Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Die Josef-Trilogie von Thomas Woschitz

Diagonale-Dialog 3: The virtue of losing oneself in a sea of light

Nun wo das Fes­ti­val lang­sam dem Ende zugeht, begin­nen sich ers­te Gedan­ken bezüg­lich der eige­nen Wahr­neh­mung zu for­men. Was ist es, was man da sieht und wor­über man spricht? Gelingt es uns immer von unse­rem per­sön­li­chen Wert­ur­teil zu abs­tra­hie­ren und jeden Film tat­säch­lich als das zu sehen, was er ist? Steckt dar­in nicht eine phä­no­me­no­lo­gi­sche Unmöglichkeit?

Rai­ner: Ges­tern haben wir uns gar nicht gese­hen. Das ist ange­sichts der Grö­ße des Fes­ti­vals schon bemer­kens­wert. Ich habe den gan­zen Tag im sel­ben Kino und sogar im sel­ben Saal ver­bracht – das habe ich auch noch nie geschafft – ich kam mir vor, wie die Saalregie.

Patrick: Ich hat­te die Ehre vom König der Saal­re­gis­seu­re in mei­nen Film ein­ge­führt zu wer­den. Er hat sich noch­mal gestei­gert und das KIZ Roy­al bleibt daher mein Lieb­lings­ki­no hier.

Rai­ner: Ja, zum Glück ist er die­ses Jahr wie­der dabei. Ich mag ja das Schu­bert­ki­no lie­ber – solang es nicht ver­stopft ist, hat es etwas von einem Wohn­zim­mer, wo man den gan­zen Tag ver­brin­gen kann (was ich ges­tern dann auch gemacht habe). Wie war das zwei­te Scree­ning dei­nes Films?

Patrick: Ich habe den Feh­ler gemacht, dass ich raus­ge­gan­gen bin dies­mal. Ich dach­te, dass es dann weni­ger belas­tend ist, den Film anzu­se­hen. Aber da fehlt mir dann schon noch die Sou­ve­rä­ni­tät und im End­ef­fekt bin ich um das Kino her­um­ge­schli­chen in der Zeit. Aber es gab viel mehr Feed­back und ich habe das Gefühl, dass man etwas erah­nen kann, wenn man ihn sieht. Hat­test du High­lights gestern?

Rai­ner: Die inter­es­san­tes­te Erkennt­nis war, dass die Dia­go­na­le für mich eigent­lich ein Kurz­film­fes­ti­val ist, wo ich hin und wie­der auch Lang­fil­me sehe. Gemocht habe ich aber auf jeden Fall die Josef-Tri­lo­gie von Tho­mas Wos­chitz, die im Rah­men der Per­so­na­le zu Gabrie­le Kran­zel­bin­der lief. Ein Film, der mehr über Öster­reich aus­sagt, als man zunächst ver­mu­ten wür­de: mit bit­ter­bö­sem Humor, Kärnt­ner Dia­lekt und Berg­s­et­ting. War bei dir was dabei, das heraussticht?

Patrick: Also das mit dem Kurz­film­fes­ti­val sehe ich anders. Neben Die Geträum­ten hat mich näm­lich auch Brü­der der Nacht sehr über­zeugt. Klar, die waren bei­de in Ber­lin, aber lang sind sie trotz­dem. Letz­te­rer ist eine fas­zi­nie­ren­de Arbeit im Stri­cher-Roma-Milieu in Wien, die sich ein wenig in Bil­der von Fass­bin­der oder Ken­neth Anger ver­liebt und dar­aus ein Spiel schafft, das durch­ge­hend fas­zi­niert und sich in pure Bewe­gung auf­löst. Dazu noch ein Film wie Jeder der fällt hat Flü­gel und zumin­dest sehens­wer­tes wie Kori­da…es gibt schon lan­ge Fil­me hier, oder hast du da gar nichts bis­lang gesehen?

Putty Hill von Matt Porterfield
Put­ty Hill von Matt Porterfield

Rai­ner: Nein, das mein­te ich nicht. Klar gibt es auch genug lan­ge Fil­me, aber bei mir läuft es meist auf Kurz­film­pro­gram­me hin­aus. Natür­lich sehe ich hier auch Lang­fil­me, ges­tern zum Bei­spiel Put­ty Hill von Matt Por­t­er­field (den du kennst, wenn ich mich rich­tig erin­ne­re). Dass du hier sehr vie­le Lang­fil­me siehst, wäh­rend ich die Kurz­film­pro­gram­me vor­zie­he, könn­te einer der Grün­de sein, wes­halb wir uns nicht so oft über den Weg laufen.

Patrick: Ich schaue schon auch Kurz­fil­me. Wir haben nur einen völ­lig unter­schied­li­chen Zeit­plan. Put­ty Hill ken­ne ich und schät­ze ich sehr. Por­t­er­field ist für mich all­ge­mein ein sehr span­nen­der Regis­seur, weil er die­ses Drif­ten in einer moder­nen Welt greif­bar macht, um es mal etwas pau­schal run­ter­zu­bre­chen. Wie ging es dir damit? Es gab auch ein Gespräch?

Rai­ner: Ja, schon klar, ich den­ke trotz­dem, dass wir unter­schied­li­che Gewich­tun­gen haben in unse­rer Pro­gramm­zu­sam­men­stel­lung. Any­ways, Put­ty Hill ist ein klei­nes Mys­te­ri­um für mich. Prin­zi­pi­ell müss­te ich die­sem Film eigent­lich sehr viel abge­win­nen kön­nen, weil er stark mit Fik­ti­ons­ebe­nen und Kon­ven­tio­nen spielt, was ich für gewöhn­lich sehr inter­es­sant fin­de. Aller­dings konn­te ich Put­ty Hill trotz­dem nicht so viel abge­win­nen – der Film lief ein wenig an mir vor­bei – und er hat mich nicht berührt, was viel­leicht der Knack­punkt war. Es ist ja doch eine sehr emo­tio­na­le Geschich­te, aber sie hat nichts mit mir gemacht. Ich glau­be ich muss mir das irgend­wann noch­mal anse­hen. Da es im Gespräch um Por­t­er­fields Ein­fluss auf Sebas­ti­an Brames­hu­bers Und in der Mit­te, da sind wir ging, den ich nicht ken­ne, bin ich davor gegangen.

Patrick: War­um ist die­ses emo­tio­na­le Berüh­ren so ein Grundwert?

Rai­ner: Es ist nur eine Ver­mu­tung, wes­halb ich den Film nicht so sehr moch­te. Wie gesagt, schät­ze ich Fil­me wie Put­ty Hill nor­ma­ler­wei­se sehr, aber irgend­et­was hat gefehlt. Ich kann ratio­na­li­sie­ren, was der Film (sehr gut) macht und kann im Nach­hin­ein die kon­zep­tio­nel­len Über­le­gun­gen wert­schät­zen, aber ich habe den Film nicht gespürt, als er auf der Lein­wand war. Kei­ne Ahnung, sowas pas­siert manch­mal, viel­leicht hat es auch mit dem Fes­ti­val­set­ting zu tun…

Patrick: Ja, ich glau­be dar­auf will ich hin­aus. Natür­lich will man, dass man etwas spürt, dar­um geht es ja sogar oft. Aber ich fin­de nicht, dass es immer dar­um geht und ich fin­de nicht, dass es immer unbe­dingt am Film liegt, wenn man nichts gespürt hat. Das fällt mir immer wie­der auf bei die­sen Gesprä­chen, die man so hat hier…am Ende wer­den sehr sub­jek­ti­ve Urtei­le gefällt, die letzt­lich doch an einem Bauch­ge­fühl hän­gen, das je nach rhe­to­ri­schen Fähig­kei­ten dann pseu­do-objek­ti­viert wird. Wie man über einen Film spricht, fra­gen sich nur sehr weni­ge. Viel­leicht ist das aber auch eine Ohn­macht, die wir alle tei­len und die letzt­lich das Gan­ze leben­dig hält.

The Exquisite Corpus von Peter Tscherkassky
The Exqui­si­te Cor­pus von Peter Tscherkassky

Rai­ner: Ich ver­ste­he, was du meinst. Um das noch­mal klar­zu­stel­len: Put­ty Hill hat unwei­ger­lich sei­ne Qua­li­tä­ten, die ich gar nicht abge­strit­ten habe oder abstrei­ten will, ich bin eher selbst ver­wun­dert, dass der Film nicht noch zusätz­lich auch auf einer per­sön­li­chen Ebe­ne funk­tio­niert ist, dass der Fun­ke nicht über­ge­sprun­gen ist. Des­halb möch­te ich noch ein­mal auf den Film zurück­kom­men, um fest­zu­stel­len, ob ich tat­säch­lich ein Pro­blem mit einem Aspekt des Films hab, den ich bis­her nicht spe­zi­fi­zie­ren kann, oder ob es an mei­ner Tages­ver­fas­sung oder an der Scree­ning­si­tua­ti­on gele­gen ist. Mir fällt gera­de ein, dass ich in dei­ner Fra­ge nach den High­lights auf Peter Tscher­kass­kys The Exqui­si­te Cor­pus ver­ges­sen habe, den ich ges­tern als ers­ten Film des Tages gese­hen habe, und der erwar­tungs­ge­mäß vir­tu­os ist.

Patrick: Ja, das ist ein her­aus­ra­gen­der Film, der das Begeh­ren mit dem Mate­ri­al ver­bin­det und auf­löst. Bekommst du eher Lust auf Film auf der dies­jäh­ri­gen Dia­go­na­le oder eine Müdigkeit?

Rai­ner: Ich kann mir nur schwer ein Sze­na­rio vor­stel­len, in dem ich kei­ne Lust auf Film habe und vor allem Film­fes­ti­vals ver­stär­ken eher mei­nen Enthu­si­as­mus. Da füh­le ich mich immer selbst ein wenig, wie ein exqui­si­ter Kör­per, der sich in den Fil­men und Kinos auflöst.