Etwas versetzt, steht ein schwarzes Mikroskop nebst einer Schreibtischlampe ganz in Weiß. Entlang einer roten, vom Sonnenlicht schon ausgeblichenen Wand, an der ein Duo zweiarmige Kerzenleuchter orientierungslos verweilt, wird man ins nächste kleine Reich geführt. Hier wieder ein Luster, wesentlich prächtiger und in Gold gehalten. Darunter liegen einige Außenlaternen so verstreut, als wären sie direkt aus den Wolken herab gestürzt, ergänzt von Christbaumschmuck: kleine, schillernd-rote Figürchen – Nussknacker, Schaukelpferde, Engel, mit Schlitten fahrende Kinder. Auf der anderen Seite des Eingangs, wo eine vergilbte Fotografie des Besitzers, der an einem marmornen Treppenaufgang lehnt, verziert mit einer goldenen Laterne ähnlich einer Galionsfigur, wird man sowohl von rustikalen als auch modernen Entwürfen begrüßt. Nochmals einige Wandleuchter in Kerzenoptik sowie mit Schirmen aus Milchglas, manche in elegant geschwungenem Messing, andere aus naiv verschnörkeltem Bronzeimitat. Von oben nun Hängelampen, eine gleich einer monströsen Glühbirne, eine weitere erinnert mit ihrer kugeligen Form an die Ausstattung der tief in der Erde vergrabenen sowjetischen U-Bahnhöfe. Die Offenheit einer Lampe bestimmt darüber, wie sehr sie im Licht der Öffentlichkeit steht. Je umgrenzter der Lichtkegel, desto privater ihr Schein. Mit diesem zwielichtigen Gedanken, der an die vielen unbeschirmten Lampen mahnt, gelangt man in den vorletzten Bereich, der jetzt fast schon den fürstlichen Gemächern aus Die Maske des roten Todes von Edgar Allan Poe ähnlich sehen könnte. Ein zweistöckiger Luster mit Adler an der Spitze; zwei Stehlampen – eine mit Sockel aus einer blumenbemalte Vase, die andere mit floral gestaltetem Schirmmuster, beide umweht die bestimmte Aura einer vom dauernden Licht gezeichneten Zerbrechlichkeit. Ganz hinten zwischen toten Fliegen und Teppichflecken (hier liegt eher der Tod als der Himmel im Bett) wieder in Plastikkartons verpackter Weihnachtsschmuck aus Porzellan. Die letzte rote Wand weist einige Benutzungsspuren auf; zwei kahle Stellen, parallel zum fehlenden Buchstaben des Namenszugs darüber, deuten darauf hin, dass hier schon lang kein Licht mehr brannte, abgesehen von der melonenschnittartigen Wandleuchte. Zu schön, zu gewollt oder nur vergessen? Im rechts liegenden Kompartiment verdüstert sich die abgelaufene Reihe. Einige Gegenstände tauchen erneut, aber in Abwandlung oder Mutation, auf. Die Tischlampe erinnert an das Mikroskop, die Stehlampe an den Stumpf eines Tannenbaums. Außerordentlich viel Kristallglas ist im Spiel. Es kann sein, dass es sich um eine Spiegelung handelte, doch für einen Moment erscheint an der braun getönten, aber matt schimmernden Schlusswand, als wäre sie aus Velours, der verblichene Porträtausschnitt eines niederländischen Barockgemäldes. Das geschäftige Wiener Dunkelheit wird von zahlreichen Lampenhandlungen überstrahlt.

(Burggasse)