Über uns

„Eine ganze Welt öffnet sich diesem Erstaunen, dieser Bewunderung, Erkenntnis, Liebe und wird vom Blick aufgesogen.“ (Jean Epstein)

Drei oder Vier Notizen zu Michael Snows‘ SO IS THIS

von Jan Müller

1. So Is This besteht aus einer Abfol­ge von Wör­tern auf Film­ka­dern. Dazwi­schen Schwarz­blen­den. Das Wort als Gebil­de eines Sat­zes fin­det sich auf der kleins­ten fil­mi­schen Ein­heit wie­der. Die Wör­ter sind punk­tu­ell erfass­bar und erge­ben in ihrer zusam­men­ge­setz­ten Ganz­heit einen Text. Ein Text der ein Film ist und dadurch kein Text sein kann. Der Film geht an die Basis des Kinos. Eine Dau­er. Bewe­gung ein­ge­fal­tet in Zeit. Dun­kel vom Licht durch­bro­chen. Bil­der von Wör­tern in einem vari­ie­ren­dem Rhythmus.

„This is a shot in the dark. This is a screen in the night.“

2. Der Text ist selbst­re­fle­xiv. Behan­delt das eige­ne Text-sein. Den eige­nen Wider­spruch im Film sein. Aber auch sei­ne Pro­duk­ti­ons­um­stän­de, die kana­di­schen Zen­sur­maß­nah­men, Ver­wei­se auf ande­re Text-Fil­me. Hier wird eine Posi­ti­on zum Fil­me­ma­chen ein­ge­nom­men. So Is This bricht mit einem struk­tu­rel­len Kanon des rei­nen oder puren fil­mi­schen Mate­ri­al­den­kens. Es ver­hält sich wie mit gedruck­ten Let­tern auf Papier. Der Ort des Lesens kann nur das Kino sein. Licht auf einer Lein­wand – die kon­zen­trier­te wie über 45 Minu­ten ange­streng­te Lese­si­tua­ti­on schärft den Ein­druck – oder bes­ser Abdruck des Gelesenen.

„So what is important is not this, but how this is used“

3. Spra­che stellt sich selbst dar. So Is This ist ein Stück kon­kre­te Poe­sie. Das Poe­ti­sche ent­steht in der Ver­schlüs­se­lung und Ent­zif­fe­rung eines visu­el­len und glei­cher­ma­ßen text­li­chen Aus­drucks. Die Wör­ter ste­hen für sich und wer­den doch in Form gebracht. In der Struk­tur Ihres Zusam­men­fal­lens bil­den Sie eine eigen­ar­ti­ge Form des Kinos. Text ist hier Gewe­be – eine fil­mi­sche Tex­tur in der man sich ver­liert. Kor­re­liert der Bau eines Sat­zes mit der fil­mi­schen Mon­ta­ge­ar­beit? Ver­ges­sen wir Wör­ter wie Film­spra­che. Pla­tos‘ Sokra­tes sieht im Phai­dros die Ähn­lich­keit von Schrei­ben und Male­rei in der Stil­le, die Sie dem fra­gen­den Betrach­ter gegen­über­brin­gen. Sprach­lo­se Prä­sen­zen als Kern des Poe­sie­be­griffs. Eine merk­wür­di­ge fil­mi­sche Über­tra­gung – redu­ziert auf die Begeg­nung mit dem nächs­ten unge­wis­sen Wort.

„Is the­re any­bo­dy rea­ding this right now?“

4. Man liest – fügt ein­zel­ne Ele­men­te zu einem Sinn zusam­men, gibt ihnen eine Bedeu­tung – und liest doch nicht wie man einen Text liest. Die Zeit­lich­keit des Fil­mi­schen ent­zieht dem Leser die Kon­trol­le über das Ver­wei­len. Man hat Schwie­rig­kei­ten den Wör­tern zu fol­gen – fin­det wie­der einen Ein­stieg. Die fil­misch-beding­ten seman­ti­schen Brü­che des Tex­tes erzeu­gen eine Lust am Text. Eine Lust am Lesen. Man beginnt zu spe­ku­lie­ren, beginnt mög­li­che Wör­ter zu anti­zi­pie­ren – beob­ach­tet ande­re und sich selbst beim Lesen. Man ergibt sich kol­lek­tiv dem Zeichentreiben.