Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Berliner Kassiber: Blutbuche

Die Blutbuche am Invalidenfriedhof bedeckt sich mit ihren eigenen Schatten. Glücklich wer sich so selbst kühlen kann! Auf der aschgrauen Rinde tanzen die Projektionen von Schattenblättern in der sommerlichen Brise, Käfer ducken sich, weil sie nicht unterscheiden zwischen einer Sache und dem, was sich hinter einer Sache vom Licht versteckt. Ich warte auf dich, bin zu früh. Jetzt wird etwas geschehen, das glaube ich zu wissen. Es geschieht immer was, wenn ich auf dich warte.

Aber nichts. Einzig das sanfte Rascheln eines Sommers, der sich nur schüchtern zeigt. Schlafende Generäle, preussische Ruhe, verschmutzte Postamente. Die Spree hat sich längst daran gewöhnt, durch die Geschichte zu fließen. Einige Menschen lesen die Schilder am Friedhof, um zu verstehen, wo sie stehen. Sie lesen, dass hier Menschen zwischen den Toten erschossen wurden. Sie lesen das und dann gehen sie weiter. Ich verstehe nie, wo ich stehe. Ich vergesse den Raum, wenn ich warte. Es will mir nicht in den Kopf: Wenn du hier gleich aufkreuzen wirst, wie kann es dann sein, dass es diesen Ort schon so lange gibt?

Ich gehe über das erddurchtränkte Gras, Hunde rennen zwischen den Sandsteingräbern, sie haben kurzes weißes Fell und keinen Respekt vor der letzten Ruhe. Wozu auch? Wenn ich an solchen Orten warte, denke ich manchmal, wie schön es doch wäre, du wärst auch schon hier und wir würden beide warten, ohne einander zu sehen.